LEON BLOY
CELLE QUI PLEURE - NOTRE DAME DE LA SALETTE
DIE, DIE WEINT - UNSERE LIEBE FRAU VON LA SALETTE
aus dem Französischen übersetzt von BERTHA DIEHL
(nach der Ausgabe des Mercure de France, Paris 1927)
herausgegeben vom
Freundeskreis e.V. der UNA VOCE - Gruppe Maria
München 1983
Vorwort des Herausgebers
"Niemand
führe euch irre auf irgendeine Weise. Denn zuvor muß der Abfall kommen
und offenbar werden der Mensch der Gesetzlosigkeit, der Sohn des
Verderbens, der Widersacher, der 'sich über alles erhebt, was Gott
heißt' oder Gottesverehrung, so daß er sich in das Haus Gottes setzt
und sich für Gott ausgibt." (2 Thess. 1,3 f.)
Als wir Weihnachten 1979 mit der Veröffentlichung von Leon Bloys
eindringlichem Buch über La Salette, das in unserer Zeitschrift zum
ersten Mal (!) in deutscher Übersetzung erschien, begannen, geschah es
in der Absicht, den Lesern Gelegenheit zu geben, gleichsam von einem
übernatürlichen Standpunkt aus, mit den tränengefüllten Augen der
Mutter Gottes auf unsere Zeit voller Glaubensnot herabblicken zu
können. Unser weitgehend mit theologisch-dogmatischen Argumenten
geführter Kirchenkampf gegen eine Hierarchie, die den Glauben verloren
und verraten hatte und ihn von den okkupierten hierarchischen
Positionen 'amtlich' verfälschte, sollte so durch die warnende,
tränenerstickte Stimme der hl. Jungfrau unterstützt und auf eine andere
Weise erklärt und verständlich gemacht werden. Die Herzen der Stolzen
sollten gerührt werden. Diese Erzsünde, die die wirkliche Verbreitung
der himmlischen Warnung seit 1846 verhindert oder sie auf das Niveau
eines Wochenendhoroskop herabgezogen hatte und durch die der erhabene
Ort der Erscheinung in einen Andenkenladen verwandelt worden war, hatte
sich auch unter denen breit gemacht, die angeblich gegen die
zerstörerischen Reformen im Gefolge des II. Vatikanums angetreten
waren. Vielfach konnte (und kann) man sich des Eindrucks nicht
erwehren, daß die Abneigung gegen die Reformen nicht so sehr in
übergroßer Glaubensüberzeugung, sondern vielmehr in dem Hang wurzelt,
den alten, wohl gehüteten und gehätschelten Fehleinstellungen treu zu
bleiben. Doch am Heilsegoismus, an der Selbstgerechtigkeit, an der
Überheblichkeit, an der Unwahrhaftigkeit - die alle wirklichen Probleme
verdrängt, die blind macht gegen die eigenen Sünden -, an der doppelten
Moral, an dem Parteidenken - das das Ringen der Kirche zu einem
politischen Wahlkampf degradierte -, besonders aber am Stolz, am Stolz
der Kleriker ist die alte Kirche weitgehend zerbrochen.
Wer hat nun in unseren, vorgeblich der wahren Tradition verpflichteten
Kreisen die Stimme vernommen, die in La Salette so eindringlich mahnte?
Wo sind die hochherzigen Seelen, die ohne Schielen nach dem eigenen
Geldbeutel den Glauben an Gott durch ihr L e b e n so überzeugend
aufleuchten lassen, daß sie dadurch andere zu Gott hinführen? Wo ist
die Demut, die Einsicht in begangene Fehler erzeugt, wo der Seelenhirt,
der nicht zur "Kloake der Unreinigkeit" geworden ist?
Das vorliegende Buch richtet sich an die wenigen, die in aller
Armseligkeit helfen wollen, die Tränen der Trauernden von La Salette zu
trocknen. Mein Dank gilt in besonderer Weise Frau Bertha Diehl, die in
dem hohen Alter von fast 80 Jahren die Mühe der Übersetzung übernahm,
und Frau Lotte Melier, unserer früheren, inzwischen verstorbenen
Schriftführerin, die ihre Freundin gewinnen konnte, Leon Bloys
schwierigen Text ins Deutsche zu übertragen.
München, 5.11.1983
Im Namen des Freundeskreises e.V. der Una voce - Gruppe Maria
(sig.:) E. Heller
***
...
