X. KAPITEL
DIE PARUSIE IN DER APOKALYPSE
- DAS PROBLEM DER DOPPELTEN AUFERSTEHUNG
Die Auffassung, die allgemein gängig ist, sieht in der Apokalypse nur
ein prophetisches Bild vom Ende der Welt und dessen Vorzeichen. Das
hatte zwei Gründe: viele glaubten, das Ende Roms bedeute zugleich das
Ende der Welt, weil der Ruin des römischen Reiches so klar in der
Apokalypse vorhergesagt war (z.B. bei Laktanz und Tertullian treten
diese Auffassungen auf). Hinzu kam noch ein anderer Grund: es
erschienen in dieser geschichtlichen Darstellung Szenen und Visionen,
die man wohl oder übel auf das Ende der Welt meinte anwenden zu müssen,
so z.B. die Schilderung gleich zu Anfang nach der Öffnung des ersten
der sieben Siegel (6,12-17), wo die großen Übel geschildert werden, die
aufeinanderfolgen sollen: die Sonne wird schwarz wie ein Sack und der
Mond wird rot wie Blut, die Sterne fallen vom Himmel wie die Feigen vom
Baum, der durch einen Sturm geschüttelt wird, der Himmel verschwindet
wie ein eingerolltes Buch und alle Berge und Inseln werden erschüttert
in ihren Fundamenten. Die Könige der Erde und die Fürsten verbergen
sich in den Höhlen und sagen zu den Bergen: Fallet über uns und
verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Throne sitzt, und
vor dem Zorn des Lammes (vgl. Apoc. 6,12 ff.). Beim Schall der siebten
Posaune (Apoc. 11,15 ff.), bei dem Johannes die Verfolgung unter
Diokletian beschreibt, hört man die vierundzwanzig Ältesten Gott
anbeten: "Wir sagen dir Dank, Herr Gott, du Allherrscher, der da ist
und der da war, daß du deine große Macht ergriffen und die
Königsherrschaft angetreten hast. Die Völker gerieten in Wut, da kam
dein Zorn und der Zeitpunkt, da die Toten gerichtet werden, und es kam
der Zeitpunkt, den Lohn zu geben deinen Knechten, den Propheten und den
Heiligen und denen, die deinen Namen fürchten, den Kleinen und den
Großen, und Verderben zu bringen über die Verderber der Erde." (Apoc.
11,17 f.) Der Ausgießung der siebten Zornesschale folgt die Exekution
der großen babylonischen Hure (16,18-21): "Da flohen alle Inseln, die
Berge entschwanden und Hagel von enormem Gewicht fällt vom Himmel auf
die Menschen." Immer dieselben Bilder: alles stürzt in Ruinen zusammen
- wie am Jüngsten Tag.
So denken alle, die nur am Buchstaben kleben, aber wenig vertraut mit
der Sprechweise der Hl. Schrift sind. Einge kurze Beobachtungen mögen
genügen, um diese Bilder richtig zu deuten. Die stärksten Bilder
entsprechen denen der Propheten des Alten Bundes, des Isaias und des
Osee, und zwar in der Beschreibung der großen Übel, die Gott gegen die
Feinde Israels oder als Rache gegen es entfesseln wollte. So wird die
künftige Verwüstung Babylons durch die Meder und Perser vorhergesagt,
Darum lesen wir bei Isaias: "Siehe, der Tag des Herrn ist gekommen, um
das Land zur Wüste zu machen und die Sünder darin auszurotten. Denn die
Sterne des Himmels werden nicht mehr ihr Licht geben, die Sonne ist
verfinstert und der Mond wird nicht mehr seinen Schein geben." (Is
13,lo) Etwas später heißt es im Urteil gegen die Idumäer: "Die Toten
werden unbegraben liegen bleiben und die Berge werden sich spalten
durch ihr Blut. Die Himmel werden eingerollt sein wie eine Papierrolle
und ihre ganze Armee wird fallen, wie welke Blätter vom Feigenbaum
fallen, welk und verdorrt." (Is. 34,4) In der Ankündigung des
Gerichtes, welches sich Israel durch seinen Götzendienst zugezogen
hatte, heißt es: "Die Höhen des Idols von Bethel, die Sünde Israels,
werden zerstört werden. Sie werden dann zu den Bergen sagen: Fallet
über uns! und zu den Hügeln: Bedecket uns!"(Oseas lo,8) Das gleiche
lesen wir bei Ezechiel (24,15-18 und 32,7-8.), das gleiche auch bei
Joel (2,lo-ll), obwohl es sich hier immer um örtlich begrenzte
Katastrophen handelt, wie z.B. den Untergang von Tyrus oder den des
Pharaonen- Imperiums oder des Reiches von Juda unter König
Nabuchodonosor. Dies ist eben die Sprache, wie die Orientalen sie
gebrauchen, um solche Vorgänge zu schildern.
