DER WIEDERAUFBAU DER KIRCHLICHEN HIERARCHIE
Vorbemerkung der Redaktion zu Fortsetzung III.:
Als Nachtrag zur letzten Folge unserer Artikelserie (vgl. EINSICHT Juli
1986, S.39 ff.) möchte ich den Lesern mitteilen, daß Rev. Fr. McKenna
OP seinen dort beschriebenen Standpunkt verlassen und es vorgezogen
hat, sich der Theorie von Mgr. Guerard des Lauriers OP anzuschließen,
wonach Mgr. Wojtyla "Papa materialiter, non formaliter" sei. In einem
"Mea culpa" überschriebenen Beitrag in der Mai-Nummer von CATHOLICS
FOREVER von 1986 (Fortsetzung dieser Thesen im Juli-Heft) gibt er
bekannt, daß er bis dahin den französischen Bischof angeblich
mißverstanden habe. Nach der von ihm nun vertretenen Position könnten
die abgefallenen Hierarchen allein schon durch ihre Bekehrung ihr
verlorenes Amt wiedererlangen.
Man kann nur hoffen, daß nach dem mehrfachen Nachweis der
offensichtlichen Falschheit dieser Theorie die Gläubigen hellhöriger
und einsichtiger geworden sind und daß der pastorale und glaubensmäßige
Schaden, den Fr. McKenna durch die Verbreitung der des-lauriersschen
These vom Halb-Papst Wojtyla anrichten wird, begrenzt bleibt. S.E. Mgr.
Pierre Martin Ngo-dinh-Thuc, dreifacher Doktor und Lizentiat, hatte,
als ihm Mgr. Guerard des Lauriers seine Auffassungen vortrug, eine
wenig schmeichelhafte Bemerkung als Kommentar dazu gemacht, die wir
Mgr. G.d.L. nicht vorzutragen wagten.
In CATHOLICS FOREVER vom März 1986 hatte Fr. McKenna OP noch auf einen
Beitrag hingwiesen, in dem der Verfasser Brian P. Champlin, ein
graduierter Student aus Berkeley / U.S.A. im Zusammenhang mit der
Restitution der Kirche auf das Problem einer Papstwahl unter den
gegebenen Umständen eingeht. Wir haben uns diesen Artikel (oder besser:
die Fortsetzung eines Briefwechsels mit dem Herausgeber von CATHOLICS
FOREVER) im Manuskript besorgt und veröffentlichen ihn hier
unkommentiert als einen weiteren Beitrag im Zusammenhang mit unserer
Debatte über die Wiederherstellung der kirchlichen Hierarchie.
Eberhard Heller
***
AD ELIGENDUM PONTIFICEM ROMANUM
(ZUR WAHL EINES RÖMISCHEN PONTIFEX)
von
Brian P. Champlin
übers. von Eugen Golla
Vorwort des Verfassers:
Der folgende Artikel, der nun auch den Lesern von EINSICHT (bzw.
CATHOLICS FOREVER) vorgelegt wird, hat seinen Ursprung in einem letztes
Jahr an Father McKenna OP geschriebenen Brief. Der Beitrag ist, von
geringen Änderungen abgesehen, derselbe, wie dieser Teil des Briefes.
Er wendet sich an sämtliche Katholiken, welche den Hl. Stuhl als vakant
ansehen. In Anbetracht der Vakanz des Hl. Stuhles bietet er eine
Methode der Papstwahl an, welche den heutigen Umständen entspricht. Es
soll zur Kenntnis genommen werden, daß dieser Artikel nicht den Versuch
unternimmt, die Vakanz des Römischen Stuhles zu beweisen. Die
vollständige Unvereinbarkeit der Dokumente von Vatikanum II, besonders
von "Dignitatis humanae personae" mit der traditionellen katholischen
Lehre, die totale Unvereinbarkeit des sog. Novus Ordo Missae mit der
katholischen Messe (besonders die Fälschungen in den hl. Rubriken,
welche auf das Opfer und das Sakrament hinweisen und es als solches
schützen), ferner die Unmöglichkeit, daß Gott es zuließe, daß ein
wahrer Papst solche Dokumente promulgierte oder Sakrilegien bzw.
Häresien bezüglich grundlegender Rubriken oder Riten seinen Stempel
aufdrücken würde, all dies soll hier nicht diskutiert werden. Es soll
vielmehr eine mögliche Methode einer Papstwahl unter den gegenwärtigen
Bedingungen vorgelegt werden. Für Katholiken mit "sedesvakantistischer
Überzeugung" muß solch eine Wahl eine besondere Priorität genießen. Das
große Werk des Wiederaufbaues der Kirche nach der Zerstörung durch
Vatikanum II muß auf dem Fels Petri gegründet werden, dem Ursprung der
Einheit der Kirche. Bevor wir den Wiederaufbau der zusammengefallenen
Mauern des Hauses Gottes fortsetzen, müssen wir Petrus und seine
Autorität in unserer Mitte haben; sonst sind alle unsere Bemühungen
zwecklos. Hier folgt nun ein Vorschlag für die Wahl eines Römischen
Papstes. Ich hoffe, daß dieser Vorschlag zumindest die Frage aufwirft,
wie in unserer Lage ein Papst zu wählen wäre. Ich bitte darum, daß
derjenige, welcher seine Feder in die Hand nimmt, um meinen Vorschlag
zu widerlegen, eine alternative Lösung anbietet. Auf diese Weise hoffe
ich, daß - unabhängig vom Werte meiner Ideen - etwas Licht und
Fortschritt in die Lösung der zahlreichen Probleme, denen die Kirche in
der Welt von heute gegenübersteht, gebracht wird.
