Das Konzil und der viel zitierte Heilige Geist
- mit Blick auf Parallelen im Mittelalter
von
Norbert Dlugai
1. Veränderungen durch das Konzil unter Berufung auf den Heiligen Geist
Es dürfte bekannt sein, daß die heutige Theologie, selbst Jahrzehnte
nach Abschluß des II. Vatikanischen Konzils, nicht müde wird, dieses
Konzil samt seinen 'Errungenschaften' auf das Wirken des Heiligen
Geistes zurückzuführen, der somit bei jeder Gelegenheit ins Spiel
gebracht wird. Das schlägt sich nicht zuletzt darin nieder, daß der
Heilige Geist in den Konzilstexlen 258(!)mal genannt wird. Ein echt
beispielloser Rekord! Das Ganze entspricht jedoch der Generallinie, auf
der das 'Procedere' des Konzils vonstatten gehen sollte, nämlich hin zu
einem 'neuen Pfingsten der Kirche', über die sich ein neuer Geist
ausbreitet und ergießt!
Es war das ein Grundgedanke, dessen Urheber niemand anders gewesen ist
als der Roncalli-Papst Johannes XXIII., der geistige Initiator des
Konzils von Anfang an. Ausgerichtet auf das 'neue Pfingsten' bewegte
sich dann alles, was geschah, auf einer Linie, auf der schließlich die
Neo-Modernisten dominierend geworden sind, und wobei der Heilige Geist
für alles in Anspruch genommen wurde, was das 'Licht einer neuen
Glaubenswelt' erblickte. Dieses Licht aber warf nicht zuletzt einen
hellen Schein auf die beabsichtigte Glorifizierung dessen, was nach den
Intentionen der Majorität der Konzilsväter einen unbegrenzten
anthropozentrischen Heilsoptimismus und einen nie gekannten Fortschritt
auf Erden dokumentieren und festschreiben sollte.
2. Der Heilige Geist und die neue Sicht vom Menschen
Man tut sich nun wahrlich nicht leicht, den auf vorgenannte Weise wach
gewordenen Anthropozentrismus als Werk des Heiligen Geistes anzusehen,
weil von einem Wehen des wahren heiligen Geistes da wohl kaum die Rede
sein kann - im Gegenteil. Man lese z.B. Abschnitt 12 des Konzilsdekrets
"Gaudium et Spes", wo es u.a. heißt: "Es ist fast einmütige Auffassung
der Gläubigen und der Nichtgläubigen, daß alles auf Erden auf den
'Menschen' als sein Ziel und seinen Gipfel hinzuordnen ist."
Die Antwort darauf kann letztlich nur eine entschieden ablehnende sein
- erleuchtet durch den im Gebet herabgerufenen wahren Heiligen Geist,
der vom Vater und vom Sohne ausgeht, und nicht ein konstruiertes Wesen
der modernen irdischen Welt darstellt.
Letzteres findet allerdings eine Resonanz außer in "Gaudium et Spes"
ebenso in den anderen Konzilsbeschlüssen. Denn das gesamte
Konzilsszenarium war im Wesentlichen von dem Denkmotiv beherrscht, den
angeblich wahren Willen Jesu Christi in einer neuen Zeit unter dem
Anhauch des Heiligen Geistes, sekundiert von vermeintlich epochalen
Zeichen, zur beobachtbaren Wirklichkeit werden zu lassen, und dies
allumfassend.
Eines der sog. 'epochalen Zeichen' stellt sich dabei als die Irritation
dar, Theologie und Religion nun auf einem anthropozentrischen und
ökumenischen Fundament ansiedeln zu müssen, einer Plattform, die dazu
dienen soll, über Gott um des Menschen willen zu sprechen, über einen
Gott, der noch dazu den Religionen außerhalb der Kirche und der gegen
sie gerichteten Strömungen gegenüber 'aufgeschlossen' ist. Denn das
entspricht ja dem Willen und Wollen des vielzitierten Heiligen Geistes.
