"WEINEN IST EINE SCHLECHTE WAFFE"
"Afghanen erleben durch Folter buchstäblich die Hölle auf Erden" - von Walter Rueb
(aus: DIE WELT vom 23.3.1983)
Im großen Saal des Osloer Gewerkschaftshauses hielten zweihundert
Menschen den Atem an. Nur das Surren der Fernsehkameras war zu hören,
Journalisten saßen mit versteinerten Gesichtern da, weinende Frauen und
Männer vergruben ihre Gesichter in den Händen: der ehemalige Oberst der
afghanischen Polizei, Mohammad Ayyoub Assil, sagte im Internationalen
Afghanistan Hearing über die Schreckensherrschaft der Sowjets in Kabul
aus.
"Nach der Invasion sowjetischer Truppen änderten sich Form und Ziel der
afghanischen Polizei", sagte Assil. "Die Sowjets allein sind nun die
Chefs. Sie geben die Befehle im Innenministerium ebenso wie bei der
Verkehrsregelung. Die Polizei dient nur noch zur Realisierung der
sowjetischen Ziele. Konfiszierung von Eigentum ist normal und geschieht
laufend, Verfolgung, Plünderung und Folter sind an der Tagesordnung. Um
das ungestört tun zu können, wurden viele alte Polizeibeamte versetzt,
pensioniert und getötet. Die alten Rechtsbegriffe wurden umgekrempelt
oder außer Kraft gesetzt. Alles, was dem Interesse des kommunistischen
Staates schadet, wird als Verbrechen betrachtet. Wehe dem, der als
Verbrecher abgestempelt ist. 12ooo Menschen wurden allein im
Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums zu Tode gefoltert, loooo
gelten als vermißt, Hunderttausende wurden hingerichtet - ohne Prozeß,
Verteidiger und Urteil."
(Tod als Gnade) Ehe die vermeintlichen oder wirksamen Regimegegner der
Gnade des Todes teilhaftig würden, erleben sie nach Angaben von Assil
bei schrecklichen Folterungen buchstäblich die Hölle auf Erden. Unter
Befehl des KGB und mit Hilfe von Spezialisten aus der 'DDR' sei ein
komplettes Instrumentarium der Gewalt und Quälerei entstanden.
"Gefoltert wird oft mit Elektrostäben", sagte Assil. "Sie gleichen
Fahrradpumpen. Bei Männern sind die Genitalien, bei Frauen die Brüste
die hauptsächlichsten Ziele. Ein beliebtes Foltermittel ist es, den
Häftlingen die Verrichtung der Notdurft zu verbieten oder diese nur vor
Augenzeugen zuzulassen. Das demütigt und ist eine beabsichtigte
psychologische Maßnahme. Beliebt ist es auch, den Häftlingen Holzstücke
in den After zu stoßen, an Barten die Haare büschelweise auszureißen,
in den Mund zu urinieren oder die Häftlinge kopf-über an die Decke zu
hängen. Oft werden Gefangene in feuchte oder infernalisch laute
Verliese gesperrt. Es gibt auch Fälle, wo scharfe Schäferhunde auf die
Häftlinge gehetzt werden - mit der Drohung, entweder zu gestehen oder
zerrissen zu werden."
Oberst Assil nannte die Schauplätze der Folterungen: "Die wichtigsten
befinden sich im Zimmer des Gefängnis-Direktors und im schalldichten
Saal 66 des Innenministeriums... Im Saal 66 wohnte ich im März 198o der
Folterung einer im achten Monat schwangeren Frau bei. Auf einen
Spezialstuhl geschnallt, wurden ihr Holzstücke und Nägel in die Vagina
gestoßen... Nie werde ich ihr Schreien vergessen... Auf einem zweiten
Stuhl mußte ihr Ehemann die entsetzliche Tortour mit ansehen..."
Über die grausamen Aktivitäten der Folterknechte im Gefängnis
Pol-e-Charki sagte auch der 18jährige Student Tamin Ahmad Tayyeb aus.
