3. Brief an die treuen Bewahrer des katholischen Glaubens
von
P. A. Steiner
"Sie herrschen über die von mir gegebene Macht hinaus..." (4.2.2006 - siehe 2. Brief).
"Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben. Was du immer
binden wirst auf Erden, das wird auch im Himmel gebunden sein; und was
du immer lösen wirst auf Erden, das wird auch im Himmel gelöst sein"
(Mt 16,19).
Petrus und alle Amtsträger der Kirche (vgl. Mt 18,18) erhalten von
Christus Vollmachten im Gottesreich, um an den Plänen Gottes
mitzuarbeiten. Die Pläne, Ratschlüsse, Gedanken Gottes stehen aber über
ihnen; sie haben die Absichten, den Willen Gottes, seine Führung und
Erziehung ganz und gar zu beobachten, ihr zu gehorchen.
Es ist eine besondere Absicht Gottes, dass gleich nach der
Schlüsselübertragung an Petrus berichtet wird, wie Christus zu Petrus
spricht, der ihn vom kommenden Kreuz abhalten will: "Hinweg, hinter
mich, Satan! Du bist mir zum Ärgernis; denn du hast nicht Sinn für das,
was Gottes ist, sondern für das, was der Menschen ist" (Mt 16,23).
Denn die Macht enthält für den nicht vollends mit Gott vereinten
Menschen Gefahren - Gefahren unmittelbar vom machtsüchtigen Satan, dem
Fürsten dieser Welt.
Wenn Christus heute (4.2.2006) denen "in Amt und Würde" quasi generell
verheisst: "Ich werde sie in meinem Zorne ausspeien", muss ihr
Machtmissbrauch bedeutend sein. Im Matthäusevangelium wird sofort nach
der Schlüsselübergabe an Petrus und dem "Hinweg, hinter mich, Satan!"
berichtet: "Dann sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn jemand mir
nachfolgen will, verleugne er sich selbst, und nehme sein Kreuz, und
folge mir" (Mt 16,24).
Ist es erstaunlich, dass es beim Losbrechen der katholischen
Revolution, beim Konzil Vat.II, genau, fast generell um dieses Thema
ging (wenn man die ablenkenden und verschleiernden Worte weglässt)? Nur
im negativen Sinn, d.h. sie stellten sich auf die Seite des unbekehrten
Petrus. Keine Unglückpropheten! (keine gegenwärtigen und kommenden
Kreuze); nicht die Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers in der Messe
(nur protestantisches Andenken); nicht das schmerzhafte Sich-Lostrennen
von der Welt, lieber die Umarmung der Welt; keine Rügen gegenüber
irrenden, keine Verurteilung der Irrtümer, nur sanftes Anbieten (die
neue Liturgie aller Sakramente wurde aber nicht sanft angeboten,
sondern in erschreckendem Machtmissbrauch totalitär aufgezwungen).
Alles, was besonders zur Nachfolge Christi bis zum Kreuz gehört, wurde
absichtlich beiseite gelassen. Man mag einmal die Konzilsdokumente und
die weiteren Dokumente nachsehen und fragen: Was haben sie über das
"Kreuz auf sich nehmen" gesagt; was über Sühne; was über unser Opfern;
was ist "im Geist des Konzils" mit Busse und Beicht geschehen; was
haben sie über Strafe Gottes, Selbstverleugnung, usw., gesagt? Oder man
nehme die "Nachfolge Christi von Thomas von Kempen", die
jahrhundertelang neben der Hl. Schrift das meist verbreitete Buch war,
und man vergleiche es mit den heutigen Weisungen und Absichten derer,
die Christi "Gebote zu hüten in Amt und Würde leben". Jeder kann
feststellen, dass die Ausrichtung, die Intention so verschieden ist,
dass nicht beides zur gleichen katholischen Religion gehören kann. Ein
Modernist muss schizophren sein, um die "Nachfolge Christi" lesen zu
können. Der "Geist des Konzils", die Mentalität der Konzilskircheh
widerspricht nicht nur in einigen Dingen der Wahrheit Christi, sondern
ist eine ganz andere Mentalität, hat eine ganz andere Ausrichtung, will
den Geist der Gläubigen auf ein ganz anderes Ziel hinweisen, als es
Christus getan hat.
