LEICHENREDE AUF DEN H.H. PFR. JOSEF LEUTENEGGER, 1892-1982
gehalten von
H.H. Dr. F. Jeker in der Kirche des kl. Kongreßhauses Gossau
Gossau, 1. Juli 1982
Hochwürdige Herren Confratres!
Teure Trauerfamilie !
Sehr verehrte Trauergemeinde!
Die Majestät des Todes, vor der sich alle beugen müssen, ehrt man am
würdigsten durch das Schweigen. Nach der Macht der Rede ist das
schweigen die grosste Macht auf Erden. Schweigen, tiefes, heiliges
Schweigen, wurde sich auch hier geziemen, an dieser statte, die so oft
in den vergangenen 11 Jahren das machtvolle Wort des nun heimgegangenen
Verkünders des Evangeliums Christi gehört nat. Es lieot es ja die
Kirche, sien in stillem Schmerz vor der Maiestat des Todes zu beugen.
Und wer je das Wort empfunden hat, dass, wenn man sich wahrhaft etwas
zu sagen nat, man sich gedrängt fühlt zu schweigen, der tfird dieses
eindrucksvolle ocnweigen der katholischen Liturgie vor der Majestät des
Todes verstehen.
Was wir in den letzten Wochen gefürchtet, was wir betend abzuwenden
versuchten, das ist nun doch geschehen. Es ist bittere Wanrheit
geworden: Pfarrer Josef Leutenegger ist nicht mehr unter uns.
Ein Zusammenbruch Anfang Juni liess aufhorchen! Das teure Herz war den
gewaltigen Aufgaben, denen sich der verewigte ii;mer noch stellte,
nicht mehr gewachsen. Der Tod hat ihm gewinkt auf Gottes Geheiss: oa
musste er folgen. Und er folgte dem Bruder Tod in ehrfurchtsvoller
Gottergebenheit, wissend, dass hier auf Erden nur zwei beherrschende
Mächte sind: das Leben und der Tod. Das Leben, weil es das Prinzip
aller Tätigkeit ist; der Tod, weil er dem Leben trotzt, der aber,
freiwillig hingenommen, den üipfel der moralischen Grosse bedeutet.
Die Priesterhände, die so reichen Segen ausgeteilt und die einige
zehntausendmal den heiligsten Leib und das kostbare Blut zur heiligen
Wandlung erhoben, halten Sterbekreuz und Rosenkranz im Sarge
umschlungen. Die Fusse, die ihn unermüdlich zu apostolischen
Wanderungen hinaustrugen, ruhen aus. Die Lippen sind geschlossen und
die Zunge ist verstummt, die so Vielen das kostbarste der Güter
hiemeden geschenkt hat: die christliche Wahrheit. Denn die Wahrheit des
Glaubens ist der erkannte Gott, der sich unserem Geiste mitteilt, wie
sich das Licht dem Auge mitteilt.
Das Herz steht still, für immer still, dieses Apostelherz, das die
Seelen mit solch wahrhaft priesterlicner Liebe bis an das &nde
geliebt nat, mit einer Liebe, die das Echo jenes herrlichen
Gotteswortes war: "Mit ewiger Liebe hab ich dich geliebt". Ein
Priesterherz, das sich jahrzehntelang verzehrte in heiliger Liebe fur
seine Gemeinde der Gläubigen, so wie der Docht des ewigen Lichtes,
schwächer und immer schwacher werdend, um dann vor dem Erlöschen noch
einmal aufzuflammen in lodernder Glut.
Wir werden uns daran gewöhnen müssen, langsam und schwer, dass wir nie
menr den Glanz dieses leuchtenden Auges sehen, nie menr den Klang
dieser so eindringlichen stimme hören, nie mehr die heilige Glut dieser
Seele eines deroldes und Streiters Christi spüren werden; nein, nun nie
mehr!
Darum ging am vergangenen Sonntag, am Tage seines Todes eine so tiefe
Trauer durch die Herzen all derer, die ihn gekannt, als dieses
Nachricht vom namenlosen Unglück im ganzen Land und jenseits der
Grenzen durch die Telefondrahte drang und den Gläubigen in den Kirchen
verkündet wurde. Und am heutigen Morgen liegt Trauer und Wehmut wie ein
dunkler Schleier über diese Pfarrfamilie ahne Grenzen, die sich hier
noch ein letztes Mal vor dem Altare um ihren Vater geschart hat. Sie
klingt hinaus diese Trauer, in alle Gaue des Schweizerlandes, in die
badische, bajuwarische und österreichische Nachbarschaft.
