JOHANNES PAUL II., SEIN SELTSAMER ÖKUMENISMUS
UND W. SOLOWJEW
von
S.E. Bischof Louis Vezelis O.F.M.
übersetzt von Eugen Golla
Vorbemerkung:
Wladimir Sergejewitsch Solowjew zählt zu den bedeutendsten
nicht-marxistischen Philosophen Rußlands. Während er in seiner
Jugendzeit in dem vom Zaren und der orthodoxen Kirche beherrschten
russischen Reich den Wegbereiter für die Gottesherrschaft auf Erden
sah, wandte er sich nach dem Attentat auf Zar Alexander II. im Jahre
1881 liberalen Ideen zu: er trat u.a. für die Mörder des Zaren ein,
verlor deswegen seine Stelle als Universitätsdozent und begann unter
Ablehnung jeglicher Dogmen im Bereich des Glaubens und jeglicher
absolut verbindlicher Prinzipien im Denken die Vorstellung einer
ökumenischen Kirche unter der Führung des Papstes zu entwickeln. Kirche
und Staat verfolgtenihn. Später wurde er zu einem Propheten der Endzeit
mit ihrer Herrschaft des Antichristen.
Eugen Golla
***
Johannes Paul II. ist in erster Linie ein Slawe. Und es wäre ein reiner
Zufall, wäre er nicht vom russischen Philosophen Wladimir Solowjew
(1853 - 19oo) beeinflußt worden. Als Slawe fände es Johannes Paul II.
unerträglich, nicht mit diesem großen asketischen Philosophen des
Mütterchens Rußland vertraut zu sein. Mehr noch: man muß wissen, daß
nicht nur die Russen ein tiefes Gefühl für den Messianismus besitzen,
sondern daß unter den alten Slawophilen nationaler Messianismus eine
der Hauptideen war und daß diese messianischen Ideen einen
hervorragenden religiösen und mystischen Charakter bei den Polen
annahmen, z.B. bei Towianski (Towianski, Andrej, 1799 - 18 78,
Vertreter einer mystischmessianischen slawophilen Lehre, nach der
durcii slawische Völker eine geistige und religiöse Erneuerung zu
erwarten sei. Anm. Eugen Golia). Dies erklärt die enge Verwandtschaft
zwischen Religion und Nationalitätsbewußtsein bei den Polen (ebenso wie
bei anderen Völkern in deren Nachbarschaft).
Ist es dann nur ein Zufall der Geschichte, wenn dieser messianische
Nationalismus in Rußland entstellt wurde? Ist esnur ein Trick der
zeitlichen Konstellation, daß Rußland nicht zum Exporteur des wahren
christlichen Ideals wurde, sondern im Gegenteil ein dämonisches,
antichristliches System in Gestalt des jüdischen Marxismus exportierte?
Gibt es wirklich Zufälle in der Geschichte? Das, was als christlicher
Nationalismus einst begann, degenerierte sowohl in Rußland als auch in
Polen zu einem antichristlichen Nationalismus. Aber weder die Russen
noch die Polen wollen sich dies eingestehen. Denn eigentlich sind
zumindest noch die Polen fähig, ihren im Unterbewußtsein untergrabenen
christlichen Nationalismus (der jetzt unbemerkt ein antichristlicher
Nationalismus geworden ist) in ihren vertrauten Gotteshäusern zum
Ausdruck bringen.
Wir sehen bei dem russisch-orthodoxen Solowjew deutlich, daß er zwei
Prinzipien verteidigt, die charakteristisch für den orthodoxen Glauben
waren, nämlich Gewissens- und Gedankenfreiheit. In seinem Werk
"Christliche Politik" zitiert Solowjew das Gedicht eines anderen
russischen Schriftstellers, Tiutschew, in dem dieser lautstark gegen
das Papsttum in der Person Pius IX. protestiert: Sein Verderben werde
nicht das weltliche Schwert sein, welches er für viele Jahre besaß,
sondern das schicksalsschwere Wort, daß "Gewissensfreiheit Wahnsinn"
sei.