Er hatte sie wegen seiner Kontakte zum Widerstand am eigenen Leib
erfahren. "Bei der Geheimpolizei sind Beweise erwünscht, deshalb wird
zu Folterungen gegriffen", sagte Tayyeb. Er zählte weitere
Foltermethoden auf: Hinderung am Schlaf während lo bis 14 Tagen,
Ausreißen von Fingernägeln, Brechen von Armen und Beinen. "Schlimm
waren im Pol-e-Charki die Raumverhältnisse. In einer Zelle für lo
Personen drängten sich 3o Menschen, für 38o Personen gab es nur zwei
Toiletten, und im Block 2 waren statt 3oo Personen deren 45oo
zusammengefercht... Und unter den Häftlingen wimmelte es von
Spionen..."
Der Student Mohammed Seddiq Mosadeqq sah im Gefängnis zwölfjährige
Häftlinge, einmal gar eine inhaftierte Familie mit Kindern von 5 und 7
Jahren. "Ich selbst war sieben Monate im Gefängnis. Zwei Monate lang
wurde ich verhört und gefoltert, einmal mit brühendem Wasser
überschüttet..." - "Allein in Kabul haben KGB und afghanische
Geheimpolizei sechs Verhör-Stationen. Im ganzen Land sind es 17. Es
gibt niemals Freisprüche, doch ab und zu Freilassungen. Die Urteile
reichen von zwei bis 18 Jahren Gefängnis. Viele bekommen lebenslang
oder die Todesstrafe...", sagte Mosadeqq.
Erschütternd war auch die Aussage der 22jährigen Studentin Farida
Ahmadi, Mitglied der "Revolutionären Liga der Frauen Afghanistans". Sie
landete im Gefängnis, weil sie auf dem Universitätsgelände ein
Protestflugblatt gegen den sowjetischen Terror auf gehoben hatte... Sie
sagte, daß Spezialisten aus der 'DDR' die afghanischen Polizisten mit
wirksamen Verhörmethoden bekanntmachten. Die Deutschen folterten nicht
persönlich, würden aber stets die empfehlenswerte Foltermethode
nennen...
(Tagelanges Stehen) Nach Angaben von Farida Ahmadi gibt es im Gefängnis
Pol-e-Charki berüchtigte Räume des Schreckens. Da hängen in dunklen
Fluren, welche die Häftlinge auf dem Weg zum Verhör passieren müssen,
Vorhänge voll Blut, und da stehen Tische mit abgehackten Fingern,
Händen, Armen und Beinen sowie ausgestochenen Augen... "Ich hatte davor
keine Angst", sagte Farida. "Als Medizinstudentin hatte ich Derartiges
schon mal gesehen. Andere aber verloren buchstäblich den Verstand...
Dennoch erlebte auch ich Grauenvolles: Ich mußte zuschauen, wie
Bäuerinnen mit Elektroschocks gequält wurden, um ihnen Geständnisse zu
entlocken. In meiner Gegenwart wurde einem Häftling zu Musik ein Auge
ausgerissen, schließlich ein Säugling erwürgt. Ich selbst bekam
Elektroschocks und wurde zum dauernden Stehen verurteilt. Tagelang
durfte ich mich nicht von der Stelle rühren. Nach fünf Tagen konnte ich
nicht mehr stehen. Ich fiel dauernd hin. Dann platzten meine Venen..."
Nach vier Monaten wurde Farida überraschend aus dem Gefängnis
entlassen. "Das geschah in der Hoffnung, daß ich die Polizei auf die
Spur meiner Widerstandsorganisation führen werde", vermutet sie. "Dafür
wanderten mehrere Mitglieder meiner Familie ins Gefängnis. Ich aber
ging nach Herat, wo sich die Frauen mit der Waffe in der Hand am Kampf
gegen die sowjetischen Unterdrücker beteiligen. Denn eines habe ich
erkannt: Weinen ist eine schlechte Waffe gegen die Russen."
***
Anmerkung :
"Weinen ohne Gebet tötet die Toten" Leon Bloy.
