EINE HÄRETISCHE 'ERKLÄRUNG'
von
H.H. Prof. Dr. J.P.M. van der Ploeg O.P.
(aus: LA PENS…E CATHOLIQUE, Paris Nov. 1983, Nr.2o6, S.23 f.; zitiert
nach UVK Juli/Aug. 1984, S.23o-233; mit freundlicher Genehmigung des
Autors.)
In Documentation Catholique (vom 3. Juli 1983, S.694-697) wurde die
französische Übersetzung einer gemeinsamen Erklärung der sog.
"Gemischten katholisch-lutherischen Kommission" vom 6. Mai 1983
veröffentlicht. Sie ist unterzeichnet von den beiden "Ko-Präsidenten"
dieser Kommission, einem protestantischen Professor aus den Vereinigten
Staaten für die lutherische Seite und von (Mgr.) Hans Martensen,
Bischof von Kopenhagen, seitens der katholischen Mitglieder.
Welcher Katholik, der die Kirche liebt und ihre Lehre kennt, könnte
diese Erklärung ohne Ärger, ohne Zorn lesen? Denn Msgr. Martensen ist
Bischof der katholischen Kirche im Bistum Kopenhagen (bzw. gibt sich
als solcher aus; Anm.d.Red.), und er ist Mitglied des römischen
Sekretariates, dessen Präsident Kardinal Willebrands ist, eines
Sekretariates, welches ihn ohne Zweifel zum Mitglied dieser sog.
'gemischten' Kommission ernannt hat. Ich nenne ihn nicht "katholisch",
denn er ist es nicht; indem er dieses Dokument unterzeichnet hat, hat
er seinen Glauben aufgegeben und sich den vom Konzil von Trient
verurteilten Lehren zugewandt. Das braucht nicht erst noch bewiesen zu
werden, es genügt, den Text dieser 'Erklärung' zu lesen, wie die
Documentation Catholique sie veröffentlicht hat. Deren Redaktion schämt
sich dessen nicht, im Gegenteil: die Bedeutung, die sie diesem Dokument
beimißt, zeigt sich darin, daß sie auf der Titelseite einen lehrenden
Luther abbildet.
Der grundlegende Glaubensirrtum Luthers ist seine Idee von der
Rechtfertigung durch den Glauben allein, sola fide. Gegenstand dieses
Glaubens sind nicht die objektiven Wahrheiten, sondern die persönliche
subjektive Überzeugung, daß ich persönlich durch das Erlösungswerk
Christi gerettet werde, selbst wenn ich Sünder bleibe, denn ich habe ja
(nach dieser Auffassung) gar keinen freien Willen, der mich vom
Sündigen abhalten könnte. Professor Paul Hacker, der vom Luthertum zum
Katholizismus konvertierte, hat eine solche Überzeugung "reflexiven
Glauben" genannt: der gläubige Lutheraner reflektiert über sich selbst
und kommt dabei zu der Überzeugung, daß er gerettet wird.
Dieser grundlegende Irrtum, der der geoffenbarten katholischen Lehre
entgegengesetzt ist, wurde durch das Konzil von Trient (Dekret vom
13.1.1547, danach folgen 33 dogmatische caÒones) feierlich verurteilt,
und so stellt dieses Konzil für unsere modernen Ökumenisten eine Art
Schreckgespenst dar (und für viele 'Katholiken' unter ihnen nicht
minder). Sie wollen, daß jenes Konzil vergessen oder für nichtig
erklärt wird, worauf sie ja auch hinarbeiten, indem sie es Stein für
Stein, (Glaubens-)Artikel für Artikel abbauen und zerstören. Ach, wenn
diese Ökumenisten, die sich 'katholisch' nennen, wenigstens das tun
würden, was die Engländer fair play nennen, indem sie öffentlich
erklären, daß sie jenes Konzil ablehnen, daß sie es für häretisch
halten, dann hätten sie vor aller Welt (und damit auch für die, die
weniger intelligent und dafür dümmer sind) dargelegt, daß sie die
Mutter Kirche verlassen haben und ihr nicht mehr angehören. Das hätte
die Atmosphäre bereinigt, jene Atmosphäre von Lug und Trug, in der zu
leben man uns in dieser nachkonziliaren Zeit nötigt! Sehr oft wird
Revolution von Lug und Trug begleitet. Da macht die katholische Kirche
keine Ausnahme. Aber die innerkirchlichen Revolutionäre hüten sich sehr
wohl, ihre innersten Gedanken und ihre eigentlichen Ziele zu
offenbaren, sie ziehen heuchlerische und heimtückische Machenschaften
vor.
Folgendes nun hat Msgr. Martensen unterschrieben (neben einer Reihe
anderer Dinge): "Daß man die historische Bedingtheit unserer Denk- und
Ausdrucksweisen mit in Betracht zieht, hat dazu beigetragen, daß man in
katholischen Kreisen die Denkweise Luthers als eine legitime Form
christlicher Theologie in hohem Maße anerkennt, insbesondere
hinsichtlich seiner Rechtfertigungslehre." (Nr.11 - Hervorhebung der
letzten Worte durch den Autor.) Es ist aber insbesondere gerade dieser
Irrtum, der des langen und breiten durch das Konzil von Trient
dargestellt und dann verurteilt worden ist, und zwar in seinem Dekret
über die Rechtfertigung: das brauchen wir hier nicht besonders zu
zitieren, da es bekannt und klar ist. Der gesamte Text dieses
Dokumentes der Kommission macht deutlich, daß Msgr. Martensen und die
Seinen zu jenen "katholischen Kreisen" gehören, deren Auffassungen hier
mit solchem Wohlgefallen zitiert worden sind. In Nr.22 findet sich eine
weitere Leugnung des katholischen Glaubens: "Wie man sieht, steht
insbesondere seine reformatorische Entdeckung (gemeint ist die
"Entdeckung" Luthers, daß die Rechtfertigung in Christus ganz ohne
unser Verdienst verliehen wird) keineswegs in Widerspruch zur wahren
katholischen Tradition, wie sie sich z.B. bei Augustinus und Thomas von
Aquin findet." Trient wird nicht erwähnt (übrigens im ganzen Dokument
nicht), mit gutem Grund: denn seine Lehre wird ja hier ohne weiteres
verworfen, ohne sie auch nur zu erwähnen. Die Anführung der beiden
großen Lehrer der katholischen Kirche, die hier zur Rechtfertigung des
fundamentalsten Irrtums Luthers erfolgt, ist trügerisch!