Petrus bekam seine Schlüsselgewalt nach seinem Bekenntnis zu Christus,
dem "Sohn des lebendigen Gottes"; nicht seine eigene Erkenntnis
(Wissenschaft) war es, "das hat dir mein Vater, der im Himmel ist,
geoffenbart" (Mt 16,17). Der Konzilsgeist, der aus der Umarmung mit der
Welt geboren ist, kann nur eine gültige Antwort bekommen: "Hinweg,
hinter mich, Satan! Du bist mir zum Ärgernis; denn du hast nicht Sinn
für das, was Gottes ist, sondern für das, was der Menschen ist." Man
hat ja auch den Menschen in seinen Mittelpunkt, ins Zentrum gesetzt -
und nicht Gott!
Lange Entwicklungen und viele Gründe haben dazu geführt. Aber vor allem
in den Entwicklungen nach dem Mittelalter, wo Gott im Zentrum des
Denkens stand, ist es offensichtlich, dass in der Welt die Menschen
immer mehr vom eigenen zusammengetragenen Wissen, den Wissenschaften,
und dem eigenen Werken und Wirken (Technik, usw.) erfüllt wurden. Bis
zur geistigen Trunkenheit von heute. Fanatisiert auf ihr eigenes
Wissen, ihr eigenes organisiertes, weltweit vernetztes Können und
Machen. Ohne die Kirche, ohne Gott - frei von ihm...
In der Kirche ist im gleichen Sog die natürliche, irdische Seite des
Wissens, der Theologie im Bewusstsein der Menschen angewachsen. Und die
Amtsträger der Kirche haben ihre Amts-Macht, oft in Konkurrenz mit der
weltlichen Amtsmacht, immer menschlicher organisiert und wahrgenommen.
Hätten sie die Macht, die Führung Gottes, der sie selber ja gehorchen
sollten, so wahrgenommen wie ihre eigene Macht: dann wäre ihre
Machtbeschreibung, ihre Machtsicherung in der Kirche nicht so
ausführlich und so perfekt organisiert worden wie es das Rechtsbuch der
kirchlichen Macht, der Codex Juris Cononici, 1917 und 1983 darlegt.
Oder gibt es etwa eine ähnlich herausgearbeitete und allgemein
bekannte, akzeptierte Darlegung der Macht, der Führung, der Rechte, der
Leitung Gottes, wie sie die Amtsträger in der Kirche wahrnehmen? Das
Konzil spricht kaum über die 10 Gebote Gottes und die Gebote Christi,
die zu hüten wären. Und wenn es um die konkretere Macht Gottes über die
Amtsträger in der Kirche geht? Christus bekennt: "Meine Speise ist es,
den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat" (Joh 4,34).
Gottes Wille, Gottes Führung, Gottes Weltregierung, Gottes
Kirchenregierung, Gottes Vorsehung für das Ziel des Menschen und für
seinen ganzen Weg, für die Erneuerung der Kirche, für die Entwicklung
im grossen Kulturumbruch... Welchen Papst hätte jeweils Gott
vorgesehen, welchen Bischof? Welche liturgischen Formen,
Frörnmigkeitsformen? Fragt die Kirchenführung, die "in Amt und Würde
lebt", nach Gottes Plan, Gottes Wille, Gottes Vorsehung? Spätestens
seit dem Konzil Vat.II finde ich keine Spur davon. Weder thematisch,
noch in der Praxis.
Wenn Christus so tröstend, stärkend und fordernd über die Vorsehung
seines Vaters spricht: "Sorget euch nicht um euer Leben..." (Mt
6,25-34), dann trifft er das Herz jedes Einzelnen und entzündet ihn in
der Liebe zum Vater. Wenn die heutigen Kirchen-Amtsträger die Massen
ansprechen, wollen sie selber das bewegende und bewegte Herz sein - sie
bewegen die Massen, aber nicht auf die wahre Liebe zum ewigen Vater
hin. Aus dem Himmel, aus dem "Fenster des Himmels", schaut ihnen ja nur
noch Woityla zu...