Als ich vorstehenden erschütternden Bericht gelesen hatte, konnte ich
das Grauen nur mühsam unterdrücken. Ich war zum Bersten voll von einer
Mischung aus Wut, Schrecken und Mitleid. Mitten in diesem
Aufgewühltseinhängte sich unwillkürlich mein Denken an zweierlei fest:
an eine mir einmal näher gestandene Person, die von den ostzonalen
Nazi-Traditionalisten den Lorbeer erheischt... und an unseren
Kirchenkampf, der hauptsächlich von den angeblich traditionstreuen
Klerikern verraten wird... Um von diesem letzteren Gedanken jedesmal
wieder zum normalen Alltagsleben zurückzukehren, muß ich mich
anstrengen. ...
Und dann sind sie zu Ostern gleich wieder marschiert, für den Frieden,
einen 'Frieden', den sie meinen, und der nicht der Friede Gottes ist,
für einen 'Frieden' nach kommunistischer Manier... Welche Verhöhnung
des afghanischen Volkes, seiner Toten und Gemarterten, seiner
Tapferkeit und seines Widerstandswillens. Nur einen Funken davon
sollten unsere sog. Kämpfer in ihren Herzen tragen!!! Aber nein! Statt
dessen proben unsere 'friedliebenden' Kompromißler das große Haleluja,
wenn endlich die Koexistenz von Hl. Messe und sakrilegischem sog.
'N.O.M.' offiziell abgesegnet wird. Ich nenne keine Namen. Aber
denjenigen, denen eigentlich eine Führungsrolle zufiele, die immer das
"Herr, Herr" auf den Lippen führen, erbete ich die Gnade, daß sie den
Schrecken der Verwüstung an hl. Stätte und das Wimmern des armen
Heilands an der Geißelsäule hierüber durch 2ooo Jahre der
Kirchengeschichte hindurch einmal an ihr Herz dringen lassen dürften.
Denn wie schaut unser Kampf, wie unsere Kämpfer aus? Mancher unter uns
sollte überlegen, ob es in diesem bedingungslos geführten Kampf genügt,
- Kuckucksuhren zu sammeln;
- mit der Eisenbahn und Katzen zu spielen;
- Traktate auf den "Knien seines Herzens" (sie!) zu schreiben;
- die Gläubigen, die die wahren Sakramente empfangen wollen, wegen des fehlenden 'Stempels' an die Reformer zu verweisen;
- aus 'pastoralen Gründen'alle anstehenden Fragen auszuklammern;
- sich von einem Kometenschweif älterer Damen verhätscheln zu lassen;
- offen mit den Gegnern unseres Kirchenkampfes zu kooperieren;
- 'demütig' das hohe Lied vom 'hl. Vater' zu singen, dem man angeblich widersteht - ins Angesicht;
- gnadenlos gegen jene vorzugehen, die sich gegen die Verhöhnung des Antlitzes Christi zur Wehr setzen;
- in Oberprimaniermanier mit einer Reihe von Traktätchen nach Rom zu
marschieren, um sie dort "am Schemel unserer Feinde niederzulegen".
- sich in ländliche Idyllen zurückzuziehen, um ja nicht den Pestgeruch
der Wirklichkeit erfahren zu müssen, einer todkranken Zeit;
- die Uniform (sprich: Soutane) spazierenzuführen, die n.b. ein Zeichen
desDienens sein sollte, des Dienens vor Gott (man geht ängstlich jeder
Gelegenheit dazu aus dem Wege, weil man befürchtet, daß die Uniform
einige Dreckspritzer abbekommen könnte);
- die reich von Gott geschenkten Gaben und Kräfte bewußt nicht
einzusetzen, um ohne Gefahr, abgedroschene Platten auflegen zu können?
Wo gibt es im europäischen Klerus noch diejenigen, die sich der
Verantwortung ihres Amtes stellen und bewußt aus Liebe zu Unserem
Heiland täglich ihr Kreuz auf sich nehmen und den Weg Dessen gehen,
der für uns Blut geschwitzt hat,
der für uns gegeißelt worden ist,
der für uns mit Dornen gekrönt worden ist,
der für uns das schwere Kreuz getragen hat und
der schließlich für uns am Kreuz gestorben ist...
die also einmal ihr Spielzeug beseite legen, die aufhören zu jammern würden und die endlich etwas mit brennendem Herzen täten -
denn
"WEINEN IST EINE SCHLECHTE WAFFE".
E. Heller |