Da müssen sich die Reformer doch die Frage gefallen lassen, ob hier
nicht einem falschen Gottes-, Welt- und Menschenverständnis zuliebe
Wege beschritten werden, auf denen viele verblendete Seelen im
Angesicht Gottes für Zeit und Ewigkeit dem Verderben ausgeliefert zu
sein in Gefahr sind - sollte die göttliche Liebe und Barmherzigkeit
nicht größer sein als die göttliche Gerechtigkeit.
Es sind doch all diese göttlichen Wesenseigenschaften, die Menschen,
vom (wahren) Heiligen Geist getrieben, zur Anbetung, zum Lobe und
Lobpreis Gottes befähigen, von woher dann der Mensch eine zentrale
Stellung innerhalb der Schöpfung einnimmt. Das aber eben nur im Lichte
dessen, welcher die einzige Mitte ist, auf die alles hingeordnet sein
und bleiben muß - und das ist Gott und nicht sein Geschöpf.
Daher kann und darf man von Gott auch nur um seinetwillen und nicht um
des Menschen willen sprechen. Folglich gebührt Gott alle Ehre allein,
wie es etwa z.B. in Dan. 3,52-90 machtvoll zum Ausdruck kommt - aus
einer Haltung geläuterter gottbezogener Menschlichkeit und Freude
heraus.
3. Die Gewichtsverlagerung zum Menschen hin als Werk eines gottwidrigen Geistes
Die heute zu beobachtende Infragestellung der katholischen Kirche als
einzigartige und alleinige Heilskirche und die damit verbundene
Relativierung bzw. Abwertung ihres Depositum Fidei ist im
neo-modernistischen Kirchen- und Glaubensverständnis weit davon
entfernt, als etwas grundlegend Negatives, geschweige denn als ein Werk
der bösen, gottwidrigen Mächte erkannt zu werden.
Man verkennt, ob bewußt oder unbewußt, daß durch das Nichterkennen bzw.
Nichterkennen-Wollen ein Vakuum entsteht, in welches ein neuer,
unheiliger Geist einzieht, mit dessen Hilfe der Mensch selbst ins
Zentrum vorrückt, wobei man dann Gott eine Daseinsberechtigung
lediglich um des Menschen wegen beimißt. Das führt zu einer Verkehrung,
die den Trend der Zerstörung von innen heraus beschleunigt. Denn
eindeutig wird auf diese Weise der Absolutheitsanspruch Gottes
gegenüber seinem Geschöpf mittels eines obskuren Heilig-Geist-Bildes
relativiert oder gar gänzlich verdunkelt, wenn nicht gar wissentlich
geleugnet.
Dies aber bedeutet nichts anderes als im Endeffekt eine Annäherung der
Macht der Hölle an den Menschen. Denn wo Gott, wie auch immer, in Frage
gestellt wird, tritt der Widersacher, der Satan auf den Plan. Das
geschieht erst recht, wenn und soweit man, wie es das II. Vatikanische
Konzil getan hat, den Menschen so bewußt in den Mittelpunkt stellt, daß
er schließlich blind werden muß für das, was er schöpfungsmäßig und
heilsgeschichtlich immer war und bleiben wird, nämlich total abhängig
von Gott mit allen sich aus dieser Abhängigkeit ergebenden
unausweichlichen Konsequenzen.
Eine Ignoranz dessen führt mehr und mehr zu einer geradezu dämonischen
Hybris, die den wahren Heiligen Geist der Übernatur des Menschen
langsam ertötet und in einem blanken Naturalismus endet. Nichts jedoch
erleichtert wiederum eine Naturalisierung mehr als ein entgöttlichter
Zeitgeist, wie wir ihn heute erfahren als einen dem wahren Geist Gottes
entgegenwirkenden Anti-Geist von absoluter Bibelfremdheit - den
Menschen an die Stelle Gottes setzend - womit im letzten die
eigentliche dahinter stehende Macht des Satanischen ihr Urwesen
offenbart (vgl. Jo.8,44 u. 2Kor.1-I,4).