Die kleinen Kinder unter sieben werden von einem Zittern ergriffen
werden und in den Händen der Bersonen sterben, die sie halten, ... die
andern werden durch Hunger Buße tun ... Die Jahreszeiten werden
geändert sein ... (Worte der heiligen Jungfrau)
(Widmung :)
An Pierre Ternier
Chefingenieur der Bergwerksinnung
Professor an der Bergwerksschule
Dieses Buch muß wohl Ihnen gewidmet werden, lieber Freund, denn ohne
Sie würde es nicht bestehen. Ich hatte den Plan dazu vor 27 Jahren
aufgegeben und endlich nicht mehr daran gedacht, da ich ihn für
unausführbar hielt.
Unsere liebe Frau vom Mitleid schluchste immerzu auf dem Berg, und ich
hörte sie nicht mehr. Sie befahl, daß ich durch Sie wieder dazu
ermuntert würde. Wir sind uns auf eine so wunderbare Weise begegnet.
Seit 30 Jahren erwarteten Sie einen, der Ihnen von La Salette spräche.
Ich erwartete, daß mir gegeben würde, in angemessener Weise davon zu
sprechen.
Es geschah schließlich eines Tages - es ist noch nicht lange her - daß
Sie einige Seiten in einem meiner Bücher gelesen hatten, worin ich mich
bemüht hatte, unsere liebe Frau von La Salette zu verherrlichen. Es
schien Ihnen, daß ich wohl der Schriftsteller sein könnte, den Sie
erhofft hatten. Wir lernten uns also kennen, und Ihr Eindruck, weit
davon, sich zu ändern, verstärkte sich.
Was konnte ich, ermutigt durch Sie und in Ihnen einen Gesandten Mariens
sehend, Besseres tun als gehorchen? Aber es kostete mich deshalb nicht
weniger, den Schwierigkeiten, Bitternissen, die mit einem solchen
Gegenstand verbunden sind, die Stirn zu bieten.
La Salette ist noch nach sechzig Jahren die Quelle des Widerspruchs,
wovon in der hl. Schrift geschrieben ist - und die es lieben, sind dazu
berufen zu leiden.
"Laßt sie zu meinem ganzen Volk gelangen", hatte die Muttergottes zu
den Hirtenkindern gesagt, nachdem sie ihnen die Große Botschaft
verkündet hatte. Also sage ich zu Ihnen: Lassen Sie mein Buch zu den
Armen gelangen. Sie verstehen mich gut. Ich rede von jener leidenden
Herde, an die niemand denkt und mit der niemand Mitleid hat: den
Großmütigen, die die Wahrheit nicht kennen, den schönen, unsteten
Seelen, die eine Unterkunft für den Tag brauchten ... "Mich erbarmt des
Volkes", sagte Jesus. Habt Mitleid mit jener Herde, die vor Durst
stirbt am Ufer der Flüsse des Paradieses.
Maria Geburt, 8. Sept. 1907
Leon Bloy
***
Erklärung des Verfassers
In meiner Eigenschaft als Katholik erkläre ich, daß ich mich gänzlich
der Lehre der Kirche, den Regeln und Entscheidungen des Heiligen
Stuhles unterwerfe, besonders bezüglich der Dekrete der Oberhirten
Urbans VII. und Benedikts XIV., die eine Heiligsprechung betreffen.
Wenn es mir unterläuft, beim Sprechen von den beiden Hirtenkindern die
Worte heilige oder Heiligkeit zu verwenden, so geschieht dies nur in
einem bedingten Sinne wegen der Mangelhaftigkeit unserer Sprache und
des Fehlens von Worten, die meinen Gedanken vollkommener ausdrücken
könnten.
Im voraus stelle ich den strengen und absoluten Sinn in Abrede; denn
keiner kann heilig genannt werden, sofern ihn die Kirche nicht
offiziell als solchen erklärt hat.
Leon Bloy
***
Taceat mulier ...! (Es schweige die Frau ...!)
Ich habe gerade eine fürchterliche Predigt gegen den Materialismus und
Naturalismus, die gegen die übernatürliche Offenbarung sind, über mich
ergehen lassen. Alle philosophischen Gemeinplätze aus dem Seminar sind
vor dem unbeweglichen Allerheiligsten vorbeigezogen.' Ach, ich war zur
Kirche gekommen wie ein Bettler voller Bitten. Dieser Abgrund leerer
Worte hat sie verschlungen, und meine Seele ist in einem schlechten
Schlaf versunken wie ihn Geschwätz verursacht. Das ist es also, was
diese Prediger, die lange erzogen und mit soviel Sorgfalt in der
Verachtung der Warnungen von La Salette ausgebildet worden sind, im
Angesicht des Feindes sich ausdenken konnten - am Vorabend
schrecklichen Verfalls!