Solch tiefer Trauer gegenüber und vor diesem Eingriff der Majestät des
Todes mochte man am liebsten schweigen, mochte nur zu stillem Gebete an
diesem Sarge niederknien, der so viel teures und unersetzliches birgt.
Aber es gibt Augenblicke, wo das Schweigen so voll Gedanken, Stimmungen
und Empfindungen ist, dass es im Wort die Befreiung sucht. Solches
Erlebnis bewegt unser Inneres in diesem Augenblick, da wir zu Gott
rufen: "Herr gib unserem lieben Seelenhirten Josef die ewige Ruhe! Und
das ewige Licht leuchte ihm!" Pfarrer Josef Leutenegger war eine
Persönlichkeit, eine starke Persönlichkeit. Persönlichkeit liegt in der
dreifachen Grosse des Geistes, des Willens und des Herzens auf dem
Fundament der Persönlichkeit JESU CHRISTI.
Grösse des Geistes, der nicht wie der Knecht in der Parabel seine
Talente vergräbt, sondern damit arbeitet. Grosse des Willens: øur
Persönlichkeit wird nur der sich verleugnende Ascet, der durch i-nergie
den Willen zur sittlichen Tüchtigkeit festigt. Grosse des Herzens: in
jedem Menschenherzen liegt etwas ihm eigenes. Dies zu entfalten ist
seine Aufgabe, muss sein ganzes Sinnen und Trachten sein. Unermüdliche
Arbeit an aich selbst macht allein den Menschen gross und lässt ihn
nicht zur Kopie werden. Geistesgrösse, Geistesfreiheit, Geistesmacht
schaffen also die Persönlichkeit, schufen Pfarrer Leuteneggers
Persönlichkeit. Das Beste und Letzte, was man über diese einzigartige
Persönlichkeit von Pfarrer Leutenegger sagen könnte, ist das, was
ungesagt bleibt, ist das, was man sagen möchte, was in einem brandet
und sich in hundert Gedanken formt, was einem wegflattert, wenn man es
erhaschen will, weil alles nur Geist, Seele, Glut in ihm war. Seele und
Glut war alles an diesem Priester mit seiner klassischen und zugleich
markanten Gestalt, den, hatte man ihn einmal gesehen, man nie wieder
vergass.
Ganz Seele war der Kanzelredner Leutenegger. Wenn er auf der Kanzel
lehrte, wie einer der Macht hat und Hunderte an seinen Lippen hingen,
bereit mit ihm in die Wüste zu ziehen, - so schien eine überirdische
Macht von seiner Priestergestalt auszugehen.
Er erschien wie einer, der von Gott inspiriert ist. bein Wort wuchs zu
einem Strom der Beredsamkeit. Man wurde erfasst bis in die innersten
Fasern der Seele, weil alles an ihm Glut war.
Mit dem Priester Leutenegger war es wie mit dem Felsen: Gott berührte
ihn und es strömten Wasserquellen ewigen Lebens hervor; war es wie mit
dem Berge Sinai: Gott erschien über ihm und es leuchtete alles in
Gottesblitzen; war es wie mit dem Tabor: Gott enthüllte sich ihm und
alles war eingetaucht in einen Glanz der Verklärung. Aber der Prediger
ist nicht nur ein Mensch, der wissend ist und durch das Wort lehrt. Er
ist ein Mann, der das Christentum durch sein ganzes Sein predigt,
dessen Anwesenheit also allein schon eine Erscheinung JESU CHRISTI
bedeutet. Das war letztlich der Prediger Leutenegger, der mit Paulus
sagen konnte: "CHRISTUS ist mein Leben und Sterben mein Gewinn". Der
Prediger ist nicht der Gelehrte, er ist mehr.
Der Gelehrte forscht und stellt fest; der Philosoph begründet, der
Priester aber lehrt, versichert und verbürgt im Namen Gottes. Pfarrer
Leuteneggers Ideen waren Gottes Ideen: klar, gross und weit. Aber so
integral sie auch klangen, sie gehörten in die heutige Zeit. Sie
erfassten alle Bewegungen, die in der Welt draussen tobten, gleichviel,
ob es sich um Theologie, Philosophie, Soziologie oder Politik handelt.
