TODBRINGENDER ANGRIFF
von
H.H. Pater August Groß
(aus DT vom 18.5.1984; betr.: Leserbrief zu "Todbringender Angriff?" von F. Struve, Pfr.i.R., Eutin vom 18.4.1984.)
Hochw. Herr Pfr.i.R. R. F. Struve meint, Prof. Hoeres "versteige sich"
mit der Behauptung, die Unterscheidung von wichtigen und weniger
wichtigen Glaubenswahrheiten sei ein todbringender Angriff gegen den
Organismus des katholischen Glaubens. Das letzte Konzil lehre: "daß es
eine Rangordnung oder Hierarchie der Wahrheiten innerhalb der
katholischen Lehre gibt, je nach der Art ihres Zusammenhangs mit dem
Fundament des christlichen Glaubens."
Dazu folgende 'verstiegene Behauptung': "Was die zu glaubenden
Wahrheiten angeht, so darf man sich keinesfalls des Unterschiedes
bedienen, den zwischen 'fundamentalen' und 'nicht fundamentalen' Teilen
der Glaubenslehre zu machen man sich hat einfallen lassen; so als
müßten die einen von allen angenommen werden, die andern aber, im
Gegensatz dazu, frei der Zustimmung der Gläubigen anheimgegeben werden
könnten. Die übernatürliche Tugend des Glaubens hat doch die Autorität
des offenbarenden Gottes als Formalursache, die eine solche
Unterscheidung in keiner Weise zuläßt" (Denz. 3683). So Pius XI. in der
Enzyklika "Mortalium animos" vom 6.1.1928, in der er die Argumente des
Ökumenismus prüft.
"Formalursache des Glaubens" bedeutet: Der Grund, die Aussagen Gottes
wahr zu halten, ist die Autorität Gottes. Wir müssen und können Gott
glauben, da er kein verächtlicher Schwätzer ist und niemals irrt oder
lügt. Er spricht aber nicht durch innere Erleuchtung zu jedem einzelnen
Menschen. Er "hat zu uns gesprochen durch seine Propheten und zuletzt
durch seinen Sohn", - und zwar durch diesen als Menschen -, und dieser
wiederum bis zum Ende der Welt durch die von ihm Beauftragten in der
Kirche. Gottes Autorität, wie auch die seiner Beauftragten, gilt für
alle Aussagen, ob sie "wichtige" oder "weniger wichtige" Wirklichkeiten
betreffen. Die Verpflichtung für den Menschen, sie zu glauben, ist für
alle absolut gleich. "Hat nicht Gott der Herr sie alle geoffenbart?"
(Pius XI., a.a.O.) Leo XIII. 'versteigt sich zu der Behauptung': "Wer
hingegen die geoffenbarten Wahrheiten auch nur in einem Punkte leugnet,
streift in Wirklichkeit den Glauben ganz ab, da er sich weigert, Gott
als die höchste Wahrheit und als den eigentlichen Beweggrund des
Glaubens zu achten" (Enzyklika "Satis cognitum" vom 29.6.1896). Wenn
ein solcher trotzdem meint, den festgehaltenen Rest Gott zu glauben, so
täuscht er sich. Er bejaht ihn in Wirklichkeit nicht aus Achtung vor
Gott und wegen dessen Allwissenheit und Wahrhaftigkeit, sondern "aus
anderen Gründen" (Thomas v.Aquin).
Diese logische Folgerung gilt absolut unter der Voraussetzung einer
Offenbarungsreligion. Jeder Anhänger einer Offenbarungsreligion, sei
sie es auch nur vermeintlich, muß sie für die einzig wahre und in allen
ihren Aussagen für bedingungslos verpflichtend halten. Entsprechend hat
die Kirche, als Lehrerin der einzigen Offenbarungsreligion, von Anfang
an bis vor kurzem gelehrt und danach gehandelt: "Wenn einer ein anderes
Evangelium verkündet, der sei verpflucht" (oder wenigstens: "der sei
ausgeschlossen") (Gal. 1,9).
