XIII. Überragende Würde Mariens.
Das Unverständnis der Tatsache von La Salette ist eine natürliche Folge
des Unverständnisses oder der Unkenntnis - übrigens ganz unerklärlich!
- der Vorrechte Mariens. Um nur von ihrer Unbefleckten Empfängnis zu
reden, die ein erschreckendes Geheimnis ist: es ist zu bemerken, daß
sie in Lourdes nicht sagte: "Ich bin ohne Sünde empfangen", sondern:
"Ich bin die Unbefleckte Empfängnis." - Das ist, als ob ein Berg sagen
würde: "Ich bin die Höhe."
Maria ist die einzige, die das Recht hat, von sich selbst absolut zu
sprechen, wie Jesus von sich selbst sprach, wenn er sagte: "Ich bin das
Licht, die Wahrheit und das Leben." Das "Kleid der Sonne" - erwähnt in
der Apokalypse - ist ihr absolutes Kleid. Sie ist so nah bei Gott und
so fern von den übrigen Geschöpfen, daß es eigens einer Anstrengung der
Vernunft bedarf, um nicht in Verwirrung zu geraten. Ich wage sogar zu
sagen, auf die Gefahr hin, selbst in Verwirrung zu geraten, daß, je
mehr Vernunft und Glaube wachsen, desto größer die Muttergottes wird,
und daß man immer weniger fähig wird, sie einzugrenzen, sie zu
unterscheiden.
Ach! Ich weiß, wie armselig diese Worte sind! Sie haben wenigstens für
sich, der Armseligkeit des Gedankens, zu entsprechen. Selbst ein Engel,
wenn man sein Latein verstehen könnte, ohne vor Liebe von der ersten
Silbe an zerschmettert zu werden, wie würde er erklären, daß man Maria
begreifen kann, ohne die Dreifaltigkeit selbst zu begreifen und sie
noch ein wenig zu unterscheiden im blendenden Glanz der großen
Dunkelheit?
In La Salette spricht sie in der ersten Person wie Gott allein sprechen
kann. Man hat das oft bemerkt. Sehr starke Leute haben sich
emporgeschwungen, um die Mauern der Kirche zu stützen, die diese
Sprache aweifelsohn zu Boden werfen mußte, um zu erklären - ach,
schwach! -, daß alle kanonischen Propheten sich so ausgedrückt haben
und daß in diesem Zusammentreffen ihre wunderbare Königin nur wie sie
ein Sprachrohr ist, nichts weiter. Keiner ist auf den Gedanken gekommen
zu fragen, wie die Mutter Gottes sich anders hätte ausdrücken können.
In der öffentlichen Rede begleitet immer der Name ihres Sohnes die
Vorwürfe und die Drohungen. So wird uns gezeigt, daß sie vor allem und
einzig in ihrer Eigenschaft als Mutter Gottes, als absolute Herrscherin
spricht, in dem Maße, daß dieser Sohn selbst, der der Schöpfer von ihr
selbst ist, den Eindruck erweckt, nichts ohne ihre Erlaubnis tun zu
dürfen. Versucht z.B. die erste Person durch die dritte zu ersetzen:
"Gott hat euch sechs Tage zum Arbeiten gegeben, Er hat sich den siebten
vorbehalten, man will ihn Ihm nicht zubilligen".
Sogleich entsteht die Mahnrede irgendeines Predigers, und das, was den
besonderen Charakter dieser Rede ausmacht, die so vielen Seelen die
höchste Autorität verliehen hat, verschwindet. Wohl verstanden: Maria
ist nicht Gott! - obgleich Mutter Gottes. Indessen kann nichts ihre
Würde ausdrücken. Theologisch ist es ebenso unmöglich, sie anzubeten
wie den Ehrenkult zu übertreiben, der ihr zukommt. Der Ruhm Mariens und
ihre allgemeine Auszeichnung trotzen der Übertreibung. Sie ist jenes
Feuer Salomos, das niemals sagt: "Genug jetzt!" Sie ist das
überirdische Paradies und das himmlische Jerusalem. Sie ist jene, der
Gott alles geschenkt hat. Wenn ihr an ihre Schönheit denkt, wird das
ein Hohn sein zu sagen, sie sei die Schönheit selbst, weil sie dieses
Lob unendlich übersteigt. Wenn ihr ihre Kraft und Macht preisen wollt,
werdet ihr nichts besseres zu tun haben als anzuerkennen, daß sie in
Wahrheit das letzte der Geschöpfe ist, weil sie dieses unvorstellbare
Wunder vollbracht hat, sich tiefer zu demütigen als alle die Abgründe,
vor denen sie empfangen wurde. Wenn ihr zu sterben wünscht, sind alle
Sterbenden guten Willens in ihren Armen. Wenn ihr geboren werden wollt,
wird der Milchstrom aus ihren Brüsten hervorspringen, um euch zu
nähren. Egal welche Dichter ihr auch wäret - fähig (wenn ich wagen
darf, es so zu sagen), das unschuldige Paar unter den Platanen des
Paradieses zum Staunen zu bringen, - ihr würdet dreinschauen wie
jemand, der stinkigste Substanzen zu falschem Gewicht zu verkaufen
hätte; ihr würdet einem Sklavenhändler gleichen oder dem Eigentümer von
Elenden, wenn ihr es unternehmt - sei es auch weinend und auf den Knien
-, wenn ihr davon träumtet, nur ein Wort von ihrer Reinhiet zu sagen,
es würde wie die Tautröpfchen an einem Sommermorgen an dem Silber- und
Opalgespinst der liebenswürdigen Holzspinnen den Schweißtropfen der
Verdammten der untersten Hölle gleichen.
Ihr werdet wohl zu beten, wohl zu tun haben: niemals werdet ihr die
Mühe gutmachen können, dir ich für euch auf mich genommen habe.
Die streitende Kirche könnte noch zehntausend Jahre bestehen, und es
könnte noch Hunderte von Konzilien geben, von denen jedes einen
unschätzbaren Edelstein zum Schmuck dieser Königin beisteuern würde,
dies alles würde nicht soviel zu ihrem Glanz beitragen wie dieses
Zeugnis, das sie selbst für sich in der Wüste in Gegenwart von zwei
armen kleinen Kindern gegeben hat.
XIV. Gleichgewichtigkeit der öffentlichen Warnung und des Geheimnisses von Melanie.
Die Klage Evas.
Das Wort Mariens, das dem Wort des Heiligen Geistes gleich ist, den die
Kirche ihren Bräutigam nennt und der sie unsagbar durchdringt, ist vom
Wesen her stets gleichnisoder bildhaft. Es ist vor allem wiederholend.
Gott, der immer dasselbe sagt und der stets nur von sich selbst spricht
(Anm. wie ich es übrigens bereits anderswo gezeigt habe: Das Heil durch
die Juden). Folglich muß das Geheimnis der öffentlichen Warnung gleich
sein, und darin zeigt sich gerade ihr gemeinsamer Ursprung. Ich nehme
mir nicht vor, sie zu erläutern. Andre haben es mit mehr oder weniger
Glück versucht. Aber gerade weil das Göttliche unveränderbar
gleichnishaft oder bildlich ist, sind die Prophezeiungen von dieser
Seite des Lebens her nicht zu verwirklichen, weil selbst ihre Erfüllung
nur ein anderes Bild der Zukunft ist. In diesem Sinne - wie in allen
Bedeutungen - spricht ein Prophet immer. Defunctus adhuc loquitur.
Wenn gewisse Drohungen des Geheimnisses von La Salette, wie der Sturz
Napoleons III., sich sehr sichtbar erfüllt haben, kann man gewiß sein,
daß diese Katastrophe selbst vorbildlich ist für eine andere große
Strafe, die niemand erraten kann. Ich möchte zu sagen wagen, daß diese
Drohung nicht fremd ist dem Riesensturz des eisten Napoleon, denndie
Prophezeiungen gehören nicht der Zeit und auch nicht dem Raum an, und
es ist eine Freude für das Denken, sie pochen zu hören im Zentrum der
Zeiten, von wo aus sie ausstrahlen in alle Epochen und in alle Welten.
Also notwendige Übereinstimmung der öffentlichen Rede und des
Geheimnisses. Als Maria zu den Hirten sagte: "Habt ihr nicht
verdorbenen Weizen gesehen, meine Kinder?", taucht in meinem Gedächtnis
sogleich der ganze Abschnitt über die Priester und die gottgeweihten
Personen auf, die fünfzehn Zeilen, die weiter oben angeführt sind. Das
gleiche gilt für die Trauben, die faulen. Brot und Wein haben solche
Bedeutung für das Opfer!