Sie erfassten auch den Einzelnen und die Familie, ob es um die Freuden
und Leiden im Alltag ging, um eine neue Familie, um junges werdendes
Leben oder dem Abschied eines lieben Mitmenschen. Pfatrcr Leutenegger
hat seine Zeit und seine Umwelt klar durchschaut. Ja, davon konnte er
etwas abgewinnen, was man als Prophetenblick bezeichnen möchte. Und wie
selbstverständlich gehört doch die Prophetenfunktion zum Priester und
Lehrer, zum Führer des Gottesvolkes! Da wir nun in grossen Zügen die
Charaktereigenschaften unseres lieben und verewigten Priesters Josef
Leutenegger betrachtet haben, möchten wir nun auch einen Blick werfen
auf das Kostbare Leben, dessen Alles, was irdisch ist, heute zu Grabe
getragen wird.
Unser lieber verstorbener Josef Leutenegger erblickte das Licht der
Welt am 11. Juli 1892 als ältester Sohn von Josef Leutenegger und
Katharina Köchli im thurgauischen Bichelsee. Er könnte also in 10 Tagen
seinen 90. Geburtstag feiern. Nach ihm wurden den Eltern noch 4 ^öhne
und 3 Töchter geschenkt. Heute leben noch 1 Bruder und 2 Schwestern.
Der Vater starb schon 1934 und das Jahr darauf die Mutter. Eine
Jugendzeit im Bauerndorf vor der Jahrhundertwende ist nicht zu
vergleichen mit heutigen Anschauungen. Grundlagen des familiären
Alltags waren Gottesfurcht und daraus abgeleitet Ehrfurcht ror der
elterlichen Autorität. Das Leben war streng geregelt im Tagesablauf,
mit viel Arbeit in Haus und Hof. An Entbehrungen musste man sich
gewohnen, und eine Auflockerung des kargen und eintönigen Alltags boten
kirchliche Feste, Taufen und Erstkommunionfeiern. - Nach der Schulzeit
musste Josef junior gleich daran denken, einen Verdienst zu suchen, um
den Eltern materiell mitzuhelfen, die jüngere Gescnwisterscnar
durchzubringen. Er erlernte deshalb das Handwerk eines
Stickereifachmanns. Die Stickerei war in früherer Zeit ein weit
verbreiteter Erwerbszweig m der Ostschweiz, und die berühmten St.
Galler-Stickereien bewunderte man an den Weltausstellungen von Paris,
London und Bruxelles und auch drüben in der Neuen Welt.
10 Jahre arbeitete unser lieber Verstorbener in der Stickerei. Die
Tätigkeit Defriedigte ihn nicht vollumfanglich. Pfarrer Traber selig
hat das bemerkt. Zudem waren jetzt jüngere Geschwister auch in der
Lage, einem Erwerbszweig nachzugehen. Pfarrer Traber riet also dem
hoffnungserweckenden Jungling zum Studium, &s erging an ihn das
Apostelwort: ""Willst Du mein Junger sein, so verlasse alles und folge
mir nach", und der Junger seines Meisters handelte danach: "RetiDus
relictis secuti sunt eum - Sie verliessen ihre Netze und folgten ihm
nach." Durch eifriges Selbststudium und Privatunterricnt bei Pfarrer
iiaber war es Josef Leutenegger möglich, im Herbst 1916 bereits in die
4. Gymnasialklasse bei den Benediktinern im Kollegium Samen
einzutreten. Das Studium wurde zwar sehr erscnwert dadurch, dass er oft
die ^cnulbank verlassen rousste und in den Militärdienst einrückte,
weil er den Marschbefenl erhielt. Europa war- ja zu dieser øeit im
grossen Volkerringen des I. Weltkrieges.
Jedenfalls, trotz der SchwierigKeiten, Josef Leutenegger nat das
Gymnasium geschaft und konnte es im Sommer 1921 mit dem Abitur
abschliessen, wobei er fast in allen Fächern die erste Note erreichte.
Onne Verzug begann er im gleichen Herbst zielklar sein Studium dor
Gotteswissenscnaft. In der prachtigen Stadt Mailand m der Lombardei war
ein berühmtes Priesterseminar seit den Tagen des heiligen Karl
Borromaus, der mit der Gründung desselben den Willen des Weltkonzils
von Trient erfüllte. Zudem geht auf den heiligen Karl Borromäus eine
Stiftung zurück, weichte jedes Jahr einer Anzahl von jungen schweizer
Studenten einen Studienfreiplatz gewährte. Auch Josef leutenegger nahm
diese wunderbare Gelegenheit wahr, im Herbst 1921 zog er nach der
lombardischen Metropole. Mit inm ging auch ein anderer Student aus
Bienelsee, Emil Specker, welcner spater Prälat und Regens m Luzern
wurde. Das Mailänder Juriesterseminar befand sien noch nicht im
Prachtsbau von Venegono, sondern in der Innenstadt, am Corso Venezia.