(Gottes Ratschluss, Gottes Pläne, Gottes Wille, Gottes Vorsehung,
Gottes Führung der Welt.., siehe: Thomas von Aquin, Summa theologica
1,22-23; 1,103105; 11-11,49,6); die göttliche Erziehung des
Gottesvolkes und der Seelen, siehe: Wörterbuch zur biblischen
Botschaft, Xavier-Leon Dufour, Herder, 1964 "Vocabulaire de Theologie
biblique", Paris, 1962, Stichwort "Erziehung".)
Wer diese Themen beiseite gelegt hat, ist vielleicht mit der
Ich-Findung oder der Welt-Findung beschäftigt, aber nicht mit Gott. Wer
in der Kirche Macht ausübt, ohne Gottes Macht zu beachten und ihr zu
gehorchen, wird die Macht missbrauchen.
Wer die Wahrheit verteidigt, ohne selber genügend vom Willen Gottes,
von der Liebe Gottes bestimmt und bewegt zu sein, wird sie dem andern
nicht genügend mitteilen können, denn Gottes Wahrheit ist immer Liebe.
Wer die Wahrheit nicht auf dem Weg erfährt, den der offenbarende Gott
vorherbestimmt hat, wird sie nicht als Leben erfahren und mit den
andern teilen können.
Christi Weg der Wahrheit, der Offenbarung geht über das Kreuz. Und vom
Kreuz her hört der Nachfolger Christi: Siehe deine Mutter! Die Gnade,
die ich verdiene, muss sie dir vermitteln; ich, dein König, gebe sie
dir als Königin der Gnade. "Und er nahm sie zu sich." Und alle Apostel,
im Gebet mit ihr versammelt, haben so den Heiligen Geist empfangen.
Nicht ohne Kreuzesnachfolge, und nur über die gelebte Weihe an ihr
Unbeflecktes Herz - so mahnt sie uns - wird uns heute der Heilige Geist
gesandt. Und ohne den Heiligen Geist gibt es keine Erneuerung der
Kirche, nicht einmal des persönlichen Lebens. Auch keine Mystik, keine
geheimnisvolle Erfahrung Gottes. Aber in der Gnade des Unbefleckten
Herzens, auf jedem Weg des Kreuzes, ob in Trockenheit, Dunkelheit oder
tröstendem Licht, kann der Heilige Geist uns zum ewigen Ziel 3 führen,
jetzt schon mit ihm verbinden und gleichzeitig zu unserer Hilfe und zur
Ehre des Dreifaltigen Gottes zu "einem Herz und einer Seele" werden
lassen.
Noch einmal muss ich auf den Ausbruch der katholischen Revolution, den
Beginn der "universalen Konzilskirche" hinweisen. Denn die Tat einer
grossen Sünde erklärt schon viel über ihre Folgen.
Es waren die Bischöfe mit ihren Theologen, angeführt vom höchsten
Amtsinhaber Roncalli, die zu Beginn des Konzils Vat.II und auch im
weiteren Verlauf sich eigentlich und direkt, wenn auch nicht den
Gläubigen erkennbar, den besonderen Aussagen Mariens in den
Erscheinungen seit 1830 widersetzt haben. Nur 2 Jahre vorher (1960) hat
Roncalli das sogenannte "3. Geheimnis von Fatima" gelesen. Er spricht
dazu in seiner Eröffnungsrede zum Konzil (11.10.62) ein klares Nein.
"Wir sind nicht einverstanden mit diesen Unglückspropheten, die ständig
unheilvolle Ereignisse ankündigen, als ob das Ende der Zeiten nahe
wäre. In der gegenwärtigen Ordnung der Dinge, in der sich eine neue
Ordnung der menschlichen Beziehungen abzuzeichnen scheint, muss man die
geheimnisvollen Ratschlüsse der göttlichen Vorsehung anerkennen...
(1O). Er nennt zwar nicht Maria, aber meint in erster Linie sie, das
wissen viele Bischöfe. Und sie werden damit auch von höchster Stelle
eingeschüchtert, damit sie nicht dafür eintreten, was ihnen als die
fruchtbarste Gnadenbewegung der damaligen Kirche bekannt ist: die
Gnadenvermittlung Mariens, die offizielle Anerkennung ihrer allgemeinen
Gnadenvermittlung. Pius XII. war auf dieses Ziel hingerichtet, weil er
wusste, dass Maria in den Erscheinungen nach Gottes Wille und Gottes
Plan spricht. Die nach ihm Regierenden wollten andere Ziele erreichen,
die "universale Konzilskirche".
