DER WIEDERAUFBAU DER KIRCHLICHEN HIERARCHIE
von
Eberhard Heller
Die deutliche Stagnation in unserem Kirchenkampf seit etwa drei Jahren
hat mehrere Ursachen. Einmal haben sich die gesamte Hierarchie und die
mit ihr verbundenen etablierten Institutionen und Organisationen fast
vollständig zum häretischen Reformismus von Vatikanum II und dessen
Realisierung geschlagen; der Übergang von der wahren Kirche zur
perfekten Immitation einer Pseudo-'Kirche' war - dank der konsequent
vollzogenen Revolution von oben - geradezu nahtlos. Nicht einmal in
Teilbereichen oder -gebieten hat sich die wahre Kirche als intakte
Heilsinstitution erhalten können. Insofern fand und findet der
katholische Widerstand - wenn man von einem solchen sprechen will - ein
Vakuum vor, welches schwierig aufzufüllen wäre.
Zum anderen haben sich unter denen, die ihren Glauben bewahren wollen,
wachsende Gleichgültigkeit, Enttäuschung und ein rapider
Vertrauensschwund in die (pastorale) Führung der Kleriker (wegen ihrer
heillosen Uneinigkeit untereinander), sog. 'demutsvolle'
Selbstbeschränkung, naiver Heilsegoismus und mangelnde
Kooperationsbereitschaft breit gemacht, weshalb viele auf einen
Wiederaufbau der Kirche Christi resigniert haben. Erwähnt müssen auch
die 'Ankuppler' werden, die im frommen Gewand Verwirrung stiften. Hinzu
kommt, daß die persönlichen Verhältnisse unter denjenigen, die sich
bisher profiliert haben, durch die verschiedensten Differenzen belastet
sind und niemand bereit ist, die eigenen Fehler oder Fehleinschätzungen
zuzugeben oder die der anderen zu verzeihen bzw. deren Wiedergutmachung
gelten zu lassen. Die Barrieren zur Bewältigung der Schwierigkeiten
liegen also auch in uns selbst: Stolz und Verstocktheit - diesen
europäischen Erzsünden.
Dennoch, unsere Pflicht ist es, im Glauben auszuharren, unsere Kräfte
zum Wiederaufbau der Kirche Christi einzusetzen (auch wenn uns der
Erfolg versagt bleibt), damit sie zum Heil der Seelen wirken kann, und
um IHN in Seiner Kirche zu verherrlichen, bis ER wiederkommt, "Gericht
zu halten".
In der folgenden Abhandlung geht es darum, die Bedingungen und realen
Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Kirche als Heilsinstitution
wiederhergestellt werden kann. Um es vorweg zu sagen: die nachfolgenden
Ausführungen beschäftigen sich also nicht mit dem Problem einer
allgemeinen Glaubenserneuerung, sondern um das der Restitution der
institutionellen Einrichtung, die Christus geschaffen hat, damit den
Gläubigen das Heil gesichert werden kann. Dabei werde ich so verfahren,
daß ich im ersten Teil die bisher dafür vorgelegten Konzepte einer
Durchsicht unterziehe, um dann im zweiten die von unserer Zeitschrift
bereits mehrfach gegebenen Hinweise für die Lösung dieses Problems im
einzelnen darzulegen und zu entfalten.
Noch ein Wort zur Terminologie: das angegebene Thema behandelt einen
Gegenstand - die Beendigung der derzeitigen Krise -, über den bisher
wenig publiziert wurde; die Fixierung der einzelnen Sachverhalte ist
schwierig. Meine Bemühungen gehen dahin, die Gegenstände begrifflich
scharf abzugrenzen und zu umreißen. Die Leser seien gebeten, nicht
unbedingt nach einer ihnen eventuell aus der Schiiltheologie, auch
nicht aus der thomistischen, vertrauten Terminologie zu suchen, sondern
versuchen, meine Gedanken nachzukonstruieren und sie kritisch zu
prüfen.
Nach dem bisher Gesagten wird sich manch einer fragen, warum überhaupt
eine Abhandlung zu diesem Thema, wenn die skizzierten Verhältnisse der
Realisierung dieser Absicht (der Wiederherstellung der
Heilsinstitution) so massiv im Wege stehen? Ich antworte: Auch wenn es
so aussieht, daß unter den gegebenen Umständen eine umfassende und
rasche Restitution der Kirche unmöglich und deshalb eine entsprechende
Abhandlung darüber wenig sinnvoll erscheint, so gilt doch folgendes: es
ist unbedingt erforderlich, ein Lösungskonzept auszuarbeiten, weil man
ohne ein solches auch die derzeitige Situation weder bestimmen noch
meistern könnte und keine konkrete Einstellung zu ihr fände. Ohne die
Antizipation eines Gesamtkonzeptes fände man keine Detaillösung, ohne
wirkliche Orientierung keinen Ausweg aus dem Chaos!
