MORD IM VATIKAN
von
Abbé G. de Nantes
übers. von Eugen Golla
(aus: CONTRE-REFORM CATHOLIQUE au XXe siècle, Nr.202, August 1984)
Fortsetzung II:
"DAS BLUT DEINES BRUDERS SCHREIT ZU MIR, HÖRE VERFLUCHTER, DER DU AUF ERDEN..."
Was auf diesen 29. September 1978 gemäß dem Berichte David Yallops
folgte, ist zu wichtig, um ihm nicht eine vertiefte Studie (...) zu
widmen. Vor dem Abschluß des Berichtes über das, was zur Ermordung
Johannes Pauls I. führte und über die Versuche, sie in einen Herzanfall
umzufunktionieren, will ich dennoch eine extreme Vorstellung verhüten:
nein, es ist nicht Kard. Villot, der den Mord an dem, dessen intimster
und nächster Mitarbeiter er war, beschlossen hatte. Er hat ihn auch
nicht organisiert. Auch war es nicht er, welcher das Digitalis in das
Fläschchen Effortil geschüttet hatte. Er stand vor einem Verbrechen,
von dem er wußte, wer es ausgeführt hatte, auf welche Art und zu
welcher Stunde. Er ist aber nicht dessen Urheber. Vermag man aber zu
sagen, daß er der Komplice war - und nach der Durchführung der
Mitwirkende?
Er fand sich gezwungen - sicherlich zu seinem Bedauern - gemäß dem
Befehl seines Gewissens und der hohen Auffassung von seiner Aufgabe in
dieser Stunde, in welcher er die oberste Gewalt und alle Macht in
Händen hatte, zur Rettung der Ehre der Kirche nunmehr das Verbrechen,
nachdem es vollzogen und nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte,
zu verheimlichen. Denn so war und ist noch immer die Vorstellung über
die Ehre der Kirche beschaffen, die im Staatssekretariat, seiner
Umgebung und in allen Zweigen der Kurie herrscht. (Anm.d.Red.: Wenn
Yallops Theorie von der Ermordung stimmt, würde, so meine ich, jedes
Gericht der Welt auf Grund der hier gemachten Ausführungen Villot wegen
aktiver Mittäterschaft verurteilen.)
Wir werden Yallop in seinen Ausführungen folgen. Daraus wird
hervorgehen, daß Licio Gelli die wichtigste Person war, welche die
Entscheidungen traf und das Verbrechen organisierte, und Roberto Calvi
der stille'Teilhaber, was ihm immer teurer zu stehen kam, bis er
schließlich nicht mehr konnte und Selbstmord verübte. Der Ausführende
war irgend ein Handlanger, der den Auftrag seines Lebens von einem
Bevollmächtigten aus der Via Archimede erhalten hatte. Diese ganze
kleine Welt der Mafia, der Gauner, der Bank und des Vatikandorfes ist
uns nur zu gut bekannt. Und Marcinkus? Ach, Marcinkus! Er stand während
dieser Zeit auf Wache...
So konnte also auch Jean Villot unter der Ehre der Kirche und des
Johannes Pauls II. sterben. Im Frieden mit seinem Gewissen, wenn auch
nicht mit Gott. Aber glaubte er an Gott?
DAS GERICHT GING VORBEI
Mgr. Giulio Nicolini, ein Prälat der römischen Kurie, Autor der ersten
Biographie des "Papstes des Lächelns", schrieb eine Erklärung, welche
einen ungeheuren Widerhall finden sollte und gemäß welcher für diesen
sehr gebildeten und informierten Mann die Hypothese des englischen
Schriftstellers Yallop "absurd und ohne Begründung" ist. Diese bequeme
und beruhigende Meinung ist übrigens die allgemeine Ansicht.
Das Interessante an diesem allzu 'philharmonischen Konzept' liegt in
seinem entscheidenden Argument, dem Beweis der Absurdität, der im
allgemeinen den Lesern von Journalen und den Fernsehzuschauern genügt:
Das wäre ja schrecklich, also kann es folglich nicht wahr sein! Man
lese Boudier: "Das Argument des Buches selbst entpuppt sich als ein
wenig zu klassisch; Johannes Paul I., der ehrenhafte, für Fortschritt
und Öffnung zur Welt begeisterte Papst, fällt als das Opfer alter
korrumpierter Haie des Vatikans, an deren Spitze sich Kardinal Villot
befindet, der - nebenbei gesagt - nicht mehr unter uns weilt, um das
Gegenteil zu sagen. Muß man dann nicht in diesem Fall an den
gegenwärtigen Papst Johannes Paul II. denken, er sei der Komplice und
Förderer der vorgenannten Haie?" - Das wäre doch zu entsetzlich,
folglich ist es auch falsch.
