VOR SIEBZIG JAHREN STARB LEON BLOY...
Die "Rufer in der Wüste", diese unerbittlichen Zeugen des allmächtigen
Wortes, sind in den letzen Jahren und Jahrzehnten selten geworden.
Einer von ihnen, der als Offenbarungsträger die Radikalität der
christlichen Botschaft mit ihrem Absolutheitsanspruch ungeschmälert,
ohne Brechung durch gesellschaftliche oder schultheologische Prismen
auf seine Mitmenschen niedersausen ließ, war Leon Bloy, der am 3.
November 1917, also vor nunmehr siebzig Jahren verstarb. Im Jahre der
Botschaft der Mutter Gottes an die Hirtenkinder Melanie und Maximin von
Lasalette,im Jahre 1846 war er geboren worden, und der Botschaft, die
gleichsam in seine Wiege gelegt wurde, blieb er treu: er war derjenige,
der das damilige intellektuelle Frankreich auf den Berg der Erscheinung
führte, auf dem die Mutter Gottes Tränen vergossen hatte; für Bloy ein
absolutes Wunder, unbegreiflich. Er ist einer der wenigen religiösen
Schriftsteller, die für ihre Mission nicht nur gelebt haben, sondern
von ihr geradezu verzehrt wurde.
"Herr Jesus. Du betest für die, die dich kreuzigen. Und du kreuzigst die, die dich lieben." So verstand Bloy seine Nachfolge.
Über seinen Tod berichtet Raissa Maritain, die Frau des Philosophen
Jacques Maritain. Beide hatte der Dichter an der Flamme, die ihn selbst
verzehrte, mit gewärmt:
"Er kommunizierte zum letzten Mal bei der Heiligen Ölung am 1.
November. Seine Frau und Töchter, Pierre Termier und wir drei waren
dabei. Die Glocken läuteten zur Messe von Allerheiligen und die Eine
Kirche las auf der ganzen Erde das Evangelium der Seligkeiten: 'Selig
sind die Armen im Geiste... Selig die, die weinen. Selig, die nach der
Gerechtigkeit hungern und dürsten... Selig, die um Seinetwillen
Verfolgung leiden... Und selig seid ihr, die man um Meinetwillen
verleumdet hat...' (Mt. 5,3-11) Welche Liturgie für einen Leon Bloy!
Und welches Echo seinem leidenden Leben! Wie immer, wenn er
kommuniziert hatte, sprach er das Magnificat, und alle die seinen
sagten es mit ihm. Er schien viel zu leiden, blieb aber in einem großen
Frieden. Einige Tage vor seinem Tode sagte er am Ende einer
schmerzreichen Nacht zu seiner Frau: 'Ich allein kenne die Kraft, die
Gott für diesen Kampf in mich gelegt hat.' Mit dieser Kraft sah er
seinem Todeskampf entgegen. Es war nicht der Schatten einer Furcht in
ihm, aber ein tiefes Erstaunen vor dem Tod, der ohne blutiges Martyrium
kam, wie er es erwartet und seit vielen Jahren mit allen seinen
Wünschen herbeigesehnt hatte. Wir haben diesen Frieden gesehen und
dieses Erstaunen auf seinem Antlitz. (...) Am 3. November, am Tage
seines Todes, stand Bloy morgens noch auf. Er sagte seiner Frau, daß er
nicht mehr leide. Aber er mußte sich sogleich wieder hinlegen. Der Tag
war friedlich. Nach und nach schlummerte er ein und gegen Abend, zur
Zeit des Angelusläuten, glitt er ohne Röcheln, ohne Todeskampf, durch
das Tor der Demütigen." (Vgl. "Das Heil und die Armut" Heidelberg
1953.)
E. Heller
***
LEON BLOY:
"Wissen Sie, was ich ein für allemal unter einem Katholiken, das heißt
einem wirklichen Christen, verstehe? Ich verstehe darunter einen
demütigen Menschen, der fest daran glaubt, daß die Unendlichkeit seines
Verlangens auf die wesenhafte Unendlichkeit, die Gott ist, abgestimmt
ist, der das Elend seines Lebens annimmt und es nicht unter seiner
Würde hält, mit dem Unendlichen durch Zeichen und Symbole in Verbindung
zu treten, im Gegensatz zu dem, was die Protestanten
unvernünftigerweise behaupten. Wenn Sie etwas näher zuschauen, dann
sehen Sie, daß das auch die Geschichte der Kunst ist. Der Mensch, der
den metaphysischen, moralischen, ästhetischen, geschichtlichen und
wissenschaftlichen Wert der Symbolik nicht versteht oder, besser
gesagt, nicht sieht, steht weit unter dem Tier, das wenigstens das
Verdienst hat, sein Gesetz zu erfüllen."
(aus: "Lettres aux Montchal" Paris 1948, S.21)
"Wie soll ich selbst das Zusammensein mit den Katholiken ertragen, mit
den modernen Katholiken, die es für möglich halten, die Leiche der
Vergangenheit mit dem Aas der Gegenwart zusammenzukuppeln, und die von
(...) einer Aufrichtung des alten königlichen Baues träumen, in dem
Unserem Herrn Jesus Christus dann der Platz des Wachhundes eingeräumt
würde."
(in "Verstreute Gedanken"; Maritain, R. u.J: "Leon Bloy der beständige Zeuge Gottes" Salzburg 1953, S.392) |