Der heilige Johannes-Maria Vianney,
Pfarrer von Ars
von
Eugen Golla
Am 8. Mai 1786, dem Festtag der Erscheinung des Erzengels Michael,
wurde den Eheleuten Matthieu und Marie Vianney in Dardily, einem im
Osten Frankreichs gelegenen Dorf, ihr fünftes Kind geboren, das in der
Taufe den Namen Jean-Marie erhielt.
Drei Jahre später brach die Französische Revolution aus, was zur Folge
hatte, daß die so reiche und mächtige Kirche Frankreichs eine
Katakombenkirche wurde. Nachdem nämlich 1793 vom Klerus ein
zivilrechtlicher Eid verlangt worden war, mußten diejenigen Priester,
welche diesen Eid verweigerten und dem alten Glauben treu blieben, in
den Untergrund gehen. Die Familie Vianney zählte auch zu denen, die in
der Eidablegung eine unzulässige Einmischung der Revolutions-Regierung
sahen, und gewährte solchen Bekenner-Priestern auch Unterschlupf. Der
kleine Jean-Marie zeichnete sich schon im zartesten Kindesalter durch
auffallende Frömmigkeit aus, welche die Mutter durch das Lernen von
Gebeten und religiöse Gespräche am Feierabend förderte.
1798 ließen sich vier Geistliche, um verdeckt Seelsorge zu betreiben,
im nahen Dorf Ecully nieder. Einem von ihnen fiel der zwölfjährige
Jean-Marie auf, und er fragte ihn, wann er zum letztenmal gebeichtet
habe. Als er antwortete: "Noch niemals", durfte er sofort in seinem
Elternhaus das Sakrament der Buße empfangen und danach in Ecully den
von zwei Damen besorgten Religionsunterricht besuchen. Erst im Jahre
darauf empfing er in einem Privathaus bei verschlossenen Fensterläden
seine erste hl. Kommunion. Dieser Tag wurde, wie er später sagte, ein
Tag der Dankbarkeit, des Glücks und der Freude für sein ganzes Leben.
Als Napoleon an die Macht gekommen war, schaffte er einen großen Teil
der "Errungenschaften" der Revolution ab. Ecully erhielt als Pfarrer
einen der vier vorerwähnten Priester, die dort heimlich als Seelsorger
gewirkt hatten: Abbé Balley. Dieser hochgewachsene Mann, dessen römisch
geprägte Gesichtszüge zwar Ernst und Energie, aber nicht minder Güte
und Hilfsbereitschaft ausdrückten, war von Gott bestimmt, aus dem
Bauernjungen Jean-Marie einen heiligmäßigen Priester zu machen. Seit
längerer Zeit gestand der junge Vianney, insbesondere seiner Mutter,
schließlich auch seinem Vater, Priester werden zu wollen. Dieser lehnte
es aber ab, da er ihn als unentbehrliche Hilfskraft in der
Landwirtschaft ansah. Es kostete schließlich große Mühe, Pfarrer Balley
zu überreden, auch Jean-Marie als Schüler anzunehmen, da er bereits mit
dem Erteilen von Unterrichten überlastet war. Als er ihm aber
vorgestellt worden war, rief er aus: "Ich nehme Sie auf". Es zeigte
sich jedoch, daß der Zwanzigjährige, der bis dahin keine systematische
Schulausbildung genossen hatte, mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen
hatte.
Der junge Vianney mußte sein Studium unterbrechen, als er 1809 zum
Kriegsdienst nach Lyon einrücken sollte. Nach zwei Tagen wurde er
krank. Als er zu Beginn des Jahres 1810 den Befehl erhalten hatte, sich
mit anderen Soldaten zum Transport an die spanische Grenze zu melden,
war die Truppe bereits abmarschiert. Da traf er in einem Wald einen
Deserteur, der sich verstecken wollte. Dieser brachte Vianney in ein
einsam gelegenes Haus, wo der Bürgermeister, offenbar kein Anhänger
Napoleons, dafür sorgte, daß er sich unter einem fremden Namen
verstecken konnte. Er machte sich durch das Unterrichten von Kindern
beliebt und fiel durch seine Frömmigkeit auf. Da sich sein jüngerer
Bruder freiwillig zum Militärdienst gemeldet hatte, fiel Jean-Marie
unter eine Amnestie. Wenn er aber über diese Epoche seines Lebens
sprach, begann er immer mit den Worten: "Als ich ein Deserteur war ...
".