(sig.:) Brian P. Champlin
***
Der Hl. Stuhl ist vakant. Die apostatischen 'Päpste' von Vatikanum II
können unmöglich katholische Päpste sein. Dies ist sämtlichen
katholischen Gläubigen, die Augen haben, um zu sehen, klar. Da der
Heilige Stuhl vakant ist, wohnt das Recht, einen Papst zu wählen, der
Kirche inne. Die Frage ist aber: Wer sind die (Teil)Glieder der Kirche,
die das Recht haben, wirklich einen Papst zu wählen, die also das Recht
ausüben dürfen, welches im allgemeinen der Kirche in ihrer Gesamtheit
zusteht?
Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir meines Erachtens uns der
Methode der Wahl eines Papstes zuwenden, welche ungefähr in den letzten
800 Jahren die Norm in der Kirche war.
Das Kollegium der Kardinale wählt den Papst. Warum? Weil sie, die
Kardinale die höchsten Repräsentanten des Klerus der Diözese Roms sind.
Jeder Kardinal ist in jedem Fall zugleich Pfarrgeistlicher der
iömischen Diözese und besitzt seine eigene Kirche in Rom. Wenn nun aber
das Kollegium der Kardinale zu bestehen aufgehört hat, was heute
evident der Fall ist, wer soll dann das Recht zur Papstwahl besitzen?
Ich fand zu dieser Frage zwei Theorien. Die erste, welche mir weniger
"probabel" erscheint, besagt, daß die Bischöfe der katholischen Kirche
dann das Recht zur Papstwahl besäßen. Die zweite, wie es mir scheint,
korrekte Ansicht ist die, daß die restlichen Glieder des Klerus der
Diözese Roms das Recht besitzen, ihren Bischof zu wählen. Warum?
Der Papst ist Papst, weil er Bischof von Rom ist, d.h. Nachfolger auf
dem Stuhl, den zuerst der hl. Petrus inne gehabt hatte. Sämtliche
anderen Vorrechte und Titel des Papstes leiten sich von jenem Fundament
ab: dem Bistum Rom. Wer wählt aber nun den römischen Bischof, wenn
nicht die Kirche und der Klerus Roms? Das Recht der Kardinale, den
Papst zu wählen, basiert - wie bereits erwähnt - darauf, daß sie die
höchste Rangstelle unter dem römischen Klerus inne haben. Was ist nun
einleuchtender, als daß für den Fall, daß die höchsten Glieder des
römischen Klerus von der Bildfläche verschwunden sind, nun die
restlichen Glieder dieses Klerus ihren Bischof wählen? Auf welcher
Grundlage kann ein Recht, das immer der Römischen Kirche gehörte, auf
die Bischöfe der Welt übertragen werden, die keine Glieder der lokalen
Kirche Roms sind? Die Römische Kirche wählt den Bischof von Rom. Ist
diese Ansicht korrekt, so ist klar, daß das Recht der Papstwahl
gegenwärtig den Priestern der Diözese von Rom zusteht.
Die nächste und entscheidende Frage ist dann: Wer sind heute die
Priester der Diözese Roms? Um hierzu meine Meinung zu sagen, will ich
einen Augenblick abschweifen und die Lehre von der Unfehlbarkeit der
Kirche in Erinnerung bringen. Ich zitiere aus Rev. Arthur Devines
"Erklärung des Glaubens" (The Creed explained) London 1892:
"Unfehlbarkeit":
Dies ist eine Eigenschaft, mittels welcher die Kirche nicht irren kann;
mittels welcher sie ihre göttliche Beschaffenheit oder Gaben weder
verlieren kann noch diese auch nur für kurze Zeit vermindert werden
können.
Die Lehre der kirchlichen Unfehlbarkeit mag nun zusammengefaßt werden in den folgenden Sätzen:
a) die gesamte Kirche als solche ist unfehlbar;
b) ein Teil der Kirche, nämlich der Apostolische Stuhl, ist unfehlbar;
c) die Teilkirche dieser oder jener Diözese, dieser oder jener Nation können in einen Irrtum fallen und abfallen.
Es scheint mir, daß Gott in dieser katastrophalen Zeit hinsichtlich der
Zerstörung der Kirche so viel als IHM möglich ist, zugelassen hat. Es
ist de fide sicher:
1. daß die Kirche in ihrer Gesamtheit nicht abgefallen ist, und
2. daß die Römische Kirche oder Diözese nicht abfiel.
(Anmerkung der Redaktion: in welcher Weise die Diözese Rom nachAnsicht
von Herrn Champlin den Glauben bewahrt haben soll, wird vom Autor noch
eingehender beschrieben; denn ganz offenbar war es doch in erster Linie
Rom, welches den Glaubensverrat an höchster Stelle beging. Für den
weiteren Verlauf dieses Artikels ist diese These, daß die Diözese Roms
nicht vom Glauben abfiel, entscheidend. Champlin wird sich so behelfen,
daß er Rest-Kirche und röm. Diözese weitgehend gleichbedeutend
behandelt.) Es ist indessen - wenn wir die Augen öffnen und die
weltweite Zerstörung des katholischen Glaubens betrachten - auch
sicher, daß jede einzelne Diözese, ausgenommen die Ewige Diözese Roms,
abfiel.
Welcher Diözesanbischof bewahrte den katholischen Glauben und
praktizierte ihn in seiner Diözese, indem er das häretische Vatikanum
II und den häretischen Novus Ordo verwarf? Kein einziger? Es gibt keine
einzige Diözese, die sich niclt der Revolution von Vatikanum II
unterwarf, die Diözese Rom ausgenommen, welche, wie wir wissen, de fide
nicht abfiel.