Unter der Berücksichtigung dieser Voraussetzung ist es erstaunlich, wie
wenig sich die (professionellen) Theologen des katholischen
Widerstandes mit dem oben aufgezeigten Thema beschäftigt bzw. sich
darüber schriftlich oder mündlich ausgelassen haben. Und dies ist ein
bezeichnendes Indiz unseres tatsächlichen Interesses an einer
religiösen Erneuerung. Man ist noch überraschter, wenn man feststellt,
wie selbst versierte Theologen bzw. Priester, die eine genaue Kenntnis
der Dogmatik und des Kirchenrechtes besitzen, sich bei der Beschreibung
und der konzeptionellen Bewältigung des Problemes schwer tun, wo es
gilt, aus den Prinzipien der kirchlichen Verfaßtheit der Stiftung
Christi eine Lösung zur Beendigung des außergewöhnlichen und -
zugegebenermaßen - bisher noch nicht dagewesenen Notstandes zu
erarbeiten.
Zunächst eine Vorfrage: Wo stehen wir? Unsere religiös-kirchliche
Situation dürfte allgemein bekannt sein, sie ist häufiger in unserer
Zeitschrift treffend dargestellt worden (vgl. EINSICHT vom^März^und Mai
1983, S.194 ff. und 53 ff.) Zur besseren Übersicht seien aber hier
einige wesentliche Züge hervorgehoben. Abgesehen von einem allgemeinen
geistig-religiösen Verfall und dem weitgehenden Verlust des Bewußtseins
für die Transzendenz ist die Reform-'Kirche' in toto der Häresie bzw.
Apostasie verfallen. Damit ist sie amtsunfähig und hat jegliche
Autorität verloren. Durch die Verfälschung der Weihe- und
Sakramentsriten verschließt sie den Gläubigen nicht nur die göttlichen
Gnadenquellen, sondern sie ist auch im Begriff, die apostolische
Sukzession zu verlieren. Die Reform-'Kirche' ist aus sich heraus nicht
mehr satisfaktionsfähig. Die Salvierung eines Häretikers ist nur
dadurch möglich, daß er gegenüber der verbliebenen Glaubensgemeinschaft
- repräsentiert durch die katholischen Bischöfe in der Sukzession von
Mgr. Ngo-dinh-Thuc - seine Irrtümer öffentlich abschwört. Eine
Wiedererlangung des einmal rechtmäßig inne gehabten Amtes ist damit
nicht verbunden.
Auf der Seite des - eher zu apostrophierenden - katholischen
Wiederstandes schaut es so aus, daß zwar die Einheit im Glauben, in den
Sakramenten (und im Kult), die Heiligkeit und Katholizität vorhanden
sind, ebenso die apostolische Sukzession, daß aber wegen des Fehlens
der Jurisdiktionellen Hierarchie - die neu geweihten Bischöfe wie Mgr.
Guerard des Lauriers, Mgr. Carmona oder Mgr. Vezelis besitzen keine
Jurisdiktion - die Sichtbarkeit und die Hohheit, ebenso die Einheit der
kirchlichen Gemeinschaft immer mehr schwinden. Wie ich früher
ausführte, tragen die Aktivitäten so mancher Gruppierungen deutlich
sektiererische Züge (vgl. EINSICHT a.a.O.) Eine rechtmäßig installierte
jurisdiktionelle Hierarchie ist aber die Voraussetzung für das
Funktionieren der Kirche als Heilsinstitution; denn nur sie kann die
Kirche repräsentieren und leiten. Ohne Wiederherstellung des
Jurisdiktionsprimates ist also eine Restitution der Kirche undenkbar
(vgl. a.a.O., ebenso EINSICHT vom März 1984, S.226 ff.) Damit ist unser
Thema schon präziser umrissen: wie läßt sich die Jurisdiktionelle
Hierarchie wieder aufbauen?
