EINE DOGMATISCHE ANALYSE DER ZUR ERÖFFNUNG VON VATIKAN II GEHALTENEN ANSPRACHE PAPST JOHANNS XXIII.
von
Dr. Hugo Maria Kellner
Am 11. Oktober 1962 eröffnete Papst Johann XXIII. das Vatikanische
Konzil II, das er aufgrund persönlicher Initiative mit der
ausdrücklichen Absicht zusammengerufen hatte, christliche Einheit zu
fördern, mit einer Ansprache an die Konzilsväter und die geladenen
protestantischen Vertreter, deren entscheidende Stelle wie folgt
lautet:
"Der christliche, katholische und
apostolische Geist der ganzen Welt erwartet einen Schritt vorwärts in
dogmatischer Durchdringung und Gewissensformung in getreuer und
vollkommener Übereinstimmung mit der authentischen Lehre, die aber
durch die Methoden der Forschung und die literarischen Formen modernen
Denkens studiert und ausgelegt werden sollte. Die Substanz des
Depositum fidei steht fest; aber es kommt darauf an, in welcher Weise
sie dargeboten wird. Und es ist das letztere, das ernstlich erwogen
werden muß; mit Geduld, wenn nötig, wobei alles in den Formen und
Ausmaßen eines Magisteriums gemessen wird, das in seinem Charakter
vorwiegend seelsorglich ist."
Diese Erklärung krönte inoffizielle Kontakte mit protestantischen
Führern durch das Sekretariat für christliche Einigkeit, das von Papst
Johann geschaffen worden war und an dessen Spitze Kardinal Bea S.J.
stand. Die Erklärung wurde in der nicht-katholischen Welt als ein
Anzeichen dafür begrüßt, daß die katholische Kirche nun endlich ihre
"veralteten" Dogmen aufgeben würde, und in der großen Gruppe der, ihrer
Stimmung lauten Ausdruck gebenden, "fortschrittlichen" Konzilsväter und
ihrer Periti wurde sie mit Jubel als die, offensichtlich von der
Autorität eines Papstes gestützte magna charta der "offenen Türe" zu
grundlegenden Änderungen in der Kirche einschließlich dogmatischer
Änderungen aufgenommen, die zu der erstrebten "Einigkeit" mit den
"getrennten Brüdern" führen würde. (...) "Fortschrittliche" Theologen
(z.B. P. Daniel J. O'Hanlon SJ, in AMERICA, 28.9.1963) schlugen vor,
den beinahe zweitausend Jahre alten, biblisch ausgezeichnet fundierten,
organischen Begriff der Kirche als der mystische Leib Christi (hl.
Paulus) und den analogen Begriff vom Weinstock und den Reben (Christus
im Evangelium des hl. Johannes) durch den Begriff des "Volkes Gottes"
in Annäherung an den protestantischen Kirchenbegriff zu ersetzen, der
nur eine unsichtbare, im Herzen der einzelnen Christen lebende Kirche
anerkennt. Joseph Kardinal Ritter von St. Louis, Missouri / USA, machte
auf dem Konzil sogar den Vorschlag, die (etwa 25o) protestantischen
Sekten als Kirchen anzuerkennen, obwohl dies mit der eigenen Lehre der
Protestanten von einer unsichtbaren Kirche im Widerspruch steht. Der
amerikanische P. Gustave Weigel SJ versuchte kurz vor seinem Tode in
einem in AMERICA vom 7. Dezember 1963 veröffentlichten Aufsatz in
direktem Widerspruch zur Definition des Ersten Vatikanischen Konzils
die päpstliche Unfehlbarkeit hinweg zu erklären und die Stellung des
Papstes auf die eines primus inter pares aller Bischöfe zu beschränken.