Dazu gehörte auch ein Ersatz für die Führung, Erziehung, Leitung der
Kirche von Gott her, ein Ersatz für den gehorsamen Dienst an den Plänen
Gottes, ein Ersatz für das Vertrauen auf Gottes Vorsehung. Und der
bestand in dem von der Evolutionslehre, nicht der Schöpfungslehre,
geprägten fanatischen Glauben an den menschlichen Fortschritt.
Progressismus im weltlichen und kirchlichen Sinn. Progressismus als
gottlose und kirchliche Weltregierung.
Die wunderbare Ermahnung Christi zur Hingabe an die göttliche
Vorsehung: "... Euer himmlischer Vater weiss ja, dass' ihr das alles
braucht..." (Mt 6,32; 6,25-34; Lc 12,22-31) wird ersetzt durch den
modernistischen Fortschrittsglauben.
Direkt verbunden mit der Zurückweisung der Ermahungen Mariens werden
die "geheimnisvollen Ratschlüsse der göttlichen Vorsehung" genannt.
Roncalli wusste sehr wohl, worum es ging. Aber seine Worte täuschen wie
Judas mit seinem Kuss. Dennoch nennt er sein Ziel für die, die ihn
verstehen: "Darum ist die Kirche nicht indifferent geblieben vor dem
wunderbaren Fortschritt der Entdeckungen des menschlichen Geistes und
hat sie gebührend schätzen gelernt" (13). Doch verhüllt er vorher und
nachher seine Absicht geschickt mit frommen Worten. Er wird mit Hilfe
anderer(z.B. Kardinal Bea) in Wort und Tat die Türen und Fenster der
Kirche für die Welt öffnen lassen, dass alles eindringen kann, was
seinen Zielen dient. Die Mahnungen Mariens, der Kreuzweg der Gläubigen,
die wirklichen Pläne der Vorsehung für die Kirche werden nur noch in
den Katakomben vernommen; "oben", in der Öffentlichkeit herrscht das
Licht, das Tausende und Tausende von Priestern und Ordensleuten aus
ihrer Berufung vertreibt; das Licht, das die Herzen der gläubigen
Christen weltweit und andauernd in eine nie erfahrene Verwirrung
stösst; das Licht, das in wenigen Jahren die Kirchen des Abendlandes
leer macht; das Licht, das die Erkenntnis der begnadeten Tradition nur
noch wenigen überlässt.
Die in erster Linie vom Licht der Welt organisierte "neue Ordnung der
Beziehungen unter den Menschen" (Europa ohne Gott, Eine-Welt) kann
nicht der göttlichen Vorsehung zugeschrieben werden. Und die neue Art
der Beziehungen zwischen den christlichen Konfessionen und allen
Religionen, d.h. der von Roncalli und seinen Nachfolgern angestrebte
Ökumenismus kann so auch nicht den göttlichen Ratschlüssen entsprechen.
Beide "neuen Ordnungen" werden die Mahnungen Mariens weder erfüllen
noch überflüssig machen, auch nicht die angedrohten Unglücke und die
Strafen Gottes, die Maria uns ersparen möchte. Die Worte Christi vom
4.2.2006 (und viele mehr) sind auch eine Antwort Christi auf die
sarkrilegischen Worte Roncallis, die erst langsam als solche erkannt
werden.
Roncalli hatte in seiner Ansprache vorher gesagt: "... Sie sehen in den
modernen Zeiten nur Pflichtverletzung und Verderben. Sie sagen und
wiederholen, dass unsere Stunde, im Vergleich mit den vergangenen,
schlechter geworden ist..." (9). Maria hat am 3. März 2002 Worte
gesagt, die auch darauf Antwort geben: "Ich bin die Mutter der
göttlichen Barmherzigkeit . ... 0, liebe Kinder, in die Irre geleiteten
Seelen, wie schwer wird das Kreuz meines Sohnes, der durch viele
Priester, Bischöfe und Kardinäle erneut gekreuzigt und der Schmach
übergeben wird. Wenn der Glaube verraten und geschwunden ist, wird euch
Gott erst richtig beginnen zu strafen, indem ihr glaubt, den Verstand
zu verlieren. Deshalb nehme ich mich doch so vieler Seelen an, sie zu
leiten und zu führen, ach gäbe es noch mehrere, die sich meinem
Unbefleckten Herzen weihten. Aber es genügt auch nicht, den Akt zu
sprechen, sondern ihn zu leben. Und dies werden meine Auserwählten
sein, die dies dank der geschenkten, erworbenen, eropferten Gnade
vermögen.