Bevor ich mich im ersten Teil dieser Ausführungen zuwende, möchte ich
noch auf zwei Auffassungen eingehen, die weit verbreitet sind und zum
einen auf einem naiven Kirchenverständnis oder einfach auf allgemeiner
Ratlosigkeit denn theologischer Reflexion beruhen und zum anderen aus
dem Repertoire eines Taschendiebes oder Gauklers entlehnt scheinen.
Nach der ersteren erwartet man, daß Christus wieder auf die Erde
niedersteigt, um den religiösen 'Augiasstall' unmittelbar selbst
auszumisten, da es unmöglich erscheint, daß Menschen wieder Ordnung
schaffen können. Dazu ist zu sagen: Christus hat seine Wiederkunft erst
zum Gericht, d.h. am Ende der Tage angekündigt, wo er kommen wird "mit
großer Macht und Herrlichkeit" (Mt 24,3o). Bis dahin hat Er die
Verwaltung Seiner Stiftung Menschen anvertraut.
Der Typus der zweiten Auffassung wird von Pater Barbara / Frankreich
repräsentiert. Nach ihm soll sich die Wiederherstellung der Hierarchie
auf folgende Weise abspielen. Beim nächsten 'Konklave', welches von den
abgefallenen bzw. illegitim ernannten 'Kardinälen' abgehalten wird,
soll deren Kandidat sich im Augenblick seiner Wahl zum 'Papst' wieder
zum wahren Glauben bekennen, worauf er von einigen römischen Priestern,
die gegen die allgemeine Häresie angekämpft haben, als legitimer Papst
anerkannt und als solcher proklamiert werden (vgl. EINSICHT vom März
1984, S.232 f.). N.B. so stellt sich P. Barbara das Wirken eines 'Hl.
Geistes' vor, der wohl bei ihm in die Lehre gegangen sein muß.
Abgesehen davon wurde oben schon berichtet, daß ein abgefallener, dann
aber bekehrter Hierarch amtsunfähig ist (vgl. auch die Bulle "Cum ex
apostolatus" von Paul IV.).
Sieht man von solchen Versuchen ab, gibt es neben der Darstellung zu
diesem Thema in unserer Zeitschrift nur wenige Abhandlungen, die von
Bedeutung sind. Die Autoren scheiden sich in solche, die eine Lösung
der Krise deswegen für unmöglich halten, weil sie nach ihrer Meinung
auf Grund der gegebenen Situation die Bedingungen nicht mehr vorhanden
sind, eine Salvierung bzw. einen Wiederaufbau einzuleiten, und in jene,
die eine Überwindung der Glaubens- und Kirchenkrise prinzipiell für
möglich und partiell auch für realisierbar halten, u.a. auch wegen der
erfolgten Konsekration von katholischen Bischöfen und wegen der
öffentlichen Sedisvakanzerklärung von S.E. Mgr. Ngo-dinh-Thuc.
Einer, der eine Restitution der Kirche als Heilsinstitution in ihrer
hierarchischen Struktur wegen der bestehenden Rechtsverhältnisse für
unmöglich hält und diese Auffassung konsequent und kompromißlos
durchzieht, ist iterr^lSNM. Gwynne / London. In der von ihm
herausgegebenen Zeitschrift BRITONS CATHOLT(TLœB~RARY Nr. 1 vom April
1984 schreibt er (hier in der Übersetzung von Herrn Eugen Golia gekürzt
wiedergegeben): "Kanon 188 n4 des Kirchlichen Gesetzbuches von 1917
(CIC) lautet: 'Sämtliche Ämter eines Klerikers werden vakant durch
stillschweigenden Verzicht... automatisch (ipso facto) und ohne eine
Erklärung, falls der Kleriker öffentlich vom katholischen Glauben
abfällt.' Abfall vom Glauben erfolgt nicht nur, wenn ein Katholik
vollständig apostasiert, sondern auch, wenn er nur in eine einzige
Häresie fällt. Um als Häretiker angesehen zu werden, muß die Person
hartnäckig darin verharren. (Zur Feststellung der Häresie) ist es nicht
nötig, gewarnt worden zu sein, noch gehört es dazu, daß man eine
bestimmte Zeit in ihr verharrte.
Jeder Kardinal und Bischof unterzeichnete wenigstens ein eindeutig
häretisches Dokument auf dem'Vatikanum II', folglich verlor jeder
Kardinal und Bischof sein Amt, soweit er dieses nicht schon vorher
durch Häresie verloren hatte; d.h., daß allerspätestens am Schluß von
'Vatikanum II' Paul VI. sein Amt verloren hatte, ebenso wie die
Kardinale Luciani und Wojtyla.
