NACH DER BUNDESTAGSWAHL
von
Hagen Ladwein
Niemand zweifelte vor den Bundestagswahlen am Sieg der bisherigen
Koalition, und ebenso war abzusehen, daß die Zentrumspartei die
5-Prozent-Hürde nicht nehmen werde. Trotz dieser Sachlage sah sich
Pater Natterer in der Januar-Nummer des Mitteilungsblattes der
Priesterbruderschaft dazu verpflichtet, den Lesern "Die
Schreckensvision einer rot-grünen Koalition vor der Tür" glauben zu
machen, um schlußfolgern zu können: "Angesichts dieser Sachlage wird
man die Wahl des kleineren Übels wenigstens als prinzipiell im Gewissen
verantwortbar ansehen müssen." Einige Zeilen vorher erlaubt er sich,
von "sogenannten C-Parteien" zu schreiben, denen er also den
christlichen Namen aberkennt, weil sie sich "unwiederbringlich im
liberalen Fahrwasser bewegen und Standpunkte einnehmen, zum Beispiel
bei den Punkten Abtreibung oder Frauenemanzipation, die von Christen
niemals akzeptiert werden können".
Pater Natterer erachtet somit nichtchristliche Parteien, die
"unwiederbringlich im leberalen Fahrwasser" sind und Standpunkte
einnehmen, "die von Christen niemals akzeptiert werden können", für das
"kleinere Übel" und "principiell" als wählbar.
Kann denn Wählen Sünde sein? Sicher ist unbezweifelt, daß man durch die
Wahl einer atheistischen Partei, wie der KPD, eine Sünde begehen kann.
Die Frage konzentriert sich somit darauf, ob die CDU oder CSU für einen
Christen noch wählbar sind.
Während der fünf Regierungsjähre der CDU wurde weder eine
Gesetzesnovellierung des ß 218 (Abtreibung) beantragt, noch wurde die
Zwangsfinanzierung der Abtreibung durch die gesetzlichen Krankenkassen
abgeschafft. Abtreibung ist Mord; Mord an schutzbedürftigen Kindern,
Mord am Volke. Die christlichen Parteien haben die Pflicht, die
Abtreibung zu verhindern und, falls möglich, dagegen zu agieren. Diese
Möglichkeit war den sogenannten C-Parteien während fünf Jahren geboten
- doch nichts geschah und nichts wird geschehen! Der geistige und
moralische Zerfall Deutschlands wurde nicht einmal zum Stillstand
gebracht. Im Gegenteil, die jetzige Bundesregierung erwies sich als
Diener gleicher Programme wie andere Parteien ohne das C, lediglich
verbale und methodische Ausführungen ihrer Programme sind zu
unterscheiden; die Resultate der Regierungs-Politik weisen tendenziell
in' die gleiche abschüssige Richtung.
Die Abtreibung ist ein wesentlicher Punkt zur Unterscheidung der
Geister, abgesehen von weiteren unverantwortlichen Programmpunkten wie
Frauenemanzipation, Familien- und Bildungspolitik, Pornogesetzgebung,
Sexualkundeunterricht, fehlende Gesetze zum Schütze der Jugend und
anderen.
Wenn ein Mörder zu mir kommt und von mir Nahrung verlangt, um den Weg
zu seinem nächsten Opfer bewältigen zu können, darf ich ihm, wenn ich
seine Absicht erkenne, die verlangte Nahrung nicht geben, um sein
Vorhaben zunichte zu machen und um nicht mitschuldig an seiner Tat zu
werden (fremde Sünden). Die C-Parteien lassen die Abtreibung zu. Eine
Wahl dieser Parteien bedeutet somit, die Abtreibung nicht zu
verhindern, wozu uns jedoch Gottes Gebot und unser Gewissen
verpflichten. Ein Übel kann nicht durch ein anderes Übel eliminiert
werden, sondern es wird dem ersten Übel noch ein zweites hinzugefügt.
Um Schlimmes zu verhindern, darf man keine Sünde empfehlen!
"Eine solche CDU-Politik durch Stimme und Wahl zu unterstützen ist für
einen gläubigen Katholiken vom Gewissen her unmöglich, sie widert ihn
als peinlicher Zeitgeist-Kotau an", schrieb Prälat Professor Dr. Joh.
Bökmann unzweideutig in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift
"Theologisches" (August 1986, Sp. 7182 f.). Und Max Lackmann,
evangelisch-lutherischer Pfarrer schrieb in einem Leserbrief an die
"Deutsche Tagespost" vom 15. Januar 1987: "Für die C-Parteien geht wie
auch alle bisherigen Wahlreden bekräftigen, die Bewahrung und das
Erringen der politischen Macht in Koalition mit der FDP vor Gottes
Gebot, vor einem durch Gottes Heiligen Geist geprägten Gewissen
(Finanzierungszwang der Abtreibung durch die Krankenkassen). Darin
stimmen sie faktisch mit den anderen Bundestagsparteien überein.
Folglich ist nach meinem Verständnis des Glaubensgehorsams in der
Nachfolge Christi, des apostolischen Glaubenszeugnisses der Heiligen
Schrift und der Glaubenslehre der christlichen Kirche keine der
gegenwärtigen Bundestagsparteien wegen ihrer Duldung des § 218 für
einen gläubigen Christen wählbar." (...) ("Saka-Informationen", März
1987) |