Und Mgr. Nicolini, der in den Diensten des Vatikans ist: "Indem M.
Yallop behauptet, die Kardinale hätten über die eigentliche
Todesursache geschwiegen, klagt er eigentlich das gesamte Heilige
Kollegium, den Papst inbegriffen, an, am Mord beteiligt gewesen zu
sein. Das ist wahnsinnig!"
Offenbar! Das ist wahnsinnig! Das einzige Dementi, das die Informatoren
der öffentlichen Meinung, die Laien und die Priester daherbringen, ist:
das ist wahnsinnig! Schon damals, als ich Paul VI. der Häresie, des
Schismas sowie der Skandale angeklagt hatte und man mir durch eine
dreifache Postenkette italienischer, in Zivil gekleideter Polizisten
den Zugang zu ihm versperrte, um nicht meine Anklage zu erfahren und
meine Gründe prüfen zu müssen, hob er seine Hände empor, u.a. auch vor
Kard. Marty, und rief aus: "Er sagt, der Papst sei häretisch!" Das war
wahnsinnig - und es war kein weiteres Dementi nötig gewesen. Und so
fanden sich auch die Häresie, das Schisma und der Skandal, hundertfach
erwiesen und offen verkündet, vereinigt und sprangen, immer mehr
geduldet von der kranken römisch-katholischen Kirche, die mit
vergifteter Seele daran sterben wird, von Paul VI. auf Johannes Paul
II. über.
Hier ebenso: Johannes Paul I. ermordet? Das ist wahnsinnig! Ohne die
Notwendigkeit eines Dementis. Ferner: Yallop erbringt nicht den
geringsten Beweis (denn so ist die freimaurerische Unverschämtheit),
nicht das geringste Indiz (das freimaurerische Verbrechen hinterläßt
keines). Also war alles nach dem Ableben Johannes Pauls I. normal?
Sicherlich! Und der Tag seines Todes völlig einwandfrei? Sicherlich!
Und nachher...? 0, nachher lief alles immer besser'im Stalle des
Augias'. Das sind die Höflinge, welche so sprachen, und man kann ihnen
ja glauben. Johannes Paul II. herrscht über eine saubere Kirche in
einer Welt des blühenden Kapitalismus.
Es ist Pierre Boutang, der geniale Schüler von Charles Maurras, der es
ausspricht: "Im Angesicht der Tyrannei erhebt sich als letztes Bollwerk
der freien Denker gegen den plutokratischen Tyrannen, für die Rechte
des reinen Geistes allein der römische Pontifex" Johannes Paul II.
Boutang irrt sich in der Idee, dem Jahr und dem Pontifikat. Es ist
Johannes Paul I., der entgegen seinem Vorgänger es wagte, sich allein
gegen den plutokratischen und freimaurerischen Tyrannen zu erheben, was
ihm das Leben kostete. (...) Kehren wir noch einmal zum Zeitpunkt
seines beginnenden Todes zurück, als ihn vielleicht die Schwester
Vincenza von seinem Ankleideraum zu seinem Bett zurückführte. Er
ergriff mit der einen Hand, die schon verkrampft war, das Blatt,
welches seinen letzten Willen und klar den Grund seines Todes angab:
Die Bestätigung der Liste der erzwungenen Entlassungen, der befreienden
Versetzungen und der ehrenvollen Ernennungen. Es war dies ein Appell -
noch während des Sterbens - (...) an seinen Nachfolger und
Testamentsvollstrecker, den zukünftigen Papst. Da er als normal das
ansah, was sich seit dem Finanzier Bernardino Nogara, dem Liebling Pius
XI., dann fortgesetzt durch die Pacelli-Nepoten *) , welche, ach! Rom
die Pacelliräuber nannte, ereignet hatte, um dann mit den Haien Sindona
und Calvi und dem Gorilla Marcinkus zu enden...! Da er das Komplott als
normal ansah, welches, wie er fühlte, ihn belagerte, einkreiste und
zuletzt erstickte - ich habe Zeugen - dieses Komplott im Vatikan, das,
wie er es wußte, freimaurerisch war: durch seinen Tod appellierte
Johannes Paul I. an den, der unter solchen Bedingungen sein Nachfolger
sein würde: er möge seinen ersten und letzten Willen ausführen, seinen
unumschränkten Wunsch einer tiefen Reform der Römischen Kirche. (Anm.d.
