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	54. Jahrgang Nr. 6 / September 2024

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Rundschreiben Mediator Dei et hominum

Rundschreiben
"Mediator Dei et hominum"

von
Papst Pius XII.

(vom 20. November 1947 Ã¼ber die heilige Liturgie )
(VollstÃ¤ndiger Text der Enzyklika)

EhrwÃ¼rdige BrÃ¼der,
GruÃŸ und Apostolischen Segen

Einleitung

212. Der Mittler zwischen Gott und den Menschen[1],der Hohepriester, der die Himmel durchmessen, Jesus, der Sohn Gottes[2] hat das Werk der Barmherzigkeit auf sich genommen, das Menschengeschlecht mit Ã¼bernatÃ¼rlichen Wohltaten zu Ã¼berhÃ¤ufen. Seine Absicht war es dabei zweifellos, die zwischen dem Menschen und seinem SchÃ¶pfer durch die SÃ¼nde gestÃ¶rte Ordnung wiederherzustellen und die unglÃ¼ckliche, durch die Erbschuld belastete Nachkommenschaft Adams dem himmlischen Vater, dem Ursprung und letzten Ziele aller GeschÃ¶pfe, wieder zuzufÃ¼hren. Deshalb verkÃ¼ndete er wÃ¤hrend seines Wandels auf Erden nicht allein den Anbruch der ErlÃ¶sung und erklÃ¤rte das Gottesreich fÃ¼r gekommen, sondern er trachtete, durch bestÃ¤ndiges Beten und Opfern das Heil der Seelen zu erwirken, bis erschlieÃŸlich am Kreuze sich als makelloses Opfer Gott darbot, um unser Gewissen von toten Werken zu reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen kÃ¶nnten[3]. So wurden alle Menschen vom Weg, der zu ihrem vÃ¶lligen Verderben fÃ¼hrte, zu ihrem GlÃ¼ck zurÃ¼ckgerufen und Gott wieder zugefÃ¼hrt; durch das persÃ¶nliche Mitwirken eines jeden zur Erlangung der eigenen Heiligkeit, die dem Blute des unbefleckten Lammes entsprieÃŸt, sollten sie Gott die ihm gebÃ¼hrende Ehre erweisen.

213. Der gÃ¶ttliche ErlÃ¶ser wollte, daÃŸ das Priesterleben, das er in seinem sterblichen Leibe durch sein Gebet und Opfer begonnen hatte, durch die Jahrhunderte in seinem mystischen Leibe, der Kirche, ununterbrochen weitergefÃ¼hrt werde. Daher setzte er ein sichtbares Priestertum ein, damit an jedem Ort ein reines Speiseopfer dargebracht werde[4] und so die Menschen vom Aufgang bis zum Niedergang, befreit von der SÃ¼nde, dem Ruf des Gewissens folgend, frei und willig Gott dienten.

214. Die Kirche fÃ¼hrt also, getreu dem von ihrem Stifter erhaltenen Auftrag, das Priesteramt Jesu Christi vor allem durch die heilige Liturgie weiter. In erster Linie tut sie dies am Altare, wo das Kreuzesopfer stÃ¤ndig dargebracht[5] und erneuert wird[6], wobei einzig die Art der Darbringung verschieden ist; dann durch die Sakramente, besondere Mittel, durch welche die Menschen des Ã¼bernatÃ¼rli-chen Lebens teilhaftig werden; endlich durch den Lobpreis, der tÃ¤glich dem allgÃ¼tigen und allmÃ¤chtigen Gott dargebracht wird. â€žWelch wundervolles Schauspiel - sagt Unser VorgÃ¤nger ehrwÃ¼rdigen Andenkens Pius XI. - bietet dem Himmel und der Erde die betende Kirche, wenn ohne UnterlaÃŸ Tag und Nacht die unter gÃ¶ttlicher Eingebung geschriebenen Psalmen auf Erden gesungen werden; wenn keine Stunde des Tages gezÃ¤hlt wird, die nicht durch ihre eigene Liturgie geweiht wÃ¤re; wenn jedes Lebensalter seine Rolle hat beim Dank-, Lob-, Bitt- und SÃ¼hnegebet, diesem gemeinsamen Flehen des mystischen Leibes Christi, der Kircheâ€œ[7].

215. Es ist Euch, ehrwÃ¼rdige BrÃ¼der, sicher bekannt, daÃŸ gegen Ende des letzten und zu Beginn des gegenwÃ¤rtigen Jahrhunderts ein auÃŸerordentlicher Wetteifer auf dem Gebiet der liturgischen Studien entfaltet wurde, sowohl durch private Arbeit, wie besonders durch die weit ausholende und emsige TÃ¤tigkeit einiger KlÃ¶ster des berÃ¼hmten Benediktinerordens; so wuchs nicht nur in vielen europÃ¤ischen Nationen, sondern auch in den Ã¼berseeischen LÃ¤ndern diesbezÃ¼glich ein lobenswertes und fruchtbringendes BemÃ¼hen. Die segensreichen FrÃ¼chte dieses eifrigen BemÃ¼hens konnte man auf dem Gebiet der theologischen Wissenschaften wahrnehmen, wo die liturgischen Riten der abend- und morgenlÃ¤ndischen Kirche erschÃ¶pfender und tiefer durchforscht und erfaÃŸt wurden, wie auch im geistlichen und privaten Leben vieler Christen.

216. Die hehren Zeremonien des heiligen Opfers wurden bessererkannt, erfaÃŸt und geschÃ¤tzt, die Sakramente wurden allgemeiner und hÃ¤ufiger empfangen, die liturgischen Gebete inniger verkostet und die Verehrung der heiligen Eucharistie - was auch fortdauern soll - als Quelle und Mittelpunkt wahrer christlicher FrÃ¶mmigkeit gewertet. AuÃŸerdem wurde die Tatsache in helleres Licht gerÃ¼ckt, daÃŸ alle GlÃ¤ubigen einen einzigen, eng gefÃ¼gten Leib bilden, dessen Haupt Christus ist, weshalb dem christlichen Volke die Pflicht obliege, in gebÃ¼hrender Weise an den liturgischen Handlungen teilzunehmen.

217. Ihr wiÃŸt ohne Zweifel sehr wohl, daÃŸ der Apostolische Stuhl jederzeit eifrig bestrebt war, das ihm anvertraute Volk mit richtigem und lebendigem liturgischem Empfinden zu erfÃ¼llen; und wie er mit nicht geringerem Eifer darauf geachtet hat, daÃŸ die heiligen Handlungen auch nach auÃŸen durch angemessene WÃ¼rde wirkten. Wir selbst haben, als Wir dem Brauch gemÃ¤ÃŸ im Jahre 1943 zu den Fastenpredigern der Ewigen Stadt sprachen, sie mit Nachdruck ermahnt, ihre ZuhÃ¶rer zu einer wachsenden Teilnahme am eucharistischen Opfer anzuspornen; und erst neulich haben Wir in der Absicht, das rechte VerstÃ¤ndnis der liturgischen Gebete und die Erfassung ihres kostbaren Wahrheitsgehaltes zu fÃ¶rdern, das Buch der Psalmen, das in der katholischen Kirche einen groÃŸen Teil jener Gebete ausmacht, aus dem Urtext von neuem ins Lateinische Ã¼bertragen lassen[8].

218. WÃ¤hrend also diese Bestrebungen infolge ihrer heilsamen Wirkungen Uns nicht geringen Trost bereiten, fordert doch auch das Gewissen, daÃŸ Wir jene Erneuerungsbestrebungen im Auge behalten und sorgsam darauf achten, daÃŸ die Anregungen nicht ins MaÃŸlose oder Fehlerhafte ausarten.

219. Wenn Wir nÃ¤mlich einerseits mit groÃŸem Bedauern feststellen, daÃŸ in verschiedenen LÃ¤ndern der Sinn fÃ¼r die heilige Liturgie, ihre Kenntnis und ihr Studium gelegentlich ungenÃ¼gend sind oder fast ganz fehlen, so mÃ¼ssen Wir anderseits mit Besorgnis, ja mit Furcht wahrnehmen, wie einige allzu neuerungssÃ¼chtige Leute vom Weg der gesunden Lehre und der Klugheit abweichen. Den PlÃ¤nen und Bestrebungen zur Erneuerung der Liturgie, an die sie herantreten, mischen sie hÃ¤ufig Auffassungen bei, die in der Theorie oder Praxis diese heilige Sache gefÃ¤hrden und bisweilen mit IrrtÃ¼mern behaften, die den. katholischen Glauben und die aszetische Lehre berÃ¼hren. Reinheit des Glaubens und der Sitte muÃŸ aber die hauptsÃ¤chlichste Richtlinie dieser heiligen Wissenschaft sein, die mit der weisen Lehre der Kirche in allem Ã¼bereinstimmen soll. Es ist demnach Unsere Pflicht, was gut ist, zu loben und zu empfehlen, was aber vom rechten Weg abweicht, in Schranken zu halten oder zu verwerfen.
Es sollen jedoch die SÃ¤umigen und LÃ¤ssigen nur nicht meinen, Wir wÃ¤ren mit ihnen zufrieden, weil Wir die Irrenden tadeln und die AllzukÃ¼hnen zÃ¼geln; noch sollen die Unklugen es als Lob fÃ¼r sich deuten, wenn Wir die NachlÃ¤ssigen und Zauderer zurechtweisen.
Wenn Wir in Unserem Rundschreiben hauptsÃ¤chlich von der lateinischen Liturgie sprechen, so geschieht das nicht, weil Wir die ehrwÃ¼rdigen Liturgien der Ostkirche weniger schÃ¤tzten; ihre Riten, durch alte und kostbare Urkunden Ã¼berliefert, sind Uns ebenso teuer; das geschieht vielmehr wegen der besonderen VerhÃ¤ltnisse der abendlÃ¤ndischen Kirche, die so geartet sind, daÃŸ sie das Eingreifen Unserer AutoritÃ¤t notwendig zu machen scheinen.