Meine Seele ist allezeit offen für jeden Sünder, damit nicht so viele
Seelen in die Verderbnis eingehen, und es gehen soviele in die Hölle,
wie seit den Kriegen und anderen Katastrophen seit Menschengedenken
nicht.
Habt dennoch Ausdauer, die Zeit wird kommen, wo Erlösung geschieht
durch das Heil der Welt. Haltet aus, aber seid bedacht auf euere Seele,
empfanget immer andächtig den wahren Leib des Herrn, der euch zur
Kraftquelle sich gibt..."
Die Eine-Welt-Regierung und das Bestreben, die mutierte universale
Konzilskirche ihr an die Seite zu stellen (wie einst Papst und Kaiser),
sind ein luziferischer Plan, der die Weltmächte und die
modernistisch-progressistischen Kräfte der Kirche mächtig erleuchtet
und heftig bewegt.
In der Hingabe an Gottes Vorsehung, unter der Führung und Leitung
Gottes kann er überwunden werden. Im Unbefleckten Herzen Mariens wird
der Sinn des Kreuzes erkannt; die von Maria vermittelten Gnaden führen
zur Hingabe an Gottes Pläne; in der Gnade wird Gottes Führung
geheimnisvoll erlebt und die Gaben des Heiligen Geistes werden zur
Seele der Kirche.
P., Hoher Donnerstag, 13. April 2006
***
4. Brief an die treuen Bewahrer des katholischen Glaubens
von
P. A. Steiner
Die Situation der katholischen Kirche ist seit der katholischen
Revolution beim Konzil Vat.II für die vordergründigen und
hintergründigen Führer der gottlos gewordenen Welt eine Freude, weil
sie nach jahrhundertelangem Bemühen den kommenden Endsieg sehen. Für
die durchschnittlichen gläubigen Christen ist die Situation der Kirche
eine so gewaltige andauernde Krise, wie sie bisher in der
Kirchengeschichte noch nicht vorkam, obwohl in manchen Zeiten doch
manches Erstaunliche geschehen ist. Für diejenigen aber, die gewohnt
sind, auf Gottes Regierung, Vorsehung, auf das aktuelle Wirken und
Sprechen Gottes zu achten, beginnt sich ein klarer Plan Gottes
abzuzeichnen. Er heisst: Reinigung und Begnadung, wie es bisher noch
nicht so war und einmalig in der Zukunft bleiben wird. Für die
Gottlosen wird allerdings die Bestrafung geschehen, im Diesseits und im
Jenseits.
Der Mensch, die Seele, die sich entschieden hat, Gott als die zentrale
Liebe in diesem Leben und für die Ewigkeit anzunehmen, richtet darauf
ihr Denken und ihre Taten ein. Aber das ist ein vielfältiger und
schwerer Kampf, um den Egoismus, die Sündhaftigkeit und die Tentakel
der Welt zu überwinden. Und da kommt Gott zu Hilfe mit seinem
besonderen Gnadenwirken: die Nächte der Sinne und des Geistes, wie sie
Johannes vom Kreuz meisterhaft beschrieben hat. "Mein Vater entfernt
jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, und jede Rebe, die Frucht
bringt, reinigt er, damit sie noch mehr Frucht bringe" (Joh 15,2). Die
kämpfende Seele macht während dieses Prozesses, je nach
Voraussetzungen, für die Mitmenschen einen oft jämmerlichen Eindruck;
der Sieg der Gnade, der Sieg des begnadeten Kämpfens und Mitkämpfens
der Seele wird erst später erkannt.