Red.: hier werden Luciani Absichten unterstellt, die durch nichts
belegt sind. Ich wiederhole es noch einmal: die Reformen, die Luciani
ins Auge gefaßt hatte - de Nantes belegt es selbst -, betrafen den
finanziellen Sektor. Vgl. das folgende!!!)
Johannes Paul I. hielt in seinen Händen nicht die "Nachfolge Christi"
noch irgend eine Rede, die er gerade vorbereitete, sondern das
kategorische Programm, zuerst den Vatikan vom 'Gottes des Geldes', den
man dort anbetete, und von dessen Kult, gemäß des Gesetzes von der
Gewinnmaximierung, zu reinigen. Das ist unser Indiz, unser Beweis.
DIESE EINDRUCKSVOLLE RÖMISCHE KONTINUITÄT
Was für die öffentliche Meinung die Fortsetzung der Weisheit und der
Tugend ist, welche nur für einen Augenblick durch das Ableben eines
armen, müden Papstes unterbrochen wurde, diese eindrucksvolle römische
Kontinuität ist für uns und D. Yallop die Fortsetzung des Geldkultes
und sämtlicher Fehler, die mit ihm einhergehen. Für ihn ist es klar:
"Der Lohn der bösen Tat: Alles bleibt beim alten". (S.363) Ich lasse
den enthusiastischen Verehrern - Pauls VI. - gibt es übrigens welche? -
und Johannes Pauls II. - es gibt deren noch eine ganze Menge - die
Freiheit, ihren Berichten über die Ereignisse, die auf den Tod von
Johannes Paul I. bis heute folgten, die Überschrift zu geben: "Beweise
vom natürlichen Tod des Papstes und der Unschuld der Kirche - mit
Johannes Paul II. wird alles wie bisher fortgesetzt".
EIN ERFOLGREICHES KONKLAVE
Die "Aktion Überleben" der unheilvollen Mafia in der Umgebung Pauls VI.
schloß die Ermordung Johannes Pauls I. ein, deren Vertuschung in einen
natürlichen Tod mitsamt der abschließenden Hypothese vom Selbstmord des
armen Papstes und in der Folge dann die Wahl eines akzeptablen
Nachfolgers. Bevorzugt wird ein Freund, ein römischer Kuriale mit
Geschäftsarfahrung, oder auch ein Neuling von auswärts, von weit her,
der nicht in den Rechnungen herumwühlt - wenigstens nicht in der Zeit,
in welcher man ein wenig Ordnung schaffen wird.
In der Via Archimede mußte man geschäftig sein - das war
lebensnotwendig -, um alles in Bewegung zu setzen, zu intrigieren, eine
Strategie im voraus zu finden, so wie beim gelungenen Konklave von
1963. Yallops Rekonstruktion der Wahl hat einige Wahrscheinlichkeit für
sich. Auf jeden Fall kam der integre Siri nicht in Frage. Er sollte nur
bis zum Ende dazu dienen, den Durchgang für Benelli zu versperren. Er
sollte der Masse der Konklaveteilnehmer als eine untragbare Autorität
vorgestellt werden. "Wäre Benelli gewählt worden, so wären zweifellos
viele von Albino Luciani eingeleitete Entwicklungen und Maßnahmen
weitergetrieben worden." (S.363)
Kein Kurienkardinal schien die Wähler in Begeisterung zu versetzen. Man
mußte folglich woanders suchen. Yallop erzählt nicht, wie der Name
Wojtyla auftauchte und wie er im dritten Stimmengang schließlich eine
große Mehrheit gewann. Er schreibt einfach: "Allein, Benelli fehlten
letztlich neun Stimmen, und der Gewinner der Wahl, der polnische
Kardinal Wojtyla, verkörpert in fast jeder Beziehung einen markanten
Kontrast zu Benelli. Er hat, seit er amtiert, zahllose Beispiele dafür
geliefert, daß er mit seinem Vorgänger nichts gemein hat außer dem
Papstnamen Johannes Paul". In der Folge zeigt der englische Journalist
äußerste Härte, ja sogar kalte Verachtung für den neuen Papst.