Die Kartoffeln werden weiter verderben,' und an Weihnachten wird es
keine mehr geben. Jemand hat gesagt: "Die Kartoffeln, das sind die
Toten, und Weihnachten, das ist die Ankunft Gottes." Nun, seit den
großen hebräischen Propheten sind niemals soviele Massenmorde, soviele
schreckliche Plagen, Krankheiten und Hungersnöte angekündigt worden;
noch niemals wurde die Einbildungskraft so sehr strapaziert, sich
Schrekkensbilder ausmalen zu müssen, in denen von der Erde riesige
Menschenmassen verschlungen werden, wie in dem Geheimnis.
Es sei mir erlaubt, hier einen kindlich und einzigartig lichtvollen
Brief anzuführen, der mir im vergangenen Jahr von einer gottliebenden
Seele geschrieben wurde:
"Ich habe geträumt, daß viele Leute an mir vorüberzogen, die ich nicht
kannte. Man kam herein und ging hinaus. Es war ein großes Kommen und
Gehen. Plötzlich zog eine Frau meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie hatte
etwas an sich, das mich unendlich rührte. Jedermann war weggegangen. Da
sagte si* diese außerordentlichen Worte zu mir: 'Man glaubt, ich sei
ohne Sünde, ich will meine Vergangenheit erzählen.' Dann begann sie zu
singen oder zu sprechen, denn ihre Worte waren wie ein göttliches Lied,
das mich mit Schmerz durchdrang. Das war die Klage Evas. Ich erwachte
in tiefer Betrübnis, ganz in Schmerz getaucht, und fragte mich: 'Wo bin
ich? Das ist La Salette, das ist Unsere Frau von La Salette, die zu mir
gesprochen hat, das ist Eva, die weint!' Dann begann wie von selbst die
Rede von La Salette wieder. Ich erhielt den Sinn der Worte, ich
entzifferte mit Leichtigkeit die Worte, als ob ich den Schlüssel dazu
empfangen hätte. Von all dem bleibt mir wenig im Kopf haften. Der
leichte Zustand ist verflogen, und ich habe nichts mehr als die
Erinnerung an etwas Himmlisches, das sich neben mir abgespielt hat. -
'Mein Volk!' - Das ist das ganze Menschengeschlecht von Beginn an. -
Die da spricht, ist Eva, wobei sie ihren Blick durch die Zeitalter
lenkt. - Sie ist es, die die zwei schweren Ketten niederdrücken ..."
Was denken Sie von diesem neuen Aspekt des Wunders von La Salette, von
dieser übernatürlichen Ausweitung unseres Horizonts? Mutans Evae nomen.
Maria ist es, die zu uns spricht, und Eva ist es, die zu uns spricht.
Es ist diesselbe Quelle des Lebens, dieselbe Quelle der Tränen. Darum
ist ihr Kleid oder die Erscheinung ihres Kleides so außerordentlich
symbolisch.
O, dieses Kleid! Wenn ich an das völlige Unverständnis eines berühmten
Sohriftstellers denke, den unsere Katholiken für wertvoll halten, weil
er von einem sehr niedrigen Ort zur Kirche gekommen war, und der fast
sogleich versuchte, La Salette zu entehren, indem er die Standbilder
lächerlich machte, deren Symbolik ihm entging, nachdem er so nebenbei
den Berg selbst auch noch verhöhnt hatte - jenen Berg, der ihn mit
seiner Größe niedergedrückt hatte. Dieser arme Mann, der Maria zu
lieben glaubte, ist wenige Jahre danach grausamst gestorben - ich
fürchte in Erfüllung der Drohung, die dem furchtbaren Gebot angehängt
ist: Ehre deine Mutter, damit du lange lebst auf Erden.
Man muß fast auf den Sinn der Worte verzichten, wenn man von solhhen
Dingen spricht. Man kann z.B. nicht mehr wissen, was ein Kleid ist. Der
Bildhauer, der die Statuengruppen von La Salette gemacht hat, wollte
nur der Schüler der zwei Kinder sein, und deshalb hat sein Werk, wie
ich denke, allen Wert, den es haben kann. Aber wie in Marmor oder
Bronze ein 'Kleid von Prophezeiungen' übersetzen, oder eine 'Robe oder
Tunika des Heiligen Geistes'? Denn das ist es wohl, was die Hirten mit
den Augen haben sehen können, die ihnen für einen Augenblick lang
geliehen wurden.
Sie haben gesagt: "Die Dame in Feuer". Hätten es Bossuet oder der hl.
Augustinus besser gesagt? Man meißelt kein Feuer, vor allem kein
außerirdisches Feuer. Das Gesicht der Dame und der lebendig Gekreuzigte
auf ihrem Schoß wie eingehüllt in ein wesenhaftes Feuer, dem die
Dichtigkeit aller Vulkane zusammen nicht gleichkam. Also Schweigen! Das
Gold, der Diamant, die kostbarsten Edelsteine, die Sonne selbst
erschienen diesen beiden Kindern wie Kot.
XV. Verfolgung durch Mgr. Fava. Verbrecherischer Ungehorsam und Untreue der Missionare.
Daß nach 60 Jahren der Orden der Apostel der Letzten Zeiten nicht mehr
besteht, ist das äußerst beklagenswerte Ergebnis eines unerhörten
Ungehorsams, nicht nur gegenüber der heiligen Jungfrau, die seine
Gründung gefordert hatte, sondern auch gegenüber Leo XIII., der formell
Mgr. Fava, dem Bischof von Grenoble, befahl: "Die Regel, von der sehr
heiligen Jungfrau an Melanie gegeben, anzunehmen und sie von den
Mönchen und Nonnen beobachten zu lassen, die auf dem Berg von La
Salette sind." Und Melanie, die in Privataudienz empfangen wurde, hatte
am folgenden Tag den Trost, den Heiligen Vater nochmals sagen zu hören:
"Sie werden auf den Berg gehen mit der Regel, die Ihnen die sehr
heilige Jungfrau gegeben hat. Sie werden sie durch die Mönche und
Nonnen beobachten lassen." Das geschah am 3. Dezember 1878.
Irgendjemand - den ich kenne - könnte es uns sagen, wenn er auf seinem
Todesbett wäre - in jener äußersten Stunde, wo man allen Parteien,
allen irdischen Interessen Lebewohl sagt und wo die Augen nur einen
strengen Richter sehen -, bevor er die Erkenntnis davon in der anderen
Welt hat. Und er könnte uns auch sagen, warum die Befehle des Heiligen
Vaters nicht befolgt wurden. *)
Die fortwährende Feindseligkeit von Mgr. Fava, in anderer Weise aktiv
als jene des Mgr. Ginoulhiac, obwohl er durch keinen Kaiser angetrieben
wurde, gleicht einem Fall dämonischer Besessenheit. Dieser
unbegreifliche Kirchenfürst, immer in Begleitung seines Werkzeuges der
Ungerechtigkeit, des Paters Berthier von den angeblichen Missionaren
von La Salette, trieb sein Opfer bis nach Rom - wo er durch seine
Anmaßung Leo XIII. in Erstaunen setzte, der ihn aber nicht zu beugen
vermochte - und bis ans Ende Italiens, wo es gehofft hatte, eine
Zuflucht zu finden. Er scheute nicht einmal vor der Ungeheuerlichkeit
zurück, sie mit Geldscheinen zu bestechen zu versuchen: "Ich habe hier
einige Hundertfrancscheine für Ihr Taschengeld", wagte er ihr zu sagen.
Bis zu seinem schrecklichen Tod hörte er nicht auf, gegen sie zu
arbeiten und mit allen erdenklichen Mitteln ihre Sendung zu behindern.
Sie hatte am 3. Januar 188o geschrieben: "Es ist nicht Bosheit, daß
Mgr. Fava nicht auf meine Ansichten eingehen will, die den seinigen
völlig entgegengesetzt sind. Meine Absichten waren, aus dem Berg von La
Salette ein neues Calvaria der Sühne, der Wiedergutmachung, des Opfers,
des Gebets, der Buße für das Heil Frankreichs und der ganzen Welt zu
machen. Ich wünschte, daß der Ort, wo die unbefleckte Maria soviele
Tränen vergossen hat, ein heiliger Ort, ein Beispiel werde und daß man
dort streng das heilige Gebot Gottes, das Sonntagsgebot beobachten
möge", und daß weder die Patres noch die Nonnen sich mit irgendeinem
Geschäft befaßten und die Sorge, Andachtsgegenstände zu verkaufen,
weltlichen Personen überließen." **)
Eine weitere Klage am 8. Septmeber 189o: "Wie traurig ist ès doch,
diesen heiligen Ort von Ungläubigen bewohnt zu sehen! Von Anfang an
tröstete ich mich mit dem Gedanken, daß dieser Berg, wo Maria Tränen
vergossen hatte, eines Tages von vorbildlichen Seelen bewohnt werde,
die das Gesetz Gottes genau befolgen würden, von demütigen Seelen,
liebevoll, fromm und eifrig: daß dieser heilige Ort würde und sei die
Heimat der Buße, der Sühne und des fortwährenden Gebets für die Belange
der Kirche und die Bekehrung der Sünder. Ich bin getäuscht worden, ich
bin ihnen darob nicht böse. Sie haben nichts veªstanden von der
barmherzigen Erscheinung. Sie haben keine religiöae und apostolische
Berufung! Sie sind am falschen Platz. Gott möge sie erleuchten."