Die Kommission weist sodann auf "gewisse negative Folgen seines (d.h.
Luthers) Wirkens" hin (Nr.2o). So also stuft man die Zerstörung des
katholischen Glaubens ein, den Bruch in zwei Parteien sowie im Gefolge
dessen die Zerstückelung des abendländischen Christentums! Die
Lutheraner "können die polemischen Angriffe nicht gutheißen", wird da
gesagt (Nr.2o). Man kennt sie also, die Angriffe! Luther hat die
gröbsten Schmähungen und Beleidigungen gegenüber dem, was der
katholischen Seele am teuersten ist, zusammengetragen: gegenüber der
Messe und dem Sakrament der Eucharistie, so wie die katholische Kirche
sie versteht und immer verstanden hat, um nur einen Gegenstand seiner
wilden, ungehobelten und gehässigen Angriffe zu erwähnen. Vor all dem
schaudert es die Mitglieder der 'gemischten' Kommission (ist sie
eigentlich 'gemischt'?) nicht. Aber "es schaudert sie vor den
antijüdischen Schriften Luthers in seinem Alter" (ebenda; N.B.: Luther
starb mit 63 Jahren). Daß die katholische Kirche angegriffen wird, ihre
Lehre, das Papsttum, wie Luther es getan hat, würde man wohl
mißbilligen (offiziell, wohlverstanden!), aber die Juden anzugreifen,
das ist ungeheuerlich.
Die Veröffentlichung dieser 'gemischten' (in Wirklichkeit rein
lutherischen) Erklärung hat eine der Wunden der nachkonziliaren Kirche
(bzw. 'Kirche'; Anm.d. Red.) bloßgelegt: sie wird mit Riesenschritten
protestantisch. Msgr. Martensen ist nicht irgendwer: er ist eines der
Mitglieder des römischen "Sekretariates für die Einheit der Christen",
welches wohl in ihn sein Vertrauen setzt. Auch ist die Grundthese
Luthers, die hier von Martensen und den Seinen angenommen wird, nicht
irgendein Irrtum, sondern: sie zerstört den katholischen Glauben. Denn
wenn der Glaubende durch seinen Glauben (seinen subjektiven reflexiven
Glauben, wie wir oben sahen) gerettet wird, ist die Rolle der Kirche,
des Priesters, der Sakramente für seine "Rechtfertigung" - = Heiligung
- wirkungslos, ja, überflüssig oder gar schädlich. Luther hat diese
Konsequenz gezogen - mit allem, was damit zusammenhängt! Es besteht ein
Abgrund zwischen der Irrlehre Luthers und dem katholischen Glauben der
Off.enbarung, der Hl. Schrift, der Evangelien! Diese beiden können
nicht in Übereinstimmung gebracht werden. Versuche, das
zustandezubringen, entstammen der Illusion, der Unwissenheit und dem
Irrtum.
HÄRETISCHE THESEN VON REFORMERN:
1. Dogmen sind sowohl wandelbar wie auch unwandelbar. (Rahner, Karl: "Kirche im Wandel" StZ 1965, S.445 f.)
2. Dogmen sind kein Fixum, sondern wandelbar. (Kasper, Walter:
"Evangelium und Dogma", in: "Catholica" 19, 1965, S.2o5, 2o8 f.; "Dogma
unter dem Wort Gottes" Mainz 1965, S.12o, 128, 135, 14o f.)
3. Dogmen ändern sich auf Grund der Geschichtlichkeit des
Seinsverständnisses. (Rahner, Karl und Karl Lehmann: "Geschichtlichkeit
der (Offenbarungs-)Vermittlung", in: "Mysterium Salutis" I, Einsiedeln
1965, S.78o.)
4. Wandelbare Dogmen sind nachweisbar. (Iserloh, Erwin: "Der Gestaltwandel der Kirche", in: "Hirschberg" 18, 1965, S.288.)
5. Dogmen sind wandelbar, weil die Glaubensgeheimnisse nicht adäquat in
Formeln ausgedrückt werden können. (Johach, Helmut: "Karl Jaspers
Kritik am Offenbarungsglauben", in: "Catholica" 19, 1965, S.298.)
6. Die Terminologie der Dogmen ist von der Zweckmäßigkeit, nicht aus
der Sicht der Wahrheit zu beurteilen. (Rahner, Karl und Karl Lehmann:
"Kerygma und Dogma", in: "Mysterium Salutis", Einsiedeln 1965, Bd.I,
S.693-695.)
7. Die scholastisch formulierten Dogmen müssen durch eine neue
Meta-Theologie ersetzt werden. (Murphy, F.X.: "Theologie der Gegenwart"
3, 1964, S. 140.) (zitiert nach BEDA-KREIS, 212, Febr. 1982.) |