Noch eine zweite Beobachtung können wir der ersten hinzufügen, um die
erste Bemerkung zu vervollständigen und ihren Sinn genau festzulegen.
Man kann nämlich nicht ausschließen, daß solche Katastrophen auch
sinnbildlich gesehen werden müssen als Vorläufer der Endkatastrophe.
Die Hl. Schrift fügt den Sinnbildern das hinzu, was sie
versinnbildlichen: dem Vorbild die Erfüllune, dem Sinnbild die
Wirklichkeit. So sind diese Gerichte Gottes im Laufe der Geschichte
Bilder für das Jüngste Gericht, eine Vorwegnahme im kleinen und eine
Art Generalprobe. Die einzige Schlußfolgerung, die man ziehen kann,
wird die sein: es zu sehen, wie die Hl. Schrift es sieht, so wie Jesus
im Untergang von Jerusalem vorwegnehmend den Untergang der Welt sah, so
wie Johannes im Untergang des heidnischen römischen Reiches den
Untergang aller Weltreiche sah. Zudem muß man sich daran erinnern, daß
eine Prophetie mehrere Bedeutungen haben kann: die eine, die nahe
unmittelbar bevorstehende, die sich schon erfüllt - und die andere,
weit entferntere mittelbare, die noch verborgen ist in den Tiefen der
Zukunft. so ist die Verfolgung des Antiochus Vorbild für die Verfolgung
des Antichrist am Ende der Zeiten, wie auch die Voraussage unseres
Herrn über das Ende Jerusalems vorbildhaft für das Ende der Welt ist.
(Dan. 9,3o; Matth. 24,15) Diese Beispiele könnte man beliebig
fortsetzen. Nehmen wir z.B. die Frage an Jesus über das Kommen des
Elias, das von Malachias geweissagt wurde: "Es ist wahr", sagte der
Herr zu ihnen, "Elias muß kommen, der alle Dinge wiederherstellen wird;
aber ich sage euch, Elias ist schon gekommen, und sie haben ihn nicht
erkannt." Also, indem er ein- und dieselbe Prophetie erfüllt, ist Elias
schon gekommen und muß aber trotzdem noch kommen - am Ende. Er war
schon gekommen in der Person des Täufers Johannes - das ist der erste
Sinn der Weissagung, der schon erfüllt ist, wie wir es im Evangelium
des hl. Lukas nachlesen können: "Er wird viele Kinder Israels zum
Herrn, ihrem Gott bekehren, und er selbst wird vor ihm hergehen im
Geiste und in der Kraft des Elias, um dem Herrn ein vollkommenes Volk
zu bereiten." (Luc. 1,17) "Er muß noch kommen", das ist der zweite
Sinn, dessen Geheimnis uns erst die letzten Tage der Welt preis geben
können. Gemäß den Worten des hl. Hieronymus schließen die
Prophezeiungen noch viele Geheimnisse in sich, die wir jetzt nicht
entschlüsseln können. Nach Bossuet kann ja Gott in der Schilderung über
den Sturz Roms noch andere Geheimnisse mit eingeschlossen haben, eine
noch überraschendere Geschichte der Zukunft.
