DER HL. ANTONIUS VON PADUA
von
Manfred Jacobs
Schluß:
Das Generalkapitel von 123o in Assisi war für Antonius aber auch in
anderer Hinsicht von weitreichender Bedeutung. Abgekämpft, krank und
müde bat er darum, nach dreijähriger Amtszeit als Provinzialminister
auf dieses Amt zu resignieren und sich nach Paduazurückziehen zu
dürfen, was ihm auch gewährt wurde. In der Stadt Padua, die er bei
seinem ersten Visitationsbesuch als Provinzialminister besonders
schätzen gelernt hatte, war ihm jetzt nur noch wenig mehr als ein Jahr
seines irdischen Lebens beschieden. Dieses eine Jahr war völlig
ausgefüllt mit Predigen, der Abfassung der "Predigten auf die
Heiligenfeste", eine Arbeit, die ihm nach dem Erfolg der "Predigten auf
alle Sonntage" auf Bitte des Papstes von dem Kardinal Rinaldo
aufgetragen worden war, und vor allem dem Beichthören in der Kirche
Santa Maria Mater Domini. Ganze Tage verbrachte er bei dieser
anstrengenden und aufopferungsvollen Tätigkeit, von den frühen
Morgenstunden bis zur Zeit des Sonnenunterganges, weil die "Beichte die
Pforte zum Himmel ist", "sie ist das Haus Gottes..., dort versöhnen
sich die Sünder mit Ihm, wie der verlorene Sohn sich mit dem Vater
versöhnt". Gerade dieses Thema wiederholt der hl. Antonius immer
wieder: die göttliche Einsetzung, die Verpflichtung und die Wirkung.
Der ständige Hinweis darauf war notwendig, weil die Beichte durch die
Häresie immer wieder ganz massiv und öffentlich angegriffen wurde.
Noch einmal, jetzt ein letztes Mal, trat Antonius zu einem Großeinsatz
an. Es waren seine Fastenpredigten, die er vom6. Februar bis zum 23.
März 1231 hielt. Trotz des fortschreitenden Verfalls seiner
körperlichen Kräfte führte er als erster die Vorbereitung auf das
Osterfest durch tägliche Predigten ein. Wegen dieses enormen Einsatzes
wurde Antonius vom Dämon schwerstensverfolgt. Wir erfahren aus der
"Assidua", daß Antonius einem Mitbruder anvertraut habe, Satan habe
versucht, ihn im Schlaf zu erwürgen. In seiner Not hätte er die
Gottesmutter um Hilfe angerufen, wodurch Satan verjagt worden sei.
Die Fastenpredigten fanden in Padua solchen Anklang und einen
derartigen Zulauf, daß große Plätze die Zuhörer aufnehmen mußten, weil
alle Kirchen für die herbeieilenden Gläubigen und Zuhörer viel zu klein
waren. Bischöfe, Priester, Ordensleute, Studenten, Handwerker,
Professoren bildeten das Auditorium des Predigers,und die anwesenden
Priester reichten nicht aus, allen Pönitenten die Beichte abzunehmen.
Wie immer und überall war auch hier die Wirkung der Worte des Antonius
ganz außergewöhnlich und weitreichend. Streitende vertrugen sich,
unrechtes Gut wurde zurückgegeben, Dirnen änderten ihr Leben und
vieles, was durch menschliche Schwäche im argen gelegen hatte, wurde
behoben.
Nach diesen, für den todkranken Antonius außerordentlich anstrengenden
Tagen zog er sich völlig erschöpft aus der Stadt zurück, über der die
Hitze flimmerte, um in dem 19 km nördlich von Padua gelegenen Dorf
Camposanpiero etwas Linderung zu suchen. Ein Graf Tiso, Freund der
Franziskaner, hatte dort den Minderbrüdern ein Haus und eine Kapelle
zur Verfügung gestellt. In dem Garten, der zu diesem Anliegen gehörte,
stand ein großer Nußbaum mit einer stattlichen Krone. Unter denZweigen
dieses Baumes suchte Antonius Linderung, denn jeder Schritt, ja jeder
Atemzug war ihm zur Qual geworden. Von diesem Baum aus predigte er
sogar noch den herbeieilenden Menschenmengen, die ihn unbedingt hören
wollten. Abends schleppte er sich dann zurück zu den Brüdern.