Ebenfalls zu denen, die ihr Amt verloren haben, gehören auch die
Bischöfe, welche seit dem 'Konzil' einen mehr oder weniger
traditionalistischen Standpunkt eingenommen haben, z.B. Mgr. Castro
Mayer, Mgr. Lefebvre und Mgr. Ngo-dinh-Thuc. Die bischöfliche Gewalt
bleibt ihnen, aber ihr legaler Status ist der von Laien. Jeder Versuch,
ihre bischöfliche oder priesterliche Vollmacht auszuüben, ist illegal
und sakrilegisch.
Sobald jemand - mag er nun Papst, Bischof oder Priester sein - sein
kirchliches Amt verloren hat, gibt es keinen Weg, es wieder zu
erlangen, z.B. durch Eingestehen der Häresie oder durch öffentlichen
Widerruf. Sein Amt kann er nur durch die kompetente Autorität
wiedererlangen: ein Priester muß also durch einen Bischof, ein Bischof
durch den Papst wieder eingesetzt werden, der Papst müßte von den
Kardinalen neu gewählt werden (Aran.d.Red.: gemeint ist natürlich, daß
eine andere Person zum Papst gewählt werden muß). Es gibt keine
Möglichkeit, auf eine andere Art und Weise einen Papst oder einen
Bischof zu erhalten. Gemäß dem Kirchenrecht können Kardinale nur vom
Papst ernannt werden - es gibt keinen Papst, und es gibt auch keine
legitimen Kardinäle mehr. (...)
Obwohl es in der Vergangenheit verschiedene Verfahren gab, einen Papst
zu wählen, so sagt das jetzige Gesetz, daß ein Papst nur von den
Kardinalen gewählt werden darf. Zwar können die Gesetze der Kirche
geändert werden, aber nur durch einen Papst, sonst durch niemanden,
auch nicht (...) durch Gott selbst.
Die gesamte Hierarchie der katholischen Kirche wurde daher vollständig
und für immer vernichtet. D.h. nicht , daß Christi Versprechen, daß die
Pforten der Hölle nicht die Oberhand gewinnen werden, hinfällig
geworden ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es keinen einzigen
Katholiken mehr auf Erden gäbe.
Der Abfall der gesamten Hierarchie bedeutet nun nicht, daß die
Katholiken nicht mehr länger durch die Schlüssel Petri gebunden sind.
Im Gegenteil, die Lehren Petri und seiner Nachfolger, sowie ihre
Gesetze verpflichten im Falle der Vakanz des Hl. Stuhles genau so, als
wenn er besetzt wäre.
Sämtliche Ordinationen von Priestern und Bischofskonsekrationen, die
durch Bischöfe erfolgen, welche exkommuniziert sind und kein Amt mehr
in der katholischen Kirche besitzen, sind unerlaubt. Und jeder, der von
einem solchen Bischof oder Priester Sakrament empfängt, bricht das
Gesetz in der gleichen Weise, als wenn er die Sakramente von einem
Priester oder Bischof der schismatischen griech.-orthodoxen Kirche
empfangen hätte. Solche Sakramente mögen gültig sein, aber sie sind
illegal, d.h. absolut verboten von der Kirche, will sagen von Gott.
Es ist uns daher verboten, die Sakramente von einem Bischof oder
Priester zu empfangen, der Johannes Paul II. anerkennt oder am
'Vatikanum II' teilgenommen hat oder von einem Bischof geweiht wurde,
der an diesem 'Konzil' teilhatte. Das bedeutet, daß aus diesen und auch
aus anderen Gründen der Ex-Erzbischof Lefebvre und alle Priester, die
von ihm geweiht wurden und in irgend einer Weise mit der
Priesterbruderschaft Pius X. verbunden sind, außerhalb der katholischen
Kirche stehen. Außer in Todesgefahr dürfen von ihnen keine Sakramente
empfangen werden. Aber nicht nur die lehrende Kirche ist verschwunden,
nicht nur der mystische Leib Christi ist auf einen bescheidenen Rest
reduziert worden, auch die Sakramente sind für diesen Rest, mit
Ausnahme der Taufe und der Ehe, welche von Laiengespendet werden bzw.
die Brautleute sich selbst spenden können, eigentlich nicht mehr
verfügbar.