(Anm.d.Red.: Prof. Ratzinger als Peritus von Kard. Frings vertrat die
gleiche Position.) Nicht zuletzt unter dem Einfluß des extremen
Existentialismus wurde dem Gewissen eine Deutung gegeben, die die
Gültigkeit objektiver Moralgrundsätze mehr oder weniger leugnet. Auf
dieser Grundlage ruht eine "Religionsfreiheits-Erklärung" (...), die
dem Konzil vorgeschlagen wurde und durch deren Annahme das Konzil der
modernen "pluralistischen" Gesellschaft (und damit implicite deren
Amoralität und Immoralität) eine ausdrückliche, offizielle
Unbedenklichkeitsbescheinigung der katholischen Kirche erteilen würde.
(...)
Angesichts der dogmatischen Verwirrung, um nicht von offener Revolte zu
reden, die die eingangs erwähnte Erklärung Papst Johanns XXIII. zur
Folge hatte, ist es nun an der Zeit, die dogmatische Gültigkeit dieser
Erklärung einer Analyse zu unterziehen. (...)
Die früher gestellte Frage, ob eine legitime Entwicklung des
katholischen Dogmas imstande ist, eine dogmatische Einigung mit dem
Protestantimus zu erzielen, muß deshalb mit einem eindeutigen "Nein"
beantwortet werden. Dies bedeutet aber, daß die eingangs erwähnte
Erklärung Papst Johanns XXIII., die eine solche dogmatische Entwicklung
für wünschenswert und möglich hielt und eine Lawine falscher Hoffnungen
und unrealistischer, stimmungsbetonter Einigungsanstrengungen auf
peripheren Gebieten auslöste und der Kirche unberechenbaren Schaden
zufügte, ein schwerer Irrtum war. (...)
(Anfang 1964)
***
DIE ROLLE DES 'FORTSCHRITTS'
IM KATASTROPHALEN NIEDERGANG DES KATHOLIZISMUS
von
Dr. Hugo Maria Kellner
Der Katholizismus umfaßt gegenwärtig (Mitte 1964) etwa 17% der
Weltbevölkerung, wenn man alle Taufschein-Katholiken als Katholiken
zählt. Wenn man aber die Katholiken ausnimmt, die nicht einmal mehr die
pflichtmäßige Sonntagsmesse besuchen, so ist der Prozentsatz nur noch
etwa 1,7% - 4%. Der katastrophale Niedergang der inneren Substanz des
Katholizismus während der letzten Jahrzehnte wurde durch die
Verheerungen des Säkularismus verursacht und diese waren die Folge der
Lockungen des bequemen, luxuriiösen Lebensstils, den die moderne
Technik ermöglicht hat und den die säkularistischen
Massennachrichten-Verbreitungsmittel, Fernsehen und die illustrierten
Zeitschriften, propagiert haben.
Der Grund dafür, daß unsere kirchlichen Führer keine zureichenden
Anstrengungen machten, sich dieser Flut entgegenzustellen, kann nur aus
einer weitverbreiteten und tiefreichenden Schwächung des Glaubens an
die dogmatischen Wahrheiten des authentischen Glaubensgutes von seiten
vieler unserer Kirchenführer selbst erklärt werden. Diese Erscheinung
ist die Folge eines Einbruchs der "Welt" in die Kirche, der sie bereits
früher im Laufe ihrer Geschichte erschüttert hat (Renaissance,
Aufklärung, Modernismus) und der in unserer Zeit trotz päpstlicher
Enzykliken und trotz Antimodernisteneides unter der Wucht des
Säkularismus ein noch nie dagewesenes Ausmaß unter dem Namen
"Fortschritt" angenommen hat.
