DIE HEILIGEN MÄRTYRER VON GORKUM
von
Eugen Golla
Im Vatikan befindet sich ein Gemälde des 1868 jung verstorbenen Malers
Fracasini: Auf einem mächtigen Balken einer halb verfallenen Halle sind
vier Franziskanermönche aufgeknüpft. Neben ihnen steht auf der Leiter
der Henker, der sich von einem Soldaten, welcher mit einer Hand das
nächste Opfer bereits festhält, beim Legen des Strickes helfen läßt.
Einen Schritt weiter bereiten sich, eng nebeneinander knieend, zwei
weitere Mönche im Gebet auf ihre Hinrichtung vor, während im
Hintergrund bereits Tote mit Schwertern aufgeschnitten werden. Im
Vordergrund stehen zwei Befehlshaber, von denen der eine den nächsten
Gefangenen, der von einer wilden Horde durch das Tor gestoßen wird, auf
seine auf dem Galgen hängenden Glaubensgenossen hinweist.
In den Niederlanden, die in der Mitte des 16. Jahrhunderts zum
spanischen Reiche gehörten, waren die Bischöfe trotz der Reformation
ihrem Glauben treu geblieben und sie bemühten sich, die vom Konzil von
Trient verlangten Auflagen zur Erneuerung der Kirche in ihren Diözesen
zu erfüllen. Aber das gewalttätige Regime, das der Herzog von Alba
namens seines Herrn, des Königs Philipp II. führte, bot den besten
Nährstoff für eine kirchliche und politische Revolution, an deren
Spitze sich Wilhelm von Oranien stellte.
Im Juni 1572 eroberten die Geusen, der Sammelname der auf Seiten der
Kalviner gegen die spanische Herrschaft kämpfenden niederen Edelleute,
die Stadt Gorkum an der Waal in Südholland. Die Besetzung gelang
leicht, weil die Geusen unter den Kalvinern der Stadt Freunde besaßen;
im Schloß hielt sich aber die Besatzung, der sich auch einige Priester
sowie die Insassen des Franziskanerklosters von Gorkum angeschlossen
hatten. Zwar wurden gegen das Versprechen freien Abzuges die Tore
geöffnet - aber dieses Versprechen wurde nur gegenüber den Soldaten
gehalten. Die Priester blieben eine Woche gefangen, wobei sie auf
vielerlei Weise gepeinigt und vom Pöbel verhöhnt wurden.
Die katholischen Ratsherren bemühten sich mit allen Kräften um deren
Befreiung und sandten dieserhalb einen Boten an Wilhelm von Oranien ab.
Bevor er aber mit der Antwort zurückkommen konnte, wurden die
Geistlichen auf Befehl des Geusenführers Graf Wühlern von der Mark,
Herr von Lumey, in der Nacht des 5. Juli auf Schiffe verladen, um nach
Briel gebracht zu werden, wo sie am 7. in der Früh ankamen. Dort wurden
sie gezwungen, unter Absingen des "Te Deum" eine Spottprozession zu
veranstalten. Lumey begleitete den Zug, wobei er dem einen oder anderen
Hiebe mit seinem Stabe versetzte, als ob es sich um einen Viehtransport
handele. Auf dem Marktplatz, wo die Bekenner lange stehen mußten,
warteten ihrer weitere Beschimpfungen und Demütigungen.
Bei den anschließenden Verhören gab man ihnen zu verstehen, daß ihre
Befreiung möglich sei, falls sie die Dogmen der Eucharistischen
Gegenwart und des päpstlichen Pumates ableugnen würden. Nicht alle
blieben standhaft. Zwei fielen bei diesen Verhören ab, zwei weitere
unmittelbar vor der Hinrichtung. Aber die Anzahl von 19 blieb, weil an
deren Stelle zwei Prämonstratenser und zwei Pfarrer traten, die man in
der Umgebung aufgegriffen hatte.
Die Exekution war um so empörender, da noch rechtzeitig ein Protest
Wilhelms von Oranien eintraf, der allein schon aufgrund seiner
vorsichtigen und diplomatischen Haltung ein solch sinnloses Morden, das
seinem Anliegen, der Befreiung der Niederlande, nur schaden konnte,
mißbilligen mußte.