Wie steht es nun in diesem Zeitpunkt mit der Kirche? In dieser Lage,
d.h. bis ein neuer Papst gewählt ist und der wieder die Diözesen
errichtet und Bischöfe entsendet, um sie zu regieren, ist die
katholische Kirche als Ganzes identisch mit der Teilkirche von Rom, mit
der Diözese von Rom. Der höchste Grad von Ironie in dieser
Angelegenheit ist, daß der Versuch Satans und seiner menschlichen
Anhänger, die Ewige Kirche Roms zu zerstören, sie von der Erde
hinwegzufegen, die gegenteilige Wirkung hatte, nämlich ihre Grenzen bis
zum Ende der Welt zu erweitern. Heutzutage existieren Rom und die
römische Kirche überall, wo der Glaube und die Praxis der römischen
Kirche erhalten blieben. Es muß daran erinnert werden, daß die römische
Kirche, obwohl sie eine physische Basis, nämlich die Stadt Rom besitzt,
eine rechtliche und geistige Wesenheit ist. Es ist hinsichtlich des
rechtlichen Roms möglich, daß es sich an einem anderen Ort befindet als
das physische Rom, wenigstens für eine gewisse Zeit - siehe bitte die
"Babylonische Gefangenschaft" des Papsttums in Avignon.
Jetzt wende ich mich der Frage zu, was mit all jenen Priestern wie Sie,
Pater ist, welche dem wahren Rom treu blieben. In welcher Diözese sind
gegenwärtig rechtgläubige katholische Priester sozusagen
"inkardiniert"? Doch nicht in den Diözesen, zu welchen sie vor dem
Vatikanum II gehörten, denn diese sind erloschen, sondern in der
römischen Diözese sind sie inkardiniert.
***
Berkeley, den 25.3.1985
Hochwürdiger Pater!
Für Ihren Brief vom 21. März danke ich Ihnen. Bei erneuter Betrachtung
des Problems der päpstlichen Sukzession möchte ich eine mögliche Lösung
der Schwierigkeiten, die aus den objektiven "probablen" Zweifeln
hinsichtlich der Legitimität der neuen Bischöfe (gemeint sind die
Bischöfe, die von S.E. Mgr. Ngo-dinh-Thuc und in seiner Nachfolge
geweiht wurden; Anm.d.Red.) resultieren, anbieten. Um dieses Problem zu
lösen, muß man sich meiner Meinung nach der Natur der päpstlichen
Jurisdiktion und ihres Ursprungs sowie ihrem Wesen u. dem Augenblick
ihres Empfanges zuwenden. Ich will Ihnen, Pater, einige wohl bekannte
Punkte ins Gedächtnis zurückrufen und sie dann auf die gegenwärtige
Situation beziehen.
Die gesamte Jurisdiktion in der katholischen Kirche hat ihren Ursprung
im Papst. Indessen empfängt der Papst seine Jurisdiktion direkt von
Gott. Sie kommt weder von der Kirche als Ganzes betrachtet, noch von
den Kardinalen (oder anderen Wählern). Diese fungieren lediglich als
Gottes Werkzeuge bei der Verleihung der päpstlichen Macht. Der einzige
Unterschied zwischen dem hl. Petrus und den ihm nachfolgenden Päpsten
besteht in dieser Hinsicht darin, daß Gott direkt den ersten Papst zum
Papsttum bestimmte. Die nachfolgenden Päpste bestimmte Er mittels
menschlicher Wähler. (Anm.d.Red.: Das hat etwas mit der Sichtbarkeit
der Kirche zu tun!)
Um jetzt weiter fortzufahren: Der Papst besitzt die Fülle der
päpstlichen Jurisdiktion von dem Augenblick an, in welchem er die Wahl
annimmt und dies auch dann, wenn er, was die hl, Weihen betrifft, noch
ein einfacher Priester ist. Gregor XVI. war der letzte Papst, der zur
Zeit seiner Wahl im Jahre 1831 noch kein Bischof war. Als Gregor zum
Papst erwählt worden war, wurde er der oberste Pontifex im Augenblick
der Annahme seiner Wahl. Es ist eine Art von Besonderheit, daß der,
welcher noch ein einfacher Priester war, in diesem Augenblick die Macht
erhielt, Bischöfe weltweit zu ernennen, obwohl er selbst - hinsichtlich
der hl. Weihen - noch nicht die Vollmacht besaß, persönlich Priester zu
weihen oder Bischöfe zu konsekrieren. Er mußte erst selbst zum Bischof
geweiht werden (wozu er n.B. den Befehl erteilen müßte, Anm.d.Red.),
aber er besaß, auch als ein einfacher Priester, die Fülle der
päpstlichen Jurisdiktion.
