DER WIEDERAUFBAU DER KIRCHLICHEN HIERARCHIE
von
Eberhard Heller
(Fortsetzung I.)
Zu den Autoren, die eine Lösung der kirchlichen Krise unter den
derzeitigen Bedingungen für möglich halten, zumindest partiell, und
eine solche beschreiben, gehört Herr Alvaro Ramirez Arandigoyen, der im
Anschluß an die erfolgten Bischofsweihen durch den inzwischen!
verstorbenen Erzbischof Pierre Martin Nog-dinh-Thuc sich in einem
offenen Brief an S.E. Mgr. Carmona gewandt hat. Durch diese Weihen
hatte, sich die kirchliche Situation insofern grundsätzlich geändert,
als durch sie die apostolische Sukzession gesichert war. Und man durfte
annehmen, daß die neuen Bischöfe - auch auf der Grundlage der
öffentlichen! Verurteilung der Häresien im Gefolge von Vatikanum 2 -
beim Wiederaufbau der kirchlichen Institution zügig voranschreiten
würden... zumindest schien es erst einmal so.
Nach meinem Artikel "Wo stehen wir?" (EINSICHT vom März und Mai 1983,
S.194 ff u. 53 ff.) erschien aus der Feder von Herrn Ramirez / Buenos
Aires in der! Zeitschrift FIDELIDAD A LA SANTA IGLESIA Nr.XVIII vom
15.8.1983 (deutsch von Heinrich Beckmann in EINSICHT vom Febr. u. Mai
1984, S.194 ff. u. 234 ff.) ein in die Form eines offenen Briefes
gekleideter Artikel, in dem außer einer gründlichen Lagebeurteilung die
rechtlichen und pastoralen Vollmachten der neu geweihten katholischen
Bischöfe umrissen werden. Nach Ansicht von Herrn Ramirez besitzen die
von S.E. Mgr. Ngo-dinh-Thuc konsekrierten Bischöfe, deren Weihen er -
trotz des fehlenden päpstlichen Mandats - als gültig und gerechtfertigt
verteidigt, (weil
a) die Weihegewalt unabhängig von der Jurisdiktion besteht und
b) wir uns in einem allgemeinen kirchlichen Notstand befinden),
die "potestas ordinis", d.h. die Vollmacht der Sakramentenspendung, und
die "potestas generandi", d.i. die Macht des geistigen Zeugens, womit
gemeint ist, daß die Bischöfe neue kirchliche Gemeinschaften zeugen
können, die sie - um es mit einem von mir gebrauchten Terminus zu sagen
- pastoral auch zu leiten hätten. Dabei bleibt aber die Frage der
jurisdiktionellen Vollmacht in diesen, von einem Bischof geleiteten
Gemeinden ungeklärt. Eine universale Jurisdiktion spricht er den neuen
Bischöfen ab, ebenso das Recht, einen neuen Papst zu wählen, da dieses
Recht der römischen Kirchengemeinde zusteht. Eine Neubesetzung der
usurpierten Bischofsstühle soll nach Herrn Ramirez auch nicht gestattet
sein, selbst wenn dies faktisch möglich sein sollte. Sein Rat an die
Bischöfe lautet: "zu handeln, wie die Apostel es taten". Die besondere
Rolle des hl. Petrus, unter dessen Ägide jedoch die übrigen Apostel
handelten, und deren Bedeutung gerade für ihre Beauftragung wird nicht
erläutert, ebenso wenig wie dargelegt wird, wie das Petrusamt neu
besetzt; d.h. wie die universelle Jurisdiktion zurückgewonnen werden
könnte.
Ein umfassenderes Konzept hat Mgr. Guerard des Lauriers OP dargelegt
(vgl. dazu seine Artikel in EINSICHT vom März 1984, S.226-231 und
vorher Oktober 198o, S.173), welches er neuerdings durch eine
Abhandlung in der französischen Zeitschrift SOUS LA BANNIÈRE,
Supplément Nr.3 vom Jan.-Febr. 1986 ("Consacrer des évêques?" -
hier zitiert in der deutschen Übersetzung von Herrn Eugen Golia:
"Soll man Bischöfe weihen?") ergänzt und weiter erläutert hat.
