DER BISHER GELTENDE TEXT DER HL. SCHRIFT IST ERSETZT WORDEN DURCH EINE SOG. 'NEUE VULGATA'
von
Dr. H. B. Visser
Die Kirche hat die Hl. Schrift in der lateinischen Übersetzung des hl.
Hieronymus angenommen, die sog. Vulgata. Sehr nachdrücklich ist das auf
dem Konzil von Trient geschehen. Da hat man geurteilt, daß eine einzige
als gültig anerkannte und verbindliche Übersetzung der heiligen Bücher
von großem Nutzen ist, und daß dies die alte und weitverbreitete
(vulgata), durch den langen Gebrauch vieler Jahrhunderte in der Kirche
genehmigte Ausgabe sein sollte, und daß niemand diese - aus welchem
Grund auch immer - verwerfen dürfte.
Der Wert und die Notwendigkeit dieser Entscheidung ist klar. Was den
Text der Hl. Schrift betrifft, da müssen wir wissen, woran wir sind,
denn dieser Text läßt viele Fragen entstehen: Wie soll er gelesen
werden? Ist die Übersetzung richtig? Gehört ein bestimmtes Wort, ein
bestimmter Textteil oder Vers dazu oder nicht? Die letzte Frage
erstreckt sich sogar auf zwei oder mehr aufeinander folgende Verse,
halbe oder ganze Kapitel oder Kapitelgruppen. Die Entscheidung darüber
kann keiner Privatinitiative überlassen werden, auch nicht den
Bibelgelehrten, letzteren um so weniger, als ihr Urteil oft nicht
gleichlautend ist. Auch hier muß die Kirche entscheiden. Und das hat
sie getan, wie oben geschildert.
Dennoch ist jetzt ein neuer Text der Hl. Schrift vorgelegt worden, eine
Revision des Werkes des Hieronymus. Dem empfangenen Auftrag gemäß hat
man sich dabei auch anderer Übersetzungen bedient und sich die Daten
der Textkritik usw. zunutze gemacht. Der neue Text soll den alten
ersetzen. Er soll fortan gelten, besonders in der sog. neuen 'Liturgie'
soll er verwandt werden. (Vgl. A.C. "Scripturarum thesaurus" 1979, s.b.
"Notitiae" 1979, S.235.) (...) Wohlan, auch hier hat man die
unentbehrliche Festigkeit preisgegeben. Texte, auf die man sich früher
berief, gelten jetzt nicht mehr, weil sie anders übersetzt oder sogar
weggelassen worden sind. So kann es vorkommen, daß einer ein Wort von
Christus oder von Paulus anführt, aber als Antwort hören muß, daß das
betreffende Zitat nicht mehr zeitgemäß ist, weil es nicht in der Neuen
'Vulgata' steht.
Hier einige erhellende Beispiele:
- In Matth. 19 sind die Worte: "und wer die Verlassene heiratet, begeht auch Ehebruch" entfallen.
- Joh. 5,4 ist weggelassen worden. Es handelt sich dort um die Heilung
des Gelähmten von Bezata. Im erwähnten Vers steht da: "Denn von Zeit zu
Zeit stieg ein Engel des Herrn zum Teich hinunter und rührte das Wasser
um; wer nach der Bewegung des Wassers dann als erster hineinstieg, der
wurde geheilt, gleich, welche Leiden er hatte." Nur die Ziffer dieses
Verses hat man beibehalten, allerdings eingeklammert = (4).
- I Joh, 5, 7/8 lautete früher: "So daß drei sind, die im Himmel
Zeugnis ablegen, der Vater, das Wort und der Hl. Geist, und diese drei
sind eins." - In der sog. 'neuen Vulgata' ist aus dem Vers 7 "im
Himmel" weggelassen. Auch der letzte Teil dieses Verses: "Und drei gibt
es, die auf Erden Zeugnis ablegen", wie auch der darauffolgende Vers 8
sind ausgelassen worden. Für unseren Glauben an die hl. Dreifaltigkeit
sind wir nicht nur auf diesen Ausspruch in der Hl. Schrift angewiesen;
trotzdem ist er sehr wertvoll.
- In Gen. 3,15 steht nicht mehr: "Sie wird dir den Kopf zerschmettern",
was als auf die Frau, auf die hl. Jungfrau bezogen, betrachtet wurde,
sondern: "Dies wird dir den Kopf zerschmettern", wobei "dies" sich auf
den Samen, auf Christus bezieht. Damit verliert die hl. Jungfrau den
Rang, den ihr nach der alten Form zukam.
- Über den Lobgesang der drei Jünglinge im Feuerofen wirdbehauptet, daß er im Hebräischen nicht vorkäme.
- Man hat eine andere als die bisherige Zählung der Psalmen eingeführt.
- Rom 5,12 wird nicht mehr gelesen: "in dem (d.i. Adam) wir alle
gesündigt haben", sondern nun: "weil wir alle", was für die
Erbsündenlehre von erheblichem Belang ist.
- Heute lautet es in allen Übersetzungen bei den Wandlungsworten "für
alle", mit der Begründung, daß es so gemeint sei und im Original
eigentlich auch so steht. In der 'neuen Vulgata' steht aber nun nicht
"pro omnibus", sondern ist geblieben "pro multis".
Das ist die auf die Spitze getriebene Verwirrung.
(von der Redaktion leicht gekürzt) |