Wir sagten oben, daß kein Katholik Sakramente von einem
nicht-katholischen Priester empfangen darf, ausgenommen in Todesgefahr
- und auch dies ist selten erlaubt und es wird davon abgeraten. Ein
Kanon aber, dem wir unsere Aufmerksamkeit zuwenden sollten, ist Kanon
2261 n2: 'Die Gläubigen (...) dürfen aus wichtigen Gründen Sakramente
und Sakramentalien von einem exkommunizierten Priester begehren, und
der Exkommunizierte darf sie in diesem Fall spenden, (...)
vorausgesetzt, daß er nicht 'Vitandus' ist (= z.B. ein Priester
außerhalb der Kirche)'. Das heißt also: wenn wir einen wahren Priester
kennen - auch wenn er exkommuniziert ist, weil er anfangs dem Novus
Ordo anhing oder der neuen Sekte Pauls VI., so dürfen wir von ihm die
Sakramente empfangen, natürlich vorausgesetzt, daß er keinen Anlaß zur
Verwirrung und zu Skandalen durch Lehre oder Benehmen gibt.
Wir wissen durch den Propheten Daniel, daß uns die Sakramente genommen
werden. Wir müssen daher unserer Schwäche mißtrauen, dafür voll und
ganz auf Gottes Allmacht vertrauen und ihn durch Opfer und Buße bitten,
uns mit den Gnaden auszustatten, die für ein Leben in der
heiligmachenden Gnade und für unser Ausharren bis zum Ende nötig sind.
Anstelle der hl. Kommunion müssen wir Akte der geistigen Kommunion
vollziehen (...). Noch wichtiger ist es zu wissen, was wir tun müssen,
wenn wir die Sakramente der Buße und der letzten Ölung empfangen
können. Jeder Katholik sollte daher wissen, was für einen Akt der
vollkommenen Reue erforderlich ist."
Soweit die Ausführungen von Herrn Gwynne. Wir haben sie so umfassend
wiedergegeben, weil sie mehrere Aspekte enthalten, die für unsere
weiteren Entfaltungen wichtig werden. Grundsätzlich ist dazu zu sagen,
daß sie den Zustand der Krise exakt beschreiben und die
kirchenrechtlichen Bestimmungen (nach CIC von 1917) gewissenhaft
applizieren. Gegen die darin jedoch vertretene Verabsolutierung rein
kirchenrechtlicher Positionen läßt sich zum einen mit den
Auslegungsprinzipien zum kirchlichen Recht argumentieren, die uns Papst
Gregor IX. ("Aus der Notwendigkeit heraus wird Unerlaubtes für erlaubt
erklärt", 4.Regel) und Bonifaz VIII. ("Es ist sicher, daß der sich
gegen den Geist versündigt, der sich an den Buchstaben klammert und den
Geist mißachtet", 88.Regel) hinterlassen haben (worauf sich Mgr.
Carmona hinsichtlich der Erlaubtheit seiner Bischofsweihe berufen hat -
vgl. EINSICHT vom Dez. 1982, S.134); denn "suprema lex salus animarum"
("das höchste Gesetz ist das Heil der Seelen"). Vom Kanonischen Recht
sagte Pius XII. am 3.6.1956: "Das Kirchenrecht hat das Ziel nicht in
sich selber. Es ist auf ein höheres Ziel hingeordnet. Wie alles in der
Kirche dient es dem Heil der Seelen und dem Apostolat." Wenn die
buchstäbliche Erfüllung eines Gesetzes sich gegen bestimmte Akte
richtet, die für das Heil der Seelen unerläßlich sind, z.B. die
Bewahrung der apostolischen Sukzession, "verpflichtet der Buchstabe des
Gesetzes nicht im Gewissen", sagt auch der hl. Thomas von Aquin (vgl.
Summa theol. I-II, q.95.a.4.), worauf sich Mgr. Guerard des Lauriers
beruft. Zum anderen gibt Herr Gwynne selbst einen Hinweis auf § 2261
n2, der Ausnahmen für die Sakramentenspendung auch von Klerikern
angibt, die seiner Meinung nach als exkommuniziert anzusehen sind. Um
diesen Paragraphen analog auf die Bischofsweihen von Mgr. Ngo-dinh-Thuc
anzuwenden, kann man dann - auch mit Herrn Gwynne - sagen, daß die
Weihen von ihm aus wichtigem Grund - die gefährdete Sukzession -
gespendet wurden.