Man muß befürchten, daß Johannes Pauls II. eigene Religion derjenigen
Solowjews gleicht. Dessen Vorstellung von Religion erweckt.auf den
ersten Blick den Eindruck, als ob er weder der Orthodoxie, noch dem
Katholizismus, noch dem Protestantismus zuzurechnen sei. Wo stufte sich
Solowjew selbst ein? Er siedelte sich an über dem, was er als die
Schranken der drei Konfessionen feststellte. Er wollte sämtliche
Bekenntnisse in eine Art von "ökumenischer Christenheit" einbetten, um
dem zu entkommen, was er als üble Konsequenz ansehen würde, wenn man es
nicht täte: "Wir entfernen aus der Religion nicht nur ihre gesunde
Logik, sondern überdies auch ihre moralische Bedeutung; wir wandeln sie
also um in ein Hindernis auf dem Wege zur geistigen Regeneration der
Menschheit." (Vgl.: "Die Rechtfertigung des Guten".)
Solowjew wollte die religiösen Grundlagen ausgelöscht sehen. Sein
Konzept einer Union zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche sah
nicht eine Aufnahme der einen in die andere vor, d.h. die Annahme des
katholischen Dogmas und der katholischen Disziplin, sondern eine
"Kombination, in welcher jede Kirche ihr gestaltendes Prinzip sowie
ihre Besonderheit unter Verzicht auf alle Art von Feindschaft und
Exklusivität bewahren wird."
Könnte dies nicht eine Erklärung für die seltsame Theologie Johannes
Pauls II. hinsichtlich des Katholizismus sein, besonders hinsichtlich
seiner Auffassung, üaß die Mission der Kirche nicht darin bestehe, die
Völker zu lehren, sondern sich mit ihnen bei der Suche nach der
Wahrheit zu vereinen?
Wir finden Solowjews Endgedanken auf diesem Gebiet in voller Klarheit
in seinem letzten Werk "Drei Gespräche", in denen er die Vereinigung
der katholischen, der orthodoxen und der protestantischen Kirchen als
drei Zweige der einen Kirche beschreibt, wobei alle gleiche Vorrechte
genießen sollten. Seine "universale" Kirche ist deutlich erkennbare
eine andere 'Kirche'; denn Solowjew schreibt in einem Brief: "Ich bin
weit entfernt sowohl von lateinischen wie byzantinischen Begrenzungen
oder jenen von Augsburg oder Genf. Die Religion des Heiligen Geistes,
die ich bekenne, ist weiter und reicher an Inhalt als die getrennten:
sie ist weder die Totalsumme noch ein Auszug ihrer getrennten Organe."
Demnach hat Solowjew eine Art Religion vor Augen, die sogar die
vereinten Gesichtspunkte dieser drei christlichen Bekenntnisse
übersteigt. Solowjews Konzept der göttlichen Offenbarung verrät seine
rein rationale Einstellung zur Religion, wenn er das Prinzip, daß die
göttliche Offenbarung ein für allemal in der alten hebräischen Religion
sowie der christlichen Kirche vollendet worden ist, ablehnt. Wie die
Modernisten, die schon zu Zeiten Solowjews ihre Ideen durch ganz Europa
verbreiteten, betrachtete er die Offenbarung als etwas, das ständig neu
erfolgt und entwickelt werden muß, da seiner Meinung nach Gott die
Menschheit nur entsprechend ihrer stufenweisen Annahme der
geoffenbarten Wahrheit erziehen kann. Er sagt: "Gott vermag nur die zu
führen, die geistig reif wurden für Seine vorgesehene vollendete Liebe.
Notwendigerweise handelt Er im Stadium der geistigen Kindheit als Zwang
und Gewalt, im Zustand des geistigen Heranwachsens als Gesetz und
Autorität."
Der irregeleitete Mystizismus Solowjews fand eine herzliche Aufnahme in
der Spiritualität von Vatikanum II und den Visionen seiner Jünger.
