"UNA VOCE"
von
H.H. Dr. Joseph Kössing
(aus: "Liturgische Erklärung der heiligen Messe." Regensburg 1869, S.1-10.)
Im Anfange des vorigen Jahrhunderts hatten die Jansenisten in
Frankreich eine scheinbar unbedeutende Änderung im Ritus der heiligen
Messe zum cri de campagne, zum förmlichen Parteisignal gemacht. Sie
bestand einfach darin, daß die Worte des Kanon ohne Ausnahme mit lauter
Stimme gesprochen werden sollten. Ein Versuch, diese Änderung in die
Praxis einzuführen, verdient erwähnt zu werden.
Franz Ledieu, Kanonikus an der Kathedrale von Meaux, früher Sekretär
des berühmten Bossuet, war beauftragt worden, den Druck des neuen
Missale von Meaux zu leiten. Es erschien im Jahre 17o9. Ledieu hatte
sich herausgenommen, ohne Wissen und Willen seines Bischofs den Beiden
Konsekrationsformeln je ein "Amen" beizufügen und diesen, sowie den
übrigen im Kanon vorkommenden "Amen" das Zeichen "R" rot Vordrucken zu
lassen. Was er damit wollte, liegt auf der Hand. Durch die
rotgedruckten R wurde vorgeschrieben, daß an den bezeichneten Stellen
von allen Anwesenden, oder doch von den gegenwärtigen Klerikern mit
"Amen" geantwortet werde. War dies aber vorgeschrieben, so bedurfte es
keiner besondern Vorschrift für den zelebrierenden Priester, die Worte
vernehmlich, also mit lauter Stimme zu rezitieren; die Verpflichtung
hierzu verstand sich von selbst. Der Plan scheiterte an der Wachsamkeit
des damaligen Bischofs von Meaux. Heinrich de Thy\ard de Bissy., der
unmittelbare Nachfolger Bossuet's, verbot durch eine Verordnung vom 22.
Januar 1710 den Gebrauch des neuen Missale bei Strafe der Suspension
auf so lange, bis die von ihm ausdrücklich genannten Verbesserungen
Statt gefunden haben 1).
Die entschiedenen Anhänger des Jansenismus hatten es indessen auf die
Verbannung der Kirchensprache aus dem öffentlichen Gottesdienst und die
Einführung der Landessprache an deren Stelle abgesehen, wie u.a.
deutlich genug aus einer Proposition des Paschasius Duesnell
hervorgeht, welche lautet: "Dem einfachen Volke den Trost entziehen,
seine Stimme (beim Gottesdienst) mit der Stimme der ganzen Kirche zu
vereinigen, ist ein der apostolischen Praxis und der Absicht Gottes
zuwiderlaufender Gebrauch." 2) - Wenn sie sich vorerst auf die
Forderung beschränkten, daß alle Worte mit lauter Stimme gesprochen
werden, so geschah es, weil sie auf diesem Wege zwar langsamer, aber
sicherer zum Ziele zu gelangen glaubten. Durch das laute Rezitieren
sollte in dem katholischen Volke das Bedürfnis und Verlangen wach
gerufen werden, die Liturgie in der Landessprache zu hören.
Mehrere Decennien später wurde die Umgestaltung des öffentlichen
Gottesdienstes auch in unserer Nähe mit großem Eifer angestrebt. Aber
unsere Landsleute verschmähten das Manöver, womit die Jansenisten die
Muttersprach einzuschwärzen versucht haben; sie gingen geradeaus auf
das Ziel los, indem die Einen das Missale teils übersetzen, teils
paraphrasierten und nebenher nach ihrem Geschmacke korrigierten; dann
das Operat wie ein Bühnenstück zur Aufführung brachten, - während
Andere, in das Ideal eines sogenannten "Gemeindegottesdienstes"
verrannt, den vorhandenen Meßritus zu solchem nach Inhalt und Form
wenig geeignet fanden und deshalb selbständige Formulare fertigten und
zu Gebrauch empfahlen. Leider wurde bei diesen reformatorischen
Bestrebungen vielfach die kirchliche Autorität in skandalöser Weise
mißachtet, jede Pietät gegen altehrwürdige, geheiligte Institutionen
hintangesetzt und jedes Ansinnen, die religiösen Überzeugungen der
Gläubigen und ihre Anhänglichkeit an die überlieferten Gebräuche und
Übungen zu schonen, mit Hohn abgewiesen.