Es bleibt die Frage, ob das alles vom Konzil und seinen Wegbereitern
trotz ständiger Berufung auf den Heiligen Geist niemals in seiner
ganzen Tragweite bedacht worden ist? - Bedrückend ist der Gedanke, daß
in der allgemeinen vor-konziliaren, die jeweiligen Konzilsbeschlüsse
vorbereitenden Aufbruchstimmung vergessen wurde, man könne nicht mit
Hilfe eines konstruierten Heiligen Geistes "alles auf den Menschen
hinordnen", sondern mittels des göttlichen Geistes müsse alles auf Gott
ausgerichtet sein und bleiben!
Daher gilt es, die Menschen in alle göttlichen Wahrheiten einzuführen
bzw. sie darin zu festigen, - durch den einzigen Geist der Wahrheit -
"weil wir ja nicht den Geist der Welt empfangen haben, sondern den, der
aus Gott stammt" (Jo. 16,13-14; 1 Kor. 2,12). - In der Tat, es sind das
"Worte, die niemals vergehen"(vgl. Matt. 24,35; Mk.13,31 u. Lk.21,33).
Das sollte bedacht werden.
4. Parallele Heilig-Geist-Strömungen im Mittelalter
Der zur Rechtfertigung für vieles zitierte "Heilige Geist" spielte
allerdings schon in diversen schrift-inkonformen Strömungen des
Mittelalters eine Rolle, womit wir uns im folgenden befassen wollen.
Denn es sind insofern interessante Parallelen zwischen manchen
mittelalterlichen und heutigen Erscheinungsformen religiöser Denkart
und Praxis unverkennbar, vor allem, weil deren damalige Urheber alle
glaubten, ein Bündnis mit dem Heiligen Geist eingegangen zu sein, der
ihr Tun absegnete, wie man meinte.
So fühlten sich während des Mittelalters gnostisch geprägte 'Erneuerer'
mit dem Heiligen Geist verbunden, als sie, beseelt von dem Gedanken
eines stetigen Entwicklungsprozesses in Kirche, Liturgie und dgl.,
Irrtümer zu verbreiten begannen, durch die im Endeffekt an der
dauerhaften Kirchenordnung gerüttelt wurde. Damit dürften
kirchengeschichtliche Parallelen zur Gegenwart offensichtlich sein.
Doch wurde deutlich, daß solches Infragestellen der Kirchenordnung sich
als eine zweifellos satanisch angestiftete Mißachtung des Heilswillens
Gottes erwies.
5. Die Hauptfigur im Zusammenhang mit den oben erwähnten Strömungen: Abt Joachim von Fiore
Er gilt als die zentrale Gestalt für eine religiöse Dunkelperiode. Denn
was sich in der praktischen Umsetzung der o.g. Verkehrungen
abzeichnete, verdient die Bezeichnung 'Dunkelperiode' in vollem Ausmaß
des Wortsinnes. Joachim v. Fiore lebte von 1130-1202. Er verbreitete
eine Irrlehre, die davon ausgeht, daß die von der Inkarnation bis zur
Gegenwart bestehende Kirchenordnung nur das Schattenbild einer neuen,
vollkommeneren Kirche sei. Fiores Gedanken und Schriften sind ein
eigenartiger Versuch, die Weltgeschichte als eine fortschreitende
Entwicklung, als begreifbare und meßbare Veränderung festzulegen, -
nach dem Prinzip: "alles läuft und bewegt sich"!
Das aber ist auch von Bedeutung für unsere Zeit, weil wir, wie die
Dinge damals liefen, in J.v.F. wegen seiner Theorien durchaus einen
'Ahnherren des konziliaren Prozesses', der 'Kirche von morgen' sehen
dürfen. Joachim von Fiore war Zisterzienser und führte persönlich einen
durchaus untadeligen Lebenswandel.
Dennoch hat man seine Lehrschriften auf dem IV. Laterankonzil 1215 z.T.
verworfen. Denn die von ihm in die Welt gesetzte Irrlehre enthielt die
völlig schriftwidrige und lehramtlich inkompatible Auffassung, daß den
drei tri-theistisch verstandenen göttlichen Personen drei
geschichtliche Zeitalter entsprächen bzw. unterstellt seien, und zwar
Gottvater der Alte Bund, Gottsohn die zeitgenössische Kirche, und dem
Heiligen Geist die zukünftige Kirche (tertius status), deren Träger
demütige, besitzlose Männer oder gar Mönche (viri spirituales) sein
würden.