Und nun sage ich: So ein gnadenhafter Prozess ist im Gang mit der
Kirche. Eine fürchterliche Krise, eine erschreckend notwendige
Reinigung, und ein wunderbarer Eingriff der göttlichen Gnade, deren
Sieg sicher ist. Beim Einzelmenschen braucht es gewisse Voraussetzungen
und eine treue Standhaftigkeit im Glauben, damit die Gnade zum Sieg
kommt. Oft aber wird der Mensch untreu und zwingt die Gnade zum
Rückzug. Anders bei der Kirche Jesu Christi: "Die Pforten der Hölle
werden sie nicht überwältigen" (Mt 16,18). Denn sie ist nicht nur das
Volk Gottes - sie ist die Braut Christi und in ihrer Seele, in ihrem
Wesen heilig. Nur ihre heranwachsenden "Glieder" sind es noch nicht.
Von der Kirche wird die Gnade sich also nicht zurückziehen. Aber
"Glieder" können absterben. Ja, grosse Teile des Äusseren dieses
Gottesreiches können sich von der Seele entfernen und absterben. Der
Mensch in der Gnade der "geistlichen Nächte" bleibt als solcher
immerhin auf einem christlich erträglichen Tugendweg. Doch beim Reich
Gottes sind die Dimensionen vom Himmel bis zur Hölle im Äusseren
sichtbar und im Kampf, und der Kampf kann vielfältig, gewaltig und
langdauernd sein, viel länger als bei der Einzelseele; die Seele der
Kirche bleibt dabei immer im Wollen, in der Gnade, in der Liebe Gottes
umfangen. Das ist eine Grundaussage der Apokalypse.
Noch einmal, ich sage, dass die Kirche sich jetzt im Zustand der
reinigenden, erleuchtenden und einigenden Nächte der Sinne und des
Geistes befindet, in einer ausserordentlichen Gnadenzeit, die zu
erkennen und zu beschreiben vielfältiger und schwieriger ist, als was
Johannes vom Kreuz, Theresia von Avila und andere taten im Blick auf
die Einzelseele.
Mehr als Andeutungen und Hinweise sind mir hier nicht möglich. Aber wer
sich im geistlichen Leben auskennt und dies nun analog auf das
Geschehen mit der Kirche anwendet, der kommt aus dem Staunen nicht mehr
heraus und muss eine neue, grosse Liebe erfahren zum dreifaltigen Gott,
der solches tut mit den Menschen im Gottesreich. Er wird aber auch mit
Christus und mit Maria mitleiden ob der vielen Seelen, die bei dem
gnadenhaften Prozess der Kirche in Gefahr sind oder ganz abfallen, sich
gegen die Gnade entscheiden, in die Verderbnis fallen. Die Hölle wird
alles, was ihr gehört, verschlingen.
Wenn der Seelenführer feststellt, dass in einer Seele die Gnade zu
wirken beginnt im Sinne einer beginnenden "Nacht der Sinne", dann muss
er die Seele auf die Treue und Standhaftigkeit in ihrem Bemühen
hinweisen, zugleich aber auch erklären, warum sie nun mehr als vorher
ihre Fehler, ihre Unfähigkeit, ihr Unvermögen erlebt: das ist die
Deutlichkeit, die heilige Blendung der Gnade, die jetzt quasi erfahrbar
eingreift und das tut, was die Seele selber wegen ihrer Schwachheit und
der Folgen der Unordnung nicht vermag. Dabei ist entscheidend, dass die
Seele trotz der Bemühung um Standhaftigkeit und Treue erkennt und
anerkennt: Jetzt zählt nicht mein Erfolg, jetzt ist mehr die Gnade am
Zug. Das ist ein grosser Trost für die Seele, die Süssigkeit der
erkannten Gnade und Liebe. Eine wichtige und entscheidende Erkenntnis.
Je weiter es aber später in die Nacht des Geistes geht, ist diese
Erkenntnis der Gnadenwirksamkeit eine schmerzliche, dunkle Erkenntnis,
zwar fest im Glauben gehalten, aber leidend wie der Körper Christi am
Kreuz. In menschlicher Sicht ist dabei nicht nur die eigene Unfähigkeit
zu erleben, sondern mehr noch der sichtbare Misserfolg, das Scheitern.