Die Anwesenheit der angeblichen Missionare, die sich mit Erfolg ein
halbes Jahrhundert auf dem Berg niedergelassen hatten, die kreuzigte
sie: "Es sind die alten Missionare", schrieb sie am 12. Dezember I9o3,
"die die Wallfahrt zerstört haben. Sie sind es gewesen, die gewagt
haben, Unsere Liebe Frau von La Salette ***) ihrer Krone zu berauben;
sie sind es, die als Helfeshelfer von Mgr. Fava gegen den Befehl des
Papstes sich geweigert haben, die Regel der Mutter Gottes anzunehmen;
sie sind es, die den guten, demütigen Maximin verleumdet haben und ihm
ein Stück Brot verweigerten."
"Sie werden den Berg hinabsteigen und nicht wieder hinauf." Sicherlich
waren die beiden Hirten basser unterrichtet über die Zukunft als die
sogenannten Mönche: dar P. Berthier z.B., der sagte: "Nach allem sind
wir doch Eigentümer der Orte der Erscheinung. Wir ha>en sie gekauft
- mit notarieller Bestätigung - in guter und gültiger Form: niemand
kann uns vertreiben." - Anbetungswürdige Säuberung! "Was sich in
Barmherzigkeit hatte vollziehen sollen", hatte Melanie noch gesagt,
"das wird auf den Trümmern geschehen."
Der Kummer über diese Entwürdigung wurde für sie zum Martyrium. Ihr
wunderbarer Briefwechsel Ist ein Beispiel dafür. Man kann wohl sagen,
daß sie daran gestorben ist, nachdem sit beständig dafür gelebt hatte.
Sie konnte sich nicht hinknien, und mit Gott zu sprechen, noch sich mit
Menschen unterhalten, ohne daß dieser Dorn ihr Herz, durchdrang.
"Diejenigen, die die Wahrheit ersticken ... Der Materialismus
verdunkelt ihren Verstand ... Ich bin empört über den Lügengeist der
Patres von La Salette ...
Sie haben Angst vor dem Geheimnis, das ein Eckchen des Schleiers hält
... Unglückliche Mönche, die nicht treu sind" seufzte sie: "Oh, wieviel
gibt es von ihnen, die zu dem furchtbaren Gericht Gottes kommen mit
leeren Händen und Herzen, aber die Augen voll Gier nach den Gütern
dieser Erde - leer: ohne gute Werke! Beten wir, beten wir! Unser armes
Frankreich ist sehr unglücklich und krank: aber es sind nicht die
Leute, die an nichts glauben, die die göttliche Majestät am meisten
beleidigen: Die Leute, die dem Teufel gehören, üben die Werke des
Teufels aus. Es sind die christlichen Seelen, die Kanzler der Kirche,
das Salz der Erde, die ihr Amt nicht mehr ausüben ... Die himmlische
Maria hat nicht gesprochen, um nichts zu sagen, noch damit ihre weisen
Warnungen begraben würden. Die Ausflüchte, die gewisse Personen machen,
um nicht an das Gehimnis glauben zu müssen, sind nur Anklagen gegen sie
selbst. Um das Leben nicht ändern zu müssen, ist es leichter zu sagen,
daß man an das Geheimnis nicht glauben kann, oder wenn doch, daß es
übertrieben ist, daß das Übel nicht so groß sei, daß die hl. Jungfrau
sich nicht über das Salz der Erde beklagen könne usw. usw. Diese
Erörterungen zu machen, sollte man besser mir überlassen, unwissend wie
ich bin. Aber sie erscheinen mir schädlich im Munde von einigermaßen
gelehrten, wenn nicht frommen Personen. Was sagt uns die Heilige
Schrift, das Alte wie das Neue Testament? Wie spricht sie von den
Priestern? ... Wer hat die Kreuzigung unseres lieben Heilandes
verlangt? Durch wen haben die Häresien begonnen? Welches waren die
ersten Personen, die 93 der Abschaffung der Monarchie anhingen? Welches
sind die Personen, die gegen die Unfehlbarkeit des Papstes vorgingen?
Und heute: Wer sind diejenigen, die laut gegen das Geheimnis der
Jungfrau Maria protestieren? Das sog. Salz der Erde!" ****)
Anmerkungen:
*) Dieser 'Jemand' hat, genau genommen, kein Todesbett gehabt. Eines
Morgens wurde er tot auf seinem Fußboden gefunden - wie später Melanie,
aber im Gegensatz zu dem heiligen Mädchen - entkleidet, die Arme
verdreht, die Fäuste geballt, das Gesicht und besonders die Augen den
Schrecken eines furchtbaren Anblickes ausdrückend.
**) "Unsere Liebe Frau von La Salette und ihre beiden Erwählten - I6o Briefe von Melanie, Paris.
***) Als sie von dem heiligen Berg vertrieben wurden, nahmen die alten
Missionare die Kasse, die mit Edelsteinen besetzten heiligen Gefäße und
sogar das Diadem der hl. Jungfrau!!!! mit. Man mußte sich an den Papst
wenden, um sie zur Rückgabe der Schätze des Wallfahrtsortes zu
veranlassen.
****) "Unsere Liebe Frau von La Salette und ihre beiden Erwählten."
XVI. Prophetische Gaben Melanies.
Nach allem, was man lesen konnte, ist es leicht, die Aufregung der
stolzen Menge, selbst der ehrenwerten Kleriker zu verstehen,
hauptsächlich der ehrenwerten, die aber die Forderungen nach Heiligkeit
oder Heroismus verachten.
Es ist sicherlich nicht verfehlt, hier an den bewundernswerten
Ausspruch des Philosophen Blanc de Saint-Bonnet zu erinnern: "Der
heilige Klerus macht das Volk tugendhaft, der tugendhafte Klerus macht
das Volk ehrenhaft, der ehrenhafte Klerus mach: das Volk gottlos."
Befinden wir uns nur noch beim ehrenwerten Klerus? Man hat es sich 1789
fragen können. Warum nicht heute? Es scheint mir, daß nach so vielen
Gnaden und so vielen Verbrechen die Kette der Verwünschungen unendlich
stattlicher geworden ist. Warum sollten wir nicht bei der reinen
Dämonie angelangt sein? Es ist ganz sicher, es ist leicht und einfach
zu beobachten, daß allein der Name - ich sage nicht von La Salette,
sondern - der des Geheimnisses von Melanie oder einfach der Name
Melanies ganz kurz genügt, in Frankreich die Seminarien und Sakristeien
aufzuregen, um eine große Zahl von Bischöfen aus dem Gleichgewicht zu
bringen. Es hat Maria gefallen, sich einer kleinen Hirtin zu bedienen,
um mächtige Hirten zu erschrecken, als ob sie ein Hofhund vor sehr
furchtsamen Wölfen sei. - Et ridebit.- Et subsannbit. (Und sie lachte
... Und sie machte sich lustig über sie.)
Also wie? Es ist doch wohl wahr, daß wir verflucht sind? Wenn es sich
nur um einen leicht oder schwierig nachweisbaren Betrug handelte, gäbe
es nicht soviel Lärm. Aber es ist unendlich und unbestreitbar erwiesen
durch Wunderheilungen, durch Bekehrungswunder, durch Wunder der
Prophezeiungen, daß es die Mutter Gottes, die Mutter der ewigen
Wahrheit ist, die durch ihren Mund gesprochen hat, und das kann nicht
ertragen werden. *)
So starrköpfig dies Hirten in ihren Zeugnissen waren - wobei es kein
Mittel gab, ihnen den Mund zu stopfen - ... es genügte nicht, glauben
zu machen, sie seien verlorene Seelen, tausendmal unwürdig der
unerhörten Gnade, die sie empfingen, deren Sendung übrigens seit der
öffentlichen Rede beendet war, man mußte gleichzeitig ihre Tugenden,
ihre übernatürliche Sehergabe verbergen, was sehr schwierig war.