Und obwohl Jesus Christus die Apostel ausdrücklich mahnte, sich
bezüglich der Zeiten und Fristen, die der Vater in seiner
Machtvollkommenheit festgesetzt hat, keinen Spekulationen hinzugeben
(vgl. Apg. 1,7), berechnete Joachim von Fiore unbeirrt die Ankunft
seiner sog. "Geistkirche", indem er entsprechend der Schriftstelle
Matt. 1,17 von der Zeit Abrahams bis zur Inkarnation 3mal 14
Generationen ansetzte, was einem Zeitraum von 1260 Jahren entsprach, da
er für eine Generation 30 Jahre unterstellte. Nachdem aber Christus in
seiner Göttlichkeit dem Vater nicht nachsteht, veranschlagte J.v.F. für
Christi Herrschaft dieselbe zeitliche Ausdehnung.
Am Ende dieser Zeit würde dann, so Joachim von Fiore, der Antichrist
überwunden werden, und gemäß der Apokalypse (Vers. 20, 3f.) das
tausendjährige Reich, das dritte Reich der vollendeten Heiligkeit unter
der Herrschaft des Heiligen Geistes anbrechen - und zwar "hier auf
Erden"; wobei die Prophezeiung umging, daß Gott dann Neues auf Erden
hervorbringen werde, und die durch ihre Sünden und Verfehlungen alt
gewordene Kirche einer Art "Wiedergeburt" entgegensehen könne (peccatis
inveteratam ecclesiam renovare). Und wiederum erwies sich wie zuvor als
Urheber derartiger Häresien der Zisterzienserabt J. v. Fiore.
6. Das Sektierertum seit Joachim von Fiore und das II. Vatikanische Konzil
Aus dem häretischen Irrtum bezüglich der Renaissance eines neuen, durch
Intervention des Heiligen Geistes heraufgezogenen religiösen Zeitalters
leiteten unzählige Sektierer seit J.v.F. die Rechtfertigung her, mit
der tradierten Kirche zu brechen. Sie ignorierten unbekümmert die
Weisung des Apostels Paulus in 2 Thess. 2,15, "sich an die
Überlieferungen zu halten, die wir schriftlich oder mündlich empfangen
haben". Nicht weniger deutlich mahnt der Apostel Judas (nicht der
Iskariote), "für den Glauben zu kämpfen, der ein für allemal
überliefert ist" (Verse 3 u. 4 des Judasbriefes). Worte, welche die
Zeiten überdauern!
Doch schienen Mahnungen wie diese die Sektierer kaum zu bekümmern, denn
sie verstanden bzw. verstehen sich als Glieder von spiritualistischen
Gemeinschaften, deren Lieblingsvokabel die "Brüderlichkeit" ist, was
ihnen gewissermaßen ein gottgegebenes und vom Hl. Geist abgesegnetes
Recht verleiht, selbst die sichtbare Ordnung der Kirche in Frage zu
stellen, ja u.U. sogar zu zerstören - eine Vision satanischer Hybris
und Verkehrung!
Die so sichtbar werdenden unheilvollen Verkettungen bis in unsere Tage
hinein treten da zudem ohne Zweifel nicht zuletzt als Verbindungslinien
zum II. Vaticanum in einer Offenheit zutage, die frappierend ist. In
diesem Zusammenhang sei der Mainzer Soziologe Gerhard Schmied zitiert,
der einen zutreffenden und richtigen Blick für die Parallelität zum
Spiritualismus des Mittelalters bezüglich der geistig-religiösen
Situation unserer Tage hatte, wenn er in seinem Buch "Kirche und Sekte"
schreibt: "Es hat sich die katholische Kirche in Westeuropa, auf jeden
Fall aber in der Bundesrepublik Deutschland, nach dem II. Vaticanum
weit weg vom Pol Kirche zum Pol Sekte hin bewegt". Gerhard Schmied
belegt seine vorsichtig formulierten Thesen anhand einer eindrucksvoll
dokumentierten Studie.