Wenden wir uns nun der gegenwärtigen Lage zu. Es sei daran erinnert,
daß mein Vorschlag, die verbliebenen rechtgläubigen
sedesvakantistischen katholischen Priester sollten einen Papst wählen,
sich nicht auf irgendwelche bischöfliche Weihen - seien sie nun
erlaubt, unerlaubt oder zweifelhaft, die einige dieser Priester
besitzen mögen - stützt, sondern vielmehr auf die Tatsache, daß die
übrig gebliebenen gläubigen katholischen Priester jetzt als Priester
der Diözese Roms angesehen werden müssen, der einzigen Diözese, die
jetzt noch auf der Welt existiert. Mein Vorschlag ist nun dieser:
Sobald ein Papst gewählt worden ist, soll er unmittelbar danach, kraft
der Fülle seiner Jurisdiktion, welche er, auch wenn er nur ein
einfacher Priester sein sollte, besitzen wird, sämtliche
sedesvakantistischen Bischöfe legitimieren, die am Konklave
teilgenommen haben mögen. Ferner sollte er - falls er noch ein
einfacher Priester ist, kraft seiner päpstlichen Jurisdiktion die
Vollmacht zu seiner eigenen Konsekration zum Bischof erteilen. Wenn
z.B. Sie, Pater zum Papst erwählt werden sollten, könnten Sie
unmittelbar die Jurisdiktion den Bischöfen Musey, Cannona, Zamora,
Siebert und den anderen verleihen, wodurch Sie diese gewiß zu wahren
röm.ókath. Bischöfen und Nachfolgern der Apostel machten. Darüber
hinaus könnten Sie drei von diesen bevollmächtigen, Ihnen die
Bischofsweihe zu erteilen. Es besteht hier eine Art von Widerspruch:
Gewöhnlich - zumindest in normalen Zeiten - gilt, daß niemand ohne
päpstlichen Auftrag zum Bischof konsekriert werden darf. Hier würde nun
der Papst einen Auftrag für seine eigene Konsekration zum Bischof
erteilen. Nochmals zur Wiederholung: Die Tatsache, daß die neuen
Bischöfe nicht mit Sicherheit legitime Bischöfe (Anm.d.Red.: das
Problem der Legitimität der Weihen ist wohl in den angelsächsischen
Ländern nicht in der ausführlichen Form abgehandelt worden wie in
Deutschland; auch ohne das päpstliche Mandat, das normalerweise
erforderlich ist, aber in dieser Situation nicht zu erbringen war, darf
als ausgemacht gelten, daß die Bischofsweihen nicht nur gültig, sondern
auch legitim waren.) vor der Wahl sind, hat mit der Sache nichts zu
tun. Sie würden den Papst nicht als Bischöfe, sondern als Glieder des
römischen Klerus wählen.
Hier möchte ich nun einen Kanon des hl. Konzils von Trient zitieren,
der sich vielleicht auf die vorgenommene Legitimierung der
außerkanonisch geweihten Bischöfe durch den neu gewählten Papst
beziehen könnte. Sessio XXIII, Canon VIII:
"Wenn jemand behauptet, daß die
Bischöfe, welche durch die Autorität des römischen Pontifex aufgenommen
werden, keine rechtmäßigen und wahren Bischöfe sind, sondern nur
menschliche Schöpfungen seien, der sei im Bann."
Die Bedeutung dieses Kanons hängt in unserem Zusammenhang von der
Interpretation des Wortes "aufgenommen" ab. Vielleicht bin ich im
Irrtum, aber ich könnte mir vorstellen, daß in der Vergangenheit dieser
Kanon für den Fall bestimmter griechisch-orthodoxer oder anderer
schismatischer Bischöfe galÁ welche zum katholischen Glauben
konvertierten, in die röm. Kirche aufgenommen und vom Papst als
Bischöfe der röm.-kath. Kirche eingesetzt wurden. Ich möchte glauben,
daß er auch in unserer gegenwärtigen Situation angewandt werden könnte,
obwohl die neuen Bischöfe nicht Schismatiker sind. Aber es liegt ein
Schatten von einem objektiven, wahrscheinlichen Zweifel auf ihrer
Rechtmäßigkeit (Anm.d.Red.: vgl. die bereits gemachte Bemerkung).
Indessen ist ihr Zustand analog dem von schismatischen Bischöfen.
Um nun in dieser Richtung weiter fortzufahren. Es scheint mir, daß es
im Plan der göttlichen Vorsehung zu liegen scheint, daß der Status der
neuen Bischöfe hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit zweifelhaft ist. Es
ist genau das, was die Kirche benötigt. Warum? Es erlaubt der
Gesamtheit der rechtgläubigen, sedesvakantistischen katholischen
Priester als die sicheren und unzweifelhaften Papstwähler den Papst zu
wählen. Warum? Weil, mag auch die Theorie des hl. Robert Bellarmin, daß
die Bischöfe, und nicht der Klerus von Rom für den Fall eines
häretischen 'Papstes' einen neuen Papst wählen, sonst und im
allgemeinen die probablere Meinung sein (ich weiß nicht, ob sie es
ist), doch nichts destoweniger in diesem besondern Fall der
zweifelhafte Status der neuen Bischöfe die Methode der Wahl durch den
römischen Klerus zum sicheren Weg macht. Nur mit Sicherheit rechtmäßige
Bischöfe könnten sich zu einem "unvollständigen Konzil" versammeln, um
einen Papst zu wählen. Die neuen Bischöfe entsprechen aber nicht dieser
Bedingung. Wenn somit auch die Rechtmäßigkeit der neuen Bischöfe
zweifelhaft ist, so wären die Sedesvakantisten nicht ohne gültig
geweihte Bischöfe, und es wäre somit möglich, den neuen Papst zum
Bischof weihen zu lassen ó wenn einer gewählt sein sollte. Somit
scheint es, daß diese durch Erzbischof Ngo-dinh-Thuc
erfolgtenKonsekrationen in der Tat ein Werk der Vorsehung waren, etwas,
was wirklich von der Kirche benötigt wird.
Nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge und nach der Verfügung der
göttlichen Vorsehung macht der bekannte zweifelhafte Status der neuen
Bischöfe hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit nichts aus, denn
1. helfen sie bei der Papstwahl nicht als Bischöfe und
2. könnten sie unmittelbar nach der Wahl eines Papstes legitimiert werden.