Seine Krankheit, die Wassersucht, mangelnder Stoffwechsel und die argen
Schmerzen ließen ihn nachts keine Ruhe oder Schlaf finden. In einer
solch furchterlichen, schlaflosen Nacht, in der er betend das Ende
seiner irdischen Pilgerschaft erwartete, war es, wo ihm das Jesuskind
eine stärkende Vision schenkte. Graf Tiso, der nachsehen wollte, wie
sich sein leidender Freund fühlte, sah einen Lichtschein in der Zelle,
der ihn auch noch herbeizog, und wurde so Zeuge des übernatürlichen
Geschehen. Antonius nahm dem Grafen das Versprechen ab, niemandem davon
zu erzählen. Später aber, nach dem Tod des Antonius fühlte sich Graf
Tiso nicht mehr an das gegebene Versprechen gebunden und lüftete das
Geheimnis jener Nacht, und wir dürfen ihm dafür dankbar sein.
Nur ein paar Wochen nach seiner Ankunft in der Campagna, es war ein
Freitag, der 13. Juni 1231, wurde Antonius während der Mittagsmahlzeit
von einem plötzlichen Unwohlsein befallen. Er erbleichte und sein Kopf
sank auf die Brust. Totenbleich ließ er sich von den beiden Brüdern
Luca und Ruggiero, die hinzugesprungen waren und sich um ihn bemühten,
nach Padua in sein geliebtes Kloster Santa Maria Mater Domini
zurückfahren, wo er seine Seele dem Schöpfer zurück geben wollte.
"Füge, o Herr, daß wir im kleinen Nest unserer Armut sterben dürfen",
hatte er einst nach seiner ersten Fastenpredigt geschrieben. Und, so
hatte er auch einmal festgehalten: "Das Leben des Menschen gleicht
einer Brücke, und die Brücke ist für den Übergang geschaffen, nicht, um
ständig Wohnung dort zu nehmen." An anderer Stelle heißt es: "Wer sich
in Gedanken an den Tod demütigt, weiß sein ganzes Leben richtig
einzuschätzen. Er ist aufmerksam gegenüber allen Dingen seiner Umwelt,
er läßt sich in seiner Tätigkeit aufrütteln, er verliert in
Schicksalsschlägen nicht den Mut und vertraut der Barmherzigkeit des
Herrn inmitten aller Nöte, er weiß den Lauf seines Daseins in den Hafen
der Ewigkeit zu lenken."
Auf einem Karren, gezogen von zwei Ochsen, entlang einer alten
Römerstraße, die heute "Straße des Heiligen" heißt, wurde der zu Tode
ermattete Antonius nach Padua transportiert. Und noch einmal die
unvorstellbaren Qualen durch das ständige Rütteln und Stoßen, dazu die
glühende Sonne fünf Stunden lang. Bevor man noch die Stadt erreichen
konnte, wurde der Zustand des kranken Antonius so kritisch, daß es
ratsam erschien, bereits in der Eremitage von Arcella halt zu machen.
Das Ende stand unmittelbar bevor. Auf einer Lagerstatt dahindämmernd
verlangte Antonius plötzlich nach der Letzten Ölung. Nachdem er den
Gebeten der Mitbrüder andächtig gelauscht hatte, waren seine letzten
Worte: "Video Dominum meum" ("Ich sehe meinen Herren"). Mit der
untergehenden Sonne verschied Antonius, einer der ganz großen Heiligen
der Kirche.
Durch eine Indiskretion wurde der Tod des Antonius unmittelbar danach
bekannt, und es trat das ein, was die Mönche befürchtet hatten. Die
Kinder liefen durch die Straßen und riefen: "Antonius ist gestorben!"
"Unser heiliger Vater ist gestorben!" Alle, die das hörten, kamen
gelaufen und wollten Reliquien. Es kam zu unerfreulichen Szenen, ja es
kam sogar zum Kampf um den Leichnam des Verstorbenen. Jeder wollte ihn
haben. Die Bewohner von Capo di Monte wollten ihn behalten und im
dortigen Klarissenkloster beisetzen. Die Bewohner von Padua wollten ihn
in die Marienkirche überführen, so wie es der Wunsch des Heiligen war
und wie es auch vom Bischof angeordnet wurde. Ganze vier Tage lang
dauerte der Streit, und es wäre fast zu einem Bürgerkrieg gekommen. Die
Parteien hatte sich bereits bewaffnet, willens zur blutigen
Auseinandersetzung. Diese Vorkommnisse zeigen uns, daß das Volk sehr
richtig in Antonius keinen verknöcherten, zurückgezogenen, in sich
gekehrten Menschen vor sich gehabt zu haben, trotz seiner Strenge,
sondern einen heiligmäßigen Mann.