Das Wesen und der Umfang des "Fortschritts" in der Kirche wurde
ausgezeichnet definiert und seine verheerenden Folgen, deren Triebkraft
mit dem zweiten Vatikanischen Konzil außerordentlich zunahm, wurden
klar vorausgesehen in einem italienisch geschriebenen Aufsatz mit dem
Titel "L'Enciclica 'Divino Afflante Spiritu' e Le 'Opiniones novae'"
von Msgr. Antonio Romeo, den dieser in der
Lateran-Universitäts-Zeitschrift DIVINITAS im September 196o
veröffentlichte:
"Die ernste, ja fürchterliche Gefahr
unserer Tage besteht darin, daß inmitten der Kirche Theorien und
Tendenzen aufgetaucht sind, die das Fundament der katholischen Lehre
bedrohen, wie im Jahre 195o Papst Pius XII. voll Kummer in der
Enzyklika 'Humani Generis' schon in deren Titel sich ausdrückte. Die
unablässige Untergrundtätigkeit von Termiten, die im Verborgenen
wühlen, sowohl in Rom als auch in allen Teilen der Welt, zwingen zu der
Annahme, daß ein, bis in alle Einzelheiten ausgearbeiteter Plan
besteht, die den katholischen Glauben ausmachenden und nährenden Lehren
zu verfälschen und zu zerstören. Beständig wachsende Anzeichen von
verschiedenen Seiten zeugen für die allmähliche Entfaltung eines
ausgedehnten, an Umfang zunehmenden Unternehmens, das von
außerordentlich fähigen und anscheinend sehr frommen Führern gelenkt
wird und darauf ausgeht, das Christentum, wie es bisher durch 19
Jahrhunderte hindurch gelehrt und gelebt wurde, auszulöschen und es
durch das Christentum der 'Neuen Zeit' zu ersetzen. Die Religion, wie
sie von Christus und den Aposteln gepredigt und von St. Augustinus, St.
Benedikt, St. Dominikus, St. Franziskus und St. Ignatius von Loyola
kraftvoll in die Tat umgesetzt wurde, wird fieberhaft bis zum
Verschwinden zersetzt, damit an ihrer Stelle eine, von den Gnostikern
aller Zeiten ersehnte, neue Religion sich durchsetzen könne, die
bereits hier und da 'das, unserer Zeit angepaßte Christentum' genannt
wird. Das Christentum der 'Neuen Zeit' wird sich auf den Kosmos als
Gottheit und seine Menschenrechte gründen. Als seine Dogmen wird es den
Entwicklungs-Monismus eines grenzenlosen Fortschritts, schrankenlose
menschliche Freiheit und allgemeine Gleichheit ansehen, die je nach den
Umständen 'wissenschaftliche', theosophische und okkultistische Züge
aufweisen. Seine verbindliche Moral wird die 'Anpassung' sein, d.h.
eine Gleichschaltung, die alle vergeblichen persönlichen Anstrengungen
ausschaltet und es sich zur Pflicht macht, alle Instinkte und Triebe zu
befriedigen. Ewiges Leben als Endziel und Endzustand wird abgeschafft
und durch die 'Wirklichkeiten dieser Erde' ersetzt werden, welche der
Obskurantismus von neunzehnhundert Jahren in die Quarantäne verwiesen
hat und die heutzutage wieder in ihre 'Rechte' eingesetzt werden. In
diesem 'Neuen Christentum' werden Christus, die Apostel, die
Definitionen und Anordnungen des kirchlichen Lehramtes von
neunzehnhundert Jahren nur noch Reminiszenzen von bloßem 'historischen
und apologetischem' Wert sein, Jahresringe einer unaufhaltbaren
Entwicklung, die erst dann ihr Ende finden wird, wenn der, zum
vollkommenen Wesen gewordene Mensch sich in der Unendlichkeit des Alls
auflöst. Wir haben die Zeit im Futur gebraucht. Aber es besteht kein
Zweifel darüber, daß dieses 'Neue' Christentum in den Herzen einer
Anzahl katholischer Kleriker und Laien der 'Neuen Zeit' bereits
existiert. Man kann bereits die, von gewissen Ordensgeistlichen und
anderen im Flüsterton geäußerte Voraussage hören, daß 'innerhalb von 2o
Jahren...,innerhalb von 4o Jahren, im Jahre 2ooo, spätestens in einem
Jahrhundert... das Ziel erreicht sei. Inzwischen arbeiten sie mit
fieberhafter Betriebsamkeit für den Triumph der endgültigen und
universalen Religion..."
