EINE REFORM DER REFORMEN ?
von
Christian Jerrentrup
Zu dem Buch von 'Kard.' Ratzinger "Zur Lage des Glaubens" (München 1985).
Vorbemerkung der Redaktion:
Selten haben Äußerungen eines führenden Reformers soviel Echo gefunden
und Aufsehen erregt wie jene in einem Interview, welches 'Kard.'
Ratzinger während seiner Ferien am 15. August 1984 im Seminar von
Brixen herrn Vittorio Messori gegeben hatte und das zunächst in der
italienischen Zeitschrift JESUS abgedruckt worden war. Die
Revolutionäre unter den Reformern waren aufgeschreckt und witterten
Restaurationsluft: Ratzinger hatte vom "Konzilsungeist", von
"Übertreibungen einer wahllosen Öffnung zur Welt" gesprochen. Sollte
das Ende des "Aggiornamentos" eingeläutet werden, welches Johannes
XXIII. der Welt gepredigt hatte? Aber nicht nur Schelte von Seiten der
Revolutionäre ernteten Ratzingers Äußerungen, sondern auch Lob von der
anderen Seite, d.h. aus gewissen Kreisen der sog. traditionalistischen
Szenerie, die nun in Ratzinger den neuen Gralshüter des alten Glaubens
sehen wollten. Man hatte es bereits vergessen - oder nie bemerkt -, daß
der gleiche Theologe auf dem sog. 'Konzil' als Peritus von Kard. Frings
u.a. für die Minderung der päpstlichen Vollmachteni eingetreten, also
ein führender Progressist war. Um es vorweg gleich richtig zu stellen:
Ratzinger beharrt in allen Punkten auf den Festlegungen des sog. II.
vatikanischen Konzils und den durch es eingeleiteten Reformen. Um aber
gewisse angeblich 'restaurative' oder originär katholische Töne des
Interviews richtig deuten zu können, ist es vielleicht nicht von
Bedeutung, folgendes zu beachten.
Ratzinger gab Herrn Messori das Interview bald nach der Lektüre des
berühmten Dritten Geheimnisses von Fatima, das nach dem Willen der
Gottesmutter 196o, also kurz vor Eröffnung des II. Vatikanums,
veröffentlicht werden sollte. Wie jedermann weiß, kam Johannes der
'Gute' dieser Anordnung nicht nach. Auch Ratzinger gab, angeblich um
keine Spekulationen auf (politische) Sensationen zu entfachen, von den
Offenbarungen der Gottesmutter nur soviel preis, als daß sich die dort
gemachten Aussagen mit den Prophetien in der hl. Schrift decken würden.
Es ist viel gerätselt und spekuliert worden, was das Dritte Geheimnis
beinhalte (mögliche Katastrophen, Kriege etc.) und warum es nicht
veröffentlicht worden war, obwohl der Zeitpunkt der Publikation präzise
angegeben worden war. Meiner Meinung gibt es dafür nur einen einzigen
stichhaltigen Grund: es enthält detailierte Ausführungen über den
allgemeinen Abfall der kirchlichen Hierarchie, beginnend mit dem II.
Vatikanum. Und eine Selbstentlarvung kann man niemandem zumuten.
Noch beeindruckt von dieser Lektüre hat sich 'Kard.' Ratzinger
möglicherweise daran erinnert, daß er als katholischer Christ getauft
wurde. Und noch eines ist auffallend: zwei Monate nach dem Interview
mit Herrn Messori wurde der sog. Induit zur Zelebration der von
Johannes XXIII. reformierte Meßritus gewährt, jenes Ritus, um dessen
Wiederzulassung M. Lefebvre gebeten hatte. Im folgenden soll gezeigt
werden, daß 'Kard.' Ratzinger keineswegs das Reformerlager verlassen
hat.