Vielleicht inspiriert eine ähnliche Vorstellung Johannes Paul II, über
die Grenzen des katholischen Dogmas hinaus zu spekulieren und Heiden
sowie Häretikern eine religiöse Rechtgläubigkeit und Echtheit
beizulegen, die irgendwie (?) mit der Lehre Jesu Christi vereinbar sein
soll. Für Solowjew ebenso - wie ersichtlich - für Johannes Paul II. ist
das Gesetz "du sollst keine Götzen anbeten" oft von der Menschheit
verletzt worden, ohne sich jedoch dessen bewußt zu sein, daß sie
nämlich nicht Gott anbetet, sondern ein Geschöpf oder sogar einen
materiellen Gegenstand oder irgendein System von Ideen. Demgemäß mußten
somit jene, welche sich an die definierten Dogmen halten, als
"Götzenanbeter" betrachtet werden. Und nach Solowjew wäre ein solcher
Glaube mit einer religiösen Eitelkeit verbunden, die schließlich nicht
mehr ist als Egoismus in Reinkultur. Solowjew definiert das, was als
ein Zerrbild des Christentums erscheint, als eine "ungeheuerliche
Lehre, die behauptet, daß der einzige Pfad zum Heil im Dogma bestehe
und es unmöglich sei, ohne dieses gerettet zu werden."
Es ist klar, daß sich eine solche Geisteshaltung einer Form von
Ökumenismus zuwendet, die im Namen der Religion nur zum religiösen
Indifferentismus führen kann. Dies ist natürlich nicht vom logischen
Standpunkt aus in Betracht gezogen, denn Männer wie Solowjew wollen nur
lieben. Sie sind unfähig, die metaphysische Absurdität ihrer Position
einzusehen, weil ihre Liebe keine wirklich transzendentale Liebe ist,
sondern eine oberflächlich verkleidete Sentimentalität, deren
Grundlagen aus leeren Visionen bestehen.
Die klar hervortretende Entfernung vom dogmatisch festgelegten
Absoluten, wie dies vom Vatikanum II demonstriert wird, öffnet den Weg
für den Relativismus in der Lehre, die dann in letzter Konsequenz
überhaupt keine Doktrin mehr als Bestandteil hat. Man spricht von der
Liebe zu Gott und dem Nächsten, aber zugi -"'ch behauptet man, daß
Liebe zur dogmatischen Lehre zu Verfolgung und Bedrückung führe. D.h.
sogar: die angebliche Liebe zu Gott und zum Nächsten zu verfälschen;
denn das Dogma, d.h. die definierte Lehre, ist Ausdruck der Wahrheit.
Man gerät arg in Versuchung, in Johannes Pauls II. Ideen und Idealen
die gleiche Art von falscher Geistigkeit zu sehen wie bei Solowjew. Bei
der Entwicklung seines Begriffes von der christlichen Welt bestand
Solowjew vor allem auf der Notwendigkeit, sowohl die gesamte Kultur als
auch das gesamte politische und soziale Leben auf der Basis der
Grundzüge des Christentums aufzubauen. Wir sehen die Mentalität von
Vatikanum II. in diesem eigentümlichen "Christentum" versteckt, dessen
Vorstellung von Heiligkeit ebenfalls entstellt ist. Solowjew legt z.B.
dar: "Keine Heiligkeit kann nur persönlich sein. Heiligkeit ist
notwendig die Liebe zu anderen, und unter den Bedingungen der irdischen
Wirklichkeit ist diese Liebe meist Mitleid (...) Wir haben Moralisten,
die offen erklären, daß das Ideal des russischen Volkes persönliche
Heiligkeit erfordere, nicht aber soziale Gerechtigkeit. Persönliche
Heiligkeit ist hier natürlich nur benützt als Ablenkungsmanöver, indem
das wahre Ziel ist, irgendwie die soziale Gerechtigkeit loszuwerden."