Dies ist jedenfalls mein Lösungsvorschlag für die Schwierigkeit, die
sich aus dem problematischen Status der außerkanonisch geweihten
Bischöfe und dem Fehlen von Bischöfen unter den Sedesvakantisten
ergibt, die der vor-vatikanischen Ära angehören. Ist meine These
korrekt, so ist das, was eine Schwierigkeit zu sein schien, in
Wirklichkeit eine wunderbare und vollständige Einrichtung der
göttlichen Vorsehung für die Lösung unserer gegenwärtigen
Schwierigkeiten.
Brian P. Champlin
P.S. Ich erhalte sicherlich Ihre Erlaubnis, Pater, Kopien eines Teils
des vorliegenden Briefes an sedesvakantistische Priester nach Ihren
Vorstellungen zu versenden.
***
Berkeley, den 2. Juni 85
Hochwürdiger Pater McKenna,
ich danke Ihnen für die Kopie von Bischof Altenbachs Brief an Sie und
Ihre Antwort an ihn, die Sie mir kürzlich sandten. (Anm.d.Red.: Mgr.
Altenbach ist inzwischen verstorben.)
Es tut mir leid, daß sich Bischof Altenbach mit meinem Vorschlag, daß
die verbleibenden rechtgläubigen sedesvakantistischen Priester, indem
sie als Klerus der Diözese Roms handeln, einen rechtmäßigen Papst
wählen, nicht beschäftigt,. Statt dessen versucht er eine Behauptung zu
widerlegen, die ich nie gemacht habe, nämlich daß die Gültigkeit der
von den neuen Bischöfen erhaltenen Weihen zweifelhaft sei. Das sagte
ich natürlich nie. Allerdings behauptete ich in meinem zweiten Brief,
daß es ein Werk der Vorsehung war, daß die Sedesvakantisten einige
gültig geweihte Bischöfe in ihren Reihen haben, so daß der neu erwählte
Papst, falls er noch nicht Bischof wäre, zum Bischof konsekriert werden
könnte. Es ist ein wenig ärgerlich, daß ein Mann wie Bischof Altenbach
- fünfzig Jahre Prieser und nun auch Bischof ó sich nicht die Mühe
gibt, zu lesen, was ein Mitbruder, ein kath. Priester, Sie selbst
Pater, ihm in einer für die Kirche höchst wichtigen Angelegenheit
sendet. Ich nehme an, daß sein fortgeschrittenes Alter hierfür die
Erklärung ist. (...)
Ich dachte in den letzten zwei Wochen, d.i. seit dem letzten Brief an
Sie, über mögliche Einwände nach, welche die Bischöfe und Priester,
denen Sie die Briefe sandten, gegen meinen Vorschlag vorbringen
könnten. Ich möchte sie Ihnen mitteilen und auch meine Antworten.
Zuerst habe ich indessen einige wenige Gedanken hinsichtlich der
Jurisdiktion der neuen Bischöfe.
"Besitzen die neuen Bischöfe eine Jurisdiktion oder nicht?" ist die
Frage, über welche in den letzten Jahren von gewissen Traditionalisten
debattiert wurde. Es scheint mir aber, daß diese Debatte - bis zu einem
gewissen Grad jedenfalls - witzlos war. Warum? Weil - solange der Hl.
Stuhl unbesetzt ist - es keine Rolle spielt, ob die neuen Bischöfe eine
Jurisdiktion besitzen oder nicht. Der Grund hierfür ist der, daß allein
die päpstliche Autorität definitiv die Irrtümer von Vatikanum II und
der Neo-Modernisten verurteilen und mit dem Wiederaufbau der Kirche
beginnen kann. Was vermögen die Bischöfe ohne die apostolische
Autorität des hl. Petrus allein zu tun, um die Kirche
wiederherzustellen? Ich sage, nichts, was Bestand hätte.
Den Versuch zu unternehmen, die Kirche auf etwas anderem als dem Felsen
Petri wieder aufzubauen, bedeutet auf Sand zu bauen. Für den gesamten
gläubigen kath. Klerus muß derzeit die Wahl eines rechtgläubigen
Papstes den Vorrang genießen. Die Zeit der Sedesvakanz darf nichf mehr
länger dauern, denn bei Vakanz des Hl. Stuhles ist die Kirche in einem
gewissen Sinne ohne Jurisdiktion. Natürlich setzen in normalen Zeiten,
wenn der apostolische Stuhl nach dem Tod des souveränen Pontifex für
kurze Zeit vakant ist, die örtlichen Ordinarien die Ausübung der
Jurisdiktion (für ihre jeweilige Diözese, Anm.d.Red.) fort - und dies
infolge göttlichen Rechtes, jeder in seiner Kirche. Aber dann gibt es
keine unfehlbare Autorität, die für die Kirche als ganzes zu handeln
vermag, keine Autorität, welche Glaubenswahrheiten definieren und
Häresien verurteilen kann, keine Autorität, die heiligsprechen kann,
keine Autorität, die für die Gesamtkirche Gesetze erlassen kann, keine
Autorität, welche Diözesen errichten oder aufheben kann, und keine
Autorität, die ein allgemeines Konzil einzuberufen vermag. Sämtliche
Bischöfe der Welt zusammen sind nicht imstande, für die Gesamtkirche zu
handeln, wenn sich nicht der Bischof von Rom in ihrer Mitte befindet.