Nach Vianneys Rückkehr in das zivile Leben bemühte sich Abbé Balley, in
wieder zu unterrichten. Seine lateinischen Sprachkenntnisse waren aber
so gering, daß er im Seminar zu Verrieres den Vorlesungen in
Philosophie, die in Latein gehalten wurden, nicht zu folgen vermochte.
Er wurde daher einer Gruppe von Schülern zugeordnet, die nur die
französische Sprache verstanden.
Es wäre aber falsch zu glauben, er sei deshalb von seinen Kommilitonen
belächelt worden. Gerade den Fleißigsten war er wegen seiner
außerordentlichen Gottesfurcht ein Vorbild. Mit der Note "Kenntnisse
sehr schwach" kehrte er zu seinem väterlichen Freund Abbé Balley
zurück, um sich für das Große Seminar in Lyon vorzubereiten. Dort wurde
er besonders hart vom Unglück verfolgt, denn bei sämtlichen Prüfungen
blieb er die entsprechende Antwort schuldig, und wurde daher entlassen.
Aber Abbé Balley ließ nicht locker und büffelte mit seinem Schützling
weiter. Der beim Klerus hochangesehene Pfarrer Balley setzte es
schließlich durch, daß Jean-Marie die Prüfung nicht nur wiederholen
durfte und daß er von nur einem Examinator, der dazu extra nach Ecully
reisen mußte, geprüft wurde. Die Leistungen waren auf einmal
zufriedenstellend. So ging schließlich Jean-Maries Herzenswunsch
in Erfüllung: am 13. August 1815 wurde er im Dom zu Grenoble zum
Priester geweiht.
Rückblickend auf seine ungenügenden Leistungen im Studium sei folgendes
gesagt: Mag sein Gedächtnis mangelhaft gewesen sein, die Sprachbegabung
gering ausgeprägt gewesen sein, die eigentliche Ursache für seine
Mißerfolge im Studium lag darin, daß er bis zu seinem zwanzigsten
Lebensjahr nicht einmal eine normale Grundschulausbildung genossen
hatte, sondern daß er vielmehr in einer Umgebung aufgewachsen war, von
denen die meisten Analphabeten waren. Es wäre gewiß eine Beleidigung
denjenigen als Schwachkopf - so wurde er vielfach genannt - zu
bezeichnen, der später eine so unbedeutende Pfarre wie die von Ars
durch die Errichtung von Schulen, einem Waisenhaus, sowie durch die
Verschönerung und Vergrößerung der Pfarrkirche, aber ganz
besonders durch seine charismatische Seelsorge, zu einer der
bekanntesten und berühmtesten Persönlichkeiten Europas wurde.
Wie glücklich war Vianney, als er als neugeweihter Priester zu Pfarrer
Balley als Vikar zurückkehren durfte und ihm die Ehre zuteil wurde,
sein Beichtvater zu sein! Leider starb Abbé Balley schon 1817.
Die Bewohner von Ecully wünschten ihn als seinen Nachfolger, jedoch
lautete die Entscheidung der erzbischöflichen Behörde, er müsse das
liebgewonnene Ecully verlassen, um seinen Dienst als Pfarrverweser von
Ars anzutreten.
Nicht einmal vierhundert Bewohner zählte dieses trostlose Dorf in der
Nähe von Lyon. Er fand dort wenig religiöses Interesse, was
wenigstens teilweise die Folge der Revolution und der napoleonischen
Herrschaft war. Die Arser waren zwar keine Atheisten, jedoch war der
Besuch der Sonntagsmesse gering, ebenso die Kenntnis der wichtigsten
Glaubenswahrheiten, aber dafür waren die vier Kneipen alle Sonntage gut
besucht. Was aber den jungen Abbé am meisten schmerzte war, daß die
Mädchen sich hemmungslos dem Tanzvergnügen hingaben.
Auf einem Karren sein geringes Hab und Gut transportierend, hielt er am
9.2.1818 seinen Einzug in seiner neuen Pfarrstelle. Schnell bemühte er
sich, die Möbel, welche ihm einstweilen die Schloßherrin, Fräulein
Garnier des Garets, von der man sagte, sie hätte mit einem alten Diener
täglich das Brevier gebetet, geliehen hatte, wieder zurückzugeben. Es
gefiel ihm, daß sein Pfarrhaus das Aussehen eines Bauernhauses hatte
und ganz ärmlich eingerichtet war. Dies bezeugte auch der berühmte
Kartoffelkochtopf, in dem er sich gewöhnlich sein Mittagsmahl bereitete.