220. Alle ChristglÃ¤ubigen mÃ¶gen deshalb gelehrigen Sinnes auf die Stimme des gemeinsamen Vaters hÃ¶ren, der nur wÃ¼nscht, daÃŸ alle eng um ihn geschart, sich Gottes Altare nÃ¤hern, den gleichen Glauben bekennend, dem gleichen Gesetze sich fÃ¼gend, am gleichen Opfer in gleicher Gesinnung und mit gleicher Absicht teilnehmend. Das verlangt schon die Ehre Gottes; das fordern auch die BedÃ¼rfnisse der Gegenwart. Nachdem ein langer und grauenvoller Krieg die VÃ¶lker durch Feind-schaft und blutigen Tod sich gegenseitig entfremdet hat, mÃ¼hen sich jetzt Menschen guten Willens, alle nach besten KrÃ¤ften zur Eintracht zurÃ¼ckzufÃ¼hren. Kein Planen und kein Unternehmen hat aber, so glauben Wir, hierbei eine grÃ¶ÃŸere Wirkung als der lebendige religiÃ¶se Eifer, von dem alle Christen beseelt sein und sich leiten lassen mÃ¼ssen, indem sie dieselben Wahrheiten aufrichtigen Herzens bekennen, den rechtmÃ¤ÃŸigen Hirten gern und willig gehorchen, Gott die gebÃ¼hrende Verehrung erweisen und eine brÃ¼derliche Gemeinschaft bilden, denn ein Leib sind wir viele, wir alle, die wir an einem Brote teilhaben[9].

I. Wesen, Ursprung und Entfaltung der Liturgie

221. Die erste Pflicht des Menschen ist es zweifelsohne, sich und sein Leben auf Gott hinzuordnen. â€žEr ist es, dem wir als unserem ewigen Urgrund vor allem verbunden sein mÃ¼ssen, auf den als letztes Ziel auch unsere Wahl immerfort zu richten ist, den wir verlieren, wenn wir ihn in der SÃ¼nde hint-ansetzen, und den wir durch den Glauben und das Bekenntnis des Glaubens wieder gewinnen mÃ¼ssenâ€œ[10].Der Mensch ist aber richtig auf Gott hingeordnet, wenn er dessen hÃ¶chste MajestÃ¤t und Lehrgewalt anerkennt, wenn er die von Gott geoffenbarten Wahrheiten bereitwillig aufnimmt, wenn er die von ihm erlassenen Gesetze in glÃ¤ubiger Unterwerfung beobachtet, wenn er sein ganzes Tun auf ihn ausrichtet, wenn er, um es kurz zu sagen, durch die Tugend der Gottesverehrung dem einen und wahren Gott den gebÃ¼hrenden Kult und die gebÃ¼hrende Hingabe erweist.

222. Wenn diese Aufgabe in erster Linie den Einzelmenschen verpflichtet, so obliegt sie doch auch der ganzen durch soziale Bindungen gebildeten Menschengemeinschaft, da diese gleicherweise von Gottes hÃ¶chster AutoritÃ¤t abhÃ¤ngt.

223. Dabei ist zu beachten, daÃŸ jene Pflicht die Menschen noch in besonderer Weise bindet, weil sie Gott nÃ¤mlich zur Ã¼bernatÃ¼rlichen Ordnung erhoben hat.
Wenn wir deshalb Gott als Gesetzgeber des Alten Bundes betrachten, so sehen wir, wie er auch Ã¼ber die sakralen Riten Vorschriften erlÃ¤ÃŸt und genaue Richtlinien gibt, die das Volk bei dem ihm zu er-weisenden gesetzmÃ¤ÃŸigen Kult einhalten soll. Er verordnete dementsprechend verschiedene Opfer und verschiedene Zeremonien zur Darbringung der ihm geweihten Gaben; alles bestimmte er genau, was die Bundeslade, den Tempel und die Festtage betraf. Er setzte einen Priesterstamm und einen Hohenpriester ein; sogar die GewÃ¤nder, welche die Kultdiener tragen sollten, bestimmte und beschrieb er, und was sonst noch zum Gottesdienst gehÃ¶rte[11].

224. Indessen war dieser Gottesdienst nur ein schattenhaftes Bild[12] jenes Kultes, den der Hohepriester des Neuen Bundes dem himmlischen Vater erweisen sollte.
Kaum nÃ¤mlich ist das Wort Fleisch geworden[13], als es auch schon mit dem Priesteramt bekleidet sich der Welt offenbart, indem es sich dem Ewigen Vater unterwirft und diese Unterwerfung sein ganzes Leben hindurch ununterbrochen fortsetzt Beim Eintritt in die Welt spricht Christus: ... Siehe ich komme . . . Deinen Willen, O Gott, zu erfÃ¼llen . . .[14], und im blutigen Kreuzesopfer hat er dies wunderbar erfÃ¼llt : Kraft dieses Willens sind wir ein fÃ¼r allemal geheiligt durch die Hingabe des Leibes Jesu Christi[15]. Sein tatenreiches Menschendasein strebt diesem einen Ziele zu. Als kleines Kind wird er im Tempel zu Jerusalem dem Herrn dargestellt; als Knabe begibt er sich wieder dorthin; spÃ¤ter betritt er den Tempel immer und immer wieder, um das Volk zu lehren und dort zu beten. Bevor er seine Ã¶ffentliche TÃ¤tigkeit beginnt, beobachtet er ein vierzigtÃ¤giges Fasten; durch seinen Rat und sein Beispiel mahnt er alle, ihre Bitten bei Tag und bei Nacht an Gott zu richten. Er, der Lehrer der Wahrheit, erleuchtet jeden Menschen[16]damit die Sterblichen den unsichtbaren Gott gebÃ¼hrend anerkennen und nicht SÃ¶hne feigen Versagens seien zu ihrem Verderben, sondern Kinder des Glaubens, durch den das Leben gewonnen wird[17]. Als Hirt leitet er seine Herde, fÃ¼hrt sie auf die Weide des Lebens und erlÃ¤ÃŸt sein Gesetz so, daÃŸ niemand von ihm und dem rechten Wege, den er weist, sich abbringen lasse, sondern alle unter dem Hauch seines Geistes und in seiner Kraft heilig leben. Beim letzten Abendmahle begeht er in feierlicher Form das neue Pascha, dessen Fortbestand er durch die Einsetzung der heiligen Eucharistie sichert; am folgenden Tag bringt er, zwischen Himmel und Erde schwebend, das heilbringende Opfer seines Lebens dar und lÃ¤ÃŸt seiner durchbohrten Brust gleichsam die Sakramente entstrÃ¶men, die den Menschen die SchÃ¤tze der ErlÃ¶sung zufÃ¼hren sollen. Bei alledem schaut er einzig auf die Ehre seines himmlischen Vaters und darauf, die Menschen mit immer grÃ¶ÃŸerer Heiligkeit zu erfÃ¼llen.

225. Nach seinem Einzug in die ewige Herrlichkeit will er, daÃŸ der Gottesdienst, den er im Laufe seines irdischen Lebens eingesetzt und ausgeÃ¼bt hat, ununterbrochen weiterbestehe. Denn er Ã¼berlÃ¤ÃŸt die Menschheit keineswegs hilflos sich selbst, sondern wie er ihr durch seinen mÃ¤chtigen und lebendig gegenwÃ¤rtigen Schutz immerfort beisteht, indem er des Amtes eines FÃ¼rsprechers beim Vater waltet[18] kommt er ihr auch zu Hilfe durch seine Kirche, in der seine gÃ¶ttliche Gegenwart durch die Jahrhunderte fortdauert, die er zur SÃ¤ule der Wahrheit[19] und Spenderin der Gnade bestimmt und durch sein Kreuzesopfer gegrÃ¼ndet, geheiligt und auf ewige Zeiten gefestigt hat[20].

226. Die Kirche hat daher Zweck, Aufgabe und Amt gemeinsam mit dem menschgewordenen Gottessohn; sie hat alle die Wahrheit zu lehren, die Menschen richtig zu lenken und zu leiten, Gott ein wohlgefÃ¤lliges Opfer darzubringen und so jene wunderbare ZusammengehÃ¶rigkeit und Eintracht zwischen Gott dem SchÃ¶pfer und den geschaffenen Dingen wiederherzustellen, die der VÃ¶lkerapostel mit folgenden Worten anschaulich umschreibt: So seid ihr nun nicht mehr Fremdlinge und Beisassen, sondern ihr seid MitbÃ¼rger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, auferbaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten, wobei der Eckstein Jesus Christus selbst ist. In ihm ist der ganze Bau fest zusammengefÃ¼gt und wÃ¤chst empor zu einem heiligen Tempel im Herrn, in dem auch ihr miterbaut werdet zu einer Wohnung Gottes im Geiste[21]. Deshalb zielt die vom gÃ¶ttlichen ErlÃ¶ser gestiftete Gesellschaft mit ihrer Lehre und Leitung, dem von ihm eingesetzten Opfer und den von ihm gestifteten Sakramenten, mit der von ihm Ã¼berkommenen Verwaltung und dem von ihr verstrÃ¶mten Gebet und Blut nur auf das eine hin, daÃŸ sie tÃ¤glich sich weite nach auÃŸen und innerlich zusammenwachse; das wird auch erreicht, wenn Christus in den Menschenseelen Leben gewinnt und sich ent-faltet, und umgekehrt die Menschenseelen durch Christus gleichsam auferbaut werden und wachsen; so daÃŸ in der irdischen Verbannung der heilige Tempel sich tÃ¤glich weiter wÃ¶lbt, in dem der gÃ¶ttlichen MajestÃ¤t die rechte und ihr wohlgefÃ¤llige Verehrung gezollt wird.

227. Deshalb ist in jeder liturgischen Handlung zugleich mit der Kirche ihr gÃ¶ttlicher Stifter zugegen. Zugegen ist Christus im hochheiligen Opfer des Altares, in der Person des seine Stelle vertretenden Priesters und vor allem unter den eucharistischen Gestalten. Zugegen ist er in den Sakramenten durch die Kraft, die er ihnen zustrÃ¶men lÃ¤ÃŸt als den Werkzeugen der Heiligung. Zugegen ist er endlich im Lob Gottes und im Bittgebet, gemÃ¤ÃŸ dem Worte: Wo nÃ¤mlich zwei oder drei in meinem Namen vereint sind, bin ich mitten unter ihnen[22].

228. Die heilige Liturgie bildet folglich den Ã¶ffentlichen Kult, den unser ErlÃ¶ser, das Haupt der Kirche, dem himmlischen Vater erweist und den die Gemeinschaft der ChristglÃ¤ubigen ihrem GrÃ¼nder und durch ihn dem Ewigen Vater darbringt; um es zusammenfassend kurz auszudrÃ¼cken: sie stellt den gesamten Ã¶ffentlichen Gottesdienst des mystischen Leibes Jesu Christi dar, seines Hauptes nÃ¤mlich und seiner Glieder.