Diese Welt hat, obwohl sie katholische Terminologie gebraucht und
dadurch sogar viele gutgläubige Katholiken irreführt, nichts mehr mit
dem traditionellen, von Christus gelehrten Katholizismus zu tun, der
seine Mitte in einem persönlichen Gott hat. Letztlich gründet diese
Welt in einer Auffassung vom Menschen, der als ein Individuum
Eigengesetzlichkeit für sich in Anspruch nimmt, der stolz, unbeschränkt
frei und von einem persönlichen Gott und seinen Geboten unabhängig und
darum im Grunde amoralisch und diabolisch ist und Vollkommenheit in der
beständigen Entwicklung der Rechte des Menschen und seiner 'Werte'
sucht.
In ihrem Kampf, sich gegen die traditionelle, auf einen persönliche!
Gott gegründete Religion durchzusetzen, hat sie einen Wortschatz
hochtönender, aber nicht auf Vernunft aufgebauter, stimmungsbetonter,
täuschender und falscher Wertmaßstabpaare entwickelt wie: "neu" gegen
"alt"; eine "glorreiche Zukunft" gegen "gleichbleibend" und
"rückschrittlich"; "liberal" gegen "konservativ"; "positiv" gegen
"negativ"; Gottes-"Liebe" gegen Gottesfurcht und Ehrfurcht vor Gott;
"über die Gebote hinaus" gegen die Gebote; moralische "Reife" gegen
Prüderie; "Dialog" gegen Absonderung; Aufgeschlossenheit, Duldsamkeit
und Nachgiebigkeit gegen starres Festhalten an Morallehre; "Einheit"
gegen konfessionelle Splitterung; "aggiornamento", Mitgehen mit der
Zeit und Anpassung an die "Nöte unserer Zeit und die Forderungen der
modernen Gesellschaft" gegen sterile Grundsatztreue und Dogmatismus;
menschliche Freiheit, Menschenrechte und menschliche Werte gegen die
Ansprüche eines, die "Keule schwingenden" Gottes. (...)
In den letzten Jahrzehnten hat sich der fortschrittlich-säkularistische
Geist innerhalb der Kirche insbesondere durch die fast vollständige
Unterlassung unserer Kirchenführer bemerkbar gemacht, einen
enschiedenen Kampf zu führen gegen die (Indoktrination) katholischer
Familien durch die Seelen-Massenmörder, Fernsehen und säkularistische
illustrierte Zeitschriften, gegen die unmoralischen
"dating"-Gewohnheiten von Halbwüchsigen und gegen die Schamlosigkeit in
der Kleidung, die inzwischen soweit vorangeschritten ist, daß Frauen
buchstäblich fast nackt in der Öffentlichkeit erscheinen. Diese
Unterlassungen waren nur Symptome einer allgemeinen Richtung der
Seelsorge (oder besser Seel-Sorglosigkeit), sich im Widerspruch zu dem
ausdrücklichen Auftrag Christi an seine Kirche (Mt. 28,2o)
Zurückhaltung aufzuerlegen in der furchtlosen und rücksichtslosen
Verkündigung der Gebote und der Folgen ihrer Befolgung und
Nichtbefolgung, da man fürchtete, daß moderne Ohren daran Anstoß nehmen
und dadurch erschreckt werden könnten und die Kirche in den Verdacht
kommen könnte, sie sei altmodisch und gegen Neuzeitlichkeit
eingestellt.
(...) Das volle Ausmaß des unheilvollen Einflusses des "Fortschritte"
wurde offenbar - vielleicht als ein Akt der Vorsehung, der dazu
bestimmt ist, die Geister zu sondieren und die Lage zu klären -, als
Papst Johannes XXIII.y kräftig unterstützt von August Kardinal Bea SJ,
das Zweite Vatikanische Konzil mit dem ausdrücklichen Ziel einberief,
die Einheit der Christenheit zu fördern, und erfolgreich Führer
protestantischer Sekten einlud, dem Konzil als Gäste beizuwohnen. Der
Zweck des Konzils und Papst Johannes' irenische Haltung (...)> die
sich z.B. in seiner unglücklichen Ansprache äußerte, mit der er die
erste Sitzung des Konzils eröffnete, wurde von den Fortschrittlern als
die offene Tür zu fundamentalen Änderungen in der Kirche in der
Richtung ihrer Denkweise angesehen. (...)