Welche planmäßige Verbildung oder welchen Mangel an Glauben muß man
nicht voraussetzen, daß solche Priester in solch großer Zahl dahin
gelangten, nicht mehr zu wissen, daß Glaube und Gehorsam das
Grundvermögen des Menschen sind, daß man folglich Apostel braucht und
nicht Redner, Zeugen und nicht Angeber. Es ist jetzt nicht an der Zeit,
zu beweisen, daß Gott ist - die Stunde schlägt, das Leben für Jesus
Christus hinzugeben.
Aber jedermann verweigert es Ihm mit Entschiedenheit. Nicht diesem!
Eher einem Teufel! Zwar haben die Christen aufgehört, an den Teufel zu
glauben. Versucht doch einmal, mit der Autorität des Evangeliums
verständlich zu machen, daß der Reichtum ein Fluch sei, daß es
unmöglich ist, Gott und der Welt zu dienen, daß die Feste oder Bazare -
angeblich der Wohltätigkeit - den Brand entzündeten, und daß die
hübschen Frommen, die dort eine letzte, wahrhaft höllische Folter
suchen, Dienerinnen des Teufels sind, sehr aufmerksame, und sie wurden
belohnt, wie es sich ziemt. Das wird nicht zuviel an endgültiger
Veränderung sein-verursacht durch das, was man übereingekommen ist,
ungenau Tod zu nennen -, wenn man plötzlich entdeckt unter einem
Geschrei, das den Schoß der Ewigkeit durchbricht, bis zu welchem Punkt
auch die treuesten unter uns Menschen ohne Glauben gewesen sein werden.
"Wenn Frankreich, beschmutzt vom Kopf bis zu den Füßen", sagte Melanie,
"durch die Geißeln der göttlichen Gerechtigkeit gereinigt sein wird,
wird Gott ihm einen Mann schenken, aber einen freien Mann, um es zu
regieren. Es wird dann gefügig sein, fast vernichtet."
Man müßte mit einer seltenen Dummheit begabt sein, einen solchen Mann
unter den Rindviechern von Wallfahrern oder katholischen
Kongreßteilnehmern zu suchen. Ach, ich erinnere mich an diese lärmenden
Menschenmengen am Tag nach dem Krieg (18)73 genau.
Die Hintern brannten noch von dem deutschen Fußtritt. Man sprach nur
davon, zu Gott zurückzukehren. Man drängte sich in den katholischen
Zirkeln, um das gute Wort von Mgs. Mermillod zu hören, der erzählte,
was er für Jesus Christus gelitten hatte, oder das ökumenische
Gestammel von M. de Mun. Man' hing hingerissen am Grafen von Chambord,
den man für den von den Prophezeihungen verheißenen großen Monarchen
hielt, und dessen gesetzwidriger Schmierbauch alles retten sollte. Man
stürzte sich auf die Wallfahrten, wobei man freiheitliche Lieder sang.
Man gelobte die Errichtung eines Heiligtums zum Göttlichen Herzen, auf
dessen Mauern diese hilfreichen Worte zu lesen waren "Das büßende und
fromme Gallien"; und jeder brachte seinen Stein herbei, denn dies war
ein nationales Gelübde, das danach eigenartigerweise vergessen wurde.
Was noch? die Augustinerpatres von der Himmelfahrt gründeten den
erfolgreichen "Pilger" und das einträgliche "Croise". Zur
unwiderruflichen Entwürdigung christlichen Denkens und Fühlens. Ein
wenig später baute man auf dem festen Misthaufen der Herzen eine
berühmte Bank, die den allgemeinen Wohlstand auffangen sollte und für
immer die niederträchtige Konkurrenz der Söhne Israels vernichten
sollte. Diesen Massenaufstand der katholischen Wollstrümpfe nannte man
großartig einen Kreuzzug und erhielt am Ende einen berühmt gebliebenen
"Krach".