E. Heller
***
Auf die Frage, ob es heute noch Häresien und Häretiker gibt (S.22 ff.), antwortete Ratzinger:
"Lassen Sie mich zunächst einmal auf die Antwort verweisen, die der
neue Codex des kanonischen Rechts hierauf gibt (...). Im Canon 751
heißt es: 'Häresie nennt man die nach dem Empfang der Taufe erfolgte
beharrliche Leugnung einer kraft göttlichen und katholischen Glaubens
zu glaubenden Wahrheit oder einen beharrlichen Zweifel an einer solchen
Glaubenswahrheit. Was die Sanktionen betrifft, so setzt Canon 1364
fest, daß der Häretiker - wie der Apostat und Schismatiker - der
Exkommunikation latae sententiae verfällt. (...) Auch für die
nachkonziliare Kirche existieren Häretiker und Häresien, (...) die
Kirche sieht in der Verteidigung des rechten Glaubens auch ein soziales
Werk zugunsten aller Gläubigen (...). Natürlich muß alles immer im
Licht der großen Mahnung des Evangeliums gesehen werden: Wahrheit in
der Liebe. (...) Im Konkreten sind die Dinge nicht so klar wie sie der
neue Codex definiert (...). Wir begegnen heute kaum noch in offener
Weise dieser beharrlichen Leugnung und diesem beharrlichen Zweifel, von
denen die Rede ist. (...) Ich bewundere da immer wieder die Gewandtheit
von Theologen, denen es gelingt, genau das Gegenteil von dem zu
vertreten, was in klaren Dokumenten des Lehramtes geschrieben steht."
Kommentar: Der Leser kann die
Heuchelei von 'Kard.' Ratzinger leicht durchschauen: Einerseits gibt es
auch heute noch Häresien und die darauf stehende Strafe der
Exkommunikation, ja, R. kennt sogar Theologen, die alles ins Gegenteil
verdrehen, aber eine "beharrliche Leugnung" findet nich statt, (sic!)
Über die Autorität vom sog. 'Vatikanum II' (S.26): "(...) das Vaticanum
II (ist) von derselben Autorität getragen wie das Vaticanum I und das
Tridentinum".
Kommentar: So möchte man's
natürlich gerne hinbiegen, obwohl man immer wieder betont hat, es
handle sich nur um ein 'Pastoralkonzil'. Der entscheidende Unterschied
liegt eben darin, daß die Amtsträger bei der ordentlichen
Lehramtsausübung als Privatpersonen abfallen können - und genau das ist
geschehen.
Über die angeblichen Erwartungen der "Konzilsväter und der
Konzilspäpste" (S.27): "Was die Päpste und die Konzilsväter erwarteten,
war eine neue katholische Einheit".
Kommentar: Wenn die Kirche
kraft ihres Wesens immer einig ist und ihre Einheit nie verlieren kann,
was kann dann wohl eine "neue katholische Einheit" ergeben? Eben nur
eine neue 'Kirche'. Und das sagen wir auch.
Über häretische Katechismen äußert sich R. folgendermaßen (S.72):
"Einige Katechismen und viele Katecheten lehren nicht mehr den
katholischen Glauben in seiner harmonischen Ganzheit".
Kommentar : Nachdem das
abgefallene Rom alle Häresien duldet und selbst verbreitet, ist klar,
daß die "harmonische Ganzheit" (gemeint wohl: Rechtgläubigkeit) auch
der Katechese abgeht. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Baum!
Über die "liturgische Vielfalt" (S.129): "Wenn es zur Förderung der
Religiosität mancher Gläubigen und zur Respektierung der Frömmigkeit
bestimmter katholischer Kreise beitragen könnte, würde ich persönlich
die Rückkehr zur antiken Situation, das heißt zu einem gewissen
liturgischen Pluralismus, befürworten."
Kommentar : Inzwischen wurde
aus R.'s Plan der Induit von Mgr. Wojtyla... und M. Lefebvre ist auch
zufrieden. Man erinnere sich, was er 1976 an Eric de Saventhem schrieb:
"Ich wünsche wie Sie die friedliche Ko-Existenz der vor- und
nachkonziliaren Riten."
Über die konziliare Eucharistiefeier (S.137): "Für einige beschränkt
sich Liturgie offenbar allein auf Eucharistie, die nur unter dem
einzigen Aspekt des brüderlichen Mahles gesehen wird". (Anm.d.Red.: Wer
sieht da nicht Ratzinger als Aufspürer einer "beharrlichen Leugnung"
einer Glaubenswahrheit!) -Heute hingegen müsse man zur "vollständigen
Sicht der Messe"zurückkehren, die da ist "brüderliches Mahl und
zugleich Opfer des Herrn".