Die wahre Kirche kann nur da sein, wo der wahre katholische Glaube
bewahrt wird, ohne den Sinn zum Wohlgefallen der Welt oder Unterwelt
umzudeuten. Es ist aber absolut entscheidend, dass der wahren Kirche
Jesu Christi, seinen Gliedern bewusst wird, wie die Gnade in sie
eingreift, nicht nur allgemein erleuchtend und heiligend, etwa durch
das geschriebene Wort Gottes, durch die Hierarchie und die Sakramente,
sondern unmittelbarer von Gott her im konkreten, wirklichen und
geschichtlichen Geschehen. In einzelnen verborgenen oder gelegentlich
bekannten Seelen, in religiösen Gemeinschaften und in der Gesamtheit
der Kirche. Besonders aber jetzt durch die geistigen Nächte, der Nacht
der Sinne und viel mehr noch der Nacht des Geistes. Aber die Nächte der
Gesamtkirche sind vielfältiger und fast göttlicher als die Nächte der
einzelnen Seelen. Man kann sie auch apokalyptische Nächte nennen. Zudem
sind sie nicht in der zeitlich bekannten Abfolge, sondern in allen
Dimensionen gleichzeitig, weil ja Seelen aller Stufen die Kirche
erfüllen. Und gleichzeitig, aber in grundsätzlich verschiedener
Bedeutung, geschieht der Prozess der zeitlichen Bestrafung der
Gottlosen. Und in den begnadeten Seelen vollzieht sich das eigentliche
Leben der Kirche.
Und doch ist jetzt, wie bei einem Orchester die Posaunen alles
übertönen können, die Nacht des Geistes die eigentlich grosse Gnade und
Not der Kirche, die wegen der Sünden der Menschen, der Christen,
besonders der Hierarchie, am Kreuze hängt. Von der Welt verspottet und
verfolgt, von den meisten Kirchengliedern verlassen.
Der Sieg, die Auferstehung wird zurückführen nach Galiläa, genauer nach
Nazaret, in das geheimnisvolle Leben der Heiligen Familie von Nazaret,
das deutlichste Spiegelbild der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, die
deutlichste Verwirklichung in der Gnade, die auf der Erde möglich ist.
Wenn und insofern die Kirche die langen, gewaltigen Nächte überstanden
hat, wird sie das Leben der Heiligen Familie von Nazaret in sich
widerspiegeln im Kleinen und im Grossen, davon so geprägt sein, wie wir
uns das noch nicht vorstellen können. Es wird die erneuerte blühende
Kirche des 3. Jahrtausends sein.
Doch vorerst: hinein in den Kampf der Nächte! Ceterum censeo: das
Wirken der Gnade glauben, beobachten, sich in allem danach ausrichten!
Mit der Gnade demütig kooperieren. Dafür aber muss ausgeräumt werden,
oder besser: wir machen mutig und treu mit dem Ausräumen durch die
Gnade mit. In vielem wird es genau das Gegenteil der Modernisten sein.
Die unbegnadete Welt muss ausgeräumt werden, auch da, wo sie bisher der
Kirche menschliche, irdische Vorteile bereitet hat. Diplomatische
Verbindungen, finanzielle Vorteile (Steuern), gesellschaftliche
Privilegien, intellektuelle Unterstützung oder gar Manipulierung,
caritative Ehre... Die Welt, ihre Bindung und Verbindung muss aus dem
prägenden Leben der Kirche ausgeräumt werden, bis eine heilige Freiheit
uns ermöglicht, unsere Welt von der Gnade her zu bestimmen, eine
christlich begnadete Welt aufzubauen. Aber nicht mehr so, dass die
Kirche wieder von der unbegnadeten Welt bestimmt und unfrei gemacht
wird. Gott hat das Ausräumen bereits begonnen, auch wenn die Welt das
Gegenteil meint; wir erkennen, was Gott unerträglich und was ihm
wichtig ist.