-Das Leben war äusserst streng. Religiose Uebungen wechselten ab mit
Studium, Vorlesungen und Fasten. Es gab kaum je ein Frühstück,
höchstens ein Espresso. In der Folge litt Josef Leutenegger unter
gesundheitlichen Störungen, und es schien ihm geraten, das weitere
Studium dann ab 1922 im ïfriesterseminar Luzern fortzusetzen. Auch dort
waren damals ausgezeicnnete Professoren: Subregens Beat Keller, Rektor
der Fakultät Oskar Renz und der Homiletiker Prälat Meyenberg.
Nach 4 Jahren anstrengenden Studium war es endlicn soweit, es naht der
grosse Tag der hl. Priesterweine, als am 12. Juli 1925 - ein Tag nach
seinem 33. Geburtstag - der Apostolische Nuntius Luigi Maglione ihm die
Hände auflegte und zum Diener JESU CHRISTI salbte. "Niim nin das Jocf
Uefa Herrn, sein Joch ist suss und seine Bürde ist leicht." "Weihe und
heilige, on Herr, diese Hände durch diese Salbung und unseren Segen ,
auf dass alles, was sie segnen, gesegnet, was sie weihen, geweiht und
geheiligt werde im Namen unseres Herrn Jesus Christus." - "Empfange die
Gewalt, Gott das Opfer darzubringen, die stesse zu feiern, sowonl fur
Lebende wie fur Verstorbene."
"Empfange den Hl. Geist, denen du die Sünden nachlassen wirst, denen
sind sie nachgelassen, denen du sie behalten wirst, denen sind sie
behalten. Mit dem Gewand der Unschuld beKleide dich der Herr."
Sonntags darauf war die feierliche Primiz zu Büchelsee, ein Freudentag
ersten Ranges für die Eltern und Geschwister, aber auch fur die ganze
Pfarrei.
Ein Wermutstropfen: Anstrengendes Studium und Einsatz der ganzen Kräfte
des Neupriesters erheischten nun, dass in erster Linie fur die
Gesundheit gesorgt werden musste, bevor er einen Seelsorgsposten
übernehmen konnte, üo musste er droben in Davos das Sanatorium
aufsuchen, damit seine schwer angeschlagene Gesundheit
wiederhergestellt werden konnte. In diese øeit fällt der Beginn einer
wertvollen Freundschaft: im deutschen Kriegerkurhaus lernte er den
jungen Priester Johann Baptist Walz (1894 - I966) kennen, den
nachmaligen Dogmatikprofessor von Bamberg. Nach einiger Zeit war die
Gesundheit wieder soweit hergestellt, dass er den Vikariatsposten im
luzernischen Hohenrain übernehmen konnte. Dort blieb er zwei Jahre.
1927 bis I929 war er Vikar in Würenlingen im Aargau. Er war als
eifriger und fähiger Priester von der Bevölkerung so geschätzt, dass er
dann zum Pfarrer gewählt wurde. Diese stelle behielt er bis 1932. Dann
übernahm er eine Pfarrstelle in seiner thurgauischen Heimat, in
Basadingen. 1936 erfolgte seine Wahl zu seiner Lebensstelle. Er wurde
Kirchherr im solothurnischen Oberkirch. Volle 28 Jahre hat er in dieser
weit verzweigten Bauerngemeinde sein Bestes gegeben. Manche Freude gab
es da zu erleben, wie etwa die Weihe der neuen Kirchenglocken, der
Besuch aus dem Mohrenland und die Prozessionen zu Ehren der
%ittergottes von Fatima. Auf der anderen aeite bescherten bisweilen
Vikare und Cooperatoren verschiedenster Provenienz insofern
Schwierigkeiten, da sie schon zur damaligen Zeit ein beachtliches
Eigenleben an den Tag legten.