Es war auch nicht vergessen worden, daß Antonius gegen das römische
Recht, welches damals durch die Juristenschule von Bologna wieder zur
Geltung gebracht worden war, angekämpft hatte. Dieses Recht besagt, daß
sich ein Gläubiger an der Person des Schuldners schadlos halten und
diesen mit seiner ganzen Familie ins Gefängnis werfen lassen konnte.
Drei Monate vor seinem Tod, am 15. März 1231, hatte Antonius erreicht,
daß in Padua diese gesetzliche Bestimmung aufgehoben und dahingehend
abgeändert worden ist, daß, wenn ein Schuldner zahlungsunfähig ist und
er schon auf sein Eigentum verzichtet hat, dieser nicht weiter
behelligt werden durfte, besonders aber nicht mehr ins Gefängnis
gebracht werden durfte. Auch ging Antonius, der sehr wohl die
charakterliche Veranlagung und die Eigenschaften des Tyrannen Ezzelin,
eines Vasallen Kaiser Friedrichs II., kannte und er nicht damit rechnen
konnte, daß seiner (Antonius) Bitte um Freigabe der gefangenen Feinde
Ezzelins willfahren würde, so weit, trotzdem in dieser Absicht mit
Ezzelin persönlich zu verhandeln. Der Erfolg blieb aber, wie von
Antonius schon von vorneherein angenommen, versagt. Es zeigt aber, daß
Antonius nichts unversucht gelassen hatte, um Not und Elend zu lindern,
wo immer er Gelegenheit dazu hatte.
Endlich, am fünften Tag, einem Dienstag, dem 17. Juni 1231, gelang es
dann doch, den Leichnam des Heiligen in feierlichem Zuge in die
Marienkirche nach Padua zu überführen. Dem Sarg folgte der Bischof,
Vertreter der weltlichen Behörden und eine unübersehbare Volksmenge.
Alle trugen Kerzen in den Händen. Es war so recht eigentlich ein
Triumphzug. In Padua angekommen, segnete der Bischof den Leichnam in
der Marienkirche. Dann wurde die irdische Hülle des Antonius in einen
Marmorsarg, welcher der Kathedrale gehörte, gebettet.
Bereits während der Beisetzungsfeierlichkeiten geschahen zahlreiche
Wunder. Viele Kranke und Behinderte wurden dadurch geheilt, weil sie
den Grabstein berührten, ja sogar schon diejenigen, die wegen des
Gedränges nur bis zu den Stufen der Kirche gekommen waren. So berichtet
es uns der Chronist der Vita prima. Es ist deshalb durchaus nicht
verwunderlich, wenn täglich lange Prozessionen das Grab des hl.
Antonius besuchten, wobei auch der Bischof seine Schuhe auszog und
viele diesem Beispiel folgten. So wurde Antonius schon als Heiliger
verehrt, bevor er offiziell heiliggesprochen worden war. Diese
Verehrung erhielt noch dadurch Nahrung, weil sich am Grabe des
Minderbruders zahlreiche Wunder und Gebetserhörungen ereigneten. Das
führte dazu, daß bereits vor Ablauf eines Monats seit dem Tode des
Antonius der 88jährige Papst ersucht wurde, den Minderbruder Antonius
heilig zu sprechen. Der formelle Antrag zur Seligsprechung und die
Beurteilung der Tatsachen wurde von Gregor IX. an eine Kommission
verwiesen. Diese wollte Beweise und Gegenbeweise. Die Wunder wurden
nochmals geprüft von zwei Kardinallegaten. Die Akten des
Diozesanprozesses, denen die öffentlichen Petitionen der
Universitätsprofessoren und der Behörden beigefügt waren, wurden von
angesehenen Bürgern dem Papst überbracht. In Rom wurde der Prozeß dem
Bischof von Sabina anvertraut. Den Vorsitz im Richterkollegium führte
Kardinal Johannes von Abbeville, einem früheren Mönch von Cluny. Aber
auch hier verlief nicht alles reibungslos. Ein Kardinal meldete
Bedenken an wegen "überstürzter Beweisaufnahme". Antonius erschien dem
Kardinal und zerstreute seinen Einwand.