Gleichzeitig vermag man einen Ablauf des Konklaves festzustellen, der
die Kardinäle, selbst den Gewählten, von jeder Mitschuld an der Mafia,
die die Stimmen lenkte, befreite. Unter der unbezweifelten Autorität
Kardinal Villots hörte man sehr schnell damit auf, die Umstände beim
merkwürdigen Tod Johannes Pauls I. nochmals aufzurollen; nach Eröffnung
des Konklaves sprach man nicht mehr davon. Zweifellos drang niemand
darauf, mit einer Befragung zu beginnen. Versammlungen sind lasch und
ohne einen mutigen Helfer weich. Man beschloß, mit einem neuen
Abschnitt zu beginnen, ohne nach rückwärts zu blicken. Man wählte
deshalb einen Fremden, dem die schmutzigen Geschäfte der Kurie fremd
waren, und die Mafia akzeptierte ihn und förderte dann den Kandidaten
Wojtyla, der ausreichend von der Vatikan GmbH profitiert hatte, um
nicht in den Papieren herumzustöbern und der übrigens noch genügend als
Sportler, Philosoph, Redner und großer Reisender bekannt war - alles
Dinge, welche die Finanziers, die Mafiamitglieder und die Freimaurer
beruhigten.
Und Kardinal Wojtyla wurde gewählt. Yallop nimmt an, er sei sofort über
alles in Kenntnis gesetzt worden... Ich möchte glauben, daß dies nicht
der Fall ist. Beschäftigt mit ganz anderen Dingen, vermochten ihn nicht
die Umstände beim Tode Johannes Pauls I. zu erschüttern, folglich auch
nicht der wahre Zustand des Vatikan-Dorfes und der Vatikan GmbH. Yallop
schreibt: "Kurz, Papst Johannes Paul II. hatte jede Möglichkeit, all
das in die Tat umzusetzen, was sein Vorgänger geplant hatte. Allein,
keine der von Luciani anvisierten Veränderungen wurde Wirklichkeit. Wer
immer den lächelnden Papst ermordet hatte, hatte es nicht vergeblich
getan. Villot blieb Staatssekretär. Cody behielt seine unangefochtene
Stellung in Chikago. Marcinkus und seine Assistenten Mennini, de
Strobel und de Bonis leiteten weiterhin die Geschicke der Vatikanbank
und sorgten weiterhin dafür, daß die illegalen Geschäfte mit der Banco
Ambrosiano florierten. Calvi und seine Herren und Meister der P2, Gelli
und Ortolani, hatten freie Hand, ihre massiven Veruntreuungen und
Betrügereien unter dem schützenden Mantel der Vatikanbank fortzusetzen.
Sindona in New York blieb, zumindest vorläufig, auf freiem Fuß. Baggio
ging nicht nach Venedig, der korrupte Poletti blieb Kardinalvikar von
Rom."
"Im Laufe der letzten fünf Jahre sind zahllose Versuche unternommen
worden, die Persönlichkeit Karol Wojtylas zu analysieren. Was für ein
Mensch ist er? Nun, zunächst einmal ist er ein Mensch, der zuglassen
hat, daß Gestalten wie Cody, Marcinkus, Mennini, de Strobel, Villot und
Poletti in Amt und Würden blieben. Niemand kann zur Ehrenrettung
Wojtylas behaupten, er kenne die Wahrheit nicht. Marcinkus ist direkt
dem Papst verantwortlich, und zu glauben, der Papst wisse nicht,
wieviel Dreck Marcinkus am Stecken hat, wäre kindlich..." (S.364/365)
Auf allen Gebieten: Wojtyla entschied nichts. "Wir erleben ein
Pontifikat der doppelten Moral: einen Verhaltenskodex für den Papst,
einen anderen für den Rest der Menschheit. Das Pontifikat Johannes
Pauls II. hat sich als Glücksfall für die Geldjongleure und
Krämerseelen, für Kriecher und Lumpen, für internationale Polit- und
Finanzgängster wie Calvi, Gelli und Sindona erwiesen. Während Seine
Heiligkeit in aller Welt den Asphalt der Rollbahnen küßt und sich das
Image eines Medienstars zagelegt hat ... sorgen die Männer hinter den
Kulissen dafür, daß die Kassen klingeln wie nie zuvor. (...) Die Wahl
Wojtylas stellte die Weichen für eine direkte Rückkehr zu den
Anschauungen Pauls VI. Nehmen wir zum Beispiel das Eindringen des
Freimaurertums in den Vatikan. Der jetzige Papst hat nicht nur
zugelassen, daß der Vatikan eine ganze Reihe von Freimaurern aus einer
ganzen Reihe verschiedener Logen offiziell in seinen Mauern duldet, er
hat auch seinen Segen dazu gegeben, daß die Kirche sich eine
hausgemachte Loge eigener Spielart zugelegt hat. Ihr Name ist Opus Dei
- Werk Gottes." (S.365/366) Lassen wir aber Opus Dei beiseite. Es
bleibt - nach sechs Jahren Regierung - diese Trägheit, diese
Gefühllosigkeit gegenüber der Unordnung, der sich erhebenden und
ausufernden Anarchie, diese vollständige Abwesenheit eines Befehles,
diese Furcht vor jedem Zusammenstoß, diese Toleranz gegenüber
Übeltätern und dieses Haschen nach Popularität. Aber auch die
Goldketten vermochte Karol Wojtyla nicht zu zerreißen, denn er segnete
die große Menge Dollars ab, die heimlich und auf illegalen Wegen an die
Solidarnost in Polen gingen. Bestechlich - wenn man dieses Wort zu
gebrauchen wagt -, aber für einen guten Zweck in Empfang nehmend kleine
Päckchen Goldes von Kard. Cody, - wie Paul VI. während seiner Reise auf
den Philippinen so bei dem falschen Attentat von 1982 in Fatima vom
unvermeidlichen Marcinkus geschützt - wie war man imstande, zur
gleichen Zeit ihr Verhalten zu überprüfen und mit ihren Verbrechen
einverstanden zu sein?
