BILANZ DES SCHRECKENS:
3 MILLIONEN DEUTSCHE STARBEN
von
Dietrich König
(aus MÜNCHNER MERKUR vom 12.7.83)
Eine erschreckende Bilanz hat jetzt der Zeitgeschichtsforscher Heinz
Nawratil nach vieljährigen Recherchen gezogen. Von der über 2o
Millionen zählenden deutschen Aufenthaltsbevölkerung im Osten des
Deutschen Reiches und in den deutschen Streusiedlungen zwischen Balkan
und Wolga starben - so der erschütternde Bericht - fast drei Millionen
durch Vertreibung und Verschleppung - vor allem in den Jahren 1945 bis
1947.
Zum ersten Mal wurde damit - auf einem Kolloquium der
Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt - an diesem Wochenende
der Öffentlichkeit ein Überblick über die Gesamtverluste der deutschen
Zivilbevölkerung im Osten geboten. Die letzte Untersuchung ähnlicher
Art legte 1958 das Statistische Bundesamt in Wiesbaden vor. Auf Grund
der seinerzeit schwierigen Quellenlage mußten sich die
Statistikwissenschaftler damals mit Teilergebnissen zufrieden geben und
bei ihren Berechnungen große Personenkreise außer Betracht lassen, vor
allem die über 1,5 Millionen Rußlanddeutschen und die 2 bis 2,5
Millionen nach Kriegsausbruch in den Osten zugezogenen Deutschen.
Die wichtigsten Todesursachen waren der neuen Untersuchung zufolge:
Unmenschliche Verhältnisse in jugoslawischen, sowjetischen,
tschechischen und polnischen Konzentrationslagern nach Art des
Todeslagers Lamsdorf in Oberschlesien, Pogrome (vor allem in der
Tschechoslowakai), Massenerschießungen, Ausrottung ganzer Dörfer, wie
sie zum Beispiel durch die Rote Armee im ostpreußischen Nemmersdorf
stattfand, um die ostdeutschen Gebiete möglichst schnell menschenleer
zu machen. Und schließlich hielten Hunger und Kälte furchtbare Ernte
unter denen, die 1944/45 um ihr Leben laufen mußten, und unter jenen,
die später zum Teil ohne ausreichende Verpflegung und Bekleidung in
Vertreibungstransporte zusammengefercht wurden.
Wie sich aus der von Heinz Nawratil bearbeiteten Dokumentation ergibt,
wurden vor allem Frauen, Kinder, Kranke, Behinderte sowie alte Bauern
Opfer von Massenmorden der sowjetischen Soldateska. Höhere
NS-Funktionäre konnten sich meist rechtzeitig nach dem Westen in
Sicherheit bringen und sich ihrer aufgeladenen Verantwortung für
vorangegangene deutsche Verbrechen entziehen. "Das Geschehen in den
Vertreibungsgebieten ist als Völkermord zu bezeichnen", konstatiert
Heinz Nawratil und erhärtet als promovierter Jurist seine Feststellung
anhand vieler Einzelbeispiele. Bei der Zeitgeschichtlichen
Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI) begrüßt man die Freigabe der
jahrelang gesperrten "Dokumentation der Vertreibungsverbrechen" durch
die neue Bundesregierung, wie ZFI-Leiter Alfred Schickel in einem
Nachwort unterstrich.
Die Version vom "spontanen Charakter der Nachkriegsverbrechen" dient
nach den Erkenntnissen der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle meist
der Beschönigung des Geschehenen und wird durch die Dokumentation des
Bundesarchivs wie durch die Arbeiten Heinz Nawratils weitgehend
widerlegt.
Die realen Hintergründe der Gewakttaten waren demnach vor allem eine
exzessive Haßpropaganda, Straffreiheit der Täter, sexuelle und
materielle Anreize wie Vergewaltigung und Plünderung und ähnliche
Ursachrn mehr. Nur ein auffallend kleiner Teil der Verbrechen sind
demnach als Racheakte von Verfolgten des NS-Regimes zu bezeichnen.
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HINWEIS:
Vom 26. bis zum 27. April 1986 findet in Brüssel, Hotel Metropole am
Place de Brouckère, ein internationaler Kongreß der
Lebensrechtsbewegung statt. U.a. werden Referate gehalten von Frau Dr.
Carolyn Gerster / U.S.A., Frau Alix Gobry / Frankreich, Frau Wanda
Poltawska / Polen, Herrn Marcel Defays / Belgien, Herrn Prof. Gobry /
Frankreich und Herrn Joseph F. Krämer / Deutschland. Anmeldung bei:
"Vox Vitae", Gh. von Houtte, rue du Trone 89, B - 105o - Bruxelles,
oder bei anderen europäischen Bürgerinitativen. |