Der Gehorsam gegenüber der Mutter Gottes, die heute vor 60 Jahren
eigens kam, um ihren Willen zu bekunden, war das einzige Mittel, dessen
man sich nicht bediente. Und doch hätte man glauben können, daß dies
ganz einfach sei. Die Herrscherin des Weltalls bemühte sich, wenn ich
es zu sagen wage, wie die Milchstraße sich bemühen würde, wenn dieses
unberechenbare Geschöpf, erschreckt durch die Bosheit der Menschen,
sich in dem dunkelblauen Himmel hinkniete. Sie bemühte sich, um uns
weinend die große Botschaft von der Ungeheuerlichkeit unserer Gefahr zu
bringen. Sprechend, wie nur die Dreifaltigkeit sprechen kann, erklärte
diese Botschafterin das Herannahen von Strafen und Katastrophen und
sagte, was zu tun sei, um nicht umzukommen; denn die von ihr gemachten
Aussprüche waren - nach ihren ersten Worten - Drohungen:
"Wenn mein Volk sich nicht unterwerfen will, bin ich gezwungen, den Arm meines Sohnes fallen zu lassen."
Ich wiederhole es, was ist einfacher, als sich zu demütigen und zu
gehorchen? Man hat genau das Gegenteil getan. Maria hatte den 7. Tag
>ind die Achtung des Namens ihres Sohnes verlangt. Sie wollte, daß
die Kirchengebote beobachtet würden, und daß während der Fastenzeit
ihre Kinder nicht 'wie die Hunde' in die Metzgerei liefen. Sie hatte
jedem, der beiden Hirtenkinder, besonders Melanie, ein Geheimnis von
Leben und Tod anvertraut, das ihren ausdrücklichen Wunsch wiedergab -
seither durch Pius IX. und Leo XIII. anerkannt -, daß man es zu ihrem
ganzen Volk gelangen lasse; von einer bestimmten Zeit ab. Endlich hatte
sie in französisch die Regel für einen religiösen Orden gegeben: "die
Apostel der letzten Zeit" ... "die wahren Jünger des lebendigen Gottes,
der im Himmel herrscht: die wahren Nachahmer des menschgewordenen
Christus; meine Kinder, meine wahren Ergebenen; die mir gegeben wurden,
damit ich sie zu meinem göttlichen Sohn führe; jene, die ich sozusagen
auf meinen Armen trage, jene, die von meinem Geist gelebt haben; die
Apostel der letzten Zeiten, die treuen Jünger Jesu Christi, die in der
Verachtung der Welt und ihrer selbst gelebt haben, in Armut und Demut,
in Schweigen, Gebet und Abtötung, in Keuschheit und der Verbindung mit
Gott, in Leid und unbekannt in der Welt. Es ist Zeit, daß sie beginnen
und die Erde erhellen. Denn es ist die Zeit der Zeiten."
Sechzig Jahre sind verflossen. Man ist irdischer, gottloser,
ungehorsamer geworden und "hündischer". Aber scheint es nicht, daß
dieser unfaßbare Mißerfolg, dieses ungeheure und zugleich
anbetungswürdige Scheitern der Herrin des Paradieses nach nichts
aussieht, wenn man an den unverzeihlichen Hohn denkt, der an die Stelle
des Gehorsams trat?
Man arbeitete immer mehr am Sonntag, und hauptsächlich ließ man die
Armen sonntags arbeiten. Die Gotteslästerung wurde zur männlichen
Sprache, selbst für die Frauen, ein Zeichen von Kraft und
Unabhängigkeit wie der Tabak und Alkohol. Man bemühte sich "Hund" zu
sein, Hundesöhne, und selbst Neffe vom Schwein, zu allen Zeiten des
Jahres, und diese Bemühungen waren sehr erfolgreich. Die Worte Mariens,
von denen sie wünschte, sie möchten zu ihrem ganzen Volk gelangen, in
Tibet genauso wie in Feuerland, als auch im Isèrebezirk, gelangten
merklich nicht weiter als bis zum Fuß des Berges. Was die Apostel der
letzten Zeiten betrifft, man hat sie durch priesterliche Suppenhändler
ersetzt, die die Pilger zu schätzen wußten.
Diese angeblichen Missionare wurden zum unerklärlichen Hohn dessen,
wovon gesprochen werden muß. Der absolute Ungehorsam ist ein
unbegreiflicher Zustand so lange, wie sich die Idee des Hohns dem
Geiste nicht darbietet. Der erste Sündenfall muß nicht durch einen
förmlichen Ungehorsam bestimmt worden sein, sondern durch einen
höhnischen Gehorsam, von dem wir uns keine Vorstellung machen können,
und, weil ein Abgrund dem Abgrund zuruft, wurde die Strafe - wenigstens
dem Anschein nach - der endlose Hohn, die biblische 'Subsannation':
"Seht Adam, der uns gleich geworden ist ..."