Im März 1854 - man beachte bitte das Datum! - kündigte Melanie schon
die Preußen an, nannte sie bei ihrem Namen, und den Brand von Paris
ebenfalls. Sie faßte das Regime von Napoleon III. in drei Worten
zusammen: Heuchelei, Undankbarkeit, Verrat; der Kaiser war für sie "der
Heuchler, der Betrüger, der Undankbare, der Erbärmliche, der Zyniker,
der Verräter, der Verfolger von Kirche und Papst, der Gott entthronte,
um den Teufel zu krönen". Nicht zufrieden mit dieser Sprache, widmete
sie sich eigenartig bedeutsamen Tätigkeiten. Man weiß, daß sie das
Kloster der Vorsehung in Corène verließ, 1854, um nach England
geschickt zu werden. Nach ihrer Abreise bemerkte man diese Worte, die
sie in das Holz ihres Pults mit Hilfe eines Federmessers geschnitzt
hatte: "Die Preußen 187o". Noch in Corène gab ihr die Klassenlehrerin
eines Tages eine Karte von Frankreich zu studieren. Das arme Kind fing
an zu weinen und strich in einem Zug Elsaß und Lothringen durch. Am 28.
November 187o (nach den Unglücksfällen) schrieb sie ihrer Mutter: "
Seit 24 Jahren wußte ich, daß dieser Krieg kommen würde; seit 22 Jahren
sage ich, daß Napoleon III. ein Betrüger sei und daß er unser armes
Frankreich zugrunde richten würde."
In anderen wunderbaren Briefen erklärt sie, was sie ihre 'Schau'
nannte. **) Sie hatte wirklich die tatsächliche und allgemeine Schau
zukünftiger Dinge "und all das in einem einzigen Wort, das von den
Lippen jener kam, die die Hölle erzittern läßt, der Jungfrau Maria":
"Ich finde es sehr schwierig, eine Sache wiederzugeben, die keinen
Vergleich hat ... Als die hl. Jungfrau zu mir sprach, sah ich das, was
sie sagte, sich abspielen, ich sah die ganze Welt, ich sah das Auge des
Ewigen: es war ein Bild in Aktion: ich sah das Blut derjenigen, die
getötet worden waren und das Blut der Märtyrer" ... "Die hl. Jungfrau
kann zugleich sprechen und verständlich machen, wozu man hundert Jahre
schreiben müßte ... Sie sprach alle Worte aus, sei es das Geheimnis,
seien es die Regeln, aus, und ich konnte alles erraten oder
durchdringen, was sie beinhalteten. In dem Maße wie Maria sprach, wurde
ein großer Schleier von meinen Augen weggenommen, die Ereignisse
enthüllten sich meinen Augen und meiner Vorstellungskraft. Vor mir
breiteten sich weite Räume aus; ich sah die Veränderungen der Erde und
den unbeweglichen Gott in Seiner Herrlichkeit; betrachtete die
Jungfrau, die sich herabließ, mit zwei Punkten zu sprechen". (Sie und
Maximin.) ***)
1874 schrieb sie an Thiers und bat ihn, das Standbild Voltaires zu
entfernen, dessen Anwesenheit in Paris in ihren Augen eine furchtbare
Gefahr für ganz Frankreich darstelle. Sie fügte hinzu, daß, falls die
Regierung nicht für die Beobachtung der Gebote Gottes sorgen würde, die
bereits eingetroffenen Züchtigungen nichts seien im Vergleich mit den
kommenden. Man kann sich die Aufnahme, die dieser Brief bei dem
achtzigjährigen Seiltänzer finden mußte, gut vorstellen.
Anmerkungen:
*) "Ist das Evangelium abgeschlossen, ja oder nein?" fragte mich vor
mehr als 25 Jahren ein berühmter Assomptionist, ein Feind von
Prophezeiungen und außerordentlichen Erleuchtungen. "Weniger als Sie,
mein lieber Pater", antwortete ich. Das war nicht sehr geistreich, aber
man tut, was man kann im letzten Quadrat.
**) "Seit der Erscheinung", sagt der Pfarrer Félicien Bliard, "hat die
Hirtin immer eine klare und deutliche Schau des Geheimnisses behalten,
obwohl es einen großen und sehr vielseitigen Umfang hatte. Sie hat eine
treue Erinnerung an alle Worte der hochheiligen Jungfrau bewahrt und
Verständnis für alles, was sie gehört hat. Zur gleichen Zeit, als die
hl. Jungfrau zu der kleinen Hirtin sprach, wurde diese zu einer
erhabenen Schau erhoben, worin sie alles klar sah, was ihr gesagt
wurde, und während eines viertel Jahrhunderts ist ihr nichts entgangen
und alles ist treu in ihrem Geist eingegraben geblieben. Daher ihre so
sichtere Kenntnis, die sie von der Zukunft zu haben scheint. In den
langen Unterhaltungen, die ich mit ihr gehabt habe, war ich erstaunt
über die Leichtigkeit, die Genauigkeit, die unerschütterliche
Festigkeit ihrer Ideen. Als ich sie auf das gleiche Thema zurückführte,
fand ich sie stets sich selbst gleich, ohne einen Schatten von Zögern,
übrigens ist sie sparsam mit Worten, und ich habe sie bewundernswert
gefunden in ihrer Einfachheit, Aufrichtigkeit und Klugheit. Als ich in
unseren Gesprächen Punkte berührte, die sie noch nicht enthüllen
sollte, hatte ich Gelegenheit, ihr Schweigen oder die Geschicklichkeit
zu bewundern, womit sie jeder Antwort ausweichen konnte.
***) "Unsere Frau von La Salette und ihre zwei Erwählten". - Der
Briefwechsel Melanies (16o Briefe) verleiht diesem Buch ein
außergewohnlihhes und übernatürliches Interesse. Man hat die
Empfindung, den Berg der Propheten glücklich erklommen zu haben, "der
über der Erdkugel ist" (nach Anna Katharina Emmerich).
XVII. Prophetische Gaben Maximins.
Welcher-Mensch ist mehr verunglimpft worden als Maximin? Selbst jene,
die ihm alles schuldeten und die ihn in ihrer Nachbarschaft vor Elend
zugrunde gehen ließen, die sogenannten Missionare, mißbrauchten ihr
priesterliches Ansehen fürchterlich, um diesen Armen zu entehren, ihn,
der sie hervorgebracht, sie gekleidet und ernährt hatte, der ihnen
seine Berge gegeben hatte, seinen Himmel und das Paradies in seinem
Herzen, wenn sie es gewollt hätten. *)
Man weiß, daß die wirklichen Christen die wehrlosesten der Menschen
sind, weil Liebe und Demut sie hindern, sich zu verteidigen... Melanie:
"Die Abenteuerin"; Maximin: "Trunkenbold" - unablösbare Epitheta! Man
hat Pilger gesehen, die entsetzt waren wegen der ewigen Zukunft dieses
Alexis in der Zurückgezogenheit des Hauses seiner Mutter.
Hier nun das Zeugnis von Melanie: "Der gute und_redliche Maximin! Ich
glaube, daß er viel gelitten hat, immer still; ich bin immer verwirrt,
wenn ich sehe, wie weit ich entfernt bin von seinem ganz in Gott
verborgenen Leben. Wenn es mir gelingt, in den Himmel zu kommen, werde
ich nicht einmal die Knöchel seiner Füße berühren. Oft bitte ich ihn,
mir diese Seelehgröße zu erlangen, die mir so nötig wäre. Ich danke
Ihnen vielmals für die kostbare Fotographie des guten Maximin. Ich habe
ihn an seinen reinen unschuldigen Augen erkannt. Ich denke immer an ihn
und an alles, was er mit außerordentlicher Geduld gelitten hat - in
diesem großen Glaubensgeist, der ihn in allem Gott und Gottes Werkzeuge
in den Personen, die ihm Leid zufügten, sehen ließ"
"Die reine Jungfräulichkeit blühte", wurde bei seinen
Trauerfeierlichkeiten gesagt. "Kein De profundis an seinem Grab, er
bedurfte dessen nicht; singen wir das Gloria Patri und das Te Deum, es
wird ein Mehr an Glorie bringen im Himmel, wo er wohnt." Das ist
Melanie, die noch spricht.
Auch Maximin hatte lange im voraus die preußische Gefahr gesehen. "Das
einige Italien", schrieb er 1866, "ist der Feind Frankreichs wie das
Gift der Feind des Menschen ist. Alle Franzosen, die Blut in den Adern
haben, sollten Rom zu Hilfe eilen und die Einheit Italiens
niederschlagen, wie man eine Schlange zertritt. Die Preußen haben nur
Verwandtschaft mit den Italienern in ihrem Haß gegen die Religion
Unseres Herrn Jesus Christus; sie werden sich eines Tages vereinigen,
mit ihnen vereinigen, um uns dafür zu bestrafen, daß wir unserem
Erstgeburtsrecht nicht treu gewesen sind, in allem und überall die
Religion und das Papsttum zu verteidigen und zu schützen. Ich habe
große Angst, daß unsere Begeisterung für Italien, unsere Willfährigkeit
gegenüber den Preußen sich bald gegen uns wendet, und dieser Tag ist
nicht fern."