Die verweltlichten Wissenschaften bis hin zu den alles beherrschenden
Ideologien. Es ist eine total krankhafte, perverse Situation im Leben
des Menschen, wenn er die Wahrheit nicht mehr aus der Realität, der
Wirklichkeit erkennt, sondern im Denken und Handeln seit Jahrhunderten
immer mehr von Ideologien bestimmt wird. Nur Gottes Gedanken sind immer
als Gedanken schon Wirklichkeit; des Menschen Gedanken sind nur
Wirklichkeit, wenn er Gottes Ordnung in der Schöpfung erkennt und
anerkennt; und in der Theologie, wenn er Gottes Wesen und Wollen
erkennt und anerkennt. Der Abfall von Gott ist die Ursache der
Ideologien, dieser systematischen, alles durchdringenden
Wahnvorstellungen der Menschen. Ideologie ist Ausbau bestimmter
Gedanken zur Wahnvorstellung. Von der Wirklichkeit abgetrennte Gedanken
können noch so intelligent oder raffiniert zum scheinbar überzeugenden
System ausgebaut werden, also zur Ideologie, sie bleiben ein Wahn. Ich
glaube nicht, dass es je eine Zeit gab, in der die Menschen so von
ihren Wahnvorstellungen beherrscht waren wie heute, und ich glaube noch
weniger, dass es in der Kirche je eine Zeit gab noch geben wird, in der
die weltlichen Wahnvorstellungen, die weltlichen Ideologien so die
Kirchenführung, die Hierarchie beherrscht haben und beherrschen werden
wie heute. Welch eine apokalyptische Gnade muss da einsetzen in der
Nacht des Geistes der Kirche, um sie von den Ideologien zu befreien!
Der Modernismus, eine Ansammlung, eine Kombination ungefähr aller
bisher bekannten Irrtümer und Irr-Ideologien forciert eine
apokalyptische Reinigung.
Das Ausräumen der kirchlichen Herrschsucht, selbst wenn sie für
angeblich kirchliche Interessen eingesetzt wird - der Mensch, der
Katholik, die ganze Kirche samt ihrer Hierarchie hat zuerst und in
allem Gott zu dienen! Das ganze Leben Christi, sein Sich-Fernhalten von
Macht und Politik, muss der absolute Stil der Kirchenführung werden.
Der Fortschritt im Genuss der Welt muss ausgeräumt werden...
In der Nacht des Geistes gibt es zwei besondere Methoden, mit der die
Gnade vorgeht. Erstens, das Herauspressen und Sichtbarmachen. Wie das
Feuer beim Holzscheit: die Gluthitze auf einer Seite des Holzes treibt
und presst auf die andere Seite heraus: Ungeziefer und Saft. Der Rauch
auf einer Wiese kann Erd-Spinnen und andere Tiere heraustreiben...
So treibt die Gnade alles, was nicht zum wahren Leben der Kirche und
der christlichen Welt gehört, heraus, es wird sichtbar und leichter
besiegbar. Die Gnade kann dabei viele andere Ursachen benützen. Viel
Unheiliges und Lasterhaftes ist bei den Christen, vor allem in der
Hierarchie schon sichtbar. Aber die Welt und ihre dämonischen
Beherrscher wollen das Gegenteil: Verbergen, geheimhalten;
Geheim-Mächte, Geheim-Organisationen, Geheim-Clubs, Verneinung der
Existenz (Teufel); Prinzip des Geheimen als Erfolg. Es wird aber unter
der Wucht der Gnade noch so viel sichtbar werden, dass man sich über
das Schwindel-Empfinden und Verstand-Verlieren nicht wundern sollte.
Die zweite Methode der Gnade: Die Lähmung und Vernichtung des Bösen.
Das weltliche oft sündhafte und widernatürliche Freude- und
Genussempfinden vergeht, nichts befriedigt mehr, weder weltlicher
Erfolg und Reichtum, noch religiöser Erfolg und Reichtum, wenn er nicht
Ausdruck der Einigung der Seele mit Gott ist. Der Antrieb zum Bösen
wird gelähmt. Und das personifizierte Böse wird in die Hölle verbannt.
In dieser Nacht des Geistes der Kirche werden die Treuen im Glauben
nicht die organisatorische Einheit finden, die sie vorher nicht
gefunden haben, denn hier ist grosse Einsamkeit nötig, damit die Seelen
mehr Gottes Führung wahrnehmen. In der Nacht ist nicht die Zeit der
Früchte und des Erntens. Später aber werden die Früchte entdeckt werden.
Ich möchte aber jetzt nicht weiter die Nacht beschreiben, sondern auf
den kommenden Tag hinweisen. Aus der mir zugänglichen sicheren
mystischen Quelle, habe ich dafür einen herrlichen Text. Der kommende
Tag soll uns die Kraft zur Treue in der gegenwärtigen Nacht geben.
P., 25. Mai 2006 |