Nichts zeigt den Schwund der Kraft des Glaubens an die authentischen
Dogmen des Glaubensgutes und die geistige Aufnahmebereitschaft für das
fortschrittlich-säkularistische Kredo bei einem großen Teil unseres
Episkopates und dessen Periti deutlicher als die Tatsache, daß die
Sache der "Einheit mit dem Protestantismus" von so vielen Konzilsvätern
begeistert aufgenommen wurde, obwohl sie doch von Anfang an wissen
mußten, daß das katholische Zentraldogma von der Seligmachung des
Menschen sich fundamental und unüberbrückbar von der entsprechenden
protestantischen Sola-fides-Lehre unterscheide, daß keinerlei Aussicht
bestehe, daß die protestantischen Sekten in corpore diese und andere
Häresien und häretische Praktiken, wie Ehescheidung und künstliche
Geburtenkontrolle, aufgeben würden, daß daher eine Konversion des
Protestantismus zum Katholizismus überhaupt nicht in Frage stehe und
daß unter diesen Umständen "Einheit" mit dem Protestantismus nur ein
gefährliches Spiel mit katholischen Dogmen und deren Aufgabe bedeuten
könne. Vorschläge in dieser Richtung, nicht zuletzt unter jesuitischem
Einfluß, wurden tatsächlich gemacht. (...) Die Ökumenische
Erzdiözesan-Kommission von Boston (USA) gab nach einer Sitzung mit
August Kardinal Bea SJ eine Erklärung heraus, in der sogar gemeinsamer
öffentlicher Gottesdienst mit den Protestanten befürwortet wurde. Und
Joseph Kardinal Ritter von St. Louis (USA) vereinbarte mit einem
Bischof der protestantischen Episkopal-Kirche eine Trauungszeremonie,
die gemeinsam von einem katholischen und protestantischen Geistlichen
vollzogen wurde. Beide Fälle verstoßen offen gegen die Paragraphen 1325
und 1258 des Kanonischen Rechtes, die Enzyklika "Mortalium ·nimos" von
Papst Pius XI., die Anordnung des Hl. Offiziums vom 2o. Dezember 1949,
die Communio in sacris verbietet (...).
(26. August 1964)
***
HAT
JOSEPH KARDINAL RITTER DURCH SEINE GEHEIME ANWEISUNG ÜBER ÖKUMENISMUS
DIE PROTESTANTISIERUNG SEINER ERZDIÖZESE ST. LOUIS (U.S.A.) BEGONNEN?
von
Dr. Hugo Maria Kellner
(...) In Bezug auf die communicatio in sacris wird im Abschnitt die
EUCHARISTIE auf S.10 die erstaunliche Behauptung aufgestellt, daß auf
katholischer Seite theologische Diskussionen darüber im Gange sind,
"bei besonderen Gelegenheiten" die Mitglieder protestantischer Sekten -
und es gibt deren etwa 3oo - zur "offenen Kommunion" oder, um in
angemessener katholischer Ausdrucksweise zu reden, die
bezeichnenderweise in der "Anweisung" aufgegeben ist, zum Empfang des
Sakramentes der heiligen Eucharistie oder heiligen Kommunion
zuzulassen. Ein solcher Plan ist angesichts der Tatsache, daß die
protestantischer Sekten mit ganz geringen Ausnahmen überhaupt nicht an
die heilige Eucharistie und ihren sakramentalen Charakter glauben, für
einen orthodoxen Katholiken eine solche Ungeheuerlichkeit, daß er nur
einer Denkweise entsprungen sein kann, die die Grundlagen des
katholischen Glaubens aufgegeben hat. Wenn daher die "Anweisung" im
Abschnitt DIE EUCHARISTIE auf Seite lo davon spricht: "Die Eucharistie
ist das Zeichen und der Grund der Einheit im wahrsten Sinne des Wortes.