Am 20. Juli 1851 hatte Maximin zu einer durchaus glaubwürdigen Person,
M. Dausse, Ingenieur in Grenoble, der interessante Erinnerungen
hinterlassen hat, gesagt: "Wenn Paris brennen wird, werden vier Könige
dabei sein", was sich bis auf den Buchstaben getreu erfüllt hat. (Die
Könige von Preußen, Bayern, Württemberg und Sachsen.)
Derselbe Ingenieur erzählt auch, daß vor dem Krimkrieg 1854 M. Michal,
Pfarrer von Corine, in Gegenwart von Maximin versicherte, der Kaiser
habe in einer diplomatischen Versammlung in den Tuilerien seinen Thron
verlassen, um dem Gesandten von Rußland die Hand zu geben. Daher habe
sich natürlich die Meinung verbreitet, daß es mit dieser Großmacht
keinen Krieg geben werde. "Da", fuhr der Erzähler fort, "stellt sich
Maximin mit gekreuzten Armen vor ihn hin und sagt rundweg: 'Nun, ich,
ich sage Ihnen, daß es Krieg mit Rußland geben wird!'"
Eine andere Tatsache, die noch erstaunlicher ist: Als sich Maximin am
18. oder 19. September 187o auf dem Berg befand, sprach man von der
Prophezeiung Melanies: Paris wird brennen. "Das wird durch die Preußen
geschehen", gab sogleich einer der Anwesenden eine natürliche
Erklärung. - "Nein, nein", erwiderte Maximin, "nicht durch die Preußen
wird Paris brennen, sondern durch seinen Pöbel!"
Am 4. Dezember 1868 wurde Maximin vom Erzbischof von Paris, Mgr.
Darboy, empfangen, der so bewundernswert dem Kaiser ergeben war, wie
man sagt, und der gewünscht hatte, ihn, Maximin zu sehen. Dieser
erzählt, daß die Begegnung ziemlich lang war. Seine Exzellenz, der ohne
Zweifel gehofft hatte, den Hirten zu bedrängen und ihm sein Geheimnis
zu entlocken, sprach in einer Weise, die seinen Zuhörer, der zu den
päpstlichen Zuaven gehört hatte, tief empören mußte. Er klagte die hl.
Jungfrau an, die Rücksichten, die man auf das Papsttum zu nehmen habe,
zu übertreiben und nur zufällig Prophezeiungen gemacht zu haben. -
"Auch ich würde wohl in dieser Machtposition Prophezeiungen machen",
wagte dieser Erzbischof zu sagen. Endlich, bis zur Lästerung sich
steigernd: "Was ist das für eine Rede wie diejenige von eurer angeblich
schönen Dame? Sie ist nicht mehr französisch, denn ihr mangelt es an
gesundem Menschenverstand... Sie ist dumm, ihre Rede! Und das Geheimnis
kann auch nur dumm sein ... Nein, ich, der Erzbischof von Paris, kann
eine solche Andacht nicht gutheißen!" Maximin, gedemütigt durch diesen
Kirchenfürsten, der sich so vor ihm vergaß, wollte, daß die Mutter
Gottes von La Salette das letzte Wort behielte. - "Mein Herr!"
antwortete er mit Festigkeit, es ist ebenso wahr, daß die hl. Jungfrau
mir in La Salette erschienen ist und daß sie zu mir gesprochen hat, wie
es wahr ist, daß Sie 1871 vom Pöbel erschossen werdenl" - Drei Jahre
später auf der Roquette, so versichert man mit, habe der gefangene
Geistliche Personen, die Versuche machen wollten, um ihn zu retten,
geantwortet: "Es ist nutzlos. Maximin hat mir gesagt, daß ich
erschossen würde."
Der berühmte Verteidiger von La Salette, Amédée Nicolas, erzählt
folgende Tatsache, deren Zeuge er im Jahr 1871 auf dem Berge war: "Ein
gelehrter Theologieprofessor und sein Freund, Pfarrer in einer großen
Stadt, waren mit einem Dutzend im voraus vorbereiteter und studierter
Einwände auf den Berg gekommen, um sie Maximin vorzulegen, als er seine
Bude verließ, um auf Verlangen von Pilgern - die ihn den Missionaren
vorzogen - ihnen einen Bericht vom Wunder zu geben.
Als Maximin geendet hatte, brachte der Professor den ersten Einwand
vor. Maximin beschränkte sich darauf zu sagen: "Gehen Sie weiter zum
zweiten!" Desgleichen weiter zum dritten und vierten. Beim fünften
antwortete er mit einigen Worten. Diese Antwort ließ sogleich die
Einwände zusammenstürzen. Und dieser Sturz zog den Sturz der sieben
anderen nach sich. Als sie das sahen, sagten jener Professor und der
Pfarrer zu uns selbst, denn wir standen neben ihnen: "Dieser junge Mann
ist immer in seiner Sendung; er wird von der hl. Jungfrau unterstützt,
heute wie am ersten Tag. Das ist für uns offensichtlich. Kein Theologe,
und sei er auch der gelehrteste der Welt, hätte eine solche
Kraftleistung vollbracht. All das ist sicherlich übernatürlich. Er hat
uns das Wunder besser bewiesen, als es durch die stärksten
Darstellungen möglich gewesen wäre." **)
Das Leben von Maximin war voll unerwarteter Ereignisse. Nachdem er
einige Jahre in einem Seminar verbracht hatte, wurde er Soldat, dann
Student der Medizin. Aber er scheiterte überall und sah sich gezwungen,
Arbeitern zu dienen, um zu leben und sein Brot zu verdienen.
Als er sich in Paris in der größten Armut befand, verpfändete er auf
dem Mont-de-Piété eines seiner Kleidungsstücke. Eines Tages, als seine
Hilfsmittel erschöpft waren und er nichts mehr zu essen hatte, trat er
in die Kirche Saint-Sulpice und kniete vor dem Altar der hl. Jungfrau
nieder. "Ich habe argen Hunger", sagte er. "Meine liebe Mutter, Du
willst mich wohl vor Hunger sterben lassen? Und doch habe ich alles
getan, was Du mir aufgetragen hast. Ich habe die ernsten und
feierlichen Mahnungen, die Du gebracht hast, an Dein ganzes Volk
gelangen lassen. Noch ein bißchen, und ich werde vor Erschöpfung
umfallen. Wenn Du mich nicht aus dem Elend ziehen willst, in dem ich
mich befinde, werde ich mich an Deinen Gemahl, den hl. Joseph wenden,
er wird wohl Mitleid mit mir haben."
Geschwächt durch langes Fasten schläft er bald ein. Ein Mann, den er
nicht kennt, weckt ihn auf, lädt ihn ein, ihm zu einem Gastwirt zu
folgen und läßt ihm eine reichliche Mahlzeit servieren. Als er
gesättigt ist, bezahlt der Unbekannte den Hotelinhaber und sagt
Maximin, er solle auf den Mont-de-Piété gehen, um das Kleidungsstück zu
holen, das er verpfändet hatte. Er fügt hinzu, daß er in der Tasche des
Kleidungsstückes einen Schein finden werde, der ihn vor Elend bewahren
werde. Sogleich verschwindet er. Woher wußte dieser Unbekannte, daß er
sein Kleidungsstück auf dem Mont-de-Piété verpfändet hatte? Woher wußte
er, daß in dessen Tasche ein Schein sei, der die Zukunft Maximins
sichern würde? Da dieser etwas so Außerordentliches sich nicht erklären
konnte, hat er immer geglaubt, daß dieser Fremde der hl. Joseph war.
Gehorsam begibt sich Maximin zum Mont-de-Piété und findet wirklich in
der Tasche seines Rockes ein Testament, das eine mildtätige Person zu
seinen Gunsten gemacht hat. Durch dieses Testament bot man ihm an, ihn
in einer Familie aufzunehmen, und man hinterließ ihm fünfzehntausend
Francs zur Bestreitung seiner Bedürfnisse. Warum befand sich dieses
Testament in der Tasche von Maximins Gewand? Er erfuhr es niemals. Aber
wie war der Wortlaut jenes Schridtstückes? Maximin zeigte es einem
Notar. Der fand es in Ordnung und unternahm die nötigen Svhritte. Man
zahlte ihm also 15000 FFrs. aus, womit er einen Viehhandel begann, der
ihn ruinierte. ***) Seine Sendung forderte, daß er in Armut lebte und
starb. Wieviele Geschichten dieser Art gäbe es!