Die Kirche hat nie und nirgends erklärt, daß es schlechthin unstatthaft
sei, die heiligen Geheimnisse in der Volkssprach zu feiern. Eine
derartige Erklärung würde in der Tat mit der ältesten Praxis in vollem
Widerspruch stehen; denn bekanntlich hat die lateinische Sprache in
Italien z.B. erst im siebenten und achten Jahrhundert allmählich
aufgehört, Volkssprache zu sein, was sie bis dahin gewesen. Es wird
aber niemand in Abrede stellen können, daß sie, während sie noch vom
Volke gesprochen wurde, zugleich die Sprache des Gottesdienstes war.
Mit den andern kirchlich anerkannten Liturgien verhält es sich in
dieser Hinsicht, wie mit der römischen; zur Zeit ihrer Einführung war
ja ihre Sprache in der Regel die des Volkes, blieb es durch eine
kürzere oder längere Zeit hin, bis der Strom der Ereignisse hier eine
Vermischung, dort einen gänzlichen Wechsel der Volkssprache
herbeiführte.
Der Gebrauch der Volkssprache beim Gottesdienst ist also nicht
unbedingt ausgeschlossen; er war vielmehr anfangs gewöhnlich. Dagegen
wurde die Sprache der Liturgie da, wo sie aufgehört hatte, vom Volke
verstanden und sprochen zu werden, stets beibehalten, und das ist's,
worauf die Kirche grundsätzlich besteht. Prosper Lambertini (nachmals
Benedikt XIV.) bemerkt hierüber, 3) die Kirche habe es immer
verabscheut und verabscheue es fortan, das Officium und die Messe, wenn
deren Sprache, die anfänglich die einheimische oder Landessprache
gewesen, im Laufe der Zeit aber verdrängt worden, so daß eine andere an
ihre Stelle getreten sei, in diese neue Volkssprache übertragen zu
lassen. - Das Concilium von Trient beschränkte sich darauf, den
Reformatoren gegenüber zu erklären, die Väter haben es nicht für
zuträglich erachtet, daß die Messe überall in der Landessprache
gefeiert werde; auch dem entsprechend die Behauptung, die Messe müsse
(oder dürfe) nur in der Landessprache gehalten werden, feierlich zu
verwerfen. 4) - Es muß hier in Erinnerung gebracht werden, daß damals
mit Erbitterung über die Frage verhandelt wurde, ob der Zweck des
öffentlichen Gottesdienstes, wenn seine Sprache nicht die des Volkes
sei, überhaupt erreicht werden könne. Indem das Concilium bejahend
antwortete, sprach es sich für die seitherige Praxis der Kirche aus und
nahm sie unter seinen Schutz.