229. Die liturgische BetÃ¤tigung nahm ihren Anfang, sobald die Kirche von Gott gegrÃ¼ndet war. Die Christen der Urkirche, so heiÃŸt es ja, verharrten in der Lehre der Apostel, in der brÃ¼derlichen Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet[23].Wo es den Hirten gelingt, eine Gemeinschaft von GlÃ¤ubigen zu sammeln, dort errichten sie den Altar, auf dem sie das Opfer darbringen und um den alle Ã¼brigen Riten sich ranken, damit sich die Menschen durch sie heiligen und Gott die ihm gebÃ¼hrende Ehre erweisen. Unter diesen Riten nehmen die erste Stelle ein die Sakramente, die sieben Hauptquellen des Heils; dann der Lobpreis Gottes, mit dem die Christen auch als Gemeinschaft der Mahnung des Apostels Paulus gehorchen: Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit. Singt Gott dankbaren Herzens Psalmen, LobgesÃ¤nge und geistliche Lieder[24]. Weiter die Lesung aus dem Gesetz und den Propheten, aus den Evangelien und den Briefen der Apostel, und endlich die Homilie oder Predigt, wodurch der Vorsteher der Gemeinde die Vorschriften des gÃ¶ttlichen Meisters in Erinnerung ruft und sodann nutzbringend erklÃ¤rt, wichtigere Begebenheiten aus dem Leben Christi erwÃ¤hnt und den Anwesenden geeignete Mahnungen und Beispiele vorlegt.

230. Je nach den UmstÃ¤nden und den BedÃ¼rfnissen der Christen wird der Gottesdienst veranstaltet, ausgebaut und mit neuen Riten, Zeremonien und Gebetsformen bereichert, immer zu dem Zwecke, â€ždaÃŸ wir durch jene Sinnbilder uns selbst anspornen und innewerden, wieviel Fortschritt wir gemacht haben, und zu dessen FÃ¶rderung uns entschieden aneifern denn die Wirkung wird um so wertvoller sein, je stÃ¤rker der Eifer ist, der ihr vorausgehtâ€œ[25] So erhebt sich das GemÃ¼t beschwingter und leichter zu Gott, und das Priestertum Jesu Christi lebt und wirkt jederzeit durch alle Jahrhunderte hindurch, da die heilige Liturgie nichts anderes ist als die AusÃ¼bung dieses Priesteramtes. Wie ihr gÃ¶ttliches Haupt, so ist die Kirche ihren Kindern immerfort gegenwÃ¤rtig, sie hilft ihnen, mahnt sie zu einem heiligen Leben, damit sie einmal mit dieser Ã¼bernatÃ¼rlichen Zier geschmÃ¼ckt zum himmlischen Vater zurÃ¼ckkehren. Die zum irdischen Leben Gebotenen bereichert sie in einer Art von Wiedergeburt mit dem Ã¼bernatÃ¼rlichen Leben; fÃ¼r den Kampf gegen den unversÃ¶hnlichen Feind stÃ¤rkt sie dieselben mit der Kraft des Heiligen Geistes; sie ruft die Christen zu den AltÃ¤ren, eifert sie durch wiederholte Einladung an zur andÃ¤chtigen Feier des eucharistischen Opfers und nÃ¤hrt sie mit der Engelspeise, damit sie immer mehr erstarken; die durch die SÃ¼nde Verwundeten und Befleckten sÃ¶hnt sie aus mit Gott und trÃ¶stet sie; die unter dem Antrieb der Gnade zum Priestertum Berufenen weiht sie mit dem rechtmÃ¤ÃŸigen Ritus. Die aber zur GrÃ¼ndung und zum Aufbau einer christlichen Familie bestimmt sind, deren reine Ehe unterbaut sie mit himmlischen GnadenpfÃ¤ndern. Nachdem sie endlich fÃ¼r die letzte Stunde des irdischen Daseins durch die eucharistische Wegzehrung und die Heilige Ã–lung Mut und Kraft verliehen, begleitet sie die sterblichen Ãœberreste ihrer Kinder in liebevoller Gesinnung zu Grabe, bestattet sie ehrfÃ¼rchtig und stellt sie unter den Schutz des Kreuzes, damit sie einstens nach siegreicher Ãœberwindung des Todes auferstehen. Aber auch jene, die zur Erreichung der religiÃ¶sen Vollkommenheit sich ganz dem Dienste Gottes weihen, segnet sie mit feierlichem Segen und Gebet. SchlieÃŸlich reicht sie den Seelen im Fegfeuer, die ihre FÃ¼rbitte anrufen, ihre hilfreiche Hand, um sie glÃ¼cklich der ewigen Seligkeit zuzufÃ¼hren.

231. Der gesamte Kult, den die Kirche Gott darbringt, muÃŸ Ã¤uÃŸerlich und innerlich sein. Ã„uÃŸerlich, weil es so das Wesen des aus Leib und Seele zusammengesetzten Menschen verlangt; dann weil es von Gott so gefÃ¼gt ist, daÃŸ â€ždieweil wir Gott mit leiblichem Auge erkennen, er in uns die Liebe zum Unsichtbaren entflammtâ€œ[26]; ferner liegt es in unserer Natur, daÃŸ alles Seelische sich sinnenhaften Ausdruck gibt; weiterhin ist die Gottesverehrung nicht nur Sache der Einzelnen, sondern ebenso der menschlichen Gemeinschaft und muÃŸ deshalb sozialen Charakter tragen, was sie nicht kann, wenn nicht auch der Bereich des ReligiÃ¶sen Ã¤uÃŸere Bindungen und Kundgebungen kennt. Endlich offenbart das SinnenfÃ¤llige in besonderer Weise die Einheit des mystischen Leibes und stellt sie ins rechte Licht, spornt dessen heiligen Eifer an, stÃ¤rkt seine Kraft und erhÃ¶ht sein Wirken. â€žDenn wenn auch die Zeremonien aus sich selbst keine Vollkommenheit und Heiligkeit beinhalten, so sind sie doch Ã¤uÃŸere religiÃ¶se Akte, durch die der Geist wie durch Zeichen zur Verehrung alles Heiligen angeeifert, der Sinn zum Himmlischen emporgehoben, die FrÃ¶mmigkeit genÃ¤hrt und die Liebe entflammt wird; durch sie wÃ¤chst der Glaube und wird die Andacht vertieft; durch sie werden die weniger Gebildeten unterrichtet, der Gottesdienst verschÃ¶nert, die Religion erhalten und die wahren GlÃ¤ubigen von den unechten Christen und IrrglÃ¤ubigen unterschiedenâ€œ[27].

232. Jedoch ist das Hauptgewicht bei der Gottesverehrung auf das Innere zu verlegen.Wir mÃ¼ssen immer in Christus leben und uns ihm ganz hingeben, damit in ihm, mit ihm und durch ihn dem himmlischen Vater die gebÃ¼hrende Ehre erwiesen werde. Die heilige Liturgie verlangt aber, daÃŸ die beiden Elemente aufs engste miteinander verknÃ¼pft seien; sie selbst wird nicht mÃ¼de, das immer und immer wieder zu empfehlen, sooft sie nÃ¤mlich einen Ã¤uÃŸeren Akt religiÃ¶sen Kultes vorschreibt. So mahnt sie uns z. B. beim Fasten, â€žunser sittliches Verhalten mÃ¶ge das, wovon es nach auÃŸen Zeugnis gibt, in unserem Innern verwirklichenâ€œ[28]. Sonst wird die Religion zweifelsohne zum leeren Ritus und reinen Formalismus. Wie euch, ehrwÃ¼rdige BrÃ¼der, bekannt ist, hÃ¤lt der gÃ¶ttliche Meister jene des Gotteshauses fÃ¼r unwÃ¼rdig und mÃ¶chte sie aus ihm entfernt wissen, die vermeinen, sie kÃ¶nnten allein schon mit klangvollen schÃ¶nen Stimmen nach Art der Schauspieler Gott verehren, und die sich einbilden, fÃ¼r ihr ewiges Heil ordentlich Sorge zu tragen, auch wenn sie ihre tief eingewurzelten Fehler nicht mit der Wurzel ausrotten[29]. Die Kirche wÃ¼nscht also, daÃŸ alle ChristglÃ¤ubigen sich zu den FÃ¼ÃŸen des ErlÃ¶sers niederwerfen, um ihm ihre Verehrung und Liebe zu erzeigen; sie wÃ¼nscht, daÃŸ die Scharen nach dem Beispiel der Jugend, die Christus bei seinem Einzug in Jerusalem mit Freudengesang entgegenzog, lobsingen und dem KÃ¶nig der KÃ¶nige, dem hÃ¶chsten Geber aller GÃ¼ter Jubellieder ertÃ¶nen lassen und Danksagung darbringen; daÃŸ ihren Lippen Gebete entstrÃ¶men, Bittgebete und froher Lobpreis, durch die sie wie die Apostel am See Genesareth seine barmherzige und allmÃ¤chtige Hilfe anrufen; oder daÃŸ sie, wie Petrus auf dem Berge Tabor vom Lichtglanz und der Wonne seliger Beschauung hingerissen, sich und das Ihrige dem Ewigen Gott anheimstellen.

233. Daher haben jene vom wahren Begriff und Sinn der heiligen Liturgie entschieden eine falsche Vorstellung, die unter ihr nur den Ã¤uÃŸeren und sinnfÃ¤lligen Teil des Gottesdienstes oder etwa eine wÃ¼rdige Aufmachung von Zeremonien verstehen. Und ebenso gehen jene fehl, die sie nur fÃ¼r eine Sammlung von Gesetzen und Vorschriften halten, wonach die kirchliche Hierarchie die heiligen Riten regelt.
Es muÃŸ allen eine SelbstverstÃ¤ndlichkeit sein, daÃŸ Gott nicht wÃ¼rdig verehrt werden kann, wenn nicht Geist und Herz zur Vollkommenheit angeeifert werden, und daÃŸ der Kult, den die Kirche in Einheit mit ihrem gÃ¶ttlichen Haupt Gott darbringt, die hÃ¶chste Wirkkraft zur Weckung wahrer Heiligkeit in sich birgt.