Kann man einen Papst Komplize nennen, der ständig woanders hinschaut,
und scheinbar von dem, was sich in seinem eigenen Haus abspielt, gar
nichts weiß? "Sicherlich", antwortet Yallop; und deshalb sei er auch
gewählt worden, deshalb lebt er auch und überlebt, entkommt den
Attentaten soweit er für dies alles die Verantwortung übernimmt. Für
dies alles? Aber was? Das folgt nun!
SERIENWEISE SCHANDTATEN, UNGEHEUERLICHKEITEN UND MORDE
Die Liquidierung Johannes Pauls I. gewährte einen Aufschub; die
Geschäfte konnten weitergehen. Aber sie gingen schlecht. Seit 1974, dem
Sindona-Bankkrach, gelangten sie immer mehr auf schwindelerregende und
gefährliche Pfade. Hart verfolgt von der Polizei, den Gerichten, den
Gläubigern und den Inspektoren der Zentralbanken, war man gezwungen,
noch zu töten und so die Flucht nach vorne anzutreten. "Die Liste der
Morde und massiven Einschüchterungen mit dem Ziel, den Mantel des
Schweigens über Raubzüge unvorstellbaren Ausmaßes zu decken, ist
beängstigend lang." (S.368)
Robert Calvi, der am Tage nach der Wahl Johannes Pauls II.
zurückgekehrt war, wurde von Gelli benachrichtigt, daß die Bankprüfer
Padolino und Sarcinelli ihm auf den Fersen sind, so nahe, daß der
mailändische Richer Allesandrini im Begriff sei, gegen ihn einen
Haftbefehl zu erlassen. Bei Rotlicht gestoppt, bricht der mutige
Richter in der Via Muratori, durchsiebt von Kugeln, zusammen.
In der Zwischenzeit plant ein altes Mitglied der P2, Licio Gelli
Widerstand zu leisten. Es ist dies Pecorelli, der dem "Papst des
Lächelns" die Liste der Freimaurer an der Kurie zukommen ließ. In einem
Parkhaus erhielt er zwei Schüsse in den Mund, die ihn für immer
schlössen.
Der Kardinal Villot starb auch zu dieser Zeit. "Zum Zeitpunkt seines
Todes bekleidete er noch immer jene Vielzahl von Ämtern, die er während
des kurzen Pontifikates von Albino Luciani inné gehabt hatte." (S.376)
Zur Zeit seines Todes war erder Allgemeinheit gleichgültig, wenn nicht
gar von ihr verachtet. Inzwischen hörten der Chefinspektor Sarcinelli
und der Staatsbankgouverneur Paolo Baffi nicht auf, die Verhaftung des
Haies zu verlangen. Aber die P2 erreichte es, daß diese beiden am 25.3.
1979 verhaftet wurden, und zeigte so, wie weit ihre Macht sich
erstreckte. Krank und seelisch gebrochen zogen sie sich dann
klugerweise zurück.
Sindona sah aber andererseits, wie seine Sorgen immer mehr wuchsen. "Am
19. März 1979 hatten die US-Justizbehörden Sindona der Unterschlagung,
des Meineides und der Veruntreuung von Bankgeldern in insgesamt 99
Fällen angeklagt. Die Anklagen resultierten unmittelbar aus dem
Zusammenbruch der Franklin National Bank." (S.377) Er nahm Kontakte auf
zur Ermordung des Staatsanwalts John Kenney; aber New York ist nicht
Italien; er vergeudete auf diese Tour Zeit und Geld. Er glich diesen
Schock dadurch aus, daß er den vom mailändischen Gerichtshof bestellten
Konkursverwalter für seine Banca Privata Finanziera, Giorgio Ambrosoli
abschießen ließ. "Dieser verdammte Totengräber meiner Bank macht mir
Ärger und deshalb möchte ich ihn umbringen lassen. Ich werde ihn so
beseitigen lassen, daß keine Spur von ihm übrigbleibt." (S.382)
Prahlerei? Zur Hälfte.