Umgekehrt: Wer lehrt, daß nicht alle Lehren seiner Religion
verpflichtend seien, der leugnet grundsätzlich den
Offenbarungscharakter seiner Religion, auch wenn er sie 'traditionell'
noch so nennen sollte. Damit fällt er grundsätzlich und gänzlich von
seiner Religion ab. Er ist ein Apostat. Sie ist ihm nur eine
menschliche religiöse Lehre, ähnlich einer Philosophie. In einer
solchen kann man mit Recht "einig" in einigen "fundamentalen" Lehren
und "frei" und uneinig in "nicht fundamentalen" Lehren sein.
Diese Art Apostasie ist die Grundlage des Ökumenismus. Um
'Glaubenseinheit' der Kirchen herzustellen hat man einige Lehren als
"fundamental" und "verbindlich" für Christ- und Kirchesein erklärt -,
durch deren Bekenntnis man nun "eine Kirche" ist. Zugleich mußte man
die Lehren, in denen man "getrennt" war - und bleiben wollte -, als
"nicht fundamental" und "unverbindlich" erklären.
Auch das Konzil erklärt alle die Lehren für nicht absolut verbindlich,
die von nicht-katholischen Christen geleugnet werden. Es lehrt: "In
dieser einen und einzigen Kirche Gottes sind schon von den ersten
Zeiten an Spaltungen entstanden", "kam es", auch wegen "Diskrepanzen
zwischen ihnen und der katholischen Kirche in der Lehre", "zur Trennung
recht großer Gemeinschaften von der vollen Gemeinschaft der
katholischen Kirche". Sie stehen "in einer gewissen, wenn auch nicht
vollkommenen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche" (Art. 3) Wie
bleiben sie "in" der katholischen Kirche, wenn auch nicht als
'Vollmitglieder'? Es kann nur gemeint sein: indem sie einen Teil der
Offenbarungslehren glauben; wenigstens das "Fundament des christlichen
Glaubens". Also lehrt das Konzil, man könne einige Offenbarungslehren
wirklich glauben unter Ablehnung anderer. Diese sind also damit "frei
der Zustimmung der Gläubigen anheimgegeben"; Gott wünsche nur, daß man
sie glaube. Diese Wahrheiten sind, im wahrsten Sinne des Wortes "ein
Angebot Gottes".
Von Anfang an haben die ökumeniker argumentiert, daß Gott diese Art von
"Einheit in Vielheit" wolle, da einerseits nur diese zu verwirklichen
sei, Gott aber andererseits die Einheit der Christen wolle. Dazu Pius
XI., a.a.O.: "Die Anhänger dieses Prinzips (Ökumenismus) pflegen
nämlich bis ins Unendliche die Worte Christi zu zitieren: 'Daß alle
Eins seien: Es wird eine Herde und ein Hirt sein.' In diesen Worten, so
meinen sie, seien ein Wunsch und ein Gebet Christi Jesu angedeutet, die
bislang nicht in Erfüllung gegangen seien. Sie sind der Auffassung, die
Einheit im Glauben und in der Leitung - sie ist Merkmal der einen
Kirche Christi - seit fast nie in früheren Jahren dagewesen und sei
auch heute nicht da. (Vgl. oben angeführte Aussage des Konzils!) Unter
den Lockungen dieser Schmeichelworte liegt ein sehr schwerer Irrtum
verborgen, der die Grundlagen des katholischen Glaubens vollständig
auseinandersprengt". "Wenn das wahr wäre, müßte man auch sagen, die
Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel, sein ständiges
Verbleiben in der Kirche und Jesu Christi Lehrverkündigung selbst habe
seit mehreren Jahrhunderten (bzw. von den ersten Zeiten an) die
Wirksamkeit und Brauchbarkeit vollständig verloren. Das behaupten, wäre
aber geradezu gotteslästerlich." Man sagte es! Johannes XXIII. und Paul
VI. wollten, wünschten und erhofften ein 'neues Pfingsten' auf dem
Konzil. Das 'erste Pfingsten' war also ein Fehlschlag. Auf einem 'neuen
(und wahren) Pfingsten' hat der (wahre) 'Heilige Geist' endlich die
'Wahrheit' über den 'echten' Glauben von "Resten der Offenbarung" unter
Leugnung von "weniger wichtigen", wie z.B. des Papstamtes, und damit
über echte, wenn auch unvollkommene "Einheit aller Christen" in der
"Vielheit von sich widersprechenden Konfessionen" gelehrt. |