So konnte schließlich am 3o.Mai 1232, am Pfingstfest, kaum ein Jahr
nach dem Ableben des Antonius, von Papst Gregor IX. im Dom zu Spoleto
die feierliche Proklamation der Heiligsprechung verlesen werden. Das
Fest des hl. Antonius von Padua wurde auf den 13. Juni festgesetzt.
Vorausschauend stimmte der Papst die Antiphon für die Kirchenlehrer an.
Tags darauf richtete der Papst eine Bulle "an unsere teuren Söhne, den
Stadtherrn und das Volk von Padua" und am 23. Juni wandte er sich an
die Gesamtkirche mit einem zusammenfassenden Bericht über das gesamte
Verfahren. Er betont darin das "unübersehbare Zeugnis der Heiligkeit",
womit Antonius "es verdient, nicht unter den Scheffel gestellt zu
werden, sondern auf den unsterblichen Leuchter der katholischen
Kirche". Endlich, 1946 wurde der hl. Antonius von Papst Pius XII. zum
Kirchenlehrer ernannt. Antonius bekannte sich in seinem spekulativen
philosophischen als auch theologischen Denken zur Scholastik,
allerdings berief er sich im Gegensatz zu den Dominikanern nicht auf
Aristoteles, sondern entwickelte eine eigene franziskanische Schule,
die sich auf Piaton und Augustinus stützte.
Das Dogma von der leiblichen Aufnahme Mariens, das von Pius XII.
verkündet wurde, erinnert uns auch an den hl. Antonius. Sowohl
Franziskus, der seinen Orden dem Schutz Mariens unterstellt hatte, als
auch Antonius waren glühende Marienverehrer und bereits Antonius hatte
die Auffassung von der leiblichen Aufname Mariens in den Himmel
vertreten.
Zurück ins Jahr 1232. Die Bürger von Padua hatten beschlossen, "ihrem"
Heiligen eine Grabeskirche zu bauen. Der Grundstein hierfür wurde im
selben Jahr der Heiligsprechung gelegt. Fünf Jahre später, 1237 wurde
Padua von Ezzelin eingenommen und von ihm 17 Jahre lang despotisch
beherrscht. Während dieser Zeit ruhte die Arbeit am Kirchenbau. Nachdem
das Querschiff stand, beschloß der Senat von Padua, die Gebeine des
Heiligen aus der Marienkirche in die Grabeskirche zu überführen. Als
man 1263 das Grab öffnete, war die Zunge völlig unverwest geblieben.
Der Ordensgeneral - damals war es der hl. Bonaventura -, der bei der
feierlichen Übertragung anwesend war, nahm die Zunge ehrfurchtsvoll in
seine Hände und sagte unter Tränen: "0 gebenedeite Zunge, die du immer
Gott gelobt hast, jetzt wird es offenbar, wie hoch du bei Gott stehst."
Er befahl, die Zunge in einem eigenen Reliquiar aufzubewahren, wo sie
heute noch gesehen und verehrt werden kann.
Noch zweimal wurden die Gebeine des hl. Antonius umgebettet. Einmal
1310, nach der Fertigstellung des Mittelschiffes, und noch ein letztes
Mal 135o in eine eigene Grabkapelle, die an die Kirche angebaut worden
war. Auch die Stadt München ist so glücklich, eine Reliquie des hl.
Antonius von Padua zu besitzen. Es ist ein Stück vom Oberarmknochen des
Heiligen, ausgestellt auf dem Antoniusaltar der St. Anna- Kirche.
Padua ist eine Stadt mit einem Heiligen, dessen Namen man nicht eigens
nennen muß. Niemand sagt dort: hl. Antonius, denn jedermann weiß wer
gemeint ist, wenn es heißt: "II Santo" - "Der Heilige".
Literaturhinweise:
Scandaletti, Paolo: "Antonius von Padua - Volkheiliger und Kirchenlehrer" Graz Köln 1983.
Diener, Gangolf: "Antonius von Padua - Der große Prediger und Helfer des christlichen Volkes" Bamberg 1967. |