Der Mord fand am zweiten Prozeßtag, dem 11. Juli 1979, statt - durch
vier Kugeln. Da Ambrosoli wichtige telephonische Verbindungen (welche
Unvorsichtigkeit!) mit dem Chef der römischen Sicherheitspolizei, dem
Oberstleutnant Antonio Varisco, hatte, wurde auch dieser mitsamt seinem
Chauffeur durch vier Schüsse am 13. Juli umgebracht. Ambrosoli hatte
auch mit dem Chef der Kriminalpolizei von Palermo, Boris Giuliano,
gesprochen. Ihn traf dasselbe Schicksal, als er die Du Lux Bar in
Palermo verließ. "Zum Nachfolger Boris Giulianos wurde Giuseppe
Impallomeni ernannt. Er war Mitglied der P2."
Es galt, den Mut der Nachfolger, es seien dies nun Mitglieder der
Polizei, Bankiers, Richter oder der... Papst zu brechen. So setzte die
Finanzspekulation ihren Weg - mit Morden kennzeichnend - weiter fort.
Giorgio Ambrosoli starb nicht vergebens. Detailliert beschrieb
Ambrosoli "wie die Banca Cattolica Veneto den - beziehungsweise: - die
Besitzer gewechselt hatte... Sindona hatte dabei, so stellte Ambrosoli
fest, 'eine Maklerprovision von 6,5 Millionen Dollar an einen Mailänder
Bankier und an einen amerikanischen Bischof gezahlt." (S.385) Der
Bankier war Roberto Calvi, der Bischof Paul Marcinkus, der
Vertrauensmann und Leibwächter von Johannes Paul II.
PROZESSE UND UNANNEHMLICHKEITEN
Trotz dieser verbrecherischen Verzögerung begann zu Beginn des Februars
198o der Prozeß gegen Sindona mit einer ungeheuerlichen Menge an
Beschuldigungen, die ihren Ursprung im Bankrott der Franklin Bank
hatten. Das heißt also sechs Jahre nach dem 'Krach' und der ihm
zugrunde liegenden Gaunereien.
Seit der Ankündigung des Prozesses erklärte der Vatikan deutlich, daß
die Kirche ganz auf Seiten ihres alten Finanzberaters stehen werde. Die
KardinäleCaprio und Guerri und Bischof Marcinkus wollten "unter Eid"
aussagen. Dies setzte die Richter in Erstaunen und gab Sindona neuen
Mut. Aber in letzter Minute ließ Kardinal Casaroli wissen, daß diese
Erklärung nicht erfolgen werde. Erstaunen nun im entgegengesetzten
Sinn. Er leistete selbstherrlich Widerstand, weil er wußte, daß dann
die Vatikan-Unternehmung derselben Gefahr bei der amerikanischen Justiz
ausgesetzt sein würde. Casaroli wollte 5 Minuten vor 12 den Vatikan
retten. Was die amerikanischen Rechtsanwälte nicht wußten, war, daß er
damit einer Entscheidung des Papstes zuwidergehandelt hatte. Johannes
Paul II. entsprach nämlich voll Freude der Bitte von Marcinkus and
anderer, der Welt zu sagen, wie sehr sie Sindona hochschätzten.
Die Worte "voll Freude" waren keine Pointe britischen Humors. Sie waren
die treffenden Worte, die eher auf die Unschuld als auf die
Mitwisserschaft des Papstes hinweisen. Karol Wojtyla besaß immer viel
Geld; er gab es aus, ohne sich um dessen Preis oder Herkunft zu
kümmern. Er kannte nicht seinen Gestank. Als er Herr des
Vatikan-Vermögens geworden war, begann er die Gelder, welche ihm
durch,Marcinkus zur Disposition standen, mit der gleichen Verschwendung
und Sorglosigkeit wie Paul VI. auszugeben, wobei es ihm eine Genugtuung
war, die Finanzmänner durch eine Art von Kameradschaft zu ehren. Unter
diesen befand sich auch Sindona. Er war in Not, folglich mußte man ihm
helfen. Ich für meinen Teil glaube - auch jetzt noch -, daß er mit so
viel anderem beschäftigt, in finanziellen Angelegenheiten unwissend war
und es auch sein wollte. (Anm.d.Red.: Kurz zu vor spricht de Nantes
davon, daß es "kindlich" sei zu glauben, Wojtyla wüßte über die
Vorgänge nicht Bescheid. Jetzt verfällt er dieser kritisierten
Kindlichkeit selbst. Aber M. l'Abbé de Nantes ist alles andere als
naiv. Man möge ihn einmal fragen, warum er hier jemanden weiß waschen
will, wo alle 'Putzmittel' kläglich versagen.)