Die Kapitel 6 bis 19 einschließlich enthalten die ganze Folge der
Gerichte Gottes über die ersten Verfolger der Christen: die Juden, die
beseelt vom Haß gegen den waren, den sie gekreuzigt hatten, oder die
Heiden, die den Götzendienst aufrechthielten, durch welchen Satan die
Welt seinem Gesetz unterworfen hatte. Sie führen uns die Geburt jenes
Kindes vor Augen (Kap. 12), das alle Nationen mit eisernem Szepter
regieren wird, und das nichts anderes ist als das Christentum selbst,
welches erstarkt, siegesbewußt und mit dem Anspruch herrschen zu
wollen, aus den drei Jahrhunderten der Verfolgung hervorging. "Ein
großes Zeichen erschien am Himmel..." und es folgte die ruhmreiche
Aufrichtung christlicher Reiche auf der ganzen Erde nach der Bluttaufe
der Märtyrer. Das alles zusammen - der Untergang des heidnischen Rom
und das Aufblühen der christlichen Reiche - waren jene Ereignisse, von
denen der hl. Johannes sagt, sie sollten bald geschehen (1,1 und 22,6).
Dieses "was bald geschehen soll" bezieht sich also keineswegs auf das
Ende der Welt, sondern auf Dinge, die sich schon in den ersten drei
Jahrhunderten ereignen sollten. Bleibt noch die Versicherung, die am
Ende Jesus selbst in den Mund gelegt wird: "Siehe, ich komme bald"
(Kap. 22,17) oder: "Ich komme bald!" (Kap. 22,2o)
Kommen wir zu einer letzten Klarstellung, die aus der Lehre der
Geheimen Offenbarung selbst genommen ist, um jeden Einwand zu
entkräften. Die entscheidende Textpassage, die auf unser Problem Bezug
nimmt, findet sich in Kap. 2o, wo uns nach dem Fall der großen Hure
Babylons summarisch und in großen Zügen die Zeiten des Friedens für die
Kirche so wie die Herrschaft der Märtyrer durch Wunder und
Gebetserhörungen, die sie vom Himmel aus wirkten, vorgestellt werden:
ein Engel vom Himmel wird kommen und den Drachen für 1000 Jahre fesseln
und in dem Abgrund einschließen, um ihm die Macht zu nehmen, die
Nationen zu verführen, so wie er es vorher durch Idolatrie auf der
ganzen Erde getan hatte. Danach fährt er fort: "Und ich sah Throne und
man setzte sich darauf, und das Gericht wurde ihnen übertragen. Auch
sah ich die Seelen derer, die um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes
Gottes willen mit dem Beil hingerichtet worden waren und die weder das
Tier noch sein Bild angebetet noch das Malzeichen auf ihre Stirn und
ihre Hand angenommen hatten. Sie gelangten zum Leben und zur
Königsherrschaft mit Christus tausend Jahre." (Kap. 2o,4-6)
Das ist das Bild, welches uns der hl. Johannes von der Glückseligkeit
der Heiligen schildert, die noch im Zustand der getrennten Seelen sind,
also während der Zeit, die zwischen ihrem Weggang aus dieser Welt und
dem letzten Gericht liegt. Ich sage: im Zustand der getrennten Seelen,
der Seelen ohne Leib, der Seelen der Enthaupteten, der Märtyrer, denen
schon in diesem Zustand die Throne ihrer Herrschaft zugeteilt sind. Sie
sind also, während ihre Leiber in den Gräbern ruhen, jetzt schon in der
ewigen Seligkeit, die sie nicht erst am Ende der Zeiten erlangen. Sie
nehmen auch teil an den Gerichten Christi im Laufe der Jahrhunderte,
die er über die Welt ausübt: "et vidi sedes (...) et ·nimos
decollatorum (...) et vixerunt et regnaverunt cum Christo mille annis."