Am 25.7.1984 erschien in der DEUTSCHEN TAGESPOST ein Beitrag aus der
Feder von H.H. Msgr. DDR. Klaus Gamber / Regensburg "Weihegewalt und
Bischofsamt", in dem das Problem der Gültigkeit der von Mgr. Thuc
konsekrierten Bischöfe aufgegriffen wird. Ohne die Gründe im einzelnen
mit uns zu teilen, weswegen diese Weihen überhaupt stattfanden, legt
Msgr. Gamber zur Bewertung von deren Gültigkeit die Bestimmungen der
orthodoxen Kirche zu Grunde, wonach eine unerlaubte Bischofsweihe auch
sakramental unwirksam ist, da die Weihe nur den "Abschluß eines
Prozesses darstellt, der mit der Wahl eingeleitet wird und mit der
Bestellung (Ernennung) für ein bestimmtes Bistum oder eine bestimmte
Funktion innerhalb der Kirche durch die zuständige Obrigkeit in ein
entscheidendes Stadium eingetreten" sei (vgl. a.a.O.). Nach Gambers
Meinung sind die Weihen, die von unserer Sicht aus zum Wiederaufbau der
Kirche beitragen sollten, "mit großer Wahrscheinlichkeit" nicht nur
"unerlaubt", sondern auch "ungültig" (vgl. DEUTSCHE TAGESPOST vom
5-9.1984).
Auf die dogmatische Haltlosigkeit dieser Auffassung wurde Msgr. DDR.
Klaus Gamber sowohl von Mgr. Dr. Storck (DT vom 21.8.84) als auch von
dem inzwischen verstorbenen Pater Dr. Athanasius Kroger (DT vom
22.8.84) hingewiesen. Die Ernennung bzw. Erwählung ist zwar für die
Erlaubtheit erforderlich, sie ist aber nicht conditio sine qua non für
die Gültigkeit der Weihe.
(Inzwischen wurde mir von privater Seite mitgeteilt, daß Mgr. Gamber
seine Position hinsichtlich der Gültigkeit revidiert habe.) Für ihn
"ist auch eine zeitweise glaubensschwache Teilkirche (nach ihm: die
römische Kirche) - sie ist als Ganzes nicht häretisch, sondern nur in
einigen ihrer Vertreter - immer noch die zuständige Hierarchie, wenn
auch erlassene Gesetze, die gegen die Tradition der Kirche sind, nicht
verpflichtend sein können". (DT vom 5.9.84) Denn "andernfalls käme es
innerhalb der Kirche zu chaotischen Zuständen, weil dann jeder Bischof
und Priester machen könnte, was er will" (DT vom 25.7.84).
Einmal abgesehen vom Problem der Gültigkeit, die selbst vom sog.
'offiziellen' Rom nie angezweifelt wurde, und der unterschiedlichen
Beurteilung der kirchlichen Lage zeigt aber Msgr. Gamber auf, daß die
Weihen nicht für sich gesehen werden können, sondern daß die
tatsächliche Amtsausübung im Jurisdiktionellen Sinne ohne Legitimation
durch eine Institution bzw. Person, die diese Jurisdiktion delegieren
kann, nicht vollzogen werden kann. Und das sagen wir auch. Da er aber
den Gewissensnotstand vieler Gläubiger sieht und andererseits auch
anerkennt, daß die röm.-kath- Kirche (bzw. 'Kirche') mit Irrtümern
durchsetzt ist - ohne jedoch unsere dogmatische Begründung zu teilen -,
macht er den Vorschlag, die römisch-katholische Rest-Kirche (diesmal
ohne Apostrophierung) solle sich dem Patronat einer intakten orthodoxen
Teil-Kirche so lange unterstellen, bis sich die Zustände in der
römischen Kirche gebessert hätten. "Es steht jedoch dem einzelnen frei,
falls er es aus Gewissensgründen für notwendig hält, sich einer anderen
(Teil-)Kirche, zum Beispiel der orthodoxen, anzuschließen." Diese
Unterstellung sei deshalb relevant, da die Kirche als Heilsinstitution
nur durch die Hierarchie gesichert sei.
Auch wenn man dem letzten Satz zustimmen muß und der Vorschlag für
manchen aus pastoraler Sicht von Bedeutung sein kann - in dem Sinne,
daß die schismatischen Orthodoxen in extremis die Sakramente nicht nur
gültig, sondern auch legitim spenden dürfen, wird damit kein Weg aus
der Krise gezeigt. Das Problem der Restitution der Kirche wird nicht
gelöst, sondern nur verschoben.
(Fortsetzung folgt) |