(N.b. der unmittelbare Anlaß für die Abfassung dieses Artikels
waren erneute Gerüchte über beabsichtigte Bischofsweihen - oder
'Bischofsweihen', wenn man Zweifel an der Gültigkeit von Lefebvres
eigener Bischofsweihe hat -, die der Chef von Econe spenden will
- oder bereits gespendet hat? - Auf jeden Fall berichtet Mgr. Guerard
des Lauriers, zwei - von vier - der für dieses Amt vorgesehenen
Kandidaten hätten sich bei ehemaligen Mitschülern, die wegen ihrer
konsequenten Haltung gegenüber Mgr. Wojtyla aus Econe hinausgeworfen
worden waren, erkundigt, ob solche Bischofsweihen ihrer Meinung nach
erlaubterweise gespendet bzw. empfangen werden dürften.)
Nach der Darstellung von Mgr. Guerard des Lauriers basiert die Kirche
auf zwei organisch miteinander verbundenen Prinzipien: der Missio (dem
Missionsauftrag) und der Sessio (dem Amtssitz). Beiden korrespondieren
auf der einen Seite die Weihegewalt und auf der anderen Seite die
Jurisdiktion. Beide - Missio und Sessio in eins wurden zunächst dem hl.
Petrus zugesagt, wobei die Sessio - und damit verbunden die
Jurisdiktionsgewalt - vom hl. Petrus (und seinen Nachfolgern) an die
Apostel (und deren Nachfolgern) delegiert werden soll, während die
Missio allen Aposteln gleichermaßen übertragen wurde. "Die Sessio sowie
die Missio, die in Wirklichkeit getrennt, aber organisch miteinander
verbunden sind, wurden zuerst Petrus allein versprochen (Mt 16, 18f.)
und dann übertragen (Joh 21,15-19). Aber alles, was die Missio
betrifft, wurde gleichermaßen auf die zwölf (oder zehn) anderen Apostel
übertragen, gleichzeitig mit Petrus und in strikter Gleichheit mit
Petrus: Eucharistie (Mk 14,22-24), die Gewalt der Lossprechung (Mt
18,18; Joh. 2o,22f.) Und das feierliche Versprechen: 'Und siehe, Ich
bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Welt' (Mt 28,2o), betrifft
ausdrücklich die an alle elf gleichermaßen angesagte Missio. (...) Die
Missio ist sicherlich verbunden und in Einklang gebracht mit der
Sessio, 'aber in der streitenden Kirche, wo alles im Dienste des salus
animarum steht' (Pius XII. am 3.6.1956) ist die Sessio für die Missio
da. Die Sessio, und sie allein, vollendet in der Katholizität die
Einheit, welche im Zustand der Entstehung aber eigentlich der Missio
angehört." (Vgl. SOUS LA BANNIéRE, S.2 - im folgenden abgekürzt: SLB)
Nach Mgr. Guerard des Lauriers sind die beiden zugeordneten Ordines
(Weihegewalt und Jurisdiktion) untereinander "nicht zurückführbar",
andererseits aber "in der Person des souveränen Pontifex (...)
koordiniert, d.h. die eine und die andere geordnet, sehr genau, wie es
die Missio und Sessio sind. (...) Die Missio ist (...) hinsichtlich
ihrer Struktur göttlichen Ursprungs (Mt. 28,18-2o) und der Grund
hierfür: 'Der Bischof wird über seine Herde durch den Hl. Geist
eingesetzt'. Durch den Hl. Geist, und nicht durch den Bischof von Rom.