- Da sehen wir den Irrtum jener Millenaristen, die glauben wollen, daß
Christus mit den auferstandenen Märtyrern auf Erden looo Jahre
herrschen würde in einem wiedererbauten Jerusalem. Papias hatte diesen
Gedanken beim Kirchenvolk eingeführt.
Infolgedessen muß die erste Auferstehung, von der die Rede ist, von den
Seelen her verstanden werden: "haec est resurrectio prima". Diese erste
Auferstehung ist jene, die begonnen hat mit der Rechtfertigung durch
die heiligmachende Gnade, gemäß dem Worte des Apostels Paulus an die
Epheser: "Wache auf, der du schläfst, erhebe dich von den Toten, und
Christus wird dich erleuchten." Diese vollendet sich durch den Eintritt
in das ewige Leben und der seligen Schau Gottes. Dies also ist die
erste Auferstehung. Ihr wird in der Tat die zweite Auferstehung am Ende
der Zei folgen, die Auferstehung des Fleisches. Dies wird also am
Jüngsten Tag vor dem Endgericht geschehen: "Und ich sah die Toten, die
Großen und die Kleinen, vor dem Throne stehen, und Bücher wurden
aufgeschlagen. Und noch ein Buch wurde aufgeschlagen, das ist das Buch
des Lebens; und die Toten wurden gerichtet nach dem, was in den Büchern
geschrieben stand, nach ihren Werken." (2o,12-13) Damit schließt die
Serie der apokalyptischen Voraussagen.
Hinzu kommt, daß man den Zeitraum der Herrschaft der Märtyrer-Seelen
nicht unbedingt als eine bestimmt umrissene Zeitspanne auffassen muß.
Der hl. Augustinus sagt, diese tausend Jahre bedeuten die gesamte Zeit,
die vergehen muß bis zum Ende der Zeiten, und sie ist in dem Sinn
aufzufassen wie in Psalm Io4,8, in dem von Gott gesagt wird, daß er
sich ewig seines Bundes erinnern werde und jenes Wortes, welches er
tausend Generationen gegeben hätte, d.h. allen Generationen, die in
Zukunft noch folgen würden.
Endlich wird die erste Auferstehung im besonderen den Märtyrern
gewährt, weil sie ja Christus ihr Blut vergossen haben. Zudem steht
hier der edlere Teil für das Ganze, und man muß zweifellos in den
Personen der Märtyrer all jene Toten sehen, die die vom Himmel kommende
Stimme ein wenig später "die im Herrn Verstorbenen" (19,13) nennt. Sie
gehören in der Tat ganz zu Christus. Sie alle sind für immer Erben
seines Reiches geworden, indem sie mit ihm herrschen. Sie sind
geschieden von den übrigen Toten: "ceteri mortuorum", die -
ausgeschlossen von der ersten Auferstehung - es auch von der zweiten
Auferstehung sein werden: sie werden nicht verklärt werden. Für sie
wird es nur eine Auferstehung zur Verdammnis geben, die zu den Qualen
der Seele die des Leibes hinzufügen wird. Dies wird dann der zweite Tod
sein. Deshalb fügt der hl. Johannes, nachdem er zuvor gesagt hatte:
"Selig und heilig, wer an der ersten Auferstehung teilhat", hinzu:
"denn der zweite Tod wird über sie keine Macht haben." Infolgedessen
sind die Teilhaber dieser eisten Auferstehung alle Gerechte und
Auserwählte Gottes, die ins ewige selige Leben nach Beendigung ihrer
irdischen Pilgerschaft eingehen werden. Hier wird uns also das
Geheimnis vom Los der seligen Seelen ein wenig enthüllt. Jesus hat ja
gesagt: "Siehe, ich komme bald, und mein Lohn mit mir, um einem jeden
nach seinen Werken zu vergelten." Das ist das erste Gericht, welches
wir das besondere Gericht nennen und das sofort nach dem Tode eines
jeden stattfindet, bei dem Jesus Christus der Richter ist. Die Seelen,
die zur ewigen Seligkeit gelangen, herrschen mit Christus, der schon
zur Rechten des Vaters seine Herrschaft ausübt. Sie erwarten noch die
Auferstehung des Fleisches, die für den letzten, den Jüngsten Tag
vorgesehen ist.