Der Papst allein übertrifft sämtliche Bischöfe der Welt
zusammengenommen. Obwohl die Wichtigkeit des Bischofsamtes, das von
Gott als ein ständiger und wesentlicher Teil der Kirche errichtet
wurde, nicht herabgesetzt werden kann, so übertrifft dennoch der ewige
und majestätische hl. apostolische Stuhl die anderen Sitze der Welt, so
daß sie im Vergleich mit ihm beinahe nichts zu sein scheinen. Falls die
neuen Bischöfe fortsetzen, Seminare zu errichten, Priester auszubilden,
Pastoralbriefe herauszugeben etc., ohne sich dem Problem der Vakanz des
Hl. Stuhles zuzuwenden und etwas hierfür zu tun, bin ich fest davon
überzeugt, daß sie nichts erreichen werden. In der Tat glaube ich, daß
die neuen Bischöfe, wenn sie nicht bald der Frage des Sedis vacantis
die Priorität einräumen, in den Verdacht einer Art von "Episkopalismus"
fallen werden, d.h. des Verlangens, eine neue "Kirche" zu errichten mit
gültigen Bischöfen und Sakramenten, aber regiert nicht von einem
souveränen Papst, sondern einem Kollegium von Bischöfen.
Nun besitzt nur in einer Hinsicht die Frage der Jurisdiktion der neuen
Bischöfe scheinbar eine Bedeutung. Wenn schlüssig bewiesen werden
könnte, daß sie Jurisdiktionsgewalt besitzen würden, hätten sie das
Recht, sich in einem "unvollständigen" Konzil zu versammeln, um der
Kirche ein Haupt zu geben (dies wenigstens in Übereinstimmung mit der
Lehre des hl. Robert Bellarmin).
Wie Sie, Pater aber zeigten, besteht im Gegenteil ein objektiver und
wahrscheinlicher Zweifel hinsichtlich der Jurisdiktion, so daß die
Bischöfe wahrscheinlich nicht das ausschließliche Recht zur Papstwahl
besitzen. Sie müssen in Gemeinschaft mit hierzu gewillten katholischen
Priestern handeln, und sie würden so nicht als Bischöfe handeln,
sondern vielmehr als Glieder der Diözese Rom , als Priester - zusammen
mit einfachen Priestern - der Diözese Rom.
Nunmehr wende ich mich möglichen Einwänden gegen meine Thesen zu. Diese
Thesen hängen ab von folgender Kette oder Reihe von Behauptungen. Sie
kann widerlegt werden durch Widerlegung irgendeines Gliedes dieser
Kette.
a) Sämtliche Diözesen der Welt haben aufgehört zu existieren mit Ausnahme der ewigen Diözese Rom.
b) Daher müssen die restlichen gläubigen, vor-vatikanisehen
sedesvakantistischen kath. Priester als Glieder dieser Diözese
betrachtet werden.
c) Da unter diesen gegenwärtigen Umständen kein Kardinalskollegium mehr
besteht (die Versammlung der höchsten Priester der Kirche von Rom),
steht die Wahl eines Papstes diesen Priestern zu, welche als die
rangniederen oder restlichen Priester dieser Kirche von Rom anzusehen
sind.
Zu diesen Behauptungen können die folgenden entsprechenden Einwendungen gemacht werden:
a) Sämtliche Diözesen der Welt (Rom ausgenommen) hörten nicht auf zu
bestehen, ihre Sitze sind bloß vakant, so wie es auch der Sitz der
römischen Kirche ist. Was wir haben, ist eine weltweite Serie vakanter
Stühle, beginnend mit dem von Rom.
b) Daher sind die übrig gebliebenen rechtgläubigen kath. Priester als
Glieder der Diözesen anzusehen, in welche sie vor dem Vatikanum II
inkardiniert waren. - Hierzu kann noch ein weiterer Einwand vorgebracht
werden, nämlich, daß, wenn auch die römische Diözese die einzige
derzeit intakte wäre, dennoch ein Priester formell in diese Diözese
inkardiniert werden müßte, um ein Priester dieser Diözese zu werden.
Damit ein Priester ein Glied der Diözese Rom wird, würde somit die
Inkardination durch den Bischof von Rom, d.i. den Papst, erfordern.
Aber es gibt derzeit keinen Papst.
c) Daher kann die Wahl eines Papstes nicht den restlichen
rechtgläubigen Priestern zustehen, indem man sie als Priester Roms
ansieht. - Zu diesemPunkt könnte ferner eingewendet werden, daß es
niemals der Klerus von Rom, sondern vielmehr die in einem
"unvollständigen" Konzil versammelten Bischöfe sind, die unter den
gegenwärtigen Verhältnissen eines häretischen 'Papstes' den Papst zu
wählen hätten.
d) Diesen Einwendungen könnte ein praktischer Einwand, der schon immer
von Ihnen, Pater, vorgebracht wurde, hinzugefügt werden, nämlich daß es
für den Fall, daß ein Papst in vorgeschlagenen Weise gewählt werden
könnte, nichts destoweniger - wenn die Mitgliedschaft in der Kirche
abhängt von der Zahl derer, die bereit sind, eine solche Wahl
anzuerkennen - schwerlich ausreichen würde, von einem Rest zu sprechen.
Diesen Einwänden stelle ich die folgenden Antworten gegenüber. Ich
beginne mit der Wiederholung der Lehre von der Unfehlbarkeit der
Kirche. Diese Lehre soll in den folgenden Punkten zusammengefaßt sein:
1. die gesamte Kirche ist unfehlbar;
2. ein Teil der Kirche, nämlich der Apostolische Stuhl, ist unfehlbar;
3. die Teilkirche dieser oder jener Diözese oder dieser oder jener Nation kann irren und abfallen.