234. Diese Wirkkraft kommt, wo es sich um das eucharistische Opfer und die Sakramente handelt, vor allem und an erster Stelle ex opere operato (aus der heiligen Handlung selbst). Wenn wir hingegen die Funktionen der unversehrten Braut Jesu Christi ins Auge fassen, wodurch sie mit Gebeten und heiligen Zeremonien das eucharistische Opfer und die Sakramente umrankt, oder wenn die Rede ist von den Sakramentalien und den Ã¼brigen Riten, die von der kirchlichen Hierarchie angeordnet sind, so kommt die Wirkkraft vor allem ex opere operantis Ecclesiae (aus der Handlung als einer Handlung der Kirche), insofern sie heilig ist und in engster Verbindung mit ihrem Haupte wirkt.

235. In diesem Zusammenhang mÃ¶chten Wir, ehrwÃ¼rdige BrÃ¼der, eure Aufmerksamkeit auf jene neue Theorie der christlichen FrÃ¶mmigkeit hinlenken, die man â€žobjektiveâ€œ (sachliche) FrÃ¶mmigkeit nennt; wÃ¤hrend diese Theorie das Geheimnis des Mystischen Leibes, die wahrhaft heiligende Wirkkraft der Gnade sowie die gÃ¶ttliche Wirkung der Sakramente und des eucharistischen Opfers klar herausstellt, scheint sie dahin zu zielen, die â€žsubjektiveâ€œ oder â€žpersÃ¶nlicheâ€œ Andacht herabzumindern oder ganz zu Ã¼bersehen.
In den liturgischen Feiern und besonders im hochheiligen Opfer des Altares wird das Werk unserer ErlÃ¶sung weitergefÃ¼hrt und seine Frucht uns zugewendet. Christus wirkt in den Sakramenten und in seinem Opfer tagtÃ¤glich unser Heil; durch sie entsÃ¼hnt er jederzeit die Menschheit und weiht sie Gott. Sie besitzen also eine â€žobjektiveâ€œ (in ihnen selbst liegende) Kraft, die unseren Seelen das gÃ¶ttliche Leben Jesu Christi tatsÃ¤chlich mitteilt. Also nicht aus unserer, sondern aus Gottes Kraft wohnt ihnen jene Wirksamkeit inne, welche die glÃ¤ubige Gesinnung der Glieder mit jener des Hauptes verbindet und sie gewissermaÃŸen zur Haltung der ganzen Gemeinschaft macht. Aus diesen scharf-sinnigen GedankengÃ¤ngen schlieÃŸen manche, die ganze christliche FrÃ¶mmigkeit mÃ¼sse im Geheim-nis des Mystischen Leibes Christi ihren Bestand haben ohne â€žpersÃ¶nlicheâ€œ oder â€žsubjektiveâ€œ Beziehung; und sie sind sogar der Meinung, die Ã¼brigen religiÃ¶sen Ãœbungen, die nicht eng mit der heiligen Liturgie verbunden sind und sich auÃŸerhalb des Ã¶ffentlichen Kultes vollziehen, seien hintanzusetzen.
So richtig nun die oben dargelegten GrundsÃ¤tze sind, die SchluÃŸfolgerungen bezÃ¼glich der beiden Arten von FrÃ¶mmigkeit erkennt jedermann als irrefÃ¼hrend, verfÃ¤nglich und sehr verderblich.

236. GewiÃŸ ist daran festzuhalten, daÃŸ die Sakramente und das MeÃŸopfer eine durchaus innere Kraft in sich bergen, weil sie eben Handlungen Christi sind, welche die Gnade des gÃ¶ttlichen Hauptes den Gliedern des Mystischen Leibes zuleiten und zuteilen; damit sie aber die entsprechende Wirksamkeit haben, muÃŸ notwendig von unserer Seite die richtige seelische Verfassung dazukommen. Deshalb mahnt der Apostel Paulus bezÃ¼glich der Eucharistie : So prÃ¼fe sich denn der Mensch, und dann esse er von dem Brot und trinke aus dem Kelch[30]. Deshalb nennt die Kirche alle Ãœbungen, durch die besonders wÃ¤hrend der Fastenzeit unser Inneres gelÃ¤utert wird, â€žWachtpostendienst des christlichen Kampflebensâ€œ[31], sind sie doch tatkrÃ¤ftige BemÃ¼hungen der Glieder, die auf Anregung und mit Hilfe der Gnade ihrem gÃ¶ttlichen Haupt anhangen wollen, damit, wie Augustinus sagt, â€žuns in unserem Haupte die Quelle der Gnade selbst erscheineâ€œ[32]. Aber wohlgemerkt, diese Glieder leben und sind mit eigenem Verstand und freiem Willen begabt; deshalb mÃ¼ssen sie unbedingt selber die Lippen an die Quelle legen, die lebenspendende Nahrung aufnehmen und in sich umwandeln sowie alles ausstoÃŸen, was der Wirksamkeit dieser Nahrung hinderlich sein kÃ¶nnte. Es gilt also: das ErlÃ¶sungswerk, das in sich etwas von unserem Willen UnabhÃ¤ngiges ist, verlangt unser inneres Mittun, damit wir das ewige Heil erlangen kÃ¶nnen.

237. Wenn die private und persÃ¶nliche FrÃ¶mmigkeit der einzelnen das heilige MeÃŸopfer und die Sakramente vernachlÃ¤ssigt und sich der heilbringenden Kraft entzieht, die vom Haupt in die Glieder strÃ¶mt, so wird sie zweifelsohne eine verwerfliche und unfruchtbare Sache sein. Wenn aber alle mit der Liturgie nicht eng verbundenen Weisungen und Ãœbungen der FrÃ¶mmigkeit sich gerade deshalb mit den menschlichen Handlungen befassen, um sie auf den himmlischen Vater hinzurichten, die Menschen heilsam zur BuÃŸe und heiligen Gottesfurcht anzueifern, sie von den Verlockungen der Welt und SÃ¼nde hinweg und auf steilem Pfade glÃ¼cklich zum Gipfel der Heiligkeit zu fÃ¼hren, so sind sie wahrlich nicht nur hÃ¶chsten Lobes wÃ¼rdig, sondern einfachhin notwendig, weil sie nÃ¤mlich die Gefahren des geistlichen Lebens aufdecken, uns zur Tugendhaftigkeit erziehen und jenes lebendige Streben in uns stÃ¤rken, wodurch wir uns und all das Unsrige dem Dienste Jesu Christi weihen sollen.

238. Die echte und wahre FrÃ¶mmigkeit, die der engelgleiche Lehrer â€ždevotio, Hingabeâ€œ nennt und die der hauptsÃ¤chlichste Akt ist, - durch den wie von selbst im Menschenleben Ordnung und zwar Hinordnung auf Gott geschaffen wird, und durch den die Menschen sich bereitwillig all dem hingeben, was die Gottesverehrung in sich begreift[33] - diese echte FrÃ¶mmigkeit also bedarf der Betrachtung der Ã¼bernatÃ¼rlichen Welt sowie der geistlichen Ãœbungen, damit sie genÃ¤hrt und lebendig erhalten werde, damit sie krÃ¤ftig sei und uns zu hÃ¶herer Vollkommenheit ansporne. Die christliche Religion verlangt nÃ¤mlich, richtig gepflegt, daÃŸ vor allem der Wille Gott geweiht werde und mit seiner Kraft auf die Ã¼brigen SeelenfÃ¤higkeiten einwirke. Nun aber setzt jeder Willensakt VerstandestÃ¤tigkeit voraus; und bevor das Verlangen und der Vorsatz zustande kommen, sich dem ewigen Gott durch das Opfer zu weihen, ist die Erkenntnis der Tatsachen und Wahrheiten, welche die Gottesverehrung zur Pflicht machen, unbedingt erfordert; dazu gehÃ¶ren z. B. das letzte Ziel des Menschen und die Erhabenheit der gÃ¶ttlichen MajestÃ¤t, die Pflicht der Unterwerfung unter den SchÃ¶pfer, sodann die unergrÃ¼ndlichen SchÃ¤tze der Liebe, mit denen Gott uns zu bereichern wÃ¼nscht, die Notwendigkeit des Ã¼bernatÃ¼rlichen Lebens zur Erreichung des uns gesteckten Zieles und jener besondere, von der gÃ¶ttlichen Vorsehung uns gewiesene Weg, insofern wir ja alle als Glieder des Leibes mit Christus dem Haupte verbunden sind. Weil aber die BeweggrÃ¼nde der Liebe nicht immer Ã¼ber unseren bisweilen von verkehrten Regungen verwirrten Geist Gewalt haben, ist es sehr angebracht, daÃŸ die Betrachtung der gÃ¶ttlichen Gerechtigkeit uns in heilsamer Weise erschÃ¼ttere und uns zu christlicher Demut, BuÃŸe und Besserung des Lebens fÃ¼hre.

239. Das alles darf aber nicht in bloÃŸer Erinnerung und in unfruchtbaren ErwÃ¤gungen versanden, sondern es muÃŸ wirksam dahin zielen, unsere Sinne mit ihren FÃ¤higkeiten der von der katholischen Wahrheit erleuchteten Vernunft unterzuordnen, unser Inneres zu entsÃ¼hnen und zu reinigen, damit es tÃ¤glich enger mit Christus verbunden, damit es mehr und mehr ihm gleichgestaltet werde und den gÃ¶ttlichen Geist und die gÃ¶ttliche Kraft, deren es bedarf aus ihm schÃ¶pfe; alles soll die Menschen immer wirksamer anspornen und entflammen zum Guten, zu treuer PflichterfÃ¼llung, zu religiÃ¶sem Eifer und zur TugendÃ¼bung: Ihr gehÃ¶rt Christus, Christus aber Gott[34]. Alles geschehe deshalb in gehÃ¶riger, organischer Ordnung und, um den Ausdruck zu gebrauchen, â€žtheozentrischâ€œ, sofern wir wirklich wollen, daÃŸ alles zur Ehre Gottes gereiche durch das Leben, das aus dem gÃ¶ttlichen Haupt in uns einstrÃ¶mt: So haben wir denn, BrÃ¼der, kraft des Blutes Jesu die zuversichtliche Hoffnung auf den Eintritt in das Allerheiligste. Das ist der neue Lebensweg, den er uns durch den Vorhang hindurch, nÃ¤mlich durch sein Fleisch, erschlossen hat. Auch haben wir einen erhabenen Hohenpriester, der Ã¼ber dem Hause Gottes waltet. LaÃŸt uns darum aufrichtigen Sinnes voll Glaubenszuvericht hinzutreten, das Herz gereinigt vom bÃ¶sen Gewissen und den Leib gewaschen mit reinem Wasser. LaÃŸt uns unerschÃ¼tterlich festhalten am Bekenntnis unserer Hoffnung... Seien wir auch darauf bedacht, einander zur Liebe und zu guten Werken anzuspornen[35].