Zweifellos tut sich hier ein weiter Bereich für die Forschung auf, wenn
sie den Beistand des wahren Heiligen Geistes, der dritten göttlichen
Person, sucht und erbittet, und nicht einen am Konferenztisch
produzierten bibelfremden Geist, dem ein populistisches 'Outfit'
verliehen und umgehängt wird von Leuten, die im Letzten eine andere,
gänzlich weltoffene, theo-dezentrierte 'Kirche' anstreben.
7. Die religiösen Fundamente des nachkonziliaren Zeitalters und die Berufung auf den Heiligen Geist
Es gibt jedoch - Gott sei Dank - noch Katholiken, welche die ihnen von
Gott geschenkte Unterscheidungsfähigkeit bewahren - Christen, die sich
sowohl im Mittelalter, und vor allem in der Jetztzeit im neuen
Millennium gegenüber dem häretischen Spiritualismus immunisiert haben,
weil sie ihn mit dem notwendigen Scharfblick durchschauten - damals -
und besonders heute. Sie durchschauen die brüchigen Fundamente, auf
denen die besserwisserischen Neo-Modernisten, Subjektivisten und
Gnostiker die Kirche aufgebaut wissen möchten und schon aufgebaut
haben, wobei sie vorgeben, daß ihre Aktivitäten und Planungen sich
unter dem Schutzschild des wahren Heiligen Geistes vollzögen.
Da allerdings bei dem bestehenden Megatrend innerhalb der sog.
katholischen 'Kirche' den vorerwähnten, den tradierten Glauben
unterminierenden Strömungen kaum ernsthaft Widerstand entgegengesetzt
werden wird, ist davon auszugehen, daß in unserer Ära weiterhin
'geisterleuchtete' Progressisten ihr - den wahren tri-theistischen
Geist vernebelndes - Handwerk auszuüben sich bemüßigt fühlen, als
Umhergetriebene einer gotteswidrigen Hybris ohnegleichen.
Das alles birgt die Gefahr in sich, daß das von Jesus Christus
errichtete katholische Kirchengebäude mehr und mehr mit
anthropozentrischen, ökumenischen, oder multikulturell-synkretistischen
Stützpfeilern versehen wird, bei deren Errichtung und Verfestigung man
auf den selbst konstruierten 'Heiligen Geist' vertraut. Wir denken
dabei an die Konstitution "Gaudium et Spes" des II. Vatikanischen
Konzils, in der dem Ideal eines irdischen Fortschritts gehuldigt wird,
der zwar vom Wachsen des Reiches Christi zu unterscheiden sei, aber
dennoch große Bedeutung für das Reich Gottes habe, insofern er (der
Fortschritt, Anm. d.V.) zu einer "besseren Ordnung der menschlichen
Gesellschaft" beitragen könne. - Seltsame Gedankenwindungen!
Zudem ist auffällig, wie sehr hier wieder eine neue 'menschliche'
Gesellschaft und damit ein ausufernder Anthropozentrismus in das
abendländische Denken und Empfinden eingebracht werden soll und zwar
ganz selbstverständlich unter der Ägide des Hl. Geistes, denn die
Konstitution "Gaudium et Spes" beruft sich in ihrem Vorwort dreimal auf
den Hl. Geist - von den insgesamt 258mal, wo er, wie schon anfangs
erwähnt, in den Konzilstexten vorkommt.
So scheint sowohl für das Phänomen des mittelalterlich-fiorischen
Spiritualismus als auch für den das Konzil beherrschenden Glauben
bezüglich des Hl. Geistes das Wort Pauls VI. vom "Rauch des Satans"
zuzutreffen, der "in die Kirche eingedrungen sei", selbst wenn man die
Meinung vertritt, Paul VI. könne möglicherweise nur den Mißbrauch
mit dem Hl. Geist angeprangert haben.
8. Über der wahren Kirche und dem wahren Glauben waltet der wahre Hl. Geist
Unabhängig davon, welche Trends und Gedanken hier und da Pate standen,
- es ist unleugbar, daß im Umfeld des Konzils ein von der Macht des
Widersachers Gottes inszeniertes Verwirrspiel den wahren tradierten
katholischen Glauben in die Dunkelzone eines zerstörerischen
Relativismus und Subjektivismus verbannen will, und dies ist weitgehend
blanke Realität geworden.