Sie ist das Ziel, auf das die ganze Wucht der ökumenischen Bewegung
sich richtet", so ist damit, wie der Zusammenhang zeigt, keineswegs
eine Einigung der Christen auf dem Boden des katholischen Sakraments
der heiligen Eucharistie oder der heiligen Kommunion gemeint, sondern
die von den protestantischen (im Gegensatz zu den orthodoxen)
Mitgliedern des "Weltkirchenrates" vertretene, nicht-sakramentale
"offene Kommunion" für alle, dem Weltkirchenrat angeschlossenen
religiösen Gemeinschaften, wie sie auf der in Montreal im Jahre 1963
abgehaltenen "Glaube und Ordnung"- Konferenz des Weltkirchenrates von
den protestantischen Sekten gefordert, aber von den katholische
Prinzipien vertretenden Orthodoxen in einer stürmischen
Auseinandersetzung abgelehnt wurde. (...) Die Idee der "offenen
Kommunion", mit der die "Anweisung" stärkstens sympathisiert, findet in
ihr bereits einen praktischen Niederschlag in der ungeheuerlichen
Verordnung "einzelne" Protestanten ohne Konversion zum Katholizismus
zum Empfang der hl. Kommunion zuzulassen und noch dazu im Rahmen der
öffentlichen Feier des hl. Meßopfers. (...) Wenn die Anordnung der
"Anweisung" zur vollen Auswirkung kommen, kann ihre Wirkung nur die
Protestantisierung und letztlich die Säkularisierung eines erheblichen
Teils der etwa 5ooooo Katholiken der Erzdiözese St. Louis sein.
(26.5.1965)
***
EINIGE DER ESCHATOLOGISCHEN SITUATION UNSERER ZEIT ANGEPASSTE VORSCHLÄGE ZU EINER KlRCHENREFORM
von
Dr. Hugo Maria Kellner
(...) All das gegenwärtige, utopische Gerede unserer Kirchenführer von
einer Ausdehnung (!) des Kircheneinflusses durch "Dialog" mit
Nichtkatholiken und sogar mit Kommunisten angesichts des
ununterbrochenen Triumphmarsches des Kommunismus in der Eroberung der
Welt, der sich nun mit aller Aussicht auf Erfolg anschickt, in die
moralisch zerfressenen katholischen Heimatländer vorzustoßen, beweist,
daß diejenigen, die in erster Linie dazu berufen sind, unsere Zeit nach
Anzeichen des' in der Hl. Schrift vorausgesagten Weltendes zu
beobachten und diese Anzeichen sorgfältig zu beachten, bis jetzt die
wahre Natur und die Möglichkeiten des diabolischen Weltkommunismus als
das Reich des Antichrist nicht erkannt haben, obwohl der historische
Beweis dafür sich vor unseren Augen in einer unüberbietbaren Stärke
entfaltet.
Um allem die Krone aufzusetzen: nicht einmal die einfach unleugbare
Tatsache der tatsächlichen Existenz von Atomwaffen, die die ganze
Menschheit jederzeit nicht nur einmal, sondern hunderte Male zu
vernichten imstande sind und in aller Welt voll politischen Zündstoffs
in die Hände einer stetig zunehmenden Zahl von Staaten gelangen, die
ominöserweise Rot-China einschließen, ist imstande, unsere
Kirchenführer zu veranlassen, den Gedanken, daß das Ende der Menschheit
tatsächlich nahe sein könnte, ernstlich in Betracht zu ziehen. Dies ist
erwiesen durch die Tatsache, daß in den Konzilsberatungen diese alles
überragende Erwägung, die alle andern, im Konzil behandelten Fragen in
den Schatten stellt und sie unerheblich und unwirklich erscheinen läßt,
vollständig abwesend ist. Daran würde natürlich auch eine gut
klingende, aber selbstverständlich unwirksame Verurteilung der
Atomwaffen oder deren Test nichts ändern. Man sollte beachten, daß die
Nuklearbedrohung ihre besondere biblische Bedeutung dadurch erhält, daß
die Art und Weise, in der nukleare Zerstörung vor sich geht, mit den
Einzelheiten der Schrift-Voraussagen über das Ende der Welt
übereinstimmt. (...)