Sindona wurde am 27. März 198o inhaftiert. Er unternahm einen
Selbstmordversuch,indem er "eine gefährliche Dosis Digitalis
schluckte". "Auf Anraten seines Logenmeisters Gelli trug Sindona seit
vielen Jahren ein Portion dieses Mittels bei sich. Gelli hatte diesen
Rat nicht nur Sindona erteilt, sondern auch anderen führenden
P2-Mitgliedern." (S.394) Das Krankenzimmer des Gefängnisses rettete
Sindona. Das Gericht verurteilte ihn zu 25 Jahren und seine 'rechte
Hand', Bordoni, zu sieben Jahren.
Calvi wurde im Juli von einer ähnlichen Strafe bedroht. Gelli
intervenierte, wie gewöhnlich, auf seine unsichtbare, allmächtige Art,
und die Gefahr war gebannt. Aber Massimo Spada, ein früherer
Mitarbeiter der Vatikan-Bank und zu dieser Zeit Präsident der Banca
Cattolica del Veneto, wurde unter der Anklage der verbrecherischen
Mittäterschaft beim Sindona-Bankenkrach in Haft genommen, ebenso Luigi
Mennini, der noch immer im Dienste der Vatikan-Bank stand. "Calvi
fürchtete, es könne vielleicht trotz der enormen Geldzuwendungen, mit
denen er Marcinkus in der Vergangenheit verwöhnt hatte, bald so weit
sein, daß der Mann im Vatikan ihm seine aktive Unterstützung entziehen
und ihn seinen Verfolgern schutzlos preisgeben würde." (S.399)
Dies ist später auch eingetroffen, und es wurde für ihn zur
Endkatastrophe, das Ende an einem Strick unter einer Brücke in London.
Währenddessen vollbrachte dieser Mann unbesonnen Gaunereien. Yallop
gibt eine Zusammenfassung und läßt seine Leser folgende Schlußfolgerung
ziehen: ohne Namensnennung die Verurteilung des weltweiten Kapitalismus
(sämtliche, die das Übel umschreiben, zählen hier). Für uns ist
wichtig, daß bei diesen gerichtlichen Untersuchungen, welche durch
Morde immer wieder verzögert wurden, der Name Marcinkus und der seiner
"uomini di fiducia", die alle in Räubereien, Gaunereien... und Morde
verwickelt sind, ununterbrochen auftauchen.
Als sich der Hai schließlich im Gefängnis zu Lodi befand, bestanden
zwei Alternativen: entweder läßt der Vatikan alles fahren,und Marcinkus
- und dadurch auch sein Chef, der Papst - laufen Gefahr, infolge eines
gewaltigen Skandals kompromittiert zu werden, oder der Vatikan kommt
Calvi mittels neuer illegaler Akte zu Hilfe, um ihn vor dem drohenden
Untergang zu bewahren.
Marcinkus fühlte sich in der Klemme. Er versuchte dem Sohn Calvis zu
erklären: "Wenn wir das täten (der Banco Ambrosiano zu helfen und
gleichzeitig die Vatikan-GmbH hineinzuziehen) würden nicht nur das IOR
und der Ruf des Vatikan (sic!) Schaden nehmen. Auch Sie würden dabei
verlieren, denn unsere Probleme sind auch Ihre Probleme." (S.4o2)
Infolgedessen mußt man Calvi sich selbst aus der Verlegenheit helfen
und die Zeche allein bezahlen lassen. "Er unternahm einen
Selbstmordversuch. Er schluckte ein Schlafmittel und schnitt sich die
Pulsadern auf." (S.4o3) Wie Sindona, aber ohne Digitalis, denn er
versuchte, sein Leben zu erhalten. Diese unerwartete Wendung hielt die
Richter nicht davon ab, ihn zu verurteilen. Wie es Marcinkus voraussah,
appellierte er und wurde nach Stellung einer Kaution freigelassen. Die
Sache eines Bankiers, der wegen Gaunereien verurteilt worden war,
konnte mittels Unterstützung der Leiter des Vatikan weitergehen. 0
témpora, o mores!