Kommentar : Da haben wir die
Haupthäresie der Liturgie-'Reform'! Die hl. Messe bzw. Eucharistiefeier
ist nicht einfach nur ein "brüderliches Mahl" - das würde selbst vom
Dümmsten als Häresie durchschaut! -, sondern sie ist nach 'Kard.'
Ratzinger zugleich "Mahl und Opfer". Papst Pius XII. hat bekanntlich
diese heimtückische Lüge der "liturgischen Bewegung" in seiner
Enzyklika "Mediator Dei" von 1947 verurteilt: Der Katholik bekennt
daher, die hl. Messe ist ein Opfer und nur ein Opfer, sie ist in keiner
Weise ein Mahl.
Über den Teufel in der Welt sagt Ratzinger
(S.141 ff.): "(...) der Teufel ist für den christlichen Glauben eine
rätselhafte, aber reale, personale und nicht bloß mythische Präsenz.
(...) Der Mensch hat allein nicht die Kraft, sich dem Satan zu
widersetzen; aber der Teufel ist kein zweiter Gott. Und vereint mit
Jesus haben wir die Gewißheit, ihn zu besiegen. (...) Es ist unsere
Pflicht, darüber zu informieren, daß solcherleiÄußerungen völlig im
Rahmen der traditionellen Lehre der Kirche stehen".
Über den Teufelsleugner Herbert Haag ("Abschied vom Teufel") äußert er
sich wie folgt (S.148 ff.): "Wir müssen die Erfahrungen, die Leiden,
die menschlichen Entscheidungen und auch die konkreten Bedürfnisse, die
hinter bestimmten Theologen stehen, respektieren. Aber wir müssen mit
äußerster Entschiedenheit bestreiten, daß es sich dabei noch um
katholische Theologie handelt."
Kommentar: Bereits Montini
hatte ja 1972 in zwei Ansprachen (am 29.6. und 15.11.) vorgetäuscht,
den Glauben an die Existenz des Teufels wiederbeleben oder gar nur
aufrecht erhalten zu wollen. 1975 erschien dann das Dokument zur
"Dämonologie". Auch 'Kard.' J. Ratzinger bläst nun in das gleiche Horn:
Er hält es für seine Pflicht, die Öffentlichkeit über die Lehre der
Kirche zu informieren und sieht in"der Verteidigung des Glaubens" gar
ein "soziales Werk zugunsten aller Gläubigen" (S.23). Er kennt auch das
Buch seines ehemaligen Tübinger Kollegen Haag, dem er abspricht, daß es
sich bei seinen Thesen "um katholische Theologie" handelt. Das ändert
aber nichts daran, daß er dort eine "beharrlichen Leugnung" (= Häresie)
nicht antrifft.
Ratzinger über seine früheren und seine heutigen Ansichten (S.16): "Nicht ich habe mich geändert, sondern die anderen".
Kommentar: Ratzinger war
bekanntlich 1964 Mitbegründer der Zeitschrift CONCILIUM, über die wohl
nicht weiter berichtet werden braucht. 1973 distanzierte er sich von
ihr und gründete zusammen mit Hans Urs v. Balthasar COMMUNIO. Seine
Hauptschriften und Ansichten hat der inzwischen verstorbene H.H. P.
Athanasius Kroger, der keineswegs mit den in EINSICHT vertretenen
Auffassungen übereinstimmte, in der UVK (12,2-3, S.15o-163, und 4,
S.218-26o), ebenso im BEDA-KREIS einer vernichtenden Kritik unterzogen.
Es ist nicht bekannt, daß 'Kard.' Ratzinger seine Häresien öffentlich
widerrufen hätte, auch nicht seine falsche Eucharistie-Auffassung, die
der jetzige Mgr. Dr. Storck seinerzeit in den SAKA-Mitteilungen
kritisiert hatte.
Die Frage, ob der Reformer Ratzinger zm katholischen Glauben konvertiert ist, kann sich jeder selber beantworten. |