Warum will die Kirche aber die Sprache des Gottesdienstes, obschon sie
vom Volke nicht verstanden wird, beibehalten wissen? 5) Etwa, um der
Masse des gläubigen Volkes das Verständnis des Aktes und die Kenntnis
der Mysterien desselben vorzuenthalten? Gegen diese frivole
Unterstellung kann man sich einfach auf das angeführte achte Kapitel
des Konzils berufen; dort heißt es nämlich: "Damit deshalb, während
überall der alte, von der heiligen, römischen Kirche, der Mutter und
Lehrerin aller Kirchen genehmigte Ritus jeder Kirche beibehalten wird,
die Schafe-Christi nicht hungern, oder die Kinder nicht um Brot bitten
und Niemand sei, der es ihnen breche; - befiehlt die heilige Synode den
Pfarrern und allen mit der Seelsorge Betrauten, daß sie bei der Feier
der Messe öfters, zumal an Sonn- und Festtagen, entweder selbst oder
durch Andere von dem, was in der Messe gelesen wird, Einiges auslegen
und unter Anderem irgend ein Geheimnis dieses heiligsten Opfers
erklären." Und diese Vorschrift ist seither tausendmal wiederholt und
eingeschärft worden, Wirft man noch einen Blick auf die unablässigen
Anstrengungen, die Gläubigen durch Wort und Schrift in das Verständnis
der Liturgie einzuführen, so überzeugt man sich vollständig, daß dem
Beharren auf Beibehaltung der alten Kultsprache keineswegs eine Art
Arkandisziplin zu Grunde liege.
Andere meinen, durch den Gebrauch der Landessprache würde die Majestät
des Gottesdienstes verletzt, würden die heiligsten Geheimnisse eines
"schützenden und nach der Beschaffenheit unserer Natur notwendigen
Nimbus" beraubt, also gewissermaßen der Profanation preisgegeben; aus
diesem Grunde werde die alte Sprache beibehalten. - Dem kann man
Folgendes entgegenstellen; erstens der katholische Gottesdienst ist vom
Anfange an an verschiedenen Orten Jahrhundertelang in der Sprache des
Volkes gehalten worden; keiner wird behaupten oder gar beweisen wollen,
daß er deshalb weniger majestätisch und Ehrfurcht erregend gewesen sei;
zweitens: als P. Johann VIII., durch die Vorstellung des
Slaven-Apostels Methodius bewogen, den slavischen Gottesdienst
genehmigte, erklärte er ausdrücklich, es sei dem wahren Glauben und der
gesunden Lehre nicht zuwider, die Messe in der slawischen Sprache zu
feiern, denn der Urheber der drei Hauptsprachen, der hebräischen
nämlich, der griechischen und der lateinischen, habe auch alle andern
zu seinem Lob'und Ruhme hervorgebracht; 6) drittens: die Majestät und
die würdige Feier des Gottesdienstes hängen weder zunächst, noch
vorzugsweise von der Sprache ab, in der er gehalten wird; jedenfalls
kommt es, was diesen Punkt anlangt, ohne Vergleich mehr auf den
Liturgen, als auf die Sprache der Liturgie an, mehr darauf, daß sich in
seiner Haltung, seinen Mienen und Gebärden und in seinem ganzen Wesen
lebendiger Glaube, tiefe Ehrfurcht und innige, sehnsuchtsvolle
Gottergebenheit kund gebe, als daß er lateinisch oder griechisch
spreche. Es muß zugegeben werden, durch den Gebrauch einer fremden
Sprache beim Gottesdienst werden viele Mängel, die bei der Feier
unterlaufen, wo nicht völlig zugedeckt, doch einigermaßen verhüllt; -
der Schlendrian und das Schludern mancher Liturgen würde nackter an den
Tag treten und abstoßender wirken, wenn sie in der Landessprache zu
zelebrieren hätten. Wird wohl Jemand hieraus im Ernste folgern, daß
sich eine Sprache, die das Volk versteht und spricht mit der Majestät
des Gottesdienstes nicht vertrage? Oder daß die fremde Sprache dem
Gottesdienste eine höhere Weihe mitteile, die ihm sonst notwendig
fehlen würde? Das wäre zuviel.
