'BRÜDERLICHKEIT' IM BROTHER-JAHR
von
Wolfgang Theodor Herrwerth
(SCHNITT-PUNKTE Flugblatt vom 22.2.1984)
Luther zum Kirchenlehrer, gewissermaßen, zu erheben, wünscht sich der
Vorsitzende der EKD, Lohse, in einem Brief an 'Seine Heiligkeit', den
Kollegen in Rom. Difficile est satyram non scribere. Wie kann man nur
auf den eigenen Namen - nomen est omen - so 'lohse' bedacht sein? Eine
gewisse Euphorie im Rückblick zum"Lutherjahr" mag einiges erklären.
Auch mußte bei gegebener Labilität der Seelenlage jene zu Gaudete in
der Christuskirche in Rom so betörend aufgegangene "Morgenröte der
Einheit" wie ein Aufputschmittel gewirkt haben. Dennoch, notiert er
schmerzlich, die Bekrönung blieb aus. Worunter er volle
Mahl-Gemeinschaft verstanden hätte. Dies ist der Fluch der bösen Tat
... mit einer aus der oekumenischen Trickkiste herausgeangelten
kanonistischen Mahl-Möglichkeit das verärgerte 'hic Rhodus hic salta'
bereits mit einprogrammiert zu haben.
Inzwischen gibt sich '1984' die Ehre, big brother's Jahr. Einer Ära,
worin sich Wörter in ihr Gegenteil verlarvt begegnen. Wörter, nichts
als Wörter, da das WORT gebrach. Heruntergekommen zur
Bildschirmherrschaft: war is peace - freedom is slavery - ignorance is
strength. "Der Lügengeist", nach der baaderschen Sentenz von 1828, "ist
zum öffentlichen Doctrinair geworden". Luther als Kuckucksei zum
Kirchenlehrer zu befördern, damit weitere "Mißverständnisse und
Gegensätze" ausgeräumt würden, begibt sich höchst leichtfertig unter
das Fallbeil der Frage: Bruder Lohse, bist du so gefeit?
Eher ging es in der Entmythologisierung der Entmythologisierer erst
einmal darum recht un-'lohsig', den 'wahren Luther' unter dem
oekumenischen Scherbenhaufen gehäuteter Kirchengeschichtler
auszugraben. Wer sich daran macht, wie Remigius Bäumer zu Alberti
Magni, 198o, muß auf infernalisches Geheul gefaßt sein. Die
übervorjährige Confessiana brachte es zu nach mehr als einer liberal
protestanto-katholischen Plattform eines waschechten Melanchtonismus,
so ja aller Protestantismus viel mehr Melanchton zugeschrieben werden
müßte. Ein betont ichfühliger, "reflexiver" (Hacker) Erlebnisglaube,
der es je neu auf "Bewußtsein" abgesehen hat, worin die ganze durch-
und herab-psychologisierende Moderne vorweggenommen erscheint.
"Irregeleitete Spiritualität" aus versubjektivierter Rückgeworfenheit
und existentieller Langeweile ('ennui':Pascal), die sich mit der
Wildheit bigotter Kleinbürger in eine verkultete Gemeinschaft als
letzte therapeutische Fluchtburg (s.E.Fromm) geworfen hat,
bombifizierte versus-populum-Kirchen zurücklassend.
Auch könnten wir uns an die Seite des überragenden Dominikaners
Heinrich Denifle begeben. Wahrheitsgräber, wie alles Ur-Katholische
heute verfemt. Hat er doch in den letzten Jahrzehnten vorigen
Jahrhunderts Luthers Römerbrief-Kommentar nach jahrhundertelangem
Verschwundensein aus den Archiven des Vatikan (Codex Palatina) wieder
ausgegraben und dem Protestantismus wie neu geschenkt. Überraschend
stoßen wir auf ein Luther-Kristall, dessen Mitte vom "objektiven
Mysterium hochzeitlichen Austausches" zusammengehalten wird, dem
admirabile commercium weihnachlicher Liturgie, der katallage aus - 2
Cor V 18-2o - eines Austauschs dem Sein nach durch und durch, in der
Begegnung-Entgegnung (agape) von - peccatum - Mensch Sünder und -
misericordia - Gott Barmherzigkeit. "- diese größte christliche
Tradition", schreibt E. Przywara SJ (Humanitas, 1952) "lebt nach
Jahrhunderten des Schweigens in Luther, in letzter Gewalt, auf".
Insofern wäre die melanchto-spätkatholische Bewußtseinslage erledigt.
Wen wundert's noch, daß mitten drin das hochzeitliche Mariologumenon
der "seligen Jungfrau" (nicht melancht.-protest. "der Maria") als Form
der Kirche steht - wenn auch auf des Messers Schneide zu einem "ideell
albigensischen Manichäismus" - nach dem Wort des Angelus Silesius: "Du
selber mußt Maria sein".
Katholische Wahrheitsgräber, will ich meinen, fallen auf falsche
Propheten eines Scheinfriedens, der Versöhnung gleichrangig dem
Unversöhnlichen stellt, nicht herein. Eingedenk jenes Worts unsres
Kyrios transsubstantialis:"Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen,
sondern das Schwert" -
NON VENI PACEM MITTERE SED GLADIUM - Mt X,34
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