AUS EINEM RUNDSCHREIBEN VON PAPST LEO XII.
Es gibt eine Sekte - sie ist euch gewiß nicht unbekannt, sie nennt sich
sehr unrichtig die philosophische -, welche die zerstreuten Scharen
aller Irrtümer wieder aus ihrem Grabe auferweckt hat. Diese Sekte nimmt
den schönen äußeren Anstrich der Pietät und Liberalität an, bekennt
sich zur sogenannten Toleranz oder zum Indifferentismus und verbreitet
sich nicht bloß über bürgerliche Dinge, von denen Wir hier nicht
sprechen, sondern auch über religiöse, und lehrt, Gott habe jedem
Menschen völlige Freiheit gegeben, so daß jeder ohne Gefahr für sein
Seelenheil jeder Meinung oder Sekte sich zuwenden könne, die ihm nach
seinem Privaturteil an besten behagt. Ja, die Bosheit unserer Feinde
hat dermaßen zugenommen, daß sie neben der Verbreitung einer Masse
verderblicher und glaubensfeindlicher Bücher sogar noch die Heilige
Schrift, die uns zur allgemeinen Erbauung vom Himmel gegeben ist, zum
Nachteil für die Religion mißbraucht. (...)
Gegeben zu Rom bei S. Maria Maggiore, den 5. Mai 1824,
im ersten Jahre Unseres Pontifikates.
Leo pp. XII. |