Die Kirche behält die alte, ursprüngliche Sprache der Liturgie bei, -
nicht weil, sondern obschon sie aufgehört, von den Völkern gesprochen
und verstanden zu werden; sie tut dies, um die Einheit und
Gleichförmigkeit des Gottesdienstes zu wahren. - Nehmen wir einmal an,
unser Missale werde überall, wo es eingeführt ist, in die Volkssprache
übersetzt; was wird herauskommen? Der Text wird durch die Übersetzung
unzählige Änderungen, in jeder Sprache besonderer Art, erleiden; hier
wird man die Zuflucht zu Umschreibungen nehmen, dort durch erläuternde
Zusätze nachhelfen; hier wird man sich strenger an den Buchstaben
halten, dort mehr bedacht sein, den Sinn wiederzugeben; - sodann werden
diese Übersetzungen, weil die lebenden Sprachen, gleich den
Kleidertrachten, einem stetigen Wechsel und Wandel unterworfen sind,
nach Umfluß einer Anzahl von Jahren wieder übersetzt, d.h. nach der
neuen Sprachweise umgearbeitet werden müssen; - ferner werden nebenher
im Gebiete einer und derselben Sprach die Mundarten, deren Abweichung
von einander oft sehr beträchtlich ist, ihren Einfluß geltend machen;
endlich wird es nirgends an solchen fehlen, welche die Autorität ihren
Privatansichten unterordnen, dies und jenes sich mundrecht machen,
weglassen, was ihnen nicht zusagt, einschalten, was sie anspricht. - So
werden einerseits die katholischen Bewohner eines Landes oder einer
Provinz, wenn sie die Grenzen ihrer Heimat überschreiten, einen von dem
ihrigen verschiedenen, fremdartigen Gottesdienst finden; anderseits
wird im Laufe der Zeit der Gottesdienst an einem und demselben Orte
solche Veränderungen erfahren, daß eine Gleichfönugkeit zwischen dem
späteren und dem früheren kaum noch zu erkennen sein wird.
Wer Gelegenheit und Lust hat, eine größere Anzahl vortridentinischer
Missalien aus verschiedenen Kirchenprovinzen oder Diözesen kennen zu
lernen und zu vergleichen, dem müssen die mannigfaltigen und sehr
bedeutenden Variationen, denen er begegnet, die Überzeugung aufdrängen,
daß die Einheit und Integrität des römischen Ritus, der Allen zum
Grunde lag, trotz der Einheit der Sprache in hohem Grade gefährdet war.
Aber auch in das neue, von Pius V. herausgegebene Missale hatten sich
bald nach seinem Erscheinen wieder Abweichungen vom hergestellten Text
eingeschlichen und binnen sechzig Jahren waren zwei Revisionen nötig
geworden. Ohne die Spracheinheit wären Differenzen ganz anderer Art
entstanden,; die Herstellung der wesentlichen Gleichheit und
Gleichförmigkeit der Liturgie wäre, wie ihre Erhaltung, ein unlösbares
Problem geblieben.
Die Übereinstimmung im Ritus der heiligen Messe wurde immer für eine
Sache von hoher Wichtigkeit anerkannt und die hervorragendsten Päpste
waren eifrigst bemüht, sie herzustellen, wo sie fehlte, zu erhalten, wo
sie bestand. Schon Innocenz I. (E. 4o2-417) klagt darüber, daß manche
Priester von den auf apostolische Überlieferung gegründeten,
gottesdienstlichen Vorschriften willkürlich abweichen. Dadurch, bemerkt
er, entstehen Verschiedenheiten, an denen das Volk Anstoß nehme; denn,
da es nicht wisse, daß menschliche Vermessenheit die alten Traditionen
entstellt habe, meine es entweder, die Kirchen seien nicht einig unter