Es ist wichtig im Auge zu behalten, daß nach den Voraussagen der Hl.
Schrift die Ereignisse der eschatologischen Geschichte sich wie folgt
abspielen: Eine weltweite Predigt des Glaubens (die bereits eingetreten
ist), ein großer Abfall vom Glauben zum Säkularismus, die Bildung des
Reiches des Antichrist, das Ende der Welt und die Wiederkunft Christi.
Diese Zeittafel der Hl. Schrift sieht das Ende der Welt nach
der(ersten) großen Apostasie vor und schließt einen neuen Aufschwung
des Glaubens nach der großen Apostasie und eine Rückkehr der
säkularisierten Welt zum Glauben aus (ohne natürlich die Konversion
einzelner auszuschließen). Etwas anderes kann vernünftigerweise auch
nicht erwartet werden. Denn eine Welt, in der der überwiegende Teil der
Menschen durch Annahme des Säkularismus, d.h. Trennung von Gott, die
Autorität ihres Schöpfers und seiner Gebote und die durch Christus am
Kreuz verdienten Gnaden ablehnt und dadurch bewirkt, daß "die Bosheit
Überhand nimmt" (Mt. 24,12), ist reif für ihre Zerstörung und ihr
Gericht. Tatsächlich haben die Menschen durch ihre Bosheit die Mittel
zu ihrer Zerstörung mit ihren eigenen Händen in der Form von Atomwaffen
geschaffen. Die Erwartung, daß im gegenwärtigen Stadium der
eschatologischen Geschichte "eine neue und glorreiche Ära der
Kirchengeschichte" (Kardinal Ritter in seinem Vorwort zum Buche Pater
Bernhard Härings OSSR: "Das Johanneische Konzil") durch die Bekehrung
großer, säkularisierter Gruppen der Menschheit zum Katholizismus
mittels "Dialog" herbeigeführt werden könne, gründet sich deshalb nicht
auf gesunde dogmatische und biblische Beweisführung. Und diese
Erwartung wird zur Manie und zum Verrat, wenn in der noch immer
lebhaften "Einigungs"-Bewegung Anstrengungen gemacht werden, einen
neuen Aufschwung der Kirche durch ihre Vereinigung mit 2oo-3oo
protestantischen Sekten und ebensovielen Häresie-Spielarten dadurch zu
erzielen, das katholische Dogma und die katholische Moral auf's Spiel
zu setzen.
Zusammenfassend sei bemerkt: Wenn der Vernunft gestattet wird, die ihr
zustehende Funktion in der Auswertung unserer gegenwärtigen Situation
zu spielen, wie dies Christus von uns erwartet (Mt. 24,32f.), und wenn
Vernunft nicht durch wunschbetonte Sentimentalität hintangesetzt wird,
so ist die tatsächliche und gleichzeitige Existenz einer großen
Apostasie vom Glauben zum Säkularismus und eines stetig sich
ausbreitenden kämpferisch atheistischen, diabolischen Reiches (beide
Elemente als die Vorläufer des Weltendes vorausgesagt) und die
tatsächliche, gleichzeitige Existenz der Mittel, dieses Weltende in
einer Weise herbeizuführen, die mit den Einzelheiten der
Schrift-Voraussagen übereinstimmt, ein mehr als genügender Beweis für
die Nähe des Weltendes. (...) (5.11.65) (Anm.d.Red.: Zu dieser Zeit
hatte Dr. Kellner die Rolle Montinis noch nicht durchschaut.) |