240. Daraus ergibt sich ein harmonisches Gleichgewicht der Glieder im Mystischen Leibe Jesu Christi. Indem die Kirche uns im katholischen Glauben unterrichtet und zum Gehorsam gegen die christlichen Gebote ermahnt, bereitet sie den Weg zu ihrer eigentlich priesterlichen, unsere Heiligung bewirkenden Aufgabe; ebenso leitet sie uns zu einer eingehenderen Betrachtung des Lebens unseres gÃ¶ttlichen ErlÃ¶sers an und fÃ¼hrt uns zu einer tieferen Erkenntnis der Glaubensgeheimnisse. So spendet sie uns Ã¼berirdische Nahrung, damit wir durch sie gestÃ¤rkt und mit der Hilfe Christi sicheren Fortschritt in der Vollkommenheit machen kÃ¶nnen. Nicht allein durch ihre Diener, sondern auch durch die einzelnen GlÃ¤ubigen, die so den Geist Jesu Christi in sich aufgenommen haben, bemÃ¼ht sich die Kirche, das private, eheliche, soziale, ja selbst das wirtschaftliche und politische Leben und Handeln der Menschen zu durchdringen, damit alle, die Kinder Gottes heiÃŸen, das ihnen gesteckte Ziel leichter erreichen kÃ¶nnen.
Derlei private Ãœbungen der GlÃ¤ubigen und der religiÃ¶se Eifer, der sie zur inneren LÃ¤uterung treibt, wecken daher in ihnen gerade jene KrÃ¤fte, die es ihnen ermÃ¶glichen, besser am hochheiligen Opfer des Altares teilzunehmen, die Sakramente fruchtbringender zu empfangen und die gottesdienstlichen Handlungen so mitzufeiern, daÃŸ sie noch entschlossener und befÃ¤higter werden zum Gebet und zur christlichen Entsagung, zur bereitwilligen Aufnahme der Anregungen der gÃ¶ttlichen Gnade und zur tÃ¤glich vollkommeneren Nachahmung des Tugendlebens unseres ErlÃ¶sers; und das nicht nur zum eigenen Nutzen, sondern ebenso zu dem der ganzen Kirche: denn alles Gute, das in ihr gewirkt wird, ist ein Kraftstrom, der ausgeht von ihrem Haupte und sich heilsfÃ¶rdernd auf alle Glieder auswirkt.

241. Im geistlichen Leben kann es also keinen Widerstreit geben zwischen dem gÃ¶ttlichen Wirken, das zur ununterbrochenen FortfÃ¼hrung unserer ErlÃ¶sung den Seelen die Gnade zuleitet, und dem willigen Mitwirken der Menschen, die Gottes Geschenk nicht vergeblich empfangen dÃ¼rfen[36]; keinen Widerspruch zwischen der Wirksamkeit des Ã¤uÃŸeren Zeichens der Sakramente, die ex opere operato, d. h. aus dem Sakrament selber kommt, und dem verdienstlichen Werk derer, welche die Sakramente spenden oder empfangen, was wir opus operantis, d.h. das Werk des Handelnden nennen; keinen Widerspruch zwischen Ã¶ffentlichem und privatem Gebet, zwischen Sittenlehre und Mystik, zwischen Aszese und liturgischer FrÃ¶mmigkeit; keinen Widerspruch schlieÃŸlich zwischen der Rechts- und Lehrgewalt der kirchlichen Hierarchie und ihrer priesterlichen Gewalt im eigentlichen Sinne, die sich im heiligen Amt betÃ¤tigt.

242. Aus schwerwiegenden GrÃ¼nden besteht die Kirche darauf, daÃŸ die amtlichen Diener des Altares und die Ordensleute zur festgesetzten Zeit der Betrachtung, der eifrigen Gewissenserforschung und Gewissensreinigung, sowie den Ã¼brigen geistlichen Ãœbungen obliegen[37], gerade weil sie in besonderer Weise zu den liturgischen Funktionen des heiligen Opfers und des Lobes Gottes bestimmt sind. Zweifellos hat das liturgische Gebet als Ã¶ffentliches Gebet der erhabenen Braut Jesu Christi eine hÃ¶here WÃ¼rde als das private. Allein diese hÃ¶here WÃ¼rde besagt keinen Gegensatz oder Widerspruch zwischen diesen beiden Gebetsarten. Da sie von ein- und demselben Geiste beseelt sind, flieÃŸen sie zu harmonischer Einheit zusammen nach dem Worte alles und in allem Christus[38]und streben demselben Ziele zu, bis Christus in uns Gestalt gewinnt[39].

243. Um aber das Wesen der heiligen Liturgie vollstÃ¤ndiger zu erfassen, muÃŸ man sie noch nach einer anderen, nicht weniger wichtigen Seite der Betrachtung unterziehen.
Die Kirche ist eine Gesellschaft, und deshalb erhebt sie Anspruch auf eine eigene AutoritÃ¤t und Hierarchie. Wenn alle Glieder des Mystischen Leibes Christi an denselben GÃ¼tern teilhaben und nach denselben Zielen streben, so besitzen doch nicht alle dieselbe Vollmacht, noch kÃ¶nnen alle dieselben Handlungen vollziehen. Denn der gÃ¶ttliche ErlÃ¶ser wollte, daÃŸ sein Reich auf eine heilige Ordnung gegrÃ¼ndet sei und auf einem unerschÃ¼tterlichen Fundament beruhe. Diese Ordnung ist gleichsam ein Abbild der himmlischen Hierarchie.
Nur den Aposteln und spÃ¤terhin denen, die rechtmÃ¤ÃŸig von ihnen und ihren Nachfolgern die Handauflegung empfangen haben, wird die priesterliche Gewalt erteilt, kraft deren sie gegenÃ¼ber dem ihnen anvertrauten Volk die Person Jesu Christi darstellen, vor Gott aber eben dieses ihr Volk vertreten. Dieses Priestertum wird nicht durch Vererbung oder leibliche Abstammung weitergeleitet; auch stammt es nicht von der Gemeinschaft der GlÃ¤ubigen und wird nicht vom Volke verliehen. Bevor der Priester im Namen des Volkes vor Gott erscheint, ist er schon der Gesandte des gÃ¶ttlichen ErlÃ¶sers; und weil Jesus Christus das Haupt jenes Leibes ist, dessen Glieder die GlÃ¤ubigen sind, vertritt der Priester Gottes Stelle bei dem ihm anvertrauten Volk. Die ihm Ã¼bertragene Gewalt ist also ihrem Wesen nach nicht irdisch-menschlich; sie ist vielmehr wesentlich Ã¼bernatÃ¼rlich und geht von Gott aus : Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch[40]... Wer euch hÃ¶rt, der hÃ¶rt mich [41]... Geht hin in alle Welt und predigt das Evangelium allen GeschÃ¶pfen: wer glaubt und sich taufen lÃ¤ÃŸt, wird gerettet werden[42].

244. Deshalb wird das sichtbare, nach auÃŸen in Erscheinung tretende Priestertum Jesu Christi in der Kirche nicht als ein der Gesamtheit allgemein und gemeinhin zustehendes Anrecht weitergegeben, vielmehr wird es auserwÃ¤hlten MÃ¤nnern Ã¼bertragen durch eine Art geistlichen Zeugungsaktes jener Priesterweihe, die eines der sieben Sakramente ist und die nicht allein die diesem besonderen Lebensstand und Amt eigentÃ¼mlichen Gnaden verleiht, sondern auÃŸerdem ein unauslÃ¶schliches Merkmal einprÃ¤gt, das die Diener des Heiligtums dem Priester Jesus Christus gleichfÃ¶rmig macht und sie befÃ¤higt, rechtmÃ¤ÃŸig jene religiÃ¶sen Handlungen vorzunehmen, wodurch die Menschen geheiligt werden und Gott die gebÃ¼hrende Ehre erwiesen wird gemÃ¤ÃŸ den von Gott gegebenen Weisungen und Vorschriften.

245. Wie die Taufe alle Christen als solche bezeichnet und von den Ã¼brigen Menschensondert, die im LÃ¤uterungsbad nicht gewaschen und keine Glieder Christi sind, so unterscheidet gleicherweise das Sakrament der Priesterweihe die Priester von allen Ã¼brigen mit dieser Gnadengabe nicht ausgestatteten Christen, weil lediglich sie, von einer hÃ¶heren Macht berufen, in den heiligen Dienst eingetreten sind, der sie dem Altar weiht und sozusagen zu gÃ¶ttlichen Werkzeugen macht, durch welche das von oben stammende Ã¼bernatÃ¼rliche Leben dem Mystischen Leibe Jesu Christi mitgeteilt wird. AuÃŸerdem sind sie allein, wie wir schon vorhin sagten, mit dem unauslÃ¶schlichen Merkmal gekennzeichnet, wodurch sie dem Hohenpriester Jesus Christus gleichfÃ¶rmig werden; nur ihnen werden die HÃ¤nde geweiht, â€ždamit alles, was sie segnen, gesegnet, und alles, was sie weihen, geweiht und geheiligt sei im Namen unseres Herrn Jesus Christusâ€œ[43]. Zu ihnen mÃ¶gen deshalb alle eilen, die in Christus zu leben verlangen, denn bei ihnen finden sie Trost und Nahrung fÃ¼r das innere Leben; von ihnen empfangen sie das heilbringende Mittel, dank dem sie genesen und gekrÃ¤ftigt, der unheilvollen Verstrickung in die SÃ¼nde glÃ¼cklich entrinnen kÃ¶nnen. Von ihnen wird schlieÃŸlich ihr Ehe- und Familienbund gesegnet, von ihnen noch der letzte Hauch ihres sterblichen Lebens zum Eingang in die ewige Seligkeit geweiht.

246. Weil also die heilige Liturgie an erster Stelle von den Priestern im Namen der Kirche vollzogen wird, muÃŸ ihr Aufbau, ihre Regelung und ihre Form von der kirchlichen Obergewalt abhÃ¤ngen. Wenn sich dies schon aus der Natur des christlichen Gottesdienstes ergibt, so wird es auch durch das Zeugnis der Geschichte bestÃ¤tigt.