Kehren wir zurück zur Muttergottes von Fatima: Es war ein Grundzug des
Priesters Josef Leutenegger, dass seine ganze Seelsorgstätigkeit durch
und durch eucharistisch und marianisch ausgerichtet war. Oft
organisierte er Wallfahrten zu den marianischen Gnadenstätten, nach
Lourdes, Fatima, La Salette und Loreto. Und ohne Zweifel können wir
daran ein Zeichen des Himmels sehen, dass ihn die himmlische Mutter an
einem ihrer Festtage heimgeholt hat. Im christlichen Kalender war der
vergangene Sonntag das Fest der Muttergottes von der immerwährenden
Hilfe 1964 übergab Pfarrer Leutenegger nach 28 Jahren eifriger
Seelsorgstätigkeit das Pfarramt in jüngere Hände. Er bezog eine Wohnung
in Schwyz, zusammen mit seiner lieben Schwester Anna, die ihrem
priesterlichen Bruder in goldener Treue ein halbes Jahrhundert lang im
Haushalt diente. Doch kaum in Schwyz, berief ihn Bischof von streng
nochmals als Pfarrverweser nach Basadingen TG. øms dem Provisorium
wurden zwei Jahre! I966 kehrte er wieder nach üchwyz zurück. Aber auch
dort gab es kein Ausruhen. Sonntag für Sonntag übernahm er
seelsorgerliche Verpflichtungen, zur Zeit seines 80. Geburtstages war
er längere Zeit Kaplanei-Verweser in Ried- Muotathal. Ich selber
erinnere mich, wie er im Herhst 1970 mitwirkte an meiner Priesterweihe
und nachher an meiner Primiz.
Immer mehr musste er zur Betreuung der verunsicherten Schafe sich
aufmachen, überall in der Schweiz hat ein falsch verstandener
Aonzilsgeist bei vielen Gläubigen Wunden geschlagen, aber auch jenseits
der Grenzen. Statt auszuruhen, begann sich seine Seelsorgstätigkeit
immer mehr auszuweiten, notgedrungen durch die situation der Zeit...
In diese Zeit hinein fällt das Ereignis, welches vielleicht das grösste
Ereignis dieses Priesterlebens war, ja, es ist ein säkulares Ereignis,
dass ein Priester als Gottes Werkzeug eine solche Auszeichnung
überhaupt erlebt. Wir müssen das erwähnen, es wurde für den Priester
Josef Leutenegger zur Hauptsache schlechthin, sein Leben wurde zum
Leben für die hll. Eucharistie und für das kostbare Blut. Würde man
dies nicht erwähnen, es würde eine Verkennung und Missachtung dieses
Priesterlebens bedeuten, wir feiern heute das Fest des kostbaren
Blutes. Auch das ist wie eine Auserwählung Gottes, dass sein Werkzeug,
der Künder und Herold des kostbaren Blutes an diesem Festtag zu urabe
getragen wird, in der Kapelle Stich von Maria Rain, bei Nesselwang im
Allgäu, zelebrierte Pfarrer Leutenegger mehrmals die hl. Messe. Am 9.
Juni und ein weiteres Mal am I4. Juli des Jahres 1970 gewahrte er auf
dem Korporale nach der hl. Handlung bräunlich-rote Flecken. Eine
neutrale Untersuchung brachte zu Tage, dass es sich bei diesen Flecken
nicht bloss um Messwein handelte, sondern um Blut, dessen Gruppe und
Angehörigkeit - eines jüngeren Mannes in Agonie - bestimmt werden
konnte. Selbstverständlich, Priester wie Gläubige, standen gebannt wor
der Tatsache eines Wunders. Das kostbare Blut hat sich geoffenbart.
