BITTSCHREIBEN AN UNSERE BISCHÖFE
von
Eberhard Heller
Zur Enttäuschung vieler Gläubigen, die zunächst große Hoffnungen auf
die von S.E. Mgr. 'Ngo-dinh-Thuc und die in seiner Nachfolge geweihten
Bischöfe gesetzt hatten, kam es - anstatt gemeinsamer Anstrengungen für
den Wiederaufbau der Kirche - zwischen ihnen bald zu internen
Differenzen, die sogar öffentlich ausgetragen wurden und noch werden.
Diese Zwistigkeiten - nur teilweise haben sie einen objektiven
Hintergrund - haben zudem ein wirksames Ankämpfen gegen die
Pervertierung und Verfälschung des Glaubensgutes, besonders auch im
öffentlichen Bewußtsein, verhindert. Die vorhandenen Kräfte wurden so
in persönlichen Grabenkriegen' zum großen Teil verschlissen. Hinzu
kamen noch die Belastungen durch bestimmte Vorwürfe, die sich die
Bischöfe u.a. gegenseitig machen und die ihre Amtsausübung tangieren.
So 'entbanden' z.B. im September 1984 die amerikanischen Bischöfe
Musey, Siebert und der inzwischen verstorbene Mgr. Altenbach die
Gläubigen in den USA in einer öffentlichen Erklärung von allen
geistlichen Verpflichtungen gegenüber Bischof Vezelis OFM. Andererseits
schrieb der Franziskanerbischof im SERAPH vom Nov. 1985, S.15, außer
ihm selbst und den Bischöfen Guerard des Lauriers O.P., Zamora,
Martinez und Storck (wobei er die Weihehindernisse nicht außer acht
läßt) seien die anderen wegen Lehrirrtümer der Strafe der
Exkommunikation verfallen. In Mexiko greift Bischof Zamora öffentlich
Mgr. Carmona und die Union Trento an.
Um diese unhaltbaren Zustände innerhalb der Führung des religiösen
Widerstandes, die den Gläubigen ansonsten sehr rasch noch den letzten
Rest von Vertrauen rauben würden, zu beenden, hatte ich mich im
November und Dezember letzten Jahres schriftlich an die Bischöfe Musey,
Vezelis, Storck, Zamora, Carmona und Guerard des Lauriers - die
Adressen von Mgr. Bravo und Mgr. Martinez sind mir nicht bekannt, Mgr.
Siebert ist krank - gewandt mit der eindringlichen Bitte, ihre
Differenzen beizulegen und sich der erhobenen Vorwürfe anzunehmen, um
sie zu prüfen. Falls sich herausstellen sollte, daß eine Salvierung
erforderlich wäre, müßte diese geleistet werden. (N.B. Auch S.E. Mgr.
Ngo-dinh-Thuc hat seine Verfehlungen in zwei Schreiben - gegenüber Mgr.
Carmona zuerst, dann gegenüber Mgr. Guerard des Lauriers - förmlich
bedauert und um Verzeihung gebeten!) Die gefällten Entscheidungen, die
in einem primär moralischen Sinne (nicht in einem Jurisdiktionellen)
pro foro externo verbindlich sein müßten, wären den Gläubigen
mitzuteilen, damit diese wieder Vertrauen zu den Hirten fassen könnten.
Es sollte wirklich zur Genüge bekannt sein - das hat sich in der
Vergangenheit immer wieder gezeigt, daß man eine geistig-religiöse
Erneuerung in anderen nur dann bewirken kann, wenn man selbst dieses
Erneuerungskonzept vorlebt, einmal abgesehen von allen dogmatischen und
juridischen Kriterien. Und nur auf der Basis einer bereinigten
Situation wären die Bischöfe imstande, sich endlich den Aufgaben zu
widmen, zu deren Erfüllung sie überhaupt zur Würde des Bischofsamtes
erhoben worden sind. Mgr. Guerard des Lauriers bat ich zusätzlich,
seine Theorie, wonach Mgr. Wojtyla materialiter Papst, formaliter es
aber nicht sei, zu überdenken. Er hatte sie erst kürzlich in einem
Artikel (erschienen in VOIX DES CATACOMBES und BULLETIN DE L'OCCIDENT
CHRETIEN) erneut vertreten. Sie wird ausschließlich von ihm propagiert,
keiner der anderen Bischöfe teilt sie. Selbst Mgr. Storck, den Mgr.