247. Noch etwas anderes bestÃ¤tigt dieses unbestreitbare Recht der kirchlichen Hierarchie: nÃ¤mlich die enge Beziehung der heiligen Liturgie zu den Grundwahrheiten der Glaubenslehre, die von der Kirche als HauptstÃ¼cke der vollkommen gesicherten Wahrheit vorgelegt werden. Deshalb ist die Liturgie in Einklang zu halten mit den katholischen Glaubensvorschriften, die das oberste kirchliche Lehramt erlassen hat, um die Unversehrtheit der von Gott geoffenbarten Religion zu schÃ¼tzen.
In diesem Zusammenhang glauben Wir, etwas, das euch, ehrwÃ¼rdige BrÃ¼der, sicher nicht unbekannt ist, in seinem wahren Licht zeigen zu mÃ¼ssen. Wir meinen den Irrtum und TrugschluÃŸ jener, welche die heilige Liturgie gewissermaÃŸen als ein Unterscheidungsmittel fÃ¼r die aus dem Glauben beizubehaltenden Wahrheiten betrachten; das ist so zu verstehen: wenn eine bestimmte Lehre mittels der Liturgie FrÃ¼chte der FrÃ¶mmigkeit und Heiligkeit gezeitigt habe, sei sie von der Kirche zu bejahen, andernfalls jedoch abzulehnen. Daher der bekannte Ausspruch: â€žLex orandi, lex credendi, das Gesetz des Betens ist das Gesetz des Glaubensâ€œ.

248. So lehrt die Kirche jedoch nicht, so unterweist sie nicht. Der Kult, der von ihr Gott dem Herrn erwiesen wird, ist, wie Augustinus kurz und treffend sagt, ein fortgesetztes Bekenntnis des katholischen Glaubens und eine Ãœbung der Hoffnung und Liebe: â€žDurch Glaube, Hoffnung und Liebe - so erklÃ¤rt er - ist Gott zu verehrenâ€œ[44]. In der heiligen Liturgie bekennen wir den katholischen Glauben ausdrÃ¼cklich und offen nicht nur durch die Feier der Geheimnisse, die Darbringung des heiligen Opfers und die Spendung der Sakramente, sondern ebenso durch das Beten oder Singen des Glaubensbekenntnisses, welches das Kennzeichen oder sozusagen der Ausweis der GlÃ¤ubigen ist, sowie durch die Lesung anderer Texte und besonders der unter Eingebung des Heiligen Geistes aufgezeichneten Heiligen Schrift. Die Liturgie als Ganzes enthÃ¤lt daher den katholischen Glauben, insofern sie den Glauben der Kirche Ã¶ffentlich bezeugt.

249. Sooft es sich deshalb um die feierliche Entscheidung Ã¼ber eine gÃ¶ttlich geoffenbarte Wahrheit handelte, haben die PÃ¤pste und Konzilien, wenn sie aus den sogenannten theologischen Quellen schÃ¶pften, nicht selten auch dieser theologischen Disziplin Beweise entnommen; so tat es z.B. Unser VorgÃ¤nger unvergeÃŸlichen Andenkens Pius IX., als er die Unbefleckte EmpfÃ¤ngnis der Jungfrau Maria zum Glaubenssatz erhob. Und in Ã¤hnlicher Weise haben, wenn Zweifel oder Streitfragen Ã¼ber eine Wahrheit zur ErÃ¶rterung standen, die Kirche und die heiligen VÃ¤ter es nicht versÃ¤umt, auch aus den ehrwÃ¼rdigen, althergebrachten Riten Licht zu schÃ¶pfen. Daher der bekannte, ehrwÃ¼rdige Satz: â€žLegem credendi lex statuat supplicandi, das Gesetz des Glaubens soll bestimmt werden durch das Gesetz des Betensâ€œ[45]. Es ist also nicht so, daÃŸ die heilige Liturgie einfachhin und aus eigener AutoritÃ¤t den katholischen Glauben umschreibt und bestimmt; wohl aber kann sie, da auch sie ein stets dem obersten kirchlichen Lehramt unterstelltes Bekenntnis der Ã¼bernatÃ¼rlichen Wahrheiten ist, nicht zu unterschÃ¤tzende Beweise und Zeugnisse zur Klarstellung eines einzelnen Punktes der christlichen Lehre an die Hand geben. Wollen wir aber das VerhÃ¤ltnis zwischen Glauben und Liturgie in allgemein und unbedingt gÃ¼ltiger Form genau erfassen und abgrenzen, so kann vollkommen richtig gesagt werden: â€žLex credendi legem statuat supplicandi, durch das Gesetz des Glaubens soll das Gesetz des Betens bestimmt werdenâ€œ. Ganz dasselbe gilt von den Ã¼brigen theologischen Tugenden: â€žIn ... Glaube, Hoffnung und Liebe beten wir immer mit unablÃ¤ssigem Verlangenâ€œ[46].

250. Die kirchliche Hierarchie hat jederzeit von ihrem Recht in liturgischen Dingen Gebrauch gemacht; sie hat den Gottesdienst eingefÃ¼hrt, geregelt und mit immer neuer Pracht und WÃ¼rde zur Ehre Gottes und zur Erbauung der GlÃ¤ubigen bereichert. Sie hat auch kein Bedenken getragen - immer unter strenger Wahrung der wesentlichen Eigenart des eucharistischen Opfers und der Sakramente - zu Ã¤ndern, was sie nicht fÃ¼r angebracht hielt; hinzuzufÃ¼gen, was geeignet schien zur grÃ¶ÃŸeren Verherrlichung Jesu Christi und der Heiligsten Dreifaltigkeit, wie zur Belehrung und heilsamen Aneiferung des christlichen Volkes[47].

251. Die heilige Liturgie besteht nÃ¤mlich aus menschlichen und gÃ¶ttlichen Bestandteilen; die letzteren lassen, da sie vom gÃ¶ttlichen ErlÃ¶ser festgesetzt sind, natÃ¼rlich in keiner Weise Ã„nderungen durch Menschenhand zu; die ersteren hingegen kÃ¶nnen, den Forderungen der Zeiten, VerhÃ¤ltnisse und Seelen entsprechend, mannigfache Umgestaltungen erfahren, so wie sie die kirchliche Hierarchie unter dem Beistand des Heiligen Geistes gutheiÃŸt. Daher jene staunenswerte Vielfalt der morgen- und abendlÃ¤ndischen Riten; daher die allmÃ¤hlich voranschreitende Entwicklung einzelner religiÃ¶ser BrÃ¤uche und frommer Werke, von denen frÃ¼here Zeiten nur schwache Spuren aufweisen; daher aber auch die Erscheinung, daÃŸ bisweilen fromme Gepflogenheiten, die im Laufe der Zeit auÃŸer Ãœbung gekommen waren, von neuem aufleben und wieder zu Ehren kommen. Das alles zeugt von der durch die vielen Jahrhunderte anhaltenden Lebenskraft der unversehrten Braut Jesu Christi; es ist das heilige GesprÃ¤ch, das sie im Laufe der Zeiten mit ihrem gÃ¶ttlichen BrÃ¤utigam fÃ¼hrte, um ihm ihren Glauben und den Glauben der ihr anvertrauten VÃ¶lker, sowie ihre nicht zu erschÃ¶pfende Liebe zum Ausdruck zu bringen; es zeigt aber auch die Erziehungsweisheit, womit sie den â€žGeist Christiâ€œ in den GlÃ¤ubigen weckt und tÃ¤glich wirksamer macht.

252. Nicht gering an Zahl waren die Ursachen, aus denen die Entfaltung und Entwicklung der heiligen Liturgie in den langen und ruhmvollen Jahrhunderten der Kirche vor sich gingen. So sind, um Beispiele anzufÃ¼hren, mit der bestimmteren und klareren Erfassung der katholischen Lehre von der Menschwerdung des GÃ¶ttlichen Wortes, von der Eucharistie als Sakrament und Opfer, von der Jungfrau und Gottesmutter Maria rituelleNeuerungen getroffen worden, durch welche die gottesdienstlichen Handlungen das aus den ErklÃ¤rungen des kirchlichen Lehramtes heller erstrahlende Licht vollstÃ¤ndiger und anschaulicher wiedergaben, ja gleichsam widerspiegelten, damit es leichter in Geist und Herz des christlichen Volkes Eingang finde.

253. Die Weiterentwicklung der kirchlichen Ordnung in der Spendung der Sakramente, wie z. B. in der Verwaltung des BuÃŸsakramentes, die EinfÃ¼hrung des Katechumenates und dessen spÃ¤tere Aufhebung, und dann die heilige Kommunion unter einer einzigen Gestalt in der Lateinischen Kirche: das alles hat zweifellos nicht wenig dazu beigetragen, daÃŸ uralte Riten im Laufe der Zeit abgeÃ¤ndert und allmÃ¤hlich neue eingefÃ¼hrt wurden, die zu den diesbezÃ¼glichen Neubestimmungen besser zu passen schienen.

254. Zu dieser schrittweisen Umgestaltung trugen die nicht streng liturgischen Andachtsformen und Ãœbungen der FrÃ¶mmigkeit nicht wenig bei; nach Gottes wunderbarem RatschluÃŸ sind sie im Laufe der Zeiten aufgekommen und wurden bald heimisch im Volk; so z. B. die zunehmende und tÃ¤glich innigere Verehrung der heiligen Eucharistie, des bitteren Leidens unseres ErlÃ¶sers, des heiligsten Herzens Jesu, der jungfrÃ¤ulichen Gottesmutter und ihres keuschen BrÃ¤utigams.
255. Einen zeitbedingten Beitrag lieferten ferner die in glÃ¤ubiger Gesinnung veranstalteten Volkswallfahrten zu den GrÃ¤bern der MÃ¤rtyrer, besondere FastenÃ¼bungen in gleicher Absicht, endlich die BuÃŸprozessionen zu den Stationskirchen in Unserer Ewigen Stadt, an denen nicht selten die PÃ¤pste selbst teilnahmen.

256. NatÃ¼rlich wirkte sich auch die fortschreitende Vervollkommnung der schÃ¶nen KÃ¼nste, insbeson-dere der Baukunst, Malerei und Musik, in nicht geringem MaÃŸe auf die Festlegung und Anpassung von Ã¤uÃŸeren liturgischen Formen aus.