Diese Lehre, die nach Rev. Arthur Devines "The Creed explained" in
meinem Brief vom 7. März 1985 zitiert wurde, stellt fest, daß Diözesen
irren und abfallen können oder aufhören zu bestehen. In Erwiderung des
Einwandes zu Punkt 1.) daß nämlich die Diözesen der Welt nur als eben
so viele vakante Sitze angesehen werden müssen, möchte ich fragen, ob
denn die infolge von Vatikanum 2 erfolgte Verwüstung etwas anderes
brachte, als die Zerstörung der Diözesen? Wurden jemals im Laufe der
Geschichte der Kirche Diözesen so zerstört? Wenn die durch den
Häresiearchen Montini erfolgte Verwüstung nicht die Diözesen zerstört
haben sollte, wie kann dann der Schaden, den kleinere Häresiearchen
anrichteten, so angesehen werden, als hätte er es getan? Indessen
glaube ich, daß die schon oben angeführte Theorie nicht nur eine
theoretische Möglichkeit der Zerstörung der Diözesen vorbringt. Sie ist
auf historischen Tatsachen aufgebaut. Die Kirche dieser oder jener
Gegend der Welt wurde zeitweilig durch die Verheerung der Häresie
hinweggefegt. Wenn schon die Angriffe von kleineren Häresiearchen als
die Ursachen einer Zerstörung betraditet wurden, um wieviel mehr müssen
dann die Montinis, des größten Häresiearchen der Kirchengeschichte,
angesehen werden? Ferner, welcher Diözese blieben die Verwüstungen der
Revolution Montinis erspart? Keiner! Wenn "zerstört", 'aufgehört zu
bestehen" etc. einen Sinn haben sollen, dann sind die Diözesen der
Welt, ausgenommen natürlich die Diözese Rom, welche, wie wir wissen, de
fide, ewig und unzerstörbar ist, sämtlich vernichtet worden. Eine
örtliche Diözese kann als nur vakant gelten, wenn ihr Bischof gestorben
ist, aber ihre Struktur, ihre Behörden und ihre Verwaltung, die
Körperschaft der Priester intakt geblieben sind. Was wir im Kielwasser
von Vatikanum 2 miterleben mußten, ist totaler Umbruch, totale
Zerstörung. Man mag also einräumen, daß die Diözese Rom die einzige
ist, welche noch besteht und daß die noch vorhandenen restlichen
rechtgläubigen katholischen Priester nicht als in ihre
vor-vatikanischen Diözesen inkardiniert gelten können; wie steht es
aber mit dem Einwand b), daß der Bischof von Rom sie formell in die
Kirche von Rom aufnehmen muß, damit sie als Glieder des römischen
Klerus angesehen werden können?
Gegenüber diesem Einwand räume ich ein, daß der übrig gebliebene Klerus
formell nicht in die römische Diözese inkardiniert worden ist. Indessen
behaupte ich, daß dies unter den gegenwärtigen Umständen nicht
erforderlich ist. In dieser Ära der Geschichte wurde die katholische
Kirche in ihrer Gesamtheit mit der örtlichen Diözese von Rom identisch.
Dieser Zustand wird solange fortdauern, bis ein neuer Papst Diözesen
errichtet und Bischöfe aussendet, damit sie diese regieren. Die
restlichen Priester sind sicherlich Glieder der kath. Kirche. Sie
müssen in einem gewissen Sinne Glieder der römischen Kirche sein, da
gegenwärtig die Kirche als Ganzes und die Diözese Rom ein und dasselbe
sind. Wenn die restlichen loyalen Priester nicht Glieder des Klerus der
Diözese von Rom sein würden, wer ist es dann? Wenn es in Rom eine
Gruppe rechtgläubiger, sedesvakantistischer Priester gäbe, Priester,
welche bereits vor dem Vatikanum 2 in die römische Diözese inkardiniert
wurden, könnte man sagen, daß sie den Klerus von Rom bilden würden.
Aber solch eine Gruppe existiert meines Wissens nach nicht (Anm.d.Red.:
das müßte in der Tat erst noch erruiert werden). Kann nun aber
andererseits die ewige Diözese Rom ohne Klerus sein? Schwerlich. Wer
also, wenn nicht die wenigen Priester in der Welt, welche ihren Glauben
und die Praxis der römischen Kirche bewahrten und welche vollständig
das häretische Vatikanum 2 und seine 'Päpste' verwarfen, können als
Klerus der Diözese von Rom angesehen werden? Diese Priester haben "de
facto" ihren Sitz in der Diözese Rom. Wohlgemerkt: dieser "Sitz" ist
nicht eine Sache des Ortes, sondern des Rechtes; er ist geistig und
rechtlich, nicht physisch gemeint. Obwohl die römische Kirche in der
Tat eine physische Grundlage, nämlich die Stadt Rom besitzt, ist sie
doch in erster Linie eine geistige und rechtliche Wirklichkeit; es ist
für das juridische Rom möglich, sich an einem anderen Ort zu befinden
als im wirklichen Rom (in der Stadt Rom), so z.B. während der
"Babylonischen Gefangenschaft" des Papsttums in Avignon.