Die sogenannten Missionare von La Salette, unschuldig vielleicht
infolge ihrer Blödigkeit und Niedrigkeit des Herzens - aber welch
schreckliche Unschuld! - wurden, ich wiederhole es, eine lächerliche
Einrichtung seitens der diözesanen Autorität, dem ausdrücklichen Befehl
entgegengestellt, dem es auszuweichen galt. Die hl. Jungfrau hatte
Apostel verlangt. Man gab ihr Herbergswärter. Sie hatte wahrhafte
Jünger Jesu Christi verlangt, die die Welt und sich selbst gering
achteten. Man setzte priesterliche Geschäftsleute ein, fromme
Buchhalter, beauftragt, Werte zu schaffen. Aus der Forderung,
hinzugehen und die Welt zu erhellen, machte man die Anweisung für
Reklame und die für die Treibjagd auf Pilger.
Nach der Ausfegung dieser Söldnettruppen I9o2 fuhren die an ihrer
Stelleeingesetzten Kapläne nur mit der Verpflegung und der Beherbergung
einfach fort. Sie setzten auch den täglichen, stets gleichbleibenden
Wunderbericht fort, erweitert um eine "sulpiciennische" Ermahnung,
einige vernünftige Tugenden zu üben, ohne dabei häufig den Rat
auszulassen, gewissen übertriebenen oder lügenhaften Veröffentlichungen
zu mißtrauen wie dem geschriebenen Zeugnis der beiden Hirtenkinder, die
die von der hl. Jungfrau erwählten Anwesenden, Hörer und wahren
Botschafter waren, bestimmt, ihre Nachrichten und Drohungen zu
verbreiten, und die bis zu ihrem letzten Tag nicht aufgehört hatten -
vor allem Melanie - gegen die priesterliche Pflichtvergessenheit und
die abscheuliche Geschäftemacherei zu protestieren, die man auf dem
Berg praktizierte.
Das Verbrechen, das ungeheure, wahrhaft erschreckende Verbrechen dieser
Leute, bestand darin, die Himmelskönigin geknebelt zu haben; ihr - wie
irgendein Schriftsteller früher schrieb - mit erschreckender Gewalt den
Mund versiegelt zu haben.
Es ist schwer, sich eine solche jammervolle Bitte - ich sage nicht,
sich vorzustellen, sondern - zu begreifen: "Seit der Zeit, wo ich für
euch leide, seit 1900 Jahren, geleite ich die Sieben Schmerzen, deren
Hirtin ich bin, in den Bergen, die sieben Schäflein des Heiligen
Geistes, die eines Tages die Welt abweiden sollen.
Wenn ich will, daß mein Sohn euch nicht verläßt, bin ich damit beladen,
unaufhörlich zu beten. Was kann ich für euch tun, das ich nicht schon
getan hätte? Ich bin Ägypten und das Rote Meer, ich bin die Wüste und
das Manna; ich bin der sehr schöne Weinstock, aber ich bin zugleich
auch der göttliche Durst und die Lanze, die das Herz des Retters
durchbohrten. Ich bin die unendlich schmerzhafte Geißelung, ich bin die
Dornenkrone und die Nägel und vor allem das Kreuz - sehr herb, wo die
Freude des Menschen entsteht. Die zwei Arme meines Sohnes wurden dort
angeheftet, aber es brauchte nur einer davon, um euch zu zerschmettern,
und ich kann diesen kaum zurückhalten, so schwer ist er ... Ach meine
Kinder, daß ihr euch doch bekehrtet!"
Männer sind aufgestanden, die auf dem Haupt die Mitra und in den Händen
den Hirtenstab der Herde Christi trugen. Und diese Männer haben zu
unserer lieben Frau gesagt:
"Genug jetzt, nicht wahr? Die Frau
schweige in der Kirche! Wir sind die Bischöfe, die Lehrer, und wir
brauchen niemand, nicht einmal Personen, die in Gott sind. Wir sind
übrigens die Freunde des Cäsars, und wir wollen keinen Aufruhr unter
den Leuten. Eure Drohungen regen uns nicht im Geringsten auf, und eure
kleinen Hirten werden von uns selbst im Alter nur Verachtung,
Verleumdung, Spott, Verfolgung erhalten, Elend, Verbannung und
schließlich Vergessenheit."
Das vorliegende Werk soll in irgend einer Art so hoffe ich, - wenn
dafür noch Zeit ist - die gemeine Gotteslästerung dieser Kaiphasse und
Judasse wiedergutmachen, die seit sechzig Jahren andauert, das schönste
Reich der Welt zuzerstören.
Paris-Montmartre, im Februar 1907
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