Daraus geht - wesentlich für den Episkopat, betrachtet sub ratione
ordinis - die Absolutheit der Missio hervor. Die Missio als solche kann
sich mittels des Episkopats fortsetzen". (SLB, S.2) Obwohl nun Christus
es ist, der einen bestimmten Bischof für eine bestimmte Diözese
erwählte, beschloß er in "seiner Gottheit, es durch Vermittlung des
Papstes, Seines Stellvertreters auf Erden, zu machen. (...) Kein
Bischof besitzt eine Diözese und Jurisdiktion, wenn nicht in
UnterOrdnung unter den Bischof von Rom. Darin manifestiert sich,
ratione jurisdictionis, in der Person des Papstes, der im Besitz der
Prima Sedes ist, die Absolutheit der Sessio. Die Sessio kann nicht ohne
Missio sein, denn der Grund für das Bestehen der Sessio ist die
möglichst gute Realisierung der Missio. Niemals kann aber die Sessio
aus der Missio hervorgehen; sie vermag nur aus ihrem eigenen Prinzip,
der Prima Sedes, hervorzugehen." (SLB, S.2)
Der derzeitige Inhaber der Cathedra Petri, Mgr. Wojtyla vertritt nach
Mgr. des Lauriers "gewohnheitsmäßig die Häresie", weswegen er
formaliter nicht Papst sein kann. Da er aber "ordnungsgemäß gewählt"
sei, sei er trotz seiner Häresie materialiter Papst. "Die streitende
Kirche ist gegenwärtig besetzt und in einem Zustand der Beraubung.
Wojtyla, ordnungsgemäß gewählt - ich nehme dies an bis zum Beweis des
Gegenteils - in einem Konklave, in dem sich noch zwölf authentische
Kardinale befanden, die nicht dagegen protestierten, hält den Stuhl von
Rom besetzt; er ist Papst 'materialiter'". (SLB, S.3.) Da aber
glaubenswidrige bzw. glaubenszerstörende Anordnungen keine Geltung und
keinen Gehorsam von den Gläubigen beanspruchen können, ist der Amtssitz
(die Sessio) "an der Spitze erschüttert, und diese Erschütterung setzt
sich fort (...) durch das ganze Gebäude". (Vgl. EINSICHT vom März 1984,
S.227; SLB, S.3) Die Frage, welcheFolgen diese Erschütterung auf Mgr.
WojtylasMissio und Sessio, auf die Weihegewaltsausübung und die
Jurisdiktion genau haben bzw. welche Vollmachten er auf Grund der
Materialität seines Papsttums noch hat, beantwortet Mgr. des Lauriers
nicht. Er sagt lediglich: "Auf Grund des Naturrechtes ist Wojtyla
metaphysisch und Jurisdiktionen unfähig, sein Amt auszuüben." (SLB,
S.3.)
Die Wiederherstellung der Prima Sedes sollte nach des Lauriers zunächst
so aussehen, daß sich Mgr. Wojtyla bekehren müsse (vgl. EINSICHT vom
Okt. 198o, S.173). Inzwischen redet er von einer Bekehrung, durch die
Wojtyla nicht mehr bloß materialiter, sondern wieder formaliter hätte
Papst werden können, inzwischen nicht mehr.
Mgr. Guerard des Lauriers zeigt in seinem neuesten Aufsatz den Weg auf,
den die Kirche in einem solchen Fall eines "Papa haereticus" immer
gegangen ist - und den die EINSICHT seit ihrem Erscheinen im Jahre 1971
ähnlich aufgezeigt hat: "Die Bischöfe, welche an der Sessio der Prima
Sedes teilhaben und welche die Missio kraft des Hl. Geistes ausüben (Ap
2o,28) müssen kraft eben dieses Hl. Geistes entsprechend den
Erfordernissen des Glaubens den Irrtum des Papstes erkennen und ihm
respektvoll einen Verweis erteilen. Mißbilligt der Papst den von ihm
begangenen Irrtum, ist die Sessio in ihm befestigt. Verharrt er aber im
Irrtum, erklärt er sich selbst zum Ketzer und erklärt damit seine
Unfähigkeit zum Besitz des apostolischen Stuhles. Der Stuhl ist somit
vakant. Es fällt somit den vorgenannten Bischöfen nicht die Aufgabe zu,
'den Papst abzusetzen', sondern den Stuhl für vakant zu erklären und
ein Konklave einzuberufen, das dessen einstweilige Verwaltung sichern
soll." (SLB, S.) Dieser Prozeß kann nur in der Kirche verwirklicht
werden, weil sich die Kirche nur von innen heraus reformieren kann.
