Aus DEM "SPIEGEL DER VOLLKOMMENHEIT"
Obgleich der selige Franziskus lange Jahre unter vielen Krankheiten
litt, war seine fromme Ehrfurcht für das Gebet und für die heilige
Messe doch so groß, daß er sich niemals an eine Mauer oder eine Wand
anlehnte, wenn er betete oder die Tagzeiten sprach... Einmal regnete es
sehr heftig, und er ritt, weil er krank war und starke Schmerzen hattet
Und obgleich er schon ganz durchnäßt war, stieg er vom Pferde herab, um
die Tagzeiten zu beten; er stand mitten auf dem Wege und sprach das
Qfficium mit solcher Glut der Andacht und Ehrfurcht, als befände er
sich in einer Kirche oder in einer Zelle, während sich der Regen ohne
Unterlaß über ihn ergoß. Und er sprach zu seinem Begleiter: "Wenn der
Leib in Frieden und Ruhe seine Nahrung zu sich nehmen will, die samt
dem Leibe eine Beute der Würmer wird, mit wieviel Frieden und Ruhe, mit
welcher Ehrfurcht und Frömmigkeit muß die Seele ihre Nahrung empfangen,
welche Gott selber ist!" - Es war immer die höchste und vorzüglichste
Sorge des seligen Franziskus, auch außerhalb des Gebetes und der
heiligen Messe ohne Unterlaß von innerer und äußerer Heiterkeit des
Geistes erfüllt zu sein. Und er liebte dies auch ganz besonders bei
seinen Brüdern. Er tadelte sie oft, wenn sie ihre Schwermut und ihren
Ärger nach außen hin zeigten. Denn er sprach: "Wenn der Knecht Gottes
sich bemüht, die innere und äußere Heiterkeit des Geistes zu bewahren,
die aus der Reinheit des Herzens kommt und durch demütiges Gebet
erworben wird, dann können ihm die Dämonen nicht schaden".
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