Dem entspricht jedoch keineswegs die Absicht des Hl. Geistes. Er sieht
vielmehr seine Mission darin, was der für die Kirche des neunzehnten
Jahrhunderts so bedeutsame Papst Pius IX. (1814-1878) in der vom Ersten
Vatikanischen Konzil verabschiedeten "Konstitution über die Kirche" v.
18.7.1870 unmißverständlich zum Ausdruck brachte. Da wird gesagt: "Den
Nachfolgern Petri ist der Heilige Geist nicht verheißen, daß sie auf
dessen Offenbarung hin eine neue Lehre ans Licht bringen sollten;
sondern dazu, daß sie unter seinem Beistand die durch die Apostel
überlieferte Offenbarung, das heißt, das hinterlegte Glaubensgut heilig
bewahren und getreulich auslegen."
In dieser petrinischen Lehraussage der Kirchenkonstitution offenbart
sich das allem menschlichen Denken und Konstruieren entzogene wahrhaft
Große und Heilige, das vom Vater und vom Sohne ausgeht, - und das im
Kontext zu der von Jesus Christus gegründeten, auf dem Felsen Petri
ruhenden Kirche. Sie hat die beglückende Verheißung des Herrn, "daß die
Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden" (Matt. 16,18), also
eine Kirche, welche nicht untergehen wird und kann, weil sie vom Glanz
des göttlichen Lichtes überstrahlt ist, dessen Quelle der Geist Gottes
ist.
9. Der Konzilsoptimismus betr. unsere heutige Gesellschaft und die vielstrapazierte Rolle des Heiligen Geistes
Das Wissen um den von Jesus Christus garantierten Fortbestand seiner
Kirche verbietet jedoch nicht, davor zu warnen, sich euphorischen
Illusionen hinsichtlich der zuvor erwähnten 'neuen menschlichen
Gesellschaft' hinzugeben.
Denn der in den Konzilstexten so offenbar in Erscheinung tretende
Optimismus scheint zu verkennen, daß die menschliche Wirklichkeit - die
Ehe und Familie, Staat und Gesellschaft und nicht zuletzt die
nachkonziliare Kirche und dergl. einschließend - den zur Schau
gestellten, hochgestylten Optimismus kaum rechtfertigt. So dürfte es
dem Hl. Geist (der göttlichen Dreifaltigkeit) nicht unbekannt gewesen
sein, daß etwa der Zustand der Erde schon in der ersten Hälfte der
sechziger Jahre alles andere als hoffnungsvoll gewesen ist. Und seither
ist der Trend zum Schlechteren, zum zunehmen-den Schwinden des
Hoffnungsvollen noch eklatanter und offensichtlicher geworden.
Abgesehen davon, sollte jeder katholische Christ aufgrund der
biblischen Offenbarungen ein eschatologischer Realist sein, indem er
die Schriftzeugnisse ernst nimmt, wonach es auf der Erde, je mehr die
Endzeit fortschreitet, in der wir ja seit dem Eintritt des Gottessohnes
in diese unsere Welt leben, nicht besser, sondern chaotischer wird. Man
vertiefe sich also diesbezüglich wieder einmal in die entsprechenden
Evangelienberichte! Es ist in diesem Zusammenhang aufschlußreich, wenn
ein evangelischer Autor, Heinz-Eduard Tödt, den katholisch-konziliaren
Optimismus für unangebracht hält, indem er mit Bezug auf die
Konsti-tution "Gaudium et Spes" in "Kirche und Gesellschaft im Dialog
zwischen Protestanten und römischen Katholiken" in der "Ökumenischen
Rundschau" 1967, S. 33-64, u.a. folgendes schreibt: "Das Verständnis
des Menschen als eines politisch handelnden Wesens ist im Schema 13 (v.