Befähigt zu der Vakanzerklärung sind aber nur Bischöfe, nach Ansicht
von Mgr. G.d.Lauriers, die die dem Bischofsamt innewohnenden zwei
Bedingungen erfüllen: "1.) Teilnahme an der Sessio, d.h. residierender
Bischof zu sein - mag er teilweise auch ungläubig sein; 2.) Ausübung
der Missio im Hl. Geiste, somit konform mit der Glaubenslehre." (SLB,
S.4.) Denn es können diese Vakanz-Erklärung nur Personen abgeben,
welche "physisch oder moralisch dazu befähigt sind" und welche deswegen
ipso facto auch geeignet sind, die "Provisio" der Autorität zu
realisieren. (SLB, S.3; EINSICHT vom März 1984, S.227) Alle anderen,
die eine solche Erklärung abgeben würden, sollten sich fragen lassen,
ob sie noch ernst genommen würden, wenn sie die Einberufung eines
Konklaves forderten. (a.a.O.) Wenn man Mgr. des Lauriers richtig
interpretiert, wäre dann durch einen solchen formellen Akt der Papst
auch seines materialiter Papst-Zustandes entkleidet.
Nach des Lauriers Ansicht ist niemand (mehr) befähigt, eine legitime
Sedesvakanz-Erklärung abzugeben, außer eventuell einem eingekerkerten
oder in Verborgenheit lebenden Bischof. Auch S.E. Mgr. Ngo-dinh-Thuc
war nicht legitimiert, eine solche Erklärung zu publizieren, da er
durch seine Demissionierung am 17.2.1968, die ihm von Paul VI.
aufgezwungen wurde, dessen Autorität anerkannt u. so die Teilhabe an
der Sessio verloren hätte. (SLB, S.4 - dort apostrophiert des Lauriers
seinen Konsekrator als den "lieben 'treuen' Bischof Thuc".) Für des
Lauriers spielt es dabei keine Rolle, daß der juristische Akt eines
Häretikers null und nichtig ist (vgl. Bulle "Cum ex apostolatus
officio" von Paul IV.) und Mgr. Thuc sich entweder im Irrtum
hinsichtlich der Person Montinis befunden haben könnte (1968!!!) oder
überhaupt keine Möglichkeit hatte, seinen erzbischöflichen Sitz in Hue
wieder zu besetzen - wegen des Krieges konnte er nicht nach Vietnam
zurückkehren. (In diesem Zusammenhang verweise ich darauf, daß die von
dem damaligen Pater Guerard des Lauriers hauptsächlich abgefaßte "Kurze
kritische Untersuchung des 'Novus Ordo Missae'" unter dem Patronat von
Kard. Ottaviani und Kard. Bacci sich an den "Heiligen Vater" Paul VI.
richtet - sie wurde über ein Jahr nach der zwangsweisen Demissionierung
von Mgr. Thuc verfaßt - im Mai 1969.)
Nach diesen Prämissen ist klar, daß auch die Bischöfe der "Thuc-Linie
nicht im Besitz der Sessio sind und ebenfalls keine Erklärung abgeben
können. "Sie haben keinen Anteil an der Sessio der Prima Sedes. Sie
gehören wohl zur Kirche im Zustand der Beraubung; aber sie können
nichts zur Wiederherstellung der entzogenen Sessio beitragen." (SLB,
S.4) Mgr. Guerard des Lauriers wiederholt die Befürchtung, daß einige
von diesen Bischöfen durch Anmaßung einer allgemeinen Jurisdiktion in
ein neues Palmar-Abenteuer hineingeraten könnten, weil sie von einer
sog. Sessionitis, d.i. einer Zwangvorstellung hinsichtlich der Sessio
befallen seien, die in sich "de jure betrügerisch und satanisch
verführerisch" sei (SLB, S.4).
