MGR. WOJTYLA ZUM 5OO. GEBURTSTAG VON LUTHER
(aus einem Brief Wojtylas vom 31.10.1983 an 'Kardinal' Willebrands, den Präsidenten des
Vatikanischen Sekretariats für die Einheit der Christen; zitiert nach FAZ vom 7.11.83)
"In der Tat haben wissenschaftliche Bemühungen evangelischer wie
katholischer Forscher, die sich in ihren Ergebnissen inzwischen
weitgehend begegnen, zu einem vollständigeren und differenzierteren
Bild von der Persönlichkeit Luthers wie auch von dem komplizierten
Geflecht der historischen Gegebenheiten in Gesellschaft, Politik und
Kirche der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts geführt. Überzeugend
sichtbar geworden ist dabei die tiefe Religiosität Luthers, der von der
brennenden Leidenschaft für die Frage nach dem ewigen Heil getrieben
war. Deutlich geworden ist freilich auch, daß sich der Bruch der
Kircheneinheit weder auf Unverständnis seitens der Hirten der
katholischen Kirche noch auf mangelndes Verstehen des wahren
Katholizismus auf seiten Luthers allein zurückführen läßt, so sehr
solches mitgespielt haben mag. Die Entscheide, um die es ging, reichten
tiefer. Bei dem Streit um das Verhältnis von Glaube und Überlieferung
waren Grundfragen der rechten Auslegung und Aneignung des christlichen
Glaubens im Streit, deren kirchentrennende Wirkung durch bloßes
historisches Verstehen nicht zu überwinden ist. So ist im Blick auf
Martin Luther und in der Suche nach Wiederherstellung der Einheit ein
zweifaches Bemühen nötig. Zunächst ist das Fortgehen sorgfältiger
historischer Arbeit wichtig. (...) Dies ist das Zweite, was nötig ist:
Die historische Klärung, die sich dem Damaligen in seiner
weiterwirkenden Bedeutung zuwendet, muß Hand in Hand gehen mit dem
Dialog des Glaubens, in dem wir hier und jetzt nach Einheit suchen. Er
findet seine feste Grundlage in dem, was gemäß den
evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften auch nach der Trennung
verbindet: im Wort der Schrift, in den Glaubensbekenntnissen, in den
Konzilien der alten Kirche." |