einander, oder die Apostel oder apostolischen Männer haben
entgegengesetzte Einrichtungen und Anordnungen getroffen. Die
abendländischen Kirchen, fügt er bei, seien insgesamt von Priestern
gestiftet worden, die vom heiligen Petrus oder seinen Nachfolgern die
Mission empfangen haben, weshalb sie sich nach den Gebräuchen und
Übungen der römischen Kirche richten müssen. 7) - Was in dieser
Hinsicht von spätem Päpsten getan wurde, kann hier nicht aufgezählt
werden und es sei bloß zu erwähnen gestattet, daß Sixtus V. (1585-159o)
die Congregatio Sacrorum Rituum eingesetzt und ihr die Aufgabe
zugewiesen hat, den alten, kirchlichen Kultus in seiner Reinheit zu
erhalten, Mißbräuche zu beseitigen, vernachlässigte, ehrwürdige
Gebräuche zu restituiren, verunstaltete zu verbessern. 8)
Durch den Gebrauch einer und derselben Liturgie wird die Verbindung der
einzelnen Kirchen mit der gemeinsamen Mutter-Kirche und mit dem
Stellvertreter Christi fester geschlossen und sicherer bewahrt; die
Einigkeit im Glauben und die religiöse Genossenschaft so vieler Stämme
und Völker, die nicht nur örtlich von einander getrennt, sondern auch
durch Sprache, 3itte, Regierungsform usw. verschieden und geschieden
sind, zeigt sich wahrhaft schön und erhebend in der Einheit des äußeren
Gottesdienstes. Mit Recht wurde daher geltend gemacht, daß die
Katholizität der Kirche die Einheit des Kultus verlange, nicht als ob
ihreExistenz durch diese Einheit schlechterdings bedingt wäre, sondern
weil sie zu ihrer vollendeten Manifestation gehört. 9)
Worauf gründet sich denn in letzter Instanz die Forderung, daß die
Liturgie überall in der Landes- oder Volkssprache gefeiert werden
müsse? Bei den entschiedenen Jansenisten war es auf die Beseitigung des
Unterschiedes zwischen Priester und Laien abgesehen. Sie entwerteten in
Folge ihrer wesentlich calvinischen Gnadenlehre die sichtbare Kirche zu
Gunsten der unsichtbaren, lehrten einen unmittelbaren Verkehr der
"Auserwählten" mit Christus, unabhängig von der sichtbaren
Heilsanstalt, und behaupteten, daß die heiligen Geheimnisse nicht in
die Hände besonders erwählter Stellvertreter des Herrn, sondern in die
Hände der ganzen christlichen Gemeinde niedergelegt worden seien,
sonach Alle gleichmäßig das Opfer darbringen und die Sakramente
verwalten können und sollen, daß die priesterliche Gewalt nicht durch
die kirchliche Berufung und Weihe, sondern einzig durch die immer
wirksame (aber nicht immer dargebotene) Gnade bedingt sei. - Bei der
heiligen Messe wurden die Oblationsgebete, und insbesondere auch die
Konsekrationsworte gemeinschaftlich gesprochen, damit im Falle der
Unwürdigkeit des Liturgen der Akt durch die würdig Mitfeiernden
vollbracht würde. Außerdem konnte jeder "Begnadigte", Mann oder Weib,
wenn ihn der Geist ergriff, selbständig zelebrieren, 10) da nach ihrem
Dafürhalten wie die Gewalt, so auch Legitimation hierzu allein auf der
Gnade beruht. - Vom Standpunkte dieser Lehre und der ihr entsprechenden
Praxis aus muß man freilich fordern, daß der Gottesdienst in der
Volkssprache gehalten werde und den Gebrauch jeder andern Sprache als
zweckwidrig zu bekämpfen und zu verwerfen, wie das kleine, aber äußerst
rührige Häuflein der konsequentesten Jansenisten getan hat.