Gegenwärtig, bei Abwesenheit irgendeines "de jure"-Klerus von Rom (d.h.
einer Körperschaft von Priestern, die vor dem Vatikanum 2 in die
römische Diözese.inkardiniert worden war und die ununterbrochen das
Vatikanum 2 und seine 'Päpste1 verwirft) erwirbt der "de facto"-Klerus
Roms sämtliche Rechte, welche der "de jure"-Klerus besäße. Als ein
analoger Fall sei das Beispiel von lang andauernden "de
facto"-Praktiken angeführt, welche im Laufe der Zeit "de jure"
Gesetzeskraft erhalten, und dies ohne eine formelle, schriftlich
niedergelegte gesetzliche Handlung.
Ich wende mich nunmehr dem Einwand c) zu und will dazu nur folgendes
sagen: Es mag zwar möglicherweise eingeräumt werden, daß das Recht zur
Papstwahl den in einem "unvollständigen" Konzil (besser: Conventus;
Anm.d.Red.) versammelten Bischöfen zusteht, und nicht dem Klerus von
Rom. Da aber ein objektiver, wahrscheinlicher Zweifel bezüglich der
Jurisdiktion der neuen Bischöfe besteht (Anm.d.Red.: nicht nur ein
Zweifel, in der Tat besitzen sie keine Jurisdiktion im eigentlichen
Sinne), können diese nicht allein als sichere und zweifelsfreie kath.
Bischöfe handeln, um einen Papst zu wählen, sondern sie müssen dies tun
als Glieder der römischen Kirche im Verein mit ihren geistlichen
Mitbrüdern Roms.
Was nun schließlich den Punkt d) betrifft, nämlich den praktischen
Einwand, daß die Mitgliedschaft in der Kirche abhängig wäre von der
Bereitschaft, eine solche Wahl, wie vorgeschlagen, anzuerkennen, und
daß nur wenige - Kleriker und Laien - dies könnten oder wollten, so
antworte ich, daß in der Tat die Mitgliedschaft in der Kirche nicht
davon abhängen würde. Falls unsere rechtgläubigen Priester uns bald
einen wahren römischen Papst gäben, wären sämtliche gläubigen
katholischen Christen in der Welt, die die feste Intention oder den
Willen besitzen, mit dem wahren Papst vereint zu sein, tatsächlich mit
unserem neu gewählten souveränen Pontifex vereint, auch wenn sie in
unüberwindlicher Unwissenheit hinsichtlich seiner Existenz wären! In
den Augen Gottes würde ihre Loyalität zum Papsttum und ihr Verlangen,
ihm zu gefallen und seinen Willen zu tun, sie mit dem wahren Papst
verbinden. (Vgl. auch das Große Schisma des Abendlandes, wo sogar
bestimmte Heilige, wie z.B. der hl. Vinzenz Ferrer, eine Zeit lang dem
falschen Bewerber um den Papstthron folgten, die aber - meiner Meinung
nach - wegen der Reinheit ihrer Absichten in den Augen Gottes, der
Wahrheit zu folgen, in Verbindung mit der Tatsache, daß ein objektiver,
probabler Zweifel hinsichtlich der Berechtigung aller Bewerber während
dieser verwirrten und katastrophalen
Zeit, so einzuschätzen sind, als ob sie mit dem wahren Papst und der
wahren Kirche vereint gewesen wären.) Dies wäre auch heutzutage der
Fall mit den tausend und abertausend einfachen gläubigen Katholiken,
die nichts von der Wahl des neuen Papstes wüßten.
Schließlich möchte ich, Pater, was nun den allgemeinen Einwand der
Anzahl in dieser Angelegenheit betrifft, von Noes Schicksal sprechen.
Das Menschengeschlecht blieb erhalten mittels der so geringen Anzahl
von acht Menschen. So könnte gegenwärtig auch das Papsttum und die
Kirche durch die so geringe Anzahl von schwerlich mehr als ungefähr
acht gläubigen Priestern gerettet werden. Die Flut von Vatikanum 2
strömte über die gesamte Welt und vernichtete beinahe alles, "was Gott
genannt wird". Die einzige Arche des Heiles war die römische Kirche,
ihr Glaube, ihre Praxis (besonders die römische Messe). Diejenigen,
welche sich an sie anklammerten, wurden aus der Flut errettet. Jetzt
aber ist es ihre Aufgabe, die Arche zu verlassen und eine zerrüttete
Welt wiederaufzubauen.
Brian P. Champlin
***
Hinweis der Redaktion:
Die von Herrn Champlin vorgetragene Auffassung zu der Möglichkeit einer
Papstwahl, die der Autor lediglich als unverbindlichen
Diskussionsbeitrag versteht, ist neu und originell. Es wird nicht nur
die Wahl eines neuen Papstes gefordert, sondern auch aufgezeigt, wie
eine solche erfolgen könnte. Ich empfehle diese Ausführungen deshalb
dem aufmerksamen Studium der Leser. Mir scheinen zwei Thesen besonders
problematisch zu sein:
1.) die römische Diözese - worunter Champlin nich das topographische
Rom, sondern eine geistige und rechtliche Größe versteht - sei nicht
zerstört worden;
2.) sämtliche rechtgläubig gebliebenen Kleriker seien "de facto" in der
so definierten römischen Diözese inkardiniert. Man könnte diese These
auch so formulieren: weil noch rechtgläubige Priester übrig geblieben
sind, gibt es noch eine römische Diözese.
Auch wenn sich diese Auffassung als unhaltbar erweisen sollte, so hat der Beitrag doch zweierlei klar gemacht:
a) die Kirche muß für ihren Wiederaufbau unbedingt die Besetzung des
vakanten Stuhles Petri betreiben, will sie nicht im Sektierertum enden;
b) die Wahl kann auch von anderen als den abgefallenen Kardinalen vorgenommen werden.
Eberhard Heller
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