257. Des gleichen Vorrechtes in liturgischen Dingen hat sich die Kirche bedient, um die Heiligkeit des Gottesdienstes vor MiÃŸbrÃ¤uchen zu schÃ¼tzen, die von einzelnen GlÃ¤ubigen oder Einzelkirchen ohne vorsichtige Ãœberlegung eingefÃ¼hrt worden waren. Als daher im 16. Jahrhundert derlei Gewohnheiten und BrÃ¤uche zu sehr Ã¼berhand genommen hatten und als Neuerungen auf diesem Gebiet von seiten Unberufener die Reinheit des Glaubens- und Andachtslebens gefÃ¤hrdeten, Ã¼brigens sehr zum Vorteil der IrrglÃ¤ubigen und zur Ausbreitung ihrer verfÃ¤nglichen Lehre, grÃ¼ndete Unser VorgÃ¤nger unsterblichen Andenkens Sixtus V. zum Schutz der rechtmÃ¤ÃŸigen kirchlichen Riten und zu ihrer SÃ¤uberung von jenen ungehÃ¶rigen EinschlÃ¤gen im Jahre 1588 die Heilige Ritenkongregation[48], deren Aufgabe es auch heute noch ist, in wachsamer Obsorge Anordnungen und Bestimmungen auf dem Gebiet der Liturgie zu treffen[49].

258. Deshalb steht nur dem Papst das Recht zu, eine gottesdienstliche Praxis anzuerkennen oder festzulegen, neue Riten einzufÃ¼hren und gutzuheiÃŸen, sowie auch jene zu Ã¤ndern, die er fÃ¼r Ã¤nderungsbedÃ¼rftig hÃ¤lt[50]. Die BischÃ¶fe aber haben das Recht und die Pflicht, sorgfÃ¤ltig darÃ¼ber zu wachen, daÃŸ die kirchenrechtlichen Vorschriften betreffs des Gottesdienstes genau eingehalten werden[51]. Es ist also nicht erlaubt, dem GutdÃ¼nken von Privatpersonen, auch wenn sie zum Klerus zÃ¤hlen, all das Heilige und VerehrungswÃ¼rdige zu Ã¼berlassen, das zum religiÃ¶sen Leben der christlichen Gemeinschaft, zur AusÃ¼bung des Priestertums Jesu Christi und zum Gottesdienst, zur wÃ¼rdigen Verehrung der Heiligsten Dreifaltigkeit, des Menschgewordenen Wortes, seiner gebenedeiten Mutter und der anderen Heiligen, sowie zur seelsorglichen TÃ¤tigkeit gehÃ¶rt; und ebenso ist kein Privater irgendwie befugt, auf diesem Gebiet Ã¤uÃŸere Handlungen anzuordnen, die mit der kirchlichen Disziplin, mit dem Aufbau, der Einheit und Eintracht des Mystischen Leibes Christi, ja nicht selten auch mit der Reinheit des katholischen Glaubens in engster Beziehung stehen.

259. Die Kirche ist ohne Zweifel ein lebendiger Organismus; deshalb wÃ¤chst sie und entfaltet sie sich auch im Bereich ihrer heiligen Liturgie und paÃŸt sich den zeitbedingten Notwendigkeiten und UmstÃ¤nden an, immer jedoch unter Wahrung der Unversehrtheit ihrer Lehre. Ganz zu verurteilen ist aber das vermessene Unterfangen jener, die mit Absicht neue liturgische BrÃ¤uche einfÃ¼hren, oder Ã¼berlebte, mit den geltenden Gesetzen und Rubriken nicht mehr Ã¼bereinstimmende Gepflogenheiten wiederaufleben lassen. DaÃŸ dies vorkommt, geliebte SÃ¶hne und ehrwÃ¼rdige BrÃ¼der, und zwar nicht nur in unbedeutenden Dingen, sondern auch in solchen von sehr groÃŸer Tragweite, haben Wir nicht ohne bitteren Schmerz erfahren. Es gibt tatsÃ¤chlich Leute, die bei der Darbringung des hochheiligen eucharistischen Opfers sich der Volkssprache bedienen; die bestimmte, aus reiflich erwogenen GrÃ¼nden schon genau festgelegte Feste auf andere Termine verlegen; die schlieÃŸlich aus den amtlichen GebetbÃ¼chern die Schrifttexte des Alten Testamentes ausmerzen, weil sie nach ihrem DafÃ¼rhalten unserer heutigen Zeit wenig entsprechen und nicht recht zu ihr passen.

260. Der Gebrauch der lateinischen Sprache, wie er in einem groÃŸen Teil der Kirche Geltung hat, ist ein allen erkennbares und schÃ¶nes Zeichen der Einheit und eine mÃ¤chtige Schutzwehr gegen jegliche Verderbnis der wahren Lehre. Bei manchen kirchlichen Zeremonien kann indes die Verwendung der Landessprache dem Volke sehr nÃ¼tzlich sein; nichtsdestoweniger ist es ausschlieÃŸliche Sache des Apostolischen Stuhles, dies zu gestatten. Deshalb darf ohne seine Befragung und Billigung nichts Derartiges geschehen, weil eben, wie Wir schon sagten, die Regelung der Liturgie ganz von seinem Entscheid und seinem Willen abhÃ¤ngt.

261. Gleich zu beurteilen sind die Versuche und Bestrebungen, alle mÃ¶glichen alten Riten und Zeremonien wieder in Gebrauch zu bringen. Ganz gewiÃŸ, die Liturgie der alten Zeit ist zweifelsohne verehrungswÃ¼rdig. Aber ein alter Brauch ist nicht allein schon deshalb, weil er Altertum ausstrahlt, in sich oder fÃ¼r spÃ¤tere Zeiten und neue VerhÃ¤ltnisse als geeigneter und besser zu betrachten. Auch die neueren liturgischen Riten sind ehrfÃ¼rchtiger Beobachtung wÃ¼rdig, weil sie unter Eingebung des Heiligen Geistes entstanden sind, der immerdar der Kirche beisteht bis zur Vollendung der Zeiten [52]; und auch sie sind gleichberechtigte Werte, mit deren Hilfe die ruhmreiche Braut Christi die Menschen zur Heiligkeit anspornt und zur Vollkommenheit fÃ¼hrt.
Mit Geist und Herz zu den Quellen der heiligen Liturgie zurÃ¼ckzukehren, ist sicher weise und sehr lobenswert, da das Studium dieses Wissenszweiges durch ZurÃ¼ckgreifen auf dessen AnfÃ¤nge nicht wenig dazu beitrÃ¤gt, die Bedeutung der Feste und den Sinn der verwendeten heiligen Texte und Zeremonien tiefer und genauer zu erforschen; dagegen ist es nicht weise und nicht lobenswert, alles um jeden Preis auf das Altertum zurÃ¼ckzufÃ¼hren. So wÃ¼rde z. B. vom rechten Weg abweichen, wer dem Altar die alte Form der Mensa, des Tisches, wiedergeben wollte; wer die liturgischen GewÃ¤nder nie in Schwarz haben wollte; wer die Heiligenbilder und Statuen aus den Kirchen entfernen wollte; wer die Nachbildung des gekreuzigten ErlÃ¶sers so machen lieÃŸe, daÃŸ sein Leib die bitteren Qualen, die er erduldete, nicht zum Ausdruck brÃ¤chte; wer endlich den polyphonen (mehrstimmigen) Gesang miÃŸbilligte und ablehnte, auch wenn er den vom Heiligen Stuhl gegebenen Weisungen entsprÃ¤che.

262. Denn wie kein vernÃ¼nftiger Katholik in der Absicht, zu den alten, von den frÃ¼heren Konzilien gebrauchten Formeln zurÃ¼ckzukehren, die Fassungen der christlichen Lehre ablehnen kann, welche die Kirche unter der Leitung des Heiligen Geistes in der neueren Zeit zum grÃ¶ÃŸten Nutzen der Seelen vorgelegt und als verbindlich erklÃ¤rt hat, oder wie kein vernÃ¼nftiger Katholik die geltenden Gesetze ablehnen kann, um zu den aus den Ã¤ltesten Quellen des kanonischen Rechtes geschÃ¶pften Bestimmungen zurÃ¼ckzugreifen, so ist gleichermaÃŸen, wenn es sich um die heilige Liturgie handelt, offensichtlich von keinem weisen und gesunden Eifer getrieben, wer zu den alten Riten und BrÃ¤uchen zurÃ¼ckkehren und die neuen ablehnen wollte, die doch unter dem Walten der gÃ¶ttlichen Vorsehung mit RÃ¼cksicht auf die verÃ¤nderten VerhÃ¤ltnisse eingefÃ¼hrt worden sind.

263. Diese Denk- und Handlungsweise lÃ¤ÃŸt jene Ã¼bertriebene und ungesunde Altertumssucht wiederaufleben, der die unrechtmÃ¤ÃŸige Synode von Pistoja Auftrieb gegeben hat, und ebenso trachtet sie, die vielfachen IrrtÃ¼mer wieder auf den Plan zu rufen, welche die Ursache zur Einberufung jener Synode waren und zum groÃŸen Schaden der Seelen sich aus ihr ergaben, und welche die Kirche, die immer treue HÃ¼terin des ihr von ihrem Stifter anvertrauten Glaubensgutes, mit vollem Recht verworfen hat[53]. Denn solch verkehrtes Beginnen geht nur darauf aus, die heiligmachende TÃ¤tigkeit zu beeintrÃ¤chtigen und zu schwÃ¤chen, durch welche die Liturgie Gottes Gnadenkinder auf dem Wege des Heils dem himmlischen Vater zufÃ¼hrt.

264. Alles mÃ¶ge daher so geschehen, daÃŸ die gehÃ¶rige Verbindung mit der kirchlichen Hierarchie gewahrt bleibe. Niemand nehme sich heraus, sich selbst Gesetze zu geben und sie dann eigenmÃ¤chtig anderen aufzuzwingen. Der Papst als Nachfolger des heiligen Petrus, dem der gÃ¶ttliche ErlÃ¶ser die Sorge anvertraut hat, die gesamte Herde zu weiden[54], und mit ihm die BischÃ¶fe, die in Unterordnung unter den Apostolischen Stuhl vom Heiligen Geiste bestellt sind ..., die Kirche Gottes zu regieren[55], sind allein im Besitz des Rechtes und der Pflicht, das christliche Volk zu lenken und zu leiten. Sooft ihr deshalb, ehrwÃ¼rdige BrÃ¼der, eure AutoritÃ¤t wahrt, wenn nÃ¶tig auch mit Strenge, erfÃ¼llt ihr nicht nur eure Amtspflicht, sondern nehmt auch den Willen des Stifters der Kirche in sicheren Schutz.