Seine Andacht bei der Feier der hl. Messe, seine Worte, aber erst recht
seine Sorge um das Seelenheil seiner Gemeindemitglieder, besonders auch
seine Unterstützung der Armen, bewirkten, daß man bald hören konnte,
der neue Pfarrer sei ein Heiliger!
Bald wandte er aber gegen diejenigen Mädchen, die vom Tanzen besessen
waren, unerbittliche Strenge an. Schlagfertig erwiderte er dem Vater
eines Mädchens, der sagte, er lasse sie nicht tanzen, er wolle sie nur
auf den Tanzplatz führen: "Tanzt sie nicht, so tanzt aber ihr Herz".
Seine Hauptpflicht sah er darin, möglichst viele Seelen mit Gott zu
versöhnen. Folglich besaß der Beichtstuhl für ihn eine ganz besondere
Bedeutung, die sein gesamtes priesterliches Wirken umfaßte. Nicht
umsonst wurde er später der Beichtvater Frankreichs, ja der Märtyrer
des Beichtstuhles genannt.
Auf die Bußfertigen warteten drei Beichtstühle. Einer für die Frauen,
einer für die Männer, die häufig nur aus Neugier kamen und sich selten
zu einer Beichte entschließen konnten, und ein dritter für solche, die
der Kirche entfremdet waren. Bei solchen Pilgern konnte es vorkommen,
daß seine übernatürliche Fähigkeit, in die Herzen zu blicken, um deren
seelische Not zu erkennen, diese bewegte, den Beichtstuhl aufzusuchen,
um von ihm den seelischen Frieden wieder zu erhalten. Es wäre
aber ein Irrtum zu glauben, daß er seine Beichtkinder lang und breit
ermahnte, seine Zusprüche pflegten vielmehr kurz und kernig zu sein.
Auch als Pfarrer von Ars war Vianney - wie seinerzeit sein väterlicher
Freund Balley - noch nicht ganz frei von jansenistischen Einflüssen,
womit ein Gefühl der Verworfenheit und eine Überbetonung der
Kasteiungen verbunden waren. Daher verweigerte er oft die Lossprechung,
wenn ein Pönitent ohne erkennbare Reue und vollständiger Änderung der
Gesinnung in seinen Beichtstuhl kam, und es fielen Worte wie: daß
er den Sünder bis an den Rand der Verzweiflung führen werde. Es gab ja
unter den Jansenisten sogar solche, die sich nicht für würdig hielten,
die Osterkommunion zu empfangen, aber dann stolz waren, auf sie
verzichtet zu haben.
Der Pfarrer von Ars hatte in seiner Kindheit und Jugendzeit erlebt, wie
wichtig eine gute Schulbildung und wie unzureichend der Unterricht
eines Wanderlehrers ist. 1824 errichtete er eine Mädchenschule, die
"Providence" mit zwei aus seiner Pfarrei stammenden Lehrerinnen. Die
Schule wuchs schnell und die ärmsten und verlassensten Kinder erhielten
in ihr kostenlos Unterricht und Verpflegung. 1836 gründete er auch eine
Schule für Knaben.
Anfang der dreißiger Jahre vermehrte sich die Zahl der Pilger sehr
stark. Es drängten sich förmlich Priester, Mönche, Adelige,
Intellektuelle aber auch Arbeiter, um vom heiligen Pfarrer die
Sakramente zu empfangen. Ab 1840 fuhr täglich ein Postwagen zwischen
Lyon und Ars. Natürlich wuchsen auch Spott und Widerstand. Sein Mittel
dagegen bestand in der Verdopplung seiner Gebete und Kasteiungen. Eines
seiner Worte war: "Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich für die Sünder
bete".
Obwohl er ungefähr vierzig Jahre in Ars lebte und trotz der Beliebtheit
und Bewunderung, die ihm zuteil wurde, befiel ihn immer wieder die
Sehnsucht nach einem Leben in Einsamkeit nach Art der hl. Wüstenväter.
Wenn er auch so lange in der Seelsorge ausharrte, die Hoffnung, eines
Tages die Erlaubnis zu erhalten, sich in ein Trappistenkloster
zurückziehen zu können, verließ ihn nie. Mehrmals versuchte er zu
entfliehen. Am bekanntesten ist seine Flucht im Jahr 1843. Während der
Rast bei seinem Bruder in Dardily bildeten sich Gruppen von
Anhängern, die ihn überlisten und bei sich behalten wollten.