Außerdem erklärt sich die fragliche Forderung aus der flachen, auf
gänzlicher Mißkennung ihres eigentlichen Charakters beruhenden
Auffassung der Liturgie. Hier nur ein paar Proben. Dr. Vitus Anton
Winter z.B. sagt: 11) "Die Tendenz des äußeren Gottesdienstes ist,
unsere Begriffe über Tugend zu wecken, zu berichtigen und zu erweitern;
analoge Gefühle aufzuregen und zu veredeln; unser Herz für gute
Vorsätze empfänglich zu machen und so dem religiös-sittlichen
Lebenswandel Vorschub zu tun." - In etwas genießbarerer Form der Sache
nach aber gleich spricht sich Hnogek 12) also aus: "Der Zweck der
Liturgie besteht in nichts Anderem, als darin, daß sie vermittelst der
Wahrheiten der Religion, die sie in Umlauf und Erinnerung bringt,
dieselbe versinnlicht und dadurch, daß sie vermittelst der Anschauung
Gefühle und Vorsätze erwecket, die Tugend, und folglich auch die
Glückseligkeit der Menschen, und zwar zunächst derjenigen Menschen,
unter welchen sie verrichtet wird, befördere." Ähnlich Hinterberger,
Reichenberger und viele Andere. 13)
Hätten die Herren recht, wäre die Liturgie nichts Anderes, als eine Art
feierlichen Unterrichtes, als eine teils oratorische, teils symbolische
Darstellung des Glaubensinhaltes, als eine Mitteilung dogmatischer oder
ethischer Wahrheiten und historischer Tatsachen zum Zweck der Belehrung
und Erinnerung, sowie der Erweckung religiöser Besinnungen und
Entschlüsse; - dann ließe sich der Gebrauch einer fremden Sprache
schlechterdings nicht rechtfertigen, man müßte für die Liturgie
geradeso, wie für die Predigt und Katechese die Volkssprache fordern.
Allein der katholische Gottesdienst ist seinem, innersten Wesen nach
kein Unterricht; der Priester geht nicht an den Altar, um das Volk d.h.
die anwesenden Gläubigen zu belehren; auch die Verkündigung und
Erklärung des Evangeliums darf uns nicht beirren, sie ging nach der
alten Praxis der Missa fidelium voran, gehörte nicht zu ihr, sondern
wurde stets zur zur Zu- oder Vorbereitung d.i. zu den vorbereitenden
Akten gezählt.
Anmerkungen:
1) Dom. Prosper Guèranger: "Institutions liturgiques. Tom.II. pag.181 sqq. Le Mans 1841
2) Die sechsundachtzigste der von Clemens XI. in der Constiution
"Unigenitus" 8. Sept. 1713 verworfenen Propositionen bei Denzinger,
"Enchiridion Symbolorum etc." Wirceburgi 1854.pg.286 sqq.
3) De sacrificio Missae commentarius. Sect. I.ß 75. Edit.nova. Patavii
1773. Dr. E. Seitz: "Recht des Pfarramtes", II.Th.2.Abth.S.262, läßt
Benedict XIV. etwas Anderes sagen, asl er wirklich sagt.
4) Sess XXII. de sacrif. Missae cap.8 und can.9. Die Gründe der
tridentinischen Väter f. bei Pallavicini, histor.
Conc.Trid.1.18.cap.10.
5) Nicht nur die Völker, die sich zum lateinischen Ritus bekennen,
sondern auch die Armenier, die Griechen und die Russen sprechen
gegenwärtig eine andere Sprache, als die ihrer Liturgie. Eusebius
Renaudot (Liturgiarum orientalium collectio, Tomi.Dissert.I.cap.6.) hat
gegen Jakob Usser's grundlose Behauptungen gezeigt, daß die Orientalen
ohne Ausnahme je die alte, ursprüngliche Sprache der Liturgie
beibehalten haben, obgleich die Volkssprachen andere geworden seien.