II. Der eucharistische Kult

265. HÃ¶he- und gewissermaÃŸen Mittelpunkt der christlichen Religion ist das Geheimnis der heiligsten Eucharistie, die der Hohepriester Christus einstens eingesetzt hat und die er durch seine Diener in der Kirche immerdar erneuern lÃ¤ÃŸt. Da es sich hier um den HÃ¶hepunkt der heiligen Liturgie han-delt, scheint es Uns angebracht, ein wenig dabei zu verweilen und eure Aufmerksamkeit, ehrwÃ¼rdige BrÃ¼der, auf diesen Ã¼beraus wichtigen Gegenstand hinzulenken.
Christus der Herr, Priester von Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedech[56], wollte, da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte[57], â€žbeim Letzten Abendmahle, in der Nacht, da er verraten wurde, seiner geliebten Braut, der Kirche, ein sichtbares, einer Forderung der Menschennatur entsprechendes Opfer hinterlassen; dadurch sollte das blutige, am Kreuze zu vollziehende Opfer vergegenwÃ¤rtigt, das Andenken daran bis zum Ende der Zeiten bewahrt und uns seine heilbringende Kraft zur Vergebung unserer tÃ¤glichen SÃ¼nden zugewendet werden. Seinen Leib und sein Blut brachte er Gott dem Vater dar unter den Gestalten von Brot und Wein, reichte sie den Aposteln, die er damals zu Priestern des Neuen Bundes bestellte, unter denselben Zeichen zum Empfang und befahl ihnen und ihren Nachfolgern im Priestertum, dieses Opfer darzubringenâ€œ[58].

266. Das hochheilige Opfer des Altares ist also kein bloÃŸes und einfaches GedÃ¤chtnisdes Leidens und Todes Jesu Christi, sondern eine wahre und eigentliche Opferhandlung, bei welcher der gÃ¶ttliche Hohepriester durch seine unblutige Hinopferung das tut, was er schon am Kreuze getan, sich selbst dem ewigen Vater als wohlgefÃ¤lligste Opfergabe darbringend. â€žEs ist ein ... und dieselbe Opfergabe und es ist derselbe, den jetzt durch seinen Dienst der Priester opfert und der sich selbst damals am Kreuze darbrachte, nur die Opferweise ist verschiedenâ€œ[59].
267. Es ist demnach der gleiche Priester, Christus Jesus, dessen heilige Person sein geweihter Diener vertritt. Durch die Priesterweihe dem Hohenpriester angeglichen, besitzt er die Vollmacht, mittels der Kraft und an Stelle der Person Christi selbst zu handeln[60]. Durch seine priesterliche Handlung leiht â€žer also Christus gleichsam seine Zunge und reicht ihm seine Handâ€œ[61].

268. Es ist auch die gleiche Opfergabe, nÃ¤mlich der gÃ¶ttliche ErlÃ¶ser nach seiner menschlichen Natur und in der Wirklichkeit seines Leibes und Blutes. Verschieden jedoch ist die Art und Weise, wie Christus sich opfert: Am Kreuze hat er ganz sich selbst und seine Leiden Gott dargebracht, und die Hinopferung der Opfergabe geschah durch den blutigen Tod, den er mit freiem Willen auf sich nahm. Auf dem Altare aber hat, infolge des verklÃ¤rten Zustandes seiner menschlichen Natur, der Tod keine Macht mehr Ã¼ber ihn[62], und darum ist das VergieÃŸen seines Blutes nicht mehr mÃ¶glich; auf BeschluÃŸ der gÃ¶ttlichen Weisheit wird jedoch die Hinopferung unseres ErlÃ¶sers durch Ã¤uÃŸere Zeichen, die Sinnbilder des Todes sind, in wunderbarer Weise deutlich gemacht. Durch die Wesensverwandlung des Brotes in den Leib und des Weines in das Blut Christi ist nÃ¤mlich sein Leib ebenso gegenwÃ¤rtig wie sein Blut; die eucharistischen Gestalten aber, unter denen er gegenwÃ¤rtig ist, versinnbilden die gewaltsame Trennung des Leibes und des Blutes. So wird das GedÃ¤chtnis seines Todes, der sich auf Kalvaria wirklich vollzogen hat, in jedem Opfer des Altares neu begangen, insofern durch deutliche Sinnbilder Jesus Christus im Opferzustand dargestellt und gezeigt wird.

269. Ferner sind es die gleichen Opferzwecke, deren erster die Ehrung des himmlischen Vaters ist. Von der Geburt bis zum Tode war Jesus Christus vom Eifer fÃ¼r die Ehre Gottes beseelt, und vom Kreuze stieg die Hinopferung seines Blutes mit lieblichem Wohlgeruch zum Himmel empor. Damit nun diese Huldigung niemals unterbrochen werde, vereinigen sich im eucharistischen Opfer die Glieder mit ihrem gÃ¶ttlichen Haupt und bringen zugleich mit ihm und mit den Engeln und Erzengeln Gott immerwÃ¤hrenden Lobpreis dar[63], indem sie dem allmÃ¤chtigen Vater alle Ehre und Verherrlichung zuteil werden lassen[64].

270. Der zweite Opferzweck ist die Gott geschuldete Danksagung. Nur der gÃ¶ttliche ErlÃ¶ser kannte als des ewigen Vaters vielgeliebter Sohn dessen unermeÃŸliche Liebe und war imstande, ihm eine wÃ¼rdige Huldigung des Dankes zu entbieten. Das beabsichtigte und das wollte er, als er beim letzten Abendmahle Dank sagte[65]. Davon lieÃŸ er nicht ab, als er am Kreuze hing, und davon lÃ¤ÃŸt er nicht ab im hochheiligen Opfer des Altares, das ja â€žEucharistische Handlungâ€œ, d.h. Danksagung bedeutet; und das ist ja auch â€žwahrhaft wÃ¼rdig und recht, billig und heilsamâ€œ[66].

271. Der dritte Zweck ist SÃ¼hne, Genugtuung und VersÃ¶hnung. Zweifellos konnte kein anderer als Christus dem allmÃ¤chtigen Gott fÃ¼r die Schuld der ganzen Menschheit volle Genugtuung leisten; darum wollte er am Kreuze geopfert werden als SÃ¼hnopfer fÃ¼r unsere SÃ¼nden, und nicht nur fÃ¼r die unsrigen, sondern auch fÃ¼r die der ganzen Welt[67]. Ebenso opfert er sich auf den AltÃ¤ren tÃ¤glich fÃ¼r unsere ErlÃ¶sung, damit wir vor der ewigen Verdammnis bewahrt und in die Schar der AuserwÃ¤hlten eingereiht werden. Und dies nicht allein fÃ¼r uns, die wir uns in diesem sterblichen Leben befinden, sondern auch â€žfÃ¼r alle in Christus Ruhenden, die uns mit dem Zeichen des Glaubens vorangegangen und im Frieden entschlafen sindâ€œ[68];denn ob wir leben oder sterben, â€žwir trennen uns doch nicht von dem einen Christusâ€œ[69].

272. Der vierte Zweck schlieÃŸlich ist die demÃ¼tige Bitte. Als verlorener Sohn hat der Mensch alle vom himmlischen Vater empfangenen GÃ¼ter vertan und vergeudet und ist daher in Ã¤uÃŸerste BedÃ¼rftigkeit und tiefstes Elend geraten. Doch vom Kreuze aus brachte Christus Gebet und Flehen unter lautem Rufen und Weinen vor ... und fand wegen seiner Gottesfurcht ErhÃ¶rung[70]. Desgleichen ist er auf den heiligen AltÃ¤ren in derselben wirksamen Weise unser Mittler bei Gott, auf daÃŸ wir mit jeglicher Segnung und Gnade erfÃ¼llt werden.
Man versteht also, warum die heilige Kirchenversammlung von Trient versichert, daÃŸ durch das eucharistische Opfer die heilbringende Kraft des Kreuzes uns zugewendet wird zur Vergebung unserer tÃ¤glichen SÃ¼nden[71].

273. Der VÃ¶lkerapostel aber verkÃ¼ndet die reiche FÃ¼lle und Vollkommenheit des Kreuzesopfers, wenn er erklÃ¤rt, daÃŸ Christus mit dem einen Opfer fÃ¼r immer jene vollendet hat, die sich heiligen lassen[72]. Da nÃ¤mlich die Verdienste dieses Opfers einfachhin unendlich und unermeÃŸlich sind, kennen sie keine Grenzen; sie erstrecken sich auf die Gesamtheit der Menschen aller Zeiten und Zonen, und dies insofern der Gottmensch dessen Priester und Opfergabe ist; insofern seine Hinopferung wie seine WillfÃ¤hrigkeit gegenÃ¼ber dem Willen des ewigen Vaters ganz vollkommen war, und insofern er selbst den Tod auf sich nehmen wollte als das Haupt der ganzen Menschheit: â€žBe-trachte den Vollzug unseres Loskaufs; Christus hÃ¤ngt am Kreuzesholz; schau, um welch hohen Preis er kaufte; ... sein Blut vergoÃŸ er, mit seinem Blute hat er erkauft, mit dem Blute des makellosen Lam-mes, mit dem Blute des einzigen Sohnes Gottes hat er erkauft. . . Der KÃ¤ufer ist Christus, der Kaufpreis istsein Blut, der erworbene Besitz ist der Erdkreis[73].

274. Dieser Loskauf hat jedoch nicht sofort seine volle Wirkung: Christus muÃŸ nÃ¤mlich, nachdem er um den hohen Preis seiner selbst die Welt erlÃ¶st hat, erst wirklich in den wahren Besitz der Menschenseele gelangen. Damit also ihre ErlÃ¶sung und Rettung fÃ¼r jeden einzelnen Menschen und fÃ¼r alle bis ans Ende der Zeiten aufeinanderfolgenden Menschengeschlechter sich verwirkliche und von Gott angenommen werde, ist es unerlÃ¤ÃŸlich, daÃŸ jeder einzelne Mensch in lebendige BerÃ¼hrung mit dem Kreuzesopfer komme, und daÃŸ ihnen also die aus jenem Opfer flieÃŸenden Verdienste zuteil werden. Man kann gewissermaÃŸen sagen, daÃŸ Christus auf Kalvaria ein Bad der VersÃ¶hnung und Heilung errichtet hat, das er mit seinem vergossenen Herzblut fÃ¼llte; wenn indes die Menschen nicht in dessen Fluten untertauchen und dort n