Zum Ort der Hinrichtung erwählte man die Scheune eines
Augustinerklosters, das kurz vorher beim Einzug der Geusen
niedergebrannt worden war. 15 der Opfer wurden auf dem großen Balken
aufgehängt, drei an einem kleineren, eines an der obersten Sprosse
einer Leiter. Kurze Zeit danach stürzten sich die Banden auf die
Leichname, schnitten sie mit ihren Schwertern auf und hefteten die
abgeschnittenen Gliedmaßen auf ihre Lanzen, Gürtel und Hüte. Von den 19
Märtyrern waren elf Insassen des Franziskanerklosters von Gorkum, ein
Dominikaner aus Köln, zwei Prämonstratenser, ein Regularkanoniker sowie
vier Weltpriester.
Besonders hervorgehoben seien: Nikolaus Pik, der 38-jährige Guardian
des Franziskanerklosters. Von ihm heißt es, er sei von so zarter
Konstitution gewesen, daß ein Stich in den Finger genügte, eine
Ohnmacht herbeizuführen. Er aber gehörte zu denen, welche ihre
Gefährten ermutigten und ihnen immer wieder zuriefen: "Wir müssen Gott
in Freude dienen!"
Gottfried Coart wiederholte ohne Unterlaß kurz vor der Hinrichtung die
Worte des gekreuzigten Erlösers: "Herr, vergib ihnen, denn sie wissen
nicht, was sie tun."
Der Weltpriester Nicolaus Janssen-Poppel war ein besonderer Verehrer
der hl. Eucharistie, weshalb er mit der Monstranz dargestellt wird. Als
man ihn beim Herannahen der Geusen voll Entsetzen fragte, wie er bei
dieser kritischen Lage noch die hl. Messe feiern könne, gab er zur
Antwort: "Könnte ich doch mein Leben für den Glauben hingeben." Er
gehörte zu denen, die sich bei allen Qualen durch besonderen Heroismus
auszeichneten.
Bereits auf ein bewegtes Leben konnte der junge Pramonstratenser
Jakobus Lacops zurückblicken. Beim berüchtigten Bildersturm von 1566,
als die Kalviner so viele herrliche Kirchen zerstörten, fiel er, der
infolge seiner reichen Begabung hochmütig geworden war, bei der
Plünderung des Klosters Middelburg ab und wurde kalvinischer Prediger.
Aber bereits kurze Zeit danach bereute er seinen Abfall und kehrte als
Büßer zurück. Anfangs Juli 1572 nahmen ihn die Geusen in Mouster,- wo
er inzwischen Vikar geworden war, gefangen, wobei sie versuchten, ihn
von neuem zum Abfall zu bewegen. Diesmal blieb er aber trotz
Todesandrohungen standhaft, indem er ihnen erwiderte, er verabscheue
seinen vormaligen Entschluß und werde diesmal mit Gottes Hilfe vor
seiner Hinrichtung nicht mehr abfallen.
Die Seligsprechung der 19 Märtyrer erfolgte 1675, Pius IX. nahm am 29.
Juni 1867 die feierliche Kanonisierung vor. Festtag ist der 9. Juli.
N.b. sei erwähnt, daß dies nicht die einzigen Opfer der Geusen gewesen
sind: in knapp zwei Jahrzehnten wurden von ihnen etwa 13o Priester
ermordet. Unwillkürlich stellt man die Frage, ob sieht das vorerwähnte
Gemälde, das für die bevorstehende Heiligsprechung ausgeführt worden
war, heutzutage im Vatikan am falschen Orte befindet. Was können diese
heroischen Männer, die für den wahren, unverfälschten Glauben ihr Leben
ließen, der römisch-ökumenischen 'Kirche' bedeuten? Ihre Anpassungs-
und Dialogbereitschaft muß doch diese drastisch-realistische
Darstellung einer 'Panne' oder eines 'Mißverständnisses', das durch
gegenseitiges Nachgeben hätte bereinigt werden können, nur als eine
lieblose Anklage, für die man sich entschuldigen müßte, auffassen.
Benützte Literatur:
Moreau, E. de, SJ: "Histoire de l'Eglise en Belgique" Bruxelles 1952, 5.Bd., S.185-189.
"New Catholic Encyklopedia" New York 1967, 6.Bd.; Artikel: "Martyrs of Gorkum".
"Vies des Saints" 6.Bd., S.2o5 f, Paris 1948.
Wetzers und Weites "Kirchenlexikon", Freiburg 1888; Artikel: "Gorkum".
|