Schließlich fand die "Verfolgungsjagd" ihr Ende, als Jean-Marie sagte:
"Der liebe Gott will mich hier nicht, kehren wir nach Ars zurück".
Er war ein glühender Verehrer der hl. Philomena, deren Grab in den
Priscilla-Katakomben 1802 aufgefunden worden war. Pius X. sprach: "Das
größte Argument zugunsten des Kultes der hl. Philomena ist der Pfarrer
von Ars." Ihr zu Ehren ließ er eine Philomena-Kapelle in seiner
Pfarrkirche errichten. Obwohl auf die Fürbitte der Heiligen viele
Wunder erfolgt sind, zweifelten im 20. Jahrhundert immer noch manche
Archäologen an der Existenz Philomenas. Dies bewog die
Ritenkongregation 1961, das Fest aus dem liturgischen Kalender zu
streichen, was für viele Katholiken sehr schmerzhaft war. Sicherlich
handelte es sich um einen Beitrag Johannes XXIII. zur
'Entmythologisierung'!
Im Laufe der Zeit folgten auch Ehrungen von Kirche und Staat für den
heiligmäßigen Pfarrer: 1852 wurde ihm die Würde eines Ehrendomherrn
verliehen. Mit allen Kräften weigerte er sich jedoch, das
Domherrenmäntelchen zu tragen. Schließlich erbarmte sich eine gutmütige
Frau und kaufte es um 50 Franken, die der Pfarrmission zugute kamen.
Drei Jahre danach ehrte Kaiser Napoleon III. den Pfarrer von Ars durch
die Verleihung des Kreuzes der Ehrenlegion. Er weigerte sich, es auf
seine Soutane zu heften und trug es nur einmal, als er im Sarg lag.
Daß es nicht nur das Böse gibt, sondern den Bösen, ist fester
Bestandteil unseres Glaubens. Und Satan peinigte den Pfarrer von Ars
ganz besonders. Anfangs waren es noch verhältnismäßig harmlose
Quälereien, die bezweckten, ihm den wenigen Schlaf, den er sich noch
gönnte, zu rauben. Aber "Grappin" - dies war der Spitzname, den er ihm
gab - ging mit der Zeit dazu über, wie ein Tier zu brüllen und zu
schnauben, an den Bettvorhängen zu zerren, ja ihn körperlich
anzugreifen. Die letzte Zeit seines Lebens verschonte ihn der 'Teufel,
was er bei den meisten Heiligen, die vom Satan verfolgt und belästigt
werden, nicht zu tun pflegt.
Ein kurzer Überblick über das Tageswerk Vianneys soll zeigen, wie er sein gesamtes Leben Gott und den Menschen gewidmet hatte.
Als die Schar der Pilger immer mehr zunahm, verließ er oft schon vor
Mitternacht das Bett. Sobald er sich mit seiner alten Laterne gezeigt
hatte, begann schon das Drängen um seinen Beichtstuhl. Er verließ ihn
zwischen sechs und sieben Uhr, um die hl. Messe zu lesen. Nach dem
Darbringen des Opfers sprach er die Dankgebete, später nahm er auf Rat
seines Arztes etwas Milch zu sich. Gegen zehn Uhr verrichtete er einen
Teil des Stundengebetes, danach hörte er wieder Beichte und
unterrichtete die Pilger im Katechismus. Das Mittagsmahl, bestehend aus
Suppe und Gemüse, nahm er stehend ein, wobei er gleichzeitig die
eingegangene Korrespondenz sichtete. Die folgende Zeit widmete er dem
Krankenbesuch, danach betete er in der Kirche Vesper und Komplet und
nahm den Frauen die Beichte ab. Nachfolgend hörte er in der Sakristei
die Beichte der Männer. Im Anschluß daran verrichtete er auf der Kanzel
das Rosenkranz- und Abendgebet, worauf er dann mit Geistlichen und
pfarr-fremden Laien zu plaudern pflegte. Nach dem Lesen in seinem
Lieblingsbuch, einer Heiligenlegende, legte er sich für drei Sunden auf
sein hartes Lager, um bereits um Mitternacht seine Seelsorgearbeit
wieder aufzunehmen.