"Gaudium et Spes" - Anm.d.V.) von einem Optimismus getragen, der den
biblischen Aussagen über die Verhaftung des Menschen in die Sünde kaum
gerecht wird. Es werde ein im ganzen optimistisches Bild der modernen
Welt entworfen, wie es weder dem paulinischen und johanneischen
Weltverständnis ent-spricht, noch den faktischen Problemen u. Gefahren
der heutigen Zivilisation gerecht wird." (S. 42)
Man wird dem Urheber dieser kritischen Gedanken durchaus keine
polemisierende Voreingenommenheit vorwerfen können, denn es war doch
schon während des Konzils ganz allgemein die Richtung zu erkennen, die
vermuten ließ, daß man auf eine Art 'Französische Revolution'
hinsteuerte, wie es seinerzeit verschiedentlich formuliert wurde. Eine
Revolution, durch die die wahre Kirche Christi eine Schwächung erfuhr,
die sie daran hinderte, ihrer ureigentlichsten Sendung gerecht zu
werden. Statt dessen verstieg man sich mit einem am Schreibtisch
entworfenen Hl. Geist in luftleere Optimismen, wie sie vom o.g.
evangelischen Autor angeprangert worden sind.
Eine solchermaßen pessimistische Sichtweise beherrschte nicht weniger
das Denken und die Befürchtungen verschiedener katholisch-kirchlicher
Repräsentanten, wie etwa den seinerzeitigen Kölner Erzbischof Kardinal
Frings, der aussprach, daß manches von dem, was die
Konzilskonstitutionen enthalten, "nicht allzulange Bestand haben werde"
(aus: Frings "Für die Menschen bestellt"). Man fragt sich nach allem,
weshalb auf dem Konzil die Dominanz eines gesunden Realismus bzw. die
gesunde Ratio derart in ein kirchen- und traditionsfeindliches Abseits
entschwunden ist oder gar verdrängt wurde. Es scheint kein Zeichen von
Gehässigkeit zu sein, zu behaupten, daß dies alles mit dem Ignorieren
des wahren Heiligen Geistes in Verbindung gebracht werden darf.
10. Schlußbetrachtungen über die Auswirkungen des Konzils und den Hl. Geist
Für die so hochgepriesene, vom Hl. Geist des Konzils geleitete "neue
menschliche und anthropozentrische Gesellschaft" schien es folglich
auch keine Zumutung zu sein, sich vom bisherigen Grunddogma der
absoluten Einzigartigkeit der katholischen Kirche und ihrer allein
seligmachenden heilsgeschichtlichen Funktion zu verabschieden, und das
unumkehrbar.
Es wäre aber müßig, die jeweiligen Konzilstexte im einzelnen zu
durchleuchten, die, vielleicht um auch anti-konziliaren Trends gerecht
zu werden, häufig durch Ambivalenz Unsicherheit und Verwirrung
verursachten. Zudem kann davon ausgegangen werden, daß die hier zur
Rede stehende Materie Jahrzehnte nach Abschluß des Konzils, auf welche
Weise immer, den Christen hinreichend ins Bewußtsein gedrungen ist, so
z.B. in Sachen Liturgie, Ökumene, Religionsfreiheit, oder in anderer
Beziehung, im Sinne unserer vorangegangenen Überlegungen. Und wir
sollten uns da keinen Spekulationen hingeben in Bezug auf ein mögliches
Herumreißen des Steuers hin zu einem Ziel, dessen Anvisierung den
vorkonziliaren Zustand im Auge hat. Denn es wird wohl so sein, daß der
wahre Dreieinige Heilige Geist mit Bitternis wahrnehmen muß, wie sehr
man in allem, was das Konzil in Bewegung gesetzt hat und an sog.
'Errungenschaften' brachte, sich einem Hochgefühl von Freude und
Zufriedenheit hingibt.
Dem zeitaufgeschlossenen katholischen Christen wird nicht entgangen
bzw. in Erinnerung geblieben sein, daß auch Ratzinger (Benedikt XVI.),
als er noch 'Kardinal' war, bei entsprechender Gelegenheit stets
betonte, es gebe hinter das II. Vaticanum kein Zurück mehr. Daß er
jetzt eine Revision seiner Ansichten vollzieht, dürfte, wie die Dinge
liegen, so gut wie ausgeschlossen sein. Uns Katholiken bleibt daher nur
das inständige Gebet um Erleuchtung durch den wahren Heiligen Geist.
Darauf kommt es an. |