Da somit die Sessio in den Augen von Mgr. Guerard des Lauriers kaum
noch besetzbar erscheint - von menschlicher Seite -, hofft er auf ein
"direktes Eingreifen Christi". Er schreibt: "Was nun die Absichten
Gottes bezüglich der Wiederherstellung der Sessio betrifft: das
Schwinden der vorzeitigen Hoffnungen führt uns wieder in die nüchterne
Wirklichkeit zurück. Wir wissen nichts - Gott ist frei! Wir sollen
daher auch nichts a priori ausschließen, sondern vielmehr das Mysterium
respektieren, in ihm das Geheimnis lieben und es anbeten. Jesus schläft
im Boot. Er ließ erkennen, daß Ihn zu wecken Mangel an Glauben bedeutet
(Mt. 8,26). Man muß somit hinsichtlich der Wiederherstellung der Sessio
'in silentio et spe' (Isaias 3o,15) warten, hoffend wider alle Hoffnung
(SLB, S.5)." - Diese Mystik, nachdem Mgr. d. Lauriers a priori eine
ganze Reihe von Möglichkeiten der Restitution der Sessio ausgeschlossen
hat!!!
So bleibt - will man Mgr. d.L. folgen und auf ein allen sichtbares
Wunder Christi mit ihm warten - nur die Fortsetzung der Missio, d.h.
der Glaubensverbreitung, der Pastoral und der Sakramentenspendung
inclusive der Spendung der Bischofsweihe, da sie Vollmachten
einschließt, die zur übrigen Spendung der Sakramente nötig sind. "Falls
es sich erweisen sollte, daß die von einer solchen 'Sessio' anbefohlene
'Missio1 fehlerhaft und unannehmbar ist, weil unvereinbar mit dem
Glaubensinstinkt, muß die wahre Missio gerettet werden. Man muß das
reine Opfer retten; man muß also konsequenterweise die Pseudo-Sessio
als nicht bestehend ansehen." (SLB, S.3)
Lediglich diese Aufgabe, nämlich die Ausübung der Missio, da nicht
ursprünglich an die Sessio gebunden - nach d. Lauriers -, dürfen die in
der Thuc-Linie stehenden Bischöfe ausüben. Sie müssen sich also strikt
jeglicher Aktivitäten zum Wiederaufbau der Hierarchie enthaltenT (Vgl.
auch EINSICHT vom März 1984, S.228: "Die Sessio kann in der Kirche
nicht durch Personen wiederhergestellt werden, die ihrer entbehren".)
Diese Ablehnung gegen den Wiederaufbau geht bei Mgr. D. Lauriers so
weit, daß er für sich sogar jegliche Kooperation mit anderen Bischöfen
zur Durchführung der Missio, d.h. zur pastoralen Betreuung der
Gläubigen ablehnt, um nicht den Anschein zu erwecken, er wolle damit
über die faktische Jurisdiktion bei der gültigen und erlaubten Spendung
der Sakramente hinaus Jurisdiktion im allgemeinen Sinne beanspruchen.
Faßt man die Ausführungen von Mgr. Guerard des Lauriers zur besseren
Übersicht noch einmal zusammen, so will er folgendes sagen: Die Kirche
beruht auf zwei Wurzeln a) der Missio und b) der Sessio; beide sind
miteinander verbunden, in der streitenden Kirche ist die Sessio für die
Missio. Durch die Erschütterung der Prima Sedes, in der beide organisch
verbunden sind im Normalzustand, bedingt dadurch, daß deren Inhaber,
Mgr. Wojtyla gewohnheitsmäßig die Häresie verbreitet, wäre eigentlich
von hc Inhabern der Sessio eine Sedesvakanz-Erklärung erforderlich, um
den Weg frei zu machen für ein neues Konklave, damit der Stuhl Petri
wieder besetzt werden könnte. Da sich aber die Erschütterung weiter
fortgesetzt hat, ist z.Zt. niemand in Sicht, der diese Vakanz-
Erklärung autorisiert abgeben könnte. So bleibt Mgr. Wojtyla
materialiter Papst, d.h. die Sessio ist z.Zt. irreparabel - außer Gott
greift durch ein Wunder direkt ein. Was demnach zu tun übrig bleibt,
ist die Fortsetzung der Missio, d.h. der Glaubensausbreitung der
Sakramentenspendung ohne Ausübung irgendwelcher Jurisdiktionsakte.