6) In seinem im Juni 88o geschriebenen Briefe an den mährischen Fürsten
Swatopluk. Die Stelle, welche später wörtlich angeführt wird, findet
sich auch bei Prosper Lambertini a.a.O. ß 8o. Früher hatte P. Johann
VIII., wie sein Brief an Methodius vom 14.Juni 879 zeigt, den Gebrauch
der slavischen Sprache beim Gottesdienst untersagt. Da er jetzt, um die
neubekehrten Slaven zu schonen und die durch das eben begonnene Schisma
des Photius gefährdete Einheit der Kirche zu erhalten, jenes Verbot
zurücknahm, wollte er mit der gegebenen Erklärung nur aufmerksam
machen, daß es das Wesen des Gottesdienstes nicht berühre, ob man ihn
in dieser oder jener Sprache abhalte und daß der Zweck desselben in
jeder erreicht werden könne. An eine Gleichstellung aller Sprachen in
dem Sinne, daß nicht die eine edler, reicher und vollkommener sei, als
die andere, ist hierbei nicht zu denken.
7) Brief an den Bischof Decentius von Eugubium (jetzt Eubbio), in Bezug
auf Kultfragen der bedeutendste unter den noch vorhandenen
zweiundvierzig Briefen dieses Papstes. Bei J.D. Mansi, S.conciliorum
nova et amplissima collectio. Tom.III.col. 1028 sqq. Florentiae 1759.
8) Nach der Konstitution "Immensa aeterni" vom 22. Januar 1587 soll die
Kongregation dahin wirken, "ut veteres ritus sacri ubivis locorum in
omnibus urbis et orbis ecclesiis .... in missis, divinis officiis,
sacramentorum administratione, ceterisque ad divinum cultum
pertinentibus, a quibusvis personis diligenter observentur,
caeremoniae, si exoleverint, restituantur, si depravatae fuerint,
reformentur." Eine klare und umfassende Darstellung des Geschafskreises
der C.S.R. gibt G. Phillips, Kirchenrecht, Bd.VI.ß 329.S.652 ff.
Regensburg.1864.
9) Mast: "Rom und der Kultus", in der Tübinger theol. Quartalschrift, Jahrgang 1844. S.61Iff.
10) In ihrer Moral heißt es: "Dum sancto Missae sacrificio assistimus,
omnes simul corpus Christi offeramus et consecremus" (Moral.christ,
super orat. Dom.1.3.sect.3.art. 1., bei Dr. J.W. Eberl: "Jansenisten
und Jesuiten im Streite über die oftmalige Kommunion", Regensburg
1847.S.51. Über das Zelebrieren der Weiber wird ebenda aus dem
tagebuche der Mole eine Stelle angeführt, sie heißt: "Es ist eine lange
Zeit, daß die La Danconi berühmt ist wegen der Art, mit der sie die
heiligen Geheimnisse hält, eine so würdevolle Weise, sagte einst ein
Priester und Prediger, daß man die Würde und Majestät nicht genug
bewundern kann. Ich habe von einer glaubwürdigen Person vernommen, daß
der La Danconi bei Abhaltung der Messe Priester und nicht nur
gewöhnliche, sonder die ansehnlichsten dienen und wie Altardiener
antworten. Beim Memento empfehlen sie ihr dann an, welch sie apropos
glauben." - Weiter erzählt die Mole von einer Frauensperson, die
Konvoisionen habe und täglich Messe lese und fügt die Bemerkung hinzu,
daß sich auch Andere die Gewalt anmaßen, Messe zu lesen, während die
(von ihr Bezeichneten) es nur mit Genehmigung der Doktoren ihrer Partei
tun.
11) "Erstes, deutsches kritisches Meßbuch." S.21. München I810.
12) "Christkatholische Liturgik" usw. I.Thl. S.65.66. Prag 1835. Trotz
seiner Zweckbestimmung tritt Hnogek S.Io5ó112 für die lateinische
Sprache in die Schranken und meint, ihre Beibehaltung sei "kein so
großes Übel", als häufig behauptet worden sei und noch behauptet werde;
sie gewähre "einige nicht zu verachtende Vorteile".
13) Bei A. Graf: "Kritische Darstellung des gegenwärtigen Zustandes der praktischen Theologie", S.43 ff. Tübingen 1841. |