(Vgl. "Das russische Nationalideal".) Auch diese Behauptung ist ein
sehr bekannter Slogan der 'Kirche' nach Vatikanum II. geworden: eine
fast krankhafte paranoide Attacke auf die persönliche Heiligkeit und
die allgemeinen Mittel, sie zu erlangen. Das Individuum ist in die
Kollektivität eingebunden, und die Stufe, bei der diese Einbindung
erreicht wird, ist - so muß man folgern - der Grad der jeweiligen
persönlichen Heiligkeit.
Was hier fehlt, ist schlicht jene Grundwahrheit, nach der nämlich jede
Heiligkeit mit der Beziehung des Individuums zu Gott beginnt. Von
diesem geistigen Bewußtsein zu Gott fließt eine wachsende Liebe zum
Nächsten, die ihren Höhepunkt in einer wahren und wirksamen sozialen
Gerechtigkeit erreicht. Man muß befürchten, daß Solowjews Thesenseiner
eigenen geistigen Entwicklung entgegengesetzt sind. Sein verfälschtes
und verdrehtes Gefühl, worum es sich beim Christentum handelt, führte
ihn unvermeidlich zu eigentümlichen Schlüssen. Wir sehen bei Johannes
Paul II. allzu deutlich, wie er in den geistigen Fußstapfen eines
Wladimir Solowjews wandelt.
Zu Solowjews Gunsten soll indessen darauf hingewiesen werden, daß er
trotz dieser falschen Auffassung vom Christentum, eine sehr
scharfsichtige Beobachtung - man möchte sagen: Prophezeiung -
hinsichtlich der Endzeit machte. Beim Sprechen über den Antichrist
schildert er den "letzten Akt der geschichtlichen Tragödie" (behandelnd
die große Apostasie und die Herrschaft des Antichrist) als eine"Epoche
der religiösen Betrüger", wenn der Name Christi von solchen
Streitkräften für die Humanität in Anspruch genommen werden wird, die
ihrer Natur und Aktivität nach fremd, ja direkt feindlich Christus
gegenüber und seinem Werk stehen.
Solowjew beschreibt diese Epoche des Antichrist als eine soziale
Organisation von Weltherrschaft, an deren Spitze ein genialer Denker
stehe. Er sei Sozialreformer, ein Asket und Philanthrop, aber der wahre
Motor seiner Handlungen sei Eitelkeit,und nicht Liebe. Er verlocke die
Menschheit durch das Ideal einer sozialen Ordnung, die für jeden eine
Fülle von "Brot und Spielen" sichern werde. Nur eine kleine Zahl werde
dem christlichen Ideal der Überwindung der irdischen Beschränktheit um
des Gottesreiches willen treu bleiben. Sie werde sich in die Wüste
zurückziehen, die Vereinigung der Kirchen zustandebringen und
hinausziehen, um der zweiten Ankunft Christi entgegen zu gehen.
Die Betrachtung der Prinzipien, die Vatikanum II motivierte, und die
Früchte, die es hervorbrachte, zwingen uns zu folgendem Schluß: Die
Ideen, welche vom Konzil an- und aufgenommen wurden, spiegeln eine
Theologie und Mentalität wider, die derjenigen Jesu Christi sowie
seiner von ihm gegründeten Kirche fremd sind. Sie spiegeln eine
Ideologie wider, die den Slawophilen nahesteht, in ihrem eifrigen
Bemühen, einen subjektiv ersonnen nationalen Messianismus zu
verwirklichen, der bereit ist, "den Weg" zu opfern, um "das Leben" zu
finden!
Sie irren furchtbar! Denn niemand vermag das Leben zu finden, ohne dem
Weg zu folgen. Jesus ist beides, "der Weg und das Leben"!
(aus: THE SERAPH, September 1987, S.4ff.)
HINWEISE DER REDAKTION:
HL. MESSE IN ST, MICHAEL/ MÜNCHEN: SONN- UND FEIERTAGS UM 9 UHR, VORHER
BEICHTGELEGENHEIT; ROSENKRANZGEBET AB CA, 8,3O UHR. (DAS VERZEICHNIS
DER FLESSZENTREN KONNTE AUS VERSCHIEDENEN GRÜNDEN NOCH NICHT ERSTELLT WERDEN.) |