EIN PROTESTANTISCHER THEOLOGE ZUR LITURGIE-'REFORM'
- HERMANN SASSE (1895-1976) -
(aus: Sasse, Hermann: "Corpus Christi Ein Beitrag zum Problem der Abendmahlskonkordie"
hrsg. von Friedrich Wilhelm Hopf, Erlangen 1979, S.lo5 f., Anmerkungen.)
Sasse in einem Brief vom 3o.4.1969 an Dietzfelbinger:
"Wir stehen ja auch an diesem Punkte an einem Wendepunkt der
Kirchengeschichte. Denn die Transsubstantiationslehre der Römischen
Kirche wird nicht zu halten sein. Schon jetzt wird von katholischer
Seite gefragt, ob nicht hier etwas von Luther zu lernen sei. Dazu kommt
das Aufbrechen der Sakramentsfrage in Lehre und Praxis der Taufe."
Sasse am 2.9.1971 an Gottfried Klapper: "Rom und Canterbury haben ihre
Einigungsthesen über das Abendmahl fertig. Das Ergebnis ist in den
Händen des Papstes und des Erzbischofe von Canterbury und wird nicht
veröffentlicht. Wird es veröffentlicht, dann bedeutet das das Ende der
Römischen Kirche, wie wir sie kannten. Das Ende begann mit der
Zerstörung der Messe. Es war nicht die Übersetzung in die
Landessprachen, die daran Schuld ist, sondern das, was damit Hand in
Hand ging. Die größte Liturgie der abendländischen Welt ist mutwillig
zerstört worden. Denn was jetzt als Messe gefeiert wird, ist nicht mehr
das Sakrament des Altars. Der Altar steht leer im Hintergrund der
Kirche, wenn er da noch steht. Vorn steht die Mensa mit dem neuen
Kommunion- und Opferritus. Niemand weiß, was vorgeht. An Stelle der in
Jahrhunderten gewachsenen Messe steht ein Produkt des liturgischen
Kunstgewerbes, das der Fluch jeder modernen Kirche ist.... Ich habe
meinen katholischen Freunden den Rat gegeben, den Eucharistischen
Kongreß in Melburne 1974 unter dem Motto zu halten: Save the Sacrament
(d.i. "Rettet das Sakrament")..."
Sasse am 24.7.1974 an Dietzfelbinger: "Der neue ordo missae hat
praktisch die alte Messe zerstört. Selbst die Realpräsenz scheint nicht
mehr selbstverständlich zu sein."
Sasse in einem Brief an D. Peter Brunner vom 4.12.1974:
"Was mich bewegt und - ich sage das ganz offen - betrübt hat, ist Ihr
Vorschlag für eine neue Form des Altars und eine dementsprechende
Gestaltung der Feier des Sakraments. Was früher in dieser Angelegenheit
vorgeschlagen worden ist habe ich ebensowenig ernst genommen wie die
komischen Ideen und Vorschläge, die vor etwa 4o Jahren in den
Liturgischen Bewegungen gemacht worden sind, als die Benediktiner die
Wiederherstellung der altchristlichen Mensa forderten und gleichzeitig
die Skotokatholiken im Lande von John Knox den Abendmahlstiseh zu einer
Art Hochaltar ausbauten. In beiden Fällen wurde der betende Pfarrer um
18o Grad gedreht. Aber nun erleben wir etwas, was ich nur mit der
größten Verwunderung sehe, die Abschaffung des Altars in den
katholischen Kirchen und die Zerstörung der Messe. Wenn früher ein
Katholik in seine Kirche kam, sah er den Hochaltar und das Licht, das
ihm sofort zeigte, daß der Herr dort sei. Heute sieht er einen leeren
Tisch und muß mit Mühe den Ort suchen, wo das Sanctissimum aufbewahrt
wird an irgend einem Seitenaltar. 'Sie haben meinen Herrn weggenommen,
und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben!' Diese Klage las ich in
einem Brief an das führende katholische Kirchenblatt. Ich weiß, was
diese Änderung für das katholische Volk bedeutet hat. Es ist die
sinnenfälÜgstE Demonstration der großen Revolution, die in unseren
Tagen in der Römischen Kirche stattgefunden hat. Ich weiß von vielen
Katholiken, einfachen Leuten und Gebildeten, die zwar treulich noch
ihre Sonntagspflicht erfüllen, aber sich in ihrer Kirche nicht mehr zu
Hause fühlen. Sie trauern um ihre Kirche. Mit Tränen in den Augen sagte
mir ein älterer Lehrer, eine der Säulen seiner Pfarrei: 'Ich habe kein
Interesse mehr an dieser Kirche. Ich will nur noch meine Seele retten.'
In Melburne haben treue Katholiken darum gebeten, daß in der Kathedrale
wenigstens gelegentlich die alte lateinische Messe gefeiert wird. Das
ist abgelehnt worden. Die einzige Konzession ist, daß eine der
Morgenmessen am Sonntag in lateinischer Sprache gehalten werden darf.
Aber es muß die Übersetzung der heutigen Messe sein. Nun wir sind keine
Katholiken und können nur staunend zusehen, wie St. Zwingli zur Ehre
der Altäre erhoben wird. (...) Der Sinn des Gebets nach dem Osten - der
Altar steht ja immer liturgisch im Osten ? ist doch wohl der, daß
Pastor und Gemeinde ihr Maranatha beten dem wiederkehrenden Herrn
entgegen, der als die Sonne der Gerechtigkeit im Osten erscheint, wo ja
auch das Paradies lag. Die Juden beten in der Richtung nach Jerusalem,
die Mohammedaner nach Mekka. Wir haben unsere Qibla, warum sollten wir
die aufgeben? Auf dem Altar findet ja schon, sozusagen, die
antizipierte Parusie statt." |