Im heißen Sommer 1859 ließen seine Kräfte nach, er wurde immer
schwächer, seine Worte waren kaum mehr zu verstehen. Schließlich ließ
er seinen Beichtvater, den Pfarrer von Jassans kommen, um ihm die
Sterbesakramente zu spenden. Etwa zwanzig Priester begleiteten ihn, mit
Kerzen in den Händen. Am 4. August 1859, um zwei Uhr morgens entschlief
er sanft. Als der die Feierlichkeiten der Beerdigung leitende Bischof
die Worte "Wohlan du guter und getreuer Knecht, geh ein in die Freunde
deines Herrn" aussprachen, waren dies keine leeren Phrasen, sondern der
Ausdruck der Erfüllung eines überreichen Priesterlebens.
Am Sonntag den 8. Januar 1905 verkündete das Seligsprechungsbreve Pius
X.: Wir gestatten, daß fürderhin dem ehrwürdigen Diener Gottes
Johannes-Maria-Baptist Vianney der Titel selig zuerkannt werde. Papst
Pius XI. versetzte ihn am 31. Mai 1925 unter die Heiligen. Sein Festtag ist der 9. August.
Benützte Literatur:
Abel, Winfried: "Mit Gott vertraut wie ein Sohn" in: "Dt. Tagespost" Nr. 153/154, 23. Dez. 1995.
Bracchi, Giov.: "Philomena, die Heilige aus den Katakomben", Durach 1991.
Christiani, Louis: "Der heilige Pfarrer von Ars", Leutesdorf.
Hünermann, Wilh.: "Der Pfarrer von Ars", Innsbruck 2004.
Ravier, P. André: "Der Pfarrer von Ars", Freiburg 1982
Trochu, Francis: "Der heilige Pfarrer von Ars", Stuttgart 1930
***
EIN PAAR MINUTEN, UM SEINE SEELE ZU VERLIEREN
vom
hl. Pfarrer von Ars, Jean-Marie Baptiste Vianney
Meine Kinder, wir haben Angst vor dem Tod... Ich verstehe das. Es ist
die Sünde, die uns den Tod fürchten läßt. Sie macht ihn so schrecklich
und grauenvoll. Sie versetzt den Bösen in der Stunde des Hinübergehens
in wahnsinnige Angst. Ja, mein Gott, es gibt wirklich Dinge, die einen
erschauern lassen. Daran zu denken, daß man verdammt ist, von Gott
verdammt! Das läßt einen im Innern erzittern... Verflucht von Gott! Und
warum? Warum setzen sich die Menschen der Gefahr aus, von Gott verdammt
zu werden? Für eine Gotteslästerung, einen bösen Gedanken, wegen einer
Flasche Wein, wegen eines Vergnügens von ein paar Minuten Gott
verlieren, seine Seele, den Himmel auf ewig... Man wird jenen Vater,
jene Mutter, Schwester, jenen Nachbarn mit Leib und Seele zum Himmel
auffahren sehen; sie waren mit uns beisammen, haben mit uns gelebt,
aber wir wollten ihr gutes Beispiel nicht nachahmen. Wir jedoch werden
mit Leib und Seele in die Hölle fahren, um dort zu brennen. Die Teufel
werden über uns herrschen. Alle, deren schlechten Rat wir befolgt
haben, werden uns foltern.
Meine Kinder, wenn ihr jemand seht, der einen großen Scheiterhaufen
herrichtet und Reisig aufeinanderschichtet, und ihr ihn fragt, was er
da macht, und er euch antwortet: Ich bereite ein Feuer, das mich
verbrennen soll", was würdet ihr euch dabei denken? Und wenn ihr den
gleichen Menschen seht, wie er sich den Flammen des Scheiterhaufens
nähert, wie er sich hineinstürzt,... was würdet ihr sagen?... Wenn wir
eine Sünde begehen, machen wir das gleiche. Nicht Gott stürzt uns in
das Feuer, sondern wir selbst durch unsere Sünden. Der Verdammte wird
sagen: "Ich habe Gott, meine Seele und den Himmel verloren, und das
durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld!..."
Er wird sich aus der Glut erheben, um gleich wieder in sie
zurückzufallen.
Wir schieben unsere Bekehrung bis zum Sterben auf; aber wer garantiert
uns, daß wir dazu die nötige Zeit und Kraft haben werden in diesem
schrecklichen Augenblick, vor dem alle Heiligen Angst hatten und in dem
sich die Hölle zum letzten Angriff gegen uns vereinigt, da sie weiß,
daß dies der entscheidende Augenblick ist. Nein, wahrlich, wenn die
Sünder an die Ewigkeit dächten, an dieses schreckliche "Für-immer" ,
sie würden sich auf der Stelle bekehren... |