Guerard des Lauriers nur unter der Bedingung konsekriert hat, daß er
dieser Theorie beipflichten würde, hat sich bis dahin nie zu ihr
(öffentlich) bekannt, weil er sowohl von seinen theologischen als auch
transzendentalphilosophischen Voraussetzungen her von einer umfassenden
Sedisvakanz überzeugt ist (oder wenigstens war). Wir haben Mgr. Guerard
des Lauriers mehrfach nachgewiesen, daß seine Theorie falsch ist.
Nach ihr würde es hinsichtlich einer Restitution der Kirche genügen,
wenn dieser seine Häresien widerrufen würde - worum man ihn
eindringlich bitten solle -, damit er als materialiter Papst es auch
formaliter wieder wäre und er durch einen solchen Akt des Widerrufs die
höchste Autorität wieder inne hätte, von der aus die weitere
Regeneration der Kirche eingeleitet werden müßte.
Man kann sich leicht vorstellen, daß diese Theorie zum Hindernis eines
gemeinsamen bischöflichen Handelns hinsichtlich der Lösung der
Sedisvakanzproblematik würde. Herrn Dr. Hiller und mir, die wir bei der
Bischofsweihe von Mgr. Guerard des Lauriers entscheidend behilflich
waren, hatte Prof. Lauth nach einem eingehenden diesbezüglichen
Gespräch mit Pater Guerard d.L. versichert, dieser habe seine
Auffassungin der betreffenden Frage revidiert. (N.B. ich lasse es
dahingestellt, ob Prof. Lauth uns damals absichtlich hintergangen hat -
was ich heute gezwungen bin anzunehmen - oder ob er den
Dominikanerpater mißverstanden hatte.)
Auf meine eindringlichen Bittschreiben habe ich bis heute außer von
Mgr. Carmona und Mgr. Guerard des Lauriers noch von Bischof Vezelis
Antworten erhalten, die ich z.Zt. bearbeite. - Mgr. Storck hat es
vorgezogen, die Annanme meines eingeschriebenen Briefes zu verweigern.
Um ihm aber auch den Inhalt meines Gesuches an die Bischöfe zukommen zu
lassen, veröffentliche ich es deshalb als offenen Brief, wobei ich
selbstverständlich die privat an ihn gerichteten Passagen ausklammere.
Hinsichtlich des geschilderten Anliegens bitte ich die Gläubigen
herzlich, es zu unterstützen, vielleicht durch ähnliche Appelle, und
sich im Gebet zur Bereinigung der mißlichen Angelegenheiten zu
vereinen.
Eberhard Heller
***
OFFENER BRIEF AN MGR. DR. GÜNTHER STORCK
München, 16.12.85
Exzellenz, lieber Günther, *)
die Hoffnungen, die viele Gläubige in aller Welt an die von S.E. Mgr.
Ngo-dinh-Thuc unternommenen Anstrengungen zum Wiederaufbau der Kirche,
insbesondere an die von ihm (oder in seiner Nachfolge) gespendeten
Bischofsweihe zur Sicherung der apostolischen Sukzession geknüpft
hatten, haben sich leider nicht erfüllt. Von den Anfeindungen, denen er
direkt ausgesetzt war, einmal abgesehen, wurde z.B. seine "Declaratio"
gerade in Kreisen, die vorgaben, auf eine solche, längst fällige
offizielle Verurteilung von Vatikanum II und seinen Folgen bzw.
'Reformen' gewartet zu haben, mit Schweigen übergangen, auch in der von
Dir inspirierten SAKA.