Dies ist nicht die einzige Stelle in der Geheimen Offenbarung, wo die
Rede von diesem ersten Kommen Jesu mit der entsprechenden Belohnung
ist. Schon in den sieben Sendschreiben ist davon die Rede: "Sei getreu
bis in den Tod, und ich werde dir die Krone des Lebens geben." Im
Schreiben an die Kirche von Tyatira heißt es: "Wer meine Werke bis zum
Ende treu bewahren wird, dem werde ich den Morgenstern geben".
(2,26-28) Was ist dieser Morgenstern? Offenbar die Seligkeit des Ewigen
Lichtes, noch nicht in ihrer ganzen Fülle; da würde man sie eher mit
der Sonne vergleichen... also eine beginnende Glückseligkeit, bevor die
Fülle am Ende der Zeiten kommt.
In Kap. 6,9-11 zeigt uns der hl. Johannes die Seelen, die wegen ihrer
Verfolgungen auf die Gerechtigkeit Gottes warten: das sind die hl.
Märtyrerseelen, denen weiße Kleider gegeben werden als Sinnbild ihrer
Glorie. Gott sagt ihnen, daß sie noch warten müssen, bis die Zahl der
Auserwählten voll ist. "Ich sah", sagte der Apostel, "unter dem Altar
die Seelen derere, die getötet wurden um des Wortes Gottes willen und
ihres Zeugnisses für Christus. (...) Und er gab jedem von ihnen ein
weißes Kleid und sagte ihnen, sie sollten die Zeit abwarten, bis die
Zahl derer, die Gott dienen wie sie, voll sei, und die ihre Brüder, die
den Tod erleiden müssen wie sie." (Kap. 6,9-11) Im folgenden Kapitel
kommt er von neuem darauf zurück (7,9-17), in dem er uns die gleichen
Märtyrer zeigt, angetan mit ihren weißen Gewändern und Palmen in ihren
Händen, vor dem Throne Gottes stehend, ihm Tag und Nacht in seinem
Tempel dienend, wo sie weder Hunger noch Durst, noch irgendein Leid
oder Mühsal haben, weil das Lamm auf dem Throne sie weiden und zu den
Quellen lebendigen Wassers führen und Gott alle Tränen von ihren Augen
abwischen wird. Er kommt noch ausführlicher darauf zurück in Kap. 14,
wo die Stimme vom Himmel erschallt: "Selig sind die Toten, die im Herrn
sterben; von nun, spricht der Geist, werden sie von ihrer Arbeit
ausruhen; denn ihre Werke folgen ihnen nach."
ANHANG
DIE BIBEL UND DIE NATURWISSENSCHAFTEN WIDERSPRECHEN SICH NICHT BEZÜGLICH DER VORAUSSAGEN ÜBER DAS ENDE DER WELT.
Zu diesem Komplex stellen sich zwei Fragen. Die erste bezieht sich auf
die Aussagen der Naturwissenschaften über das mögliche Weltende im
Vergleich zu den diesbezüglichen Aussagen in den Evangelien. Die zweite
geht hinsichtlich der uns geoffenbarten Anzeichen über die Parusie über
den gegenwärtigen Verlauf der Geschichte hinaus. Die erste Frage kann
man so formulieren: Stehen denn die Aussagen der Hl