Nicht einem jungen Theologieprofessor, sondern einem durch die
Jahrzehnte erprobten 3>eelenhirt, der die Last und Hitze des Tages
getragen hat. - "Weiters: Die Bulle "Quo Primum" des heiligen Papstes
Pius V., womit nach dem Konzil ober von Trient der Ritus der hl. Messe
für alle Zeiten festgelegt wurde, datiert vom I4. Juli I57O. Und das
zweite Blutwunder von Stich-Miria Rain fällt genau auf den 14. Juli
1970. Niemand kann im Ernst behaupten, dass das ein reiner Zufall sei.
Vielmehr ist das der Grund, warum eine Kirche des Fortschrittes von
diesem wunderbaren Ereignis sich distanzieren musste, wollte sie sich
nicht selber in höchstem Masse bloss und in Frage stellen. Für den
Priester, wie für die Gläubigen war aber die Echtheit dieser Wunder
sonnenklar; und fortan waren die Korporale für Pfarrer Leutenegger die
grosse Kostbarkeit. Auf ihnen wurde bestätigt, wie JESUS CHRISTUS bei
jeder hl. Messe erneut auf mystische "eise den Tod erleidet. Marianisch
- Eucharistisch: Für diese zwei Pfeiler des Katholizismus arbeitete und
litt der treue Priester Josef Leutenegger die letzten Jahre ohne
Abstriche. "Christus ist dort, wo der Priester gläubig und gültig die
hl. Messe feiert, wahrhaft und wesentlich gegenwärtig, mit Leib und
∞eele, mix Fleisch und Blut, mit Gottheit und Meschheit. ^elber von
dieser Wahrheit von jeher tiefst überzeugt, haben wir beschlossen,
dieses letzte Werk von Prof. Dr. Aalz, mit dem uns eine jahrelange
innige Freundschaft verbunden hat, dem Drucke und damit der
üeffentlichkeit zu übergeben. Möge dadurch der Glaube an Jesus Christus
im allerheiligsten Sakrament in vielen Herzen, besonders in den Herzen
der Priester, wieder erstarken." Diese Worte schrieb Pfarrer
Leutenagger im -kpril 1975 im Vorwort zum Buch von Professor Joh.
Baptist Walz, Die hl. Eucharistie als Kommunionsakrament und als Opfer,
als er es auf seine Kosten drucken liess. Auch er sah, dass der Glaube
an das allerheiligste Altars-Sakrament nicht schon von den ueformatoren
fallengelassen wurde, sondern vielmehr erneut in Frage gestellt wurde,
was war für ihn ein drohendes und unheilschwangeres Zeitzeichen. Und
er, der duren das Wunder des kostbaren Blutes gewürdigt war, war auch
berufen, für den Glauben an das allerheiligste Altarssakrament zu
kämpfen.
Und wieder zurück, zum Marianisch: Viele bewunderten die Aktivität und
Vitalität von Pfarrer Leutenegger bis in allerletzte Zeit, noch im
patrarchalisehen Alter. Für ihn gab es einfach kein Ausruhen, vielmehr
musste mit der Zeit gewuchert werden, um sie einzusetzen im Dienst an
Jesus CHRISTUS und seiner neiligsten Mutter MARIA. Noch Anfang Juni
begab er sich nach St. Pelagiberg für einen Sühneabend mit nächtlicher
Anbetung. Das war doch zu streng, er brach trotz seiner scheinbaren
Robustheit zusammen, er musste nach Hause gebracht werden, wo ihn ür.
Martha liebevoll pflegte. Und von Ferne konnte er schon leise die
Stimme hören: "Komm du guter und getreuer Knecht, gehe ein in die
Freude Deines Herrn " Ja, so lag er, der Kämpfer, der Löwe und Adler
zugleich, wie das Geopferte Lamm auf dem Opfertisch. Er bereitete noch
Predigten vor, für den 'Tag seines 90. Geburtstages, ja bis zur Vigil
des hl. "Johannes des Käufers feierte er das hl. Opfer. Doch der
allerhöchste Meister entschied anders. In der ø'ruhe des Sonntages
schickte er aus seinen Engel, um den getreuen Diener heimzuholen ins
himmliscne Vaterhaus.
Lassen sie mich dieses kostbare Leben und Sterben zusammenfassen in die
Worte des Priesters und Dichters Ernst Kessler (1997 - 1967):
Ein Freund der Künste und des heil'gen Wissens
kamst Du in unsre Lande,
um allen Hirt zu sein.
Zum Adler wurdest Du,
der über unsern Schattentälern kreiste,
und manche Beute
hast Du in stolzem Fluge
Zum Felsennest deines Herrn getragen.
Wie kroch das niedrige Getier
in seine dunklen Schlünde
wenn -"eine Flügel rauschten
über Deines Reiches Feind und Sünde!
Aus vom Marienheiligtume
hobst Du müde zum letzten Male
deine weiten Adlerflügel
und tauchtest
wie ein mit weitgespannten Armen betender
empor zum lichten Aether,
den letzten heil'gen Raub
dem göttlichen Kind heimzuholen.
Da brach Dein Herz
und Deine Flügel brachen.
Doch noch im weh- und qualvollen Fallen
trugst Du die ungebroclime Lilie - in den Adlerkrallen.
Pfarrer Joseph Leutenegger, geb. 11.7.1892, gest. 27.6.1982 Priesterweihe 29.7.1925
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