WAHRHEIT ODER "HÖFLICHKEIT" ?
(aus MYSTERIUM FIDEI Nr.59, Sept. 1982 hrsg von A. Denoyelle; übers. v. Eugen Golla)
Wenn Sie 'mal dies und 'mal das vorziehen, nehmen Sie sich schnell
zusammen, denn mehr als sonst sind gemäß dem Ausspruch des hl. Papstes
Pius X. die Laschheit und die Schwäche der Guten die Hauptstärken der
Bösen. Und der Nerv von Satans Reich liegt in der Lauheit der Christen.
Das Unglück sind nicht so sehr die herzzerreißenden Beispiele, die sich
einem darbieten, sondern die Pantoffelhelden, die heutzutage die
Frechheit besitzen, sich zugunsten ihres wertlosen Christentums auf die
Nachfolge Christi zu berufen, um Frieden, Ruhe, Heiterkeit, Nachsicht,
Güte und Demut zu verkünden - alles Bemerkungen, die zur Bequemlichkeit
und Gastfreundschaft ihres Lehnstuhles passen - oder geistiger
ausgedrückt - zu einem Aggiornamento des Quietismus, wo der Grundsatz
"Gott lieben und sich von Ihm lieben lassen", der Lieblingsspruch der
Madame Guyon, der Freundin Fenelons, dem Gewissen die Verpflichtung,
den "guten Kampf für den Glauben" (1 Tim. 6,12) auf sich zu nehmen,
verbietet.
Im Schatten und gedeckt von der "Nachfolge Christi" - das ist die
Flucht nach vorne in einen unwegsamen Mystizismus, wo der seines
dogmatischen Inhaltes entleerte Glaube wie eine subjektive sahnige
Träumerei dahinlebt und Gott dankt, nicht wie die pharisäischen
Gesetzeslehrer zu sein, d.h. wie die Gläubigen, die um ihre
Rechtgläubigkeit besorgt sind.
Diese Haltung, die so blind ist, daß sie nicht erkennt, wie sehr sie
selbst zu gegebener Zeit ganz und gar die pharisäische Haltung einnimmt
- besonders, wenn sie die Rolle eines in seine Unwürdigkeit
eingehüllten Zöllners einnimmt, der damit beschäftigt ist, sich an die
Brust zu klopfen - ..., diese Haltung also ist die der
'Traditionalisten', welche bedacht sind, auf einen Anschluß um jeden
Preis, Begleiter des Modernismus, den sie mit den Lippen ächten.
Ihre "Nachfolge Christi" bleibt in der Tat da stecken, wo die Lehre der Kirche über die Höflichkeit beginnt.
Weil die neue Religion den Menschenkult über den Gotteskult stellt,
glauben gewisse Leute, niemals die 'Höflichkeit' aufgeben zu dürfen,
d.h. ihrer Meinung nach die Höflichkeit einer Sprache der Anmut, auch
gegenüber den Feinden des Glaubens, auch gegenüber denen, welche ohne
Festigkeit im Glauben reuelos ihre Zweifel verbreiten und ihre Irrtümer
in allen Richtungen der sog. kath. Presse drucken lassen, um Jünger zu
bekommen. Niemals gab uns Christus ein Beispiel solch einer Höflichkeit
denen gegenüber, die ein Hindernis für die Religion sind.
Als die Ehre Gottes auf dem Spiel stand, sagte Christus zu den Händlern
im Tempel nicht: "Bitte, meine teuren Freunde, wollet doch so gütig
sein, und entfernt eure Wechselstuben aus dem Tempel." Oder in einem
mehr aktuellen Stil: "Wäre nicht eine Diskussion gut, um zusammen
nachzudenken, damit sich jeder aussprechen kann, und wir so eine Lösung
für die stufenweise Entfernung der Wechseltische finden?" - Nein,
Christus nahm einen Strick und schlug zu. Die kath. Tradition ist ganz
und gar dem Beispiele Christi gefolgt, indem sie Häretiker Häretiker
nannte, so wie man eine Katze auch Katze nennt.
Erst seitdem stellt man die Höflichkeit dieser Welt über die Treue zu
Gott und küßt die Hände und Füße der ungläubigen Kämpfer. Die
Katholiken aber, welche einem solchen Verrat nicht zustimmen, werden
höflich als 'Wilde' behandelt.
Noch weiter: in gewissen 'traditionalistischen' Schulen sind
Höflichkeitskurse eingerichtet worden. Was die Direktion hier gelehrt
haben will, das sind 'gute Manieren' à la Sozialismus, welche
sorgfältig die "Nachfolge Christi" 'zusammenleimen' und die
Verteidigung des kath. Glaubens als 'agressiv' einstufen.
Diejenigen, welche sich keinen Frevel zuschulden kommen und sich nicht
einer liberalen Welt, die sich im Stadium der fortgeschrittenen Fäulnis
befindet, anpassen wollen, werden höflich für 'Fanatiker' und
'Gereizte' gehalten. Anders ausgedrückt: Diese Höflichkeit, diese
Zwillingsschwester der "Untertänigkeit gegenüber dem 'Hl. Vater'" und
gewisser anderer kategorischer Imperative, erweist sich als
doppelgesichtig, als eine Maske des Janus, indem die Lippen bis über
die Ohren vor Gehorsam gegenüber den Kindern der Finsternis gespitzt
sind, während man ein bis zum Kinn herabhängendes schiefes Maul vor den
andern zieht. Eine 'Höflichkeit', die eine Tochter der Hölle ist, kann
nicht katholisch sein! |