Der Zirkel liegt nach Mgr. G.d. Lauriers darin, daß ohne Anteilhabe an
der Sessio keine Sedesvakanzerklärung abgegeben werden kann qua
Autorität, daß aber die Erneuerung der Sessio daran scheitert, daß
keine Sedesvakanzerklärung vorgelegt werden kann. Darum bleibt Mgr.
Wojtyla materialiter Papst.
Genau hier aber wird ein Dilemma sichtbar, in dem sich des Lauriers
selbst befindet. Auf der einen Seite setzt er sich im Falle der
Bischofsweihen über das päpstliche Mandat hinweg, ja über das gesamte
Kirchenrecht, weil er urteilt, Wojtyla sei, zumindest formailter, nicht
Papst. Andererseits würde es aber gerade die von ihm selbst verordnete
Zurückhaltung verbieten, darüber in der Form verbindlich zu urteilen
(daß er päpstliche Rechte ignoriert), weil er an der Sessio nach seinem
eigenen Befinden nicht partizipiert. Des Lauriers muß diesen
Widerspruch wohl selbst einmal bemerkt haben; denn zumindest für eine
Zeit lang sah er seine eigene Konsekration zum Bischof als echten
schismatischen Akt an, wie er uns, Herrn Dr. Hiller und mir, einmal in
einem Gespräch gestand, worüber wir recht erstaunt waren.
Der Hauptfehler des von Mgr. d. Lauriers vorgetragenen Konzepts liegt,
wie wir das bereits mehrfach dargelegt haben, in der Annahme, ein
öffentlich in Häresie gefallener Papst bliebe amtsfähig, er brauche
sich nur zu bekehren. Die Abstraktionen in formaliter und materialiter
Papst-Sein bzw. Nicht-Sein sind real unzulässig! Abgesehen davon haben
wir nachgewiesen, daß selbst nach Guerard des Lauriers Auffassung,
Wojtyla sei noch materialiter Papst, nicht haltbar ist, denn die Wahl,
aus der er hervorging, kann nicht als gültig angesehen werden (vgl.
EINSICHT vom Okt. 1978, S.89 ff.; das, was dort zur Wahl von Johannes
Paul I. gesagt wurde, gilt auch für die von Wojtyla). Somit ist Wojtyla
weder materialiter noch formaliter Papst. Überdies haben wir gezeigt,
daß man solche Unterscheidungen, die zwar gedanklich zulässig sind,
nicht real auseinander reißen darf: einen Halb-Papst bzw. einen halben
Nicht-Papst gibt es nicht.
Zum anderen verlangt gerade die von Mgr. Guerard des Lauriers
propagierte und favoritisierte Fortführung der Missio die Antizipation
einer wiederhergestellten Sessio, der Sessio in der Prima Sedes, da
ohne diese intendierte Vorwegnahme der intakten Sessio die Missio ihrer
Legitimation entbehren würde. Denn den Missio-Auftraghat Christus
Seiner Kirche gegeben, die auf Erden dazu von Amts wegen durch Seinen
Stellvertreter, den Papst, beauftragt ist, um es mit den Worten von
Mgr. G.d. Lauriers zu sagen, der die Einheit von Sessio und Missio
darstellt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die lange geführte
Debatte um das "una cum". Eine Missio ohne diese kirchliche Bindung
(die, wenn sie real abgerissen ist-durch Sedesvakanz - zumindest
antizipiert werden muß) endet notwendigerweise im Sektierertum. Darum
gilt es weiterhin nach einer Möglichkeit zu suchen, die Prima Sedes,
d.h. die Einheit von Missio und Sessio wieder aufzubauen.
Abgesehen von diesen kritischen Anmerkungen wird niemand, der sich mit
dem Problem der Wiederherstellung der kirchlichen Hierarchie und dem
Wiederaufbau der Kirche als Heilsinstitution ernsthaft befaßt, an den
Ausführungen von S.E. Mgr. Guerard des Lauriers vorbeikommen. Von allen
mir bekannten Darlegungen zu diesem Thema enthalten sie die genauesten
und umfassendsten Überlegungen und entscheidenden Implikationen
hinsichtlich der Konstitution der Kirche und ihres Sendungsauftrages.
(Fortsetzung folgt)
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