"So lagen die Dinge, als Calvi und Marcinkus im August 1981 ihr größtes
Betrugstnanöver inszenierten." (S.4o5) Die Zeitungen ließen später
etwas davon durchsickern. Yallop beschreibt es und hellt es auf.
Mittels der "Patronatsbriefe" bescheinigten die uomini di fiducia von
Marcinkus, Mennini und de Strobel den südamerikanischen Gläubigern der
Calvi-Banken, daß "die heilige Römisch-Katholische Kirche die Garantie
übernehme" für ihre Schulden (mehr als eine Milliarde Dollar!). Man
hatte also etwas, um die Welt zu beruhigen. Aber ein anderer Brief von
Calvi, der unbekannt blieb, beruhigte den Vatikan, daß diese
Garantieerklärung für die I.O.R. keine Verantwortung oder Verpflichtung
zur Folge habe. So wurde also die Vatikan-Bank heimlich von den
Verpflichtungen, die zu übernehmen sie im Begriffe stand, wieder
entbunden. "Das Arrangement zwischen Calvi und Marcinkus, das sich in
den beiden Briefen mainfestierte, erfüllte zweifellos einen kriminellen
Tatbestand. Daß diese Geschichte genau am dritten Jahrestag der Wahl
von Albino Luciani zum Papst ans Licht kam, läßt das ganze noch
obszöner erscheinen. Dem Mann, der sich vorgenommen hatte, die
Korruption im Vatikan zu beseitigen, war ein Mann auf dem päpstlichen
Thron nachgefolgt, der von ganzem Herzen auf Bischof Marcinkus schwor.
"Eine weitere makabre Koinzidenz ergab sich, als am 28. September 1981,
am dritten Todestag von Albino Luciani, Marcinkus von Papst Johannes
Paul II. zum Pro-Präsidenten der Pontifikalkommission für den
Vatikanstaat ernannt wurde. Das bedeutete nichts anderes, als daß
Marcinkus praktisch Gouverneur oder Regierungschef des Vatikanstaates
wurde. Das Aufrücken in diese Stellung war mit der automatischen
Ernennung zum Erzbischof verbunden. Seinen Posten als Chef der
Vatikanbank behielt Marcinkus neben seinem neuen Amt bei."
"Seine litauische Herkunft, seine traditionell enge Beziehung zu Polen
und den Nöten seiner Bevölkerung, seine persönliche Nähe zum Papst
aufgrund seiner Rolle als dessen persönlicher Leibwächter und
'Sicherheitschef' bei Auslandsreisen, all dies zusammen trug dazu bei,
daß Paul Marcinkus in der Person Karol Wojtylas den mächtigsten Gönner
und Beschützer fand, den ein Angehöriger der Kurie sich wünschen
konnte. Sindona, Calvi und ihresgleichen sind im offiziellen Urteil des
Vatikan Bösewichte, auf deren Betrügereien naive, gutgläubige
Geistliche hereingefallen sind. Entweder ist Papst Johannes Paul II.
von Marcinkus über Jahre hinweg belogen, hintergangen und in Unkenntnis
gelassen worden, oder er war und ist in alles eingeweiht; in diesem
Fall gehört er selbst an den Pranger. Während Karol Wojtyla ein
bemerkenswertes Charisma entfaltet und vor aller Welt erklärt, ein
Mann, der seine eigene Frau mit Begierde ansehe, könne damit sehr wohl
einen innerlichen Ehebruch begehen (???), ist es Marcinkus auch
weiterhin gelungen, viele Bankiers dieser Welt zu verführen. Während
der Papst aus Krakau der katholischen Kirche die Richtung weist (nach
rückwärts), indem er erklärt, ein geschiedener und wiederverheirateter
Katholik dürfe nur dann das Heilige Abendmahl (sie! so bei Yallop;
Anm.d.Red.) empfangen, wenn er sich jeglichen geschlechtlichen Verkehrs
mit dem neuen Ehepartner enthalte, haben die Bankiers des Papstes sich
bei der Wahl der Partner, mit denen sie verkehren wollen, wenig
wählerisch gezeigt." (S.4o7/4o8)
Anmerkung:
*) Ob absichtlich oder unabsichtlich: hier wird das Andenken an Pius
XII. schmählich befleckt! Der Neffe vom damaligen Staatssekretär
Pacelli wurde von dessen Vorgänger, Pius XI. gegen die ausdrückliche
Bitte Pacellis in die vatikanische Verwaltung berufen. Pius XII. war zu
seinen Verwandten stets sehr, sehr zurückhaltend. |