Zum anderen haben die neugeweihten Bischöfe ihre Aktivitäten nur
teilweise auf den Wiederaufbau der Kirche gerichtet. Vielfach ist es
inzwischen so, daß die Beziehungen der Bischöfe untereinander durch
erhebliche, teilweise persönliche Differenzen belastet sind, die ein
gemeinsames Handeln für das Seelenheil der Gläubigen unmöglich machen.
Andererseits sind gegen verschiedene Bischöfe öffentlich Vorwürfe
erhoben worden, die von Seiten einiger Amtsbrüder mitgetragen werden
und die, falls sie zuträfen, die Ausübung der bischöflichen Funktionen
der Betroffenen beeinträchtigen oder sogar blockieren würden. Im
einzelnen wurde Mgr. Vezelis / USA mit Vorwürfen, die seine Person
betreffen, belastet. Mgr. Musey / USA wird nachgesagt, Affinitäten zu
der von Freimaurern unterwanderten John-Birtsh-Society zu haben. Du
bist, meines Wissens nach, mit dem Delikt der Kooperation mit
schismatischen, häretischen und obskuren Bischöfen behaftet. Mgr.
Vezelis hat vor Deiner Konsekration (auf meine Bitte hin) Mgr. Guerard
des Lauriers darauf aufmerksam gemacht und um eine Bereinigung,
gegebenenfalls Salvierung bzw. um eine Verschiebung der Konsekration
gebeten. Dieses Delikt mit den sich daraus für die Ausübung Deines
Amtes ergebenden Konsequenzen wurde dann in der EINSICHT vom Juni 1984,
S.41, veröffentlicht, zugleich auch die seltsamen Umstände der
Weihezeremonie selbst.
Die von Dir als Rechtfertigung gedachte Predigt vom 1.7.1984, die mir
in einer kopierten Tonbandabschrift vorliegt, hat mitnichten die
Anschuldigungen widerlegen können. Vielmehr spiegelt sich in Deinen
Ausführungen genau jene Haltung wider, weswegen ich sowohl Dir geraten
habe, von der Weihe Abstand zu nehmen, als auch Mgr. Guerard des
Lauriers gebeten habe, sie nicht zu spenden. (...) Das gleiche Vergehen
wurde auch dem inzwischen verstorbenen Bischof Altenbach zur Last
gelegt.
Ich sehe keine andere Wahl, diesen allseits unbefriedigenden,
skandalösen und die Aktivitäten für den Wiederaufbau der Kirche
lähmenden Zustand zu beenden, als daß sich alle Bischöfe treffen und
sich über die (eventuell sachlich bedingten) Differenzen aussprechen,
und daß die unbelasteten Amtsbrüder die Vorwürfe, die gegen die übrigen
erhoben wurden, untersuchen, wenn möglich bereinigen und in einem
untereinander als verbindlich geltenden Urteil dazu Stellung nehmen,
welches den Gläubigen mitgeteilt wird.
Die Verunsicherung und die Hoffnungslosigkeit unter den Gläubigen ist
in den letzten beiden Jahren erheblich gewachsen, ebenso ist das
Vertrauen in diegeistlichen Autoritäten geschwunden. Die Gefahr der
Zersplitterung innerhalb des (man muß schon sagen: sogenannten)
katholischen Widerstandes wird immer größer, das Abgleiten ins
Sektierertum ebenfalls. Darum ist es höchste Zeit, sich gemeinsam
Gedanken zu machen, wie einerseits die Gläubigen pastoral betreut und
zum anderen der Wiederaufbau der Kirche vorangetrieben werden können.
Mit der Bitte, zu meinem Vorschlag Stellung zu nehmen, verbleibe ich mit ehrfurchtsvollen Grüßen (...).
(sig.:) E. Heller
P.S. Ähnliche Schreiben gehen auch an die übrigen Bischöfe.
*) Die persönliche Anrede ergibt sich einerseits aus der langen
Bekanntschaft mit Mgr. Dr. Storck - wir kennen uns vom Studium her -,
zum anderen ist meine Frau mit ihm verwandt. |