Ich höre hier den gewaltigen Chor der Meßnerinnenstimmen: "Die
Heiligkeit von Melanie und Maximin und ihre Prophetenstand! Aber mein
Herr, das wirft doch alle unsere Ideen über den Haufen! Man wird uns
nicht glauben machen, daß so viele gute Christen, so viele
verehrungswürdige Seelenhirten seit so vielen Jahren nichts davon
gewußt hätten und daß eine gegenteilige Legende sich hätte bilden
können. Diese Annahme ist unvernünftigl"
Das bringt mir eine schöne Antwort eines Reisenden ins Gedächtnis
zurück, dem man vom Papstpalast in Avignon erzählte. "Welch ein Unsinn!
Als ob es je Päpste in Avignon gegeben hätte! Das müßte man doch
wissen!" Ja, ohne Zweifel! Das weiß man sogar ein wenig, aber es gibt
eine Regel ohne Ausnahme, daß man, um zu wissen, mit der Einfalt eines
Kindes und dem demütigen guten Willen jener anderen Hirten sich
unterrichten muß, denen die Engel von Weihnachten ehemals versprachen
"Friede auf Erden". "Ihr werdet Kinder finden in Windeln gehüllt und in
der Krippe liegen" ****) "Invenietis infantes, pannis involutos et
positos in praesepio".
Die Ignoranz - schuldhaft oder nicht - des größten Ereignisses der
modernen Geschichte und ihrer unmittelbaren Folgen, nämlich der
herausragenden Heiligkeit der zwei Zeugen, wird diese nicht daran
hindern, ihre Mission weiter zu erfüllen vom Grund ihrer Gräber aus,
die die Kirche vielleicht eines Tages wunderbar nennen wird. Defuncti
adhuc loquuntur. Diese ungeheure Unkenntnis wird auch die Hoffnung
weder von einigen Seelen noch die von Hunderten Millionen von in
Verzweiflung gekrümmter Armen zur vorbestimmten Stunde nicht
verhindern.
"Weil man die Botschaft nicht will, das Heilmittel gegen die Übel, wird
die göttliche Gerechtigkeit den Undank der Menschen rächen und den
durch die Königin der Engel angekündigten Plagen das Imprimatur geben".
So drückte sich die Hirtin am 23. Mai I9o4 aus.
Anmerkungen:
*) Der ehemalige Bürgermeister von Corps, M. Barbe, hat in seinen
Händen einen 200 France-Schein, glaube ich. Maximin hatte ihn von den
Missionaren entliehen, um nicht Hungers zu sterben. Er hat ihn nach
Maximins Tod eingelöst, hat ihn bezahlt, um einen Beweis für ihre
Hartherzigkeit und ihren Geiz zu haben. M. Barb an den ich vergeblich
geschrieben habe, um eine Fotographie dieses Dokuments zu erhalten,
lebt er noch?
**) "Verteidigung und Erklärung des Geheimnisses von Melanie" Nimes 1881.
***) "Melanie, die Hirtin -von La Salette, und der Kardinal Ferrand" Paris (Chamuel) 1898.
****) Ich bitte um Verzeihung, wenn ich den Anschein erwecke, den Text
des hl. Lukas zu verwenden, aber es ist mir unmöglich, mich nicht an
Weihnachten zu erinnern, wenn ich an die beiden erhabenen Kinder auf
ihrem Berg denke.
XVIII. Die Bischöfe von Grenoble und Soissons.
Oh! Das schöne Buch, das zu schreiben wäre! Planmäßig die absolute
Identität der öffentlichen Rede und des Geheimnisses von Melanie zu
beweisen und die ewige Unmöglichkeit, sie zu trennen, so daß die tiefe
und prächtige Einheit der Offenbarung des 19. Septembers aufleuchtet.
Ohne Zweifel ist die vollkommene Einsichtigkeit in diese Dinge, die von
Gott sind, unverhofft. Aber wäre es nicht viel, wenigstens dies zu
ahnen, daß die Rede und das Geheimnis fortwährend einander
widerspiegeln - wie ein Gesicht im Spiegel, wie das Unsichtbare im
Sichtbaren, wie der Schöpfer im Geschöpf.
Es ist unfaßbar, daß diese Arbeit noch nicht getan wurde. Ich habe wohl
daran gedacht, und ich werde sie vielleicht eines Tages tun, wenn Gott
mir hilft. Aber ohne von meinem Ungenügen zu sprechen, das mir Angst
machen kann: es ist sicher, daß eine solche Studie eine ungeheure
Vorarbeit erfordern würde. Man bedenke nur, daß man Isaias heranziehen
müßte, den "Seher der zukünftigen Dinge zum Tröste jener, die auf dem
Berge weinen". *) In seinem XXIV. Kap. spricht Isaias vom "Geheimnis
Gottes, das so erschrekkend ist für jeden, der Mitwisser davon ist, und
von der Pflichtverletzung der Gesetzesübertreter". Dieses Kapitel, vor
26 Jahrhunderten geschrieben, ist ein wunderbar vorweggenommenes Echo
des Geheimnisses von Melanie. Und die öffentliche Rede von La Salette
läßt dieses Echo hören, ohne welche es ganz unbemerkt bliebe. Das ist
der Sinn des letzten Wortes von Maria: "Laßt es zu meinem ganzen Volke
gelangen. Laßt es wenigstens zu den Generationen des 2o. Jahrhunderts
gelangen."
Noch einmal: ich belade mich nicht mit der ungeheuren Mühe der
Auslegung, die, wie ich fürchte, die wunderbar erleuchtete Einsicht
eines Heiligen überforderte. Aber es ist schon etwas, diese gewaltige
Identität zu ahnen und die Demütigen davon zu benachrichtigen, die
liebend Gott suchen. **)
Die Wirklichkeit des Geheimnisses von Melanie kann nicht geleugnet
werden, weil selbst jene, die sich nichts daraus machen, gezwungen
sind, jeden Tag an dem genau gleichen Ort, an dem sich die hl. Jungfrau
gezeigt hat, zu bekennen, daß sie jedem der beiden Hirten ein Geheimnis
mitgeteilt hat, und gleichzeitig anzuführen, man wisse nicht was - um
ihre unentschuldbaren Unglauben zu erklären.
Es ist niederdrückend zu denken, daß, seit das Geheimnis von Melanie
bekannt ist, - nämlich seit vierzig Jahren -, sich auf dem
bischöflichen Stuhl von Grenoble nicht ein einziger Oberhirte gefunden
hat, der fähig gewesen wäre, die unaussprechliche Ehre zu empfinden,
Vorsteher einer Diözese zu sein, in der die Mutter Gottes sidi
gewürdigt hat, selbst zu sprechen; zwei Kindern dieser unglaublich
bevorzugten Diözese die unerhörte Botschaft anzuvertrauen von der
göttlichen Ungeduld an ihrer äußersten Grenze, und die Ankündigung -
bedingt zwar, ohne Zweifel, aber mit welchem Aufschub? - der letzten
Sündflut! Ich habe mit Verwunderung erfahren - überzeugt, daß eine
gewisse Rolle nicht mehr haltbar war -, daß der gegenwärtige Titular,
Mgr. Henry, ganz kürzlich in La Salette selbst öffentlich Zweifel an
dem Geheimnis ausgesprochen hat und Beweise (!) verlangt hat, eine
ausdrückliche und formelle Bestätigung von der Kurie in Rom, als ob die
Billigungen der Orden durch Pius IX. und Leo XIII. selbst nicht
genügten. ***) Welche Schande! Es ist ganz unmöglich, daß Mgr. Henry
diese ganze Geschichte nicht kennt, nämlich den furchtbaren Ungehorsam
seines Vorgängers Fava, dessen Ende ihn zittern machen sollte. Er muß
sehr wohl die fortwährende Lüge der Gegner und ihren teuflichen Geist
der Verleumdung gegen eine Stigmatisierte kennen, die er eines Tages -
falls Gott erlaubt, daß er noch lebt - durch seine Priester wird ehren
lassen müssen. Er ist also im Zustand ausgesprochener Pflichtverletzung
- wissend und einsichtig! - scharfsinniger und erklärter Feind der
Mutter Gottes. Seine einzige Entschuldigung - wie armselig! - könnte
Kleinmut, unbesiegbare Unentschlossenheit, chronische
Unentschiedenheit, ewige Trödelei sein.
Am gleichen Tag seiner Besitznahme des bischöflichen Stuhles sagte
dieser Bischof von Grenoble - von Grenoble! -: "In dieser Stunde
besteht die Schwierigkeit nicht darin, seine Pflicht zu tun, sondern zu
wissen, wo sie ist." Ein Wort, das der Bischof von Orléans am 26.
August 19o2 für Unsere Liebe Frau von der Befreiung aufgriff: "Es ist
immer leicht, seine Pflicht zu tun, es ist schwer, sie zu erkennen."
Eine Analogie, die die Ungeheuerlichkeit dieser Zurückhaltung verstehen
läßt. ****) Im März 1814 sollte Frankreich - mit Füßen getreten,
vergewaltigt, von 600000 fremden Soldaten verschlungen - durch Napoleon
befreit werden. Eine göttliche Strategie, der nur die größten
Heldentaten Hannibals verglichen werden können, sollte alles retten.
Der schreckliche Blücher war zwischen die Kinnbacken des Schraubstockes
geraten, wo der Mann von Jena und von Montmirail seine 60000 Preußen
zerstampfen wollte. Durch den Willen Gottes ließ der Mangel an Willen
eines einzigen Mannes den schönsten aller Siege mißlingen.
Dieser General Moreau, dieser elende Kapitulant von Soissons, war
indessen kein bestochener Mensch, noch ein Soldat ohne Mut, so hat man
wenigstens gesagt. Er war einfach ein Mittelmäßiger, ein Dummkopf ohne
Entschlußkraft und Stolz, der dachte, daß es nichts besseres gäbe als
gehorchen, und dessen armselige Vorsicht ein Todesurteil für ganze
Massen wurde. Auch dieser fragte sich, was seine Pfli'éht wäre, wobei
er den strengen Befehl vergaß, den er nur genau auszuführen gehabt
hätte gemäß den Bestimmungen der Ordre über den Dienst an
Kriegsplätzen, d.h. "in Ausschöpfung aller Mittel der Verteidigung,
dabei taub bleiben gegenüber Nachrichten, die vom Feind ausgestreut
würden, und dessen Einflüsterungen, wie seinen Angriffen Widerstand zu
leisten". Das Kaiserliche Dekret von 1811, diese fast prophetische
Anweisung:" Der Befehlshaber eines Kampfplatzes muß eingedenk sein, daß
er eines der Bollwerke unseres Königreiches verteidigt, einen der
Stützpunkte unserer Heere, und daß seine Übergabe, um einen Tag voraus
oder verzögert, für die Verteidigung des Staates oder das Heil des
Heeres von der größten Wichtigkeit sein kann." "Wenn ein Soldat
anfängt, sich zu fragen, wo seine Pflicht ist", sagt zu diesem Punkt
der ausgezeichnete Historiker Henry Houssaye, "ist er nahe daran,
nichts mehr zu hören als seinen Vorteil". La Salette ist wahrscheinlich
das letzte Bollwerk der Christenheit, und seit vierzig Jahren
kapituliert diese Festung.
Anmerkungen:
*) Prediger XLVI.27.
**) Wohin würde nicht eine solche Arbeit führen? Es bedarf eines langen
Studiums der heiligen Bücher, um zu wissen, wie schwer es ist, seinen
Weg zu finden in dem Urwald der Vergleiche. Beispiel: Die "Rede"
spricht von Nüssen, die schlecht werden. Nun, die Vulgata nennt sie
genau sechsmal, fünfmal im Exodus, wo sie ihre Form den
Leuchtermanschetten der Kandelabern am Tabernakel leihen, und ein
einziges Mal im Lied der Lieder, wo die Rede von Maria ist, die in
ihren Garten niedersteigt: "Wer ist jene, die kommt, aufsteigend wie
die Morgenröte, schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne, furchtbar
wie ein geordnetes Kriegsheer? Ich bin herabgestiegen in den Garten der
Nüsse, um die Äpfel des Tales zu sehen und um zu schauen, ob die
Weinreben in Blüten stehen und ob die Granatäpfel sprießen". Cant. VI,
9 und lo. Dieser Text, in La Salette durch einen aufmerksamen Christen
gelesen, wird ihm dieses ein wenig furchtbar erscheinen lassen können.
***) Das war am 14. Juli 19o7. Mgr. Henry sprach von der Kanzel in La
Salette herab zu mehr als tausend Pilgern: "Ihr seid in Massen gekommen
zu diesem nationalen und marianischen (!) Fest", sagte er ihnen, und
deutete so ein gemeinsames Fest an zwischen den Meuchelmördern der
Bastille und Unserer Lieben Frau von den Sieben Schmerzen.
****) Monsignore erläutert dann das Geschehen von La Salette. Er
unterscheidet sorgfältig die öffentliche Botschaft von der geheimen
Botschaft. Die Kinder erhielten den Befehl und die Aufgabe: "die erste
dem ganzen Volk Mariens zukommen zu lassen". Die zweite sei nur für die
Hirten selbst bestimmt gewesen (bischöfliches Dementi gegendie heilige
Jungfrau, die zu Melanie gesagt hatte: ''Du wirst es 1858
veröffentlichen können"), dieser war diese nötige Unterscheidung völlig
bewußt. (Die Hirten) waren immer bereit, die Rede der schönen Dame noch
einmal zu berichten, dann, nach fünf Jahren des Schweigens und der
absoluten Zurückhaltung, willigten sie ein, ihre Geheimnisse nur dem
Papst allein zu enthüllen. Auf diesen Vorschlag hin setzte seine
Heiligkeit die Gläubigen auf Wache gegen alle umlaufenden Schriftstücke
und Phantasiekommentare, die vorgaben, das Geheimnis von Melanie
wiederzugeben. (Die Wiedergabe selbst ist abgesegnet worden von Pius
IX., approbiert von mehreren Bischöfen, gefördert 25 Jahre lang durch
das Schweigen Leos XIII. Aber das genügt einem Bischof von Grenoble
nicht. Noch einmal: der Papst allein. Auf diesen Vorschlag setzt seine
Heiligkeit seine Gläubigen auf Wache gegen alle kürzlich
veröffentlichten Hirngespinste, ob sie übereinstimmend seien mit dem
ursprünglichen Text. ... Der Bischof von Grenoble wartet, bis Rom
gesprochen hat. (Immer die gleiche Taktik des Teufels: Wenn Rom
spräche, würde man ihm antworten wie Fava: "Beweisen Sie, daß Sie recht
haben!") - Annalen von Notre Dame de L.S., 1907.
XIX. Einträgliches Priesteramt. Eitelkeit der Werke in vollem Ungehorsam.
Züchtigungen. Finsternisse.
Das Geheimnis der priesterlichen Feindseligkeit gegen das Geheimnis
Melanies ist, daß man, wenn man es annähme, auf ein einträgliches
Priesteramt verzichten müßte, 'Lebe wohl' sagen müßte den
Nebeneinkünften, den Tarifen, den Rangstufen, dem abscheulichen Klang
des Geldes in den Kirchen. Selbst wenn wir einen Klerus von
bewundernswerter Sittenreinheit voraussetzen würden: wo ist der
Priester, der es wagen würde, auch nur einen gewissen Grad von Abscheu
zu bekunden über diesen Handel der "Taubenverkäufer" und der
"Geldwechsler" im Hause des Vaters, das so in eine "Räuberhöhle"
verwandelt wird? Denn das ist der genaue Text des Evangeliums. Wo ist
der Gemeindepfarrer, der es wagen würde, den Freunden Gottes, d.h.
Barfüßigen, die Ihm so teuer sind, den ersten Platz anzuweisen und die
Reichen mit ihren gepolsterten Betschemeln in den hinteren Teil der
Kirche zu verweisen, möglichst weit weg vom Altar. Das Heilige den
Heiligen, nicht den Hunden! Dieser Kühne würde alsbald von all seinen
Mitbrüdern angezeigt und von dem Diözesanvorstand streng getadelt
werden. *)
Es handelt sich wohl darum, Armut und Demütigung zu lieben. Der
Buchstabe des Evangeliums verpflichtet ja niemand! Er mag auf die
ersten Apostel oder auf einige staubige Mönche des 11. Jahrhunderts
gemünzt sein, für Sulpizianer taugt er nichts, die der Geist erweckt
hat und die gezwungen sind in die Welt zu gehen - leider! Denn es ist
immer leicht, die wahrlich übersteigerte Vorschrift, nämlich alles zu
hassen, alles zu verlassen, alles zu verkaufen um Jünger und Gefährte
Jesu Christi zu werden, in einen bloßen Rat der Vollkommenheit
umzuwandeln.
Die heilige Jungfrau, die streng vom Klerus gesprochen hatte - zuerst
in sehr verhüllter Form in der Rede, dann ausdrücklich im Geheimnis **)
- hat die "Kloake der Unreinigkeit" zu protestieren gezwungen ... nach
Art der Kloaken, indem diese Erstickungsdämpfe aushauchten. Die
christliche Welt atmet nicht mehr. Im Jahr 1846 war schon alles
verloren. Ein einziges übernatürliches Heilmittel wurde von oben durch
die Mutter Gottes, die weinte, gebracht. Der "Familienvater, der
Pflanzer des Weinberges und Erbauer des Turms" konnte der wohl glauben,
daß das etwas bewirken würde? Könnte die ewige Weisheit sich nicht
sagen: "Verebuntur Matrem meam?" ("Werden sie Ehrfurcht habe vor meiner
Mutter?") Die (Gift)Gase der Kloake erstickten die Offenbarung so
vollkommen, daß selbst die guten Priester, seit zwei
Priestergenerationen getäuscht, die Unkenntnis des Heilmittels
eingestehen. Darum, wie genügend sagen, die Eitelkeit der Werke,
begangen in vollem Ungehorsam?
"Man wird nach La Salette gehen", schrieb ein ausgezeichneter Priester,
"man wird nach Lourdes, nach Paray-le-Monial, nach Rom, nach Jerusalem
gehen und singen: 'Rettet Rom und Frankreich'. Seit dreißig und einigen
Jahren tut man nur das. Man erfindet Männer- und sogar
Priesterwallfahrten. Man organisiert Kongresse der heiligen Jungfrau,
eucharistische Kongresse, Ligen der Ave Maria, Novenen usw. Und der
Himmel bleibt ehern. All das wird völlig nutzlos sein, um den erzürnten
Gott zu besänftigen, weil man im ganzen nach eigenem Belieben lebt und
weil man, um die Vorwürfe Seiner Mutter nicht zu hören, ihre Botschaft
mit Füßen tritt."
Lassen wir Melanie sprechen: "Es scheint mir, daß ich seit langem ein
kleines Glockenzeichen gebe, um die Menschen zu benachrichtigen, daß
wir traurigen und finsteren Ereignissen, der Herrschaft des Antichrist
entgegengehen. Ist nicht der Glaube erloschen? - Nein, sagt uns einer.
- Wenn der Glaube nicht erloschen ist, soll er Werke zeigen, denn der
Glaube geht einher mit den Werken. - Aber, wird man antworten, man
macht Wallfahrten, man vollbringt eine große Zahl von guten Werken. -
Sei es: das französische Volk neigt von Natur aus zu Äußerlichkeiten,
aber wenn diese Wallfahrten zur Sühne unternommen wurden, um den Zorn
Gottes zu besänftigen, Ihn um Verzeihung zu bitten usw., hat man sich
dann in Säcke gekleidet und mit Asche bestreut, in aufrichtiger Buße? -
Nein! - Hat man wenigstens diese teuflischen und unsittlichen Moden
beiseite gelassen usw.? - Nichts von alle dem. Nachdem man die heiligen
Stätten, die Heiligtümer besucht hat, geht man ins Theater wie vorher
... Man könnte die Auserwählten zählen, die wirklich christlichen
Seelen, die andern kann man nicht rechnen. Der Abfall ist fast
allgemein. Der Antichrist wird keine große Mühe haben, seine Herrschaft
in Europa zu begründen. Diejenigen, die zur Zeit Frankreich regieren,
bereiten sie ihm vor, ohne Hindernissen zu begegnen. Bis dahin lacht
es, amüsiert sich, weil es an ein besseres Leben nicht glaubt, weil es
keinen Glauben hat, sondern nur den Anschein von Glauben, indem es
Religion vortäuscht und sich als Leiterin oder Glaubenseiferer oder
Präsident dieser oder jener Bruderschaft eintragen läßt." Dieser Brief
ist vom 28. November 1887.
Ein Jahr zuvor, als viele Journalisten sich aufregten, hatte sie
bereits geschrieben: "Es ist nutzlos, uns Mühe zu geben, um zu erraten
zu suchen, welcher Fürst auf den Thron Frankreichs steigen wird. Wenn
man das Geheimnis nicht kennen würde, wäre es verzeihlich: Für eine
gewisse Zeit wird Gott nicht mehr Frankreichs und Italiens gedenken.
Man hat sich gegen Gott und sein mildes Gesetz empört: wir werden durch
eine Eisenrute beherrscht werden, und harte und hassenswerte Gesetze
wird man uns auferlegen. Die uns beherrschen sind nur Werkzeuge in der
Hand des Allerhöchsten. In dem Maße wie die Bösen auf dem katholischen
Gebiet voranschreiten, haben wir die Feigheit zurückzuweichen. Wir
beugen uns allen Forderungen der Feinde Gottes und der Seelen. Man
protestiert, werdet ihr mir sagen. Ja, man protestiert, das kostet
nichts! Die ersten Christen protestierten mit ihrem Blut und Leben.
Los, wir sind nur Schatten von Christen, wir fürchten die Züchtigungen
der Menschen mehr als die Qualen der Hölle. Glaubt ihr, der liebe Gott
gibt Frankreich einen König, bevor er es gerecht und streng bestraft
hat? Und erst danach kann man uns wieder zu den Lebendigen zählen. Alle
Intrigen gewisser Anwärter auf den Thron Frankreichs sind nur
Kinderspiele..." ***)
"Eine Tatsache verursacht in mir den traurigsten Eindruck. Das ist die
teuflische Angewohnheit, den Opfern eines Erdbebens oder irgend einer
anderen Katastrophe Hilfe zu verschaffen, indem man Bälle oder
Theateraufführungen veranstaltet. Ich kann nicht zulassen, daß man
wagt, zu einem Übel zu greifen, um etwas Gutes zu leisten. ****) Oh,
die Verblendung des Menschen ohne Gott! Und die so handeln, sind
Christen! Ich möchte nicht daran zweifeln, wir sind nahe am großen
Krieg, d.h. vor der Ankunft des Mannes des Verderbens, des Antichrist.
Ich weiß, niemand willigt ein, eine Wahrheit anzuerkennen, die
erschreckt, die aber nichtsdestoweniger Wahrheit ist. Unsere Generation
schreitet auf den Antichrist zu, dessen Begegnung sie machen muß. Und
die Gleichgültigen, die sich weigern zu glauben, und die Gottlosen, die
spotten. Das ist so! Unglück, Unglück, Unglück!"
"Ich bin erstarrt vor Schreck, wenn ich die Wut der Hölle und des
Menschen sehe - die Frauen ausgeschlossen, Feuer und Blut werden viel
zu tun haben. Welche Blutbäder! Welch furchtbare Foltern! Oh, die
Frauen sind schrecklich! Arme Priester, die ihnen in die Hände fallen
werden!"
"Die Kirche wird eine schreckliche Krise durchmachen ... Vertreibung
der Priester aus ihren Pfarreien, der Bischöfe aus ihren Palästen",
fährt die Seherin fort."Schließung und Enteignung der Kirchen;
schlimmere Massenmorde unter den Priestern als unter der
Schreckensherrschaft! Viele werden aus persönlicher Rache getötet
werden; die, die nachgegeben haben, werden nicht verschont werden; der
Plan der Freimaurer ist, die Geweihten zur Sünde zu verführen, bevor
man sie tötet. Ich sah diese vergewaltigten Toten in sehr großer Zahl.
Sie waren alles andere als Märtyrer. Das war die Verwirklichung des
Wortes der Schrift in seiner ganzen Furchtbarkeit. Unglück! 'Ihr wollt
nicht die Botschaft der Barmherzigkeit, ihr stoßt die ausgestreckte
Hand zurück'; es gibt nichts mehr zu tun: Gott wird die Menschen sich
selbst überlassen. Das sind die Zeiten der Finsternis." *****)
Anmerkungen:
*) Die gepolsterten Betschemel: eine Pflichtverletzung, angeprangert beim hl. Jakobus II, 2,3,4.
**) Die Oberen, die Führer des Volkes Gottes haben Gebet und Buße
vernachlässigt... (5. § des Geheimnisses.) Diejenigen, die die Karren
führen, war in der Rede gesagt. Dieser Vorwurf wird die Personen
treffen, die an das Geheimnis der Übereinstimmungen gewöhnt sind. Die,
die die Karren führen, sind es nicht offensichtlich jene Priester, die
nicht sprechen können, ohne den Namen meines Sohnes in die Mitte zu
stellen? Mein Vater, mein Vater, Israels Wagen und sein Lenker. IV.
Könige II, 12; XIII,14.
***) Es ist unnötig, auf die Gegenwartsnähe dieser Seite hinzuweisen - vor mehr als 20 Jahren geschrieben.
****) Leon Bloy: Mein Tagebuch. Brief über den Brand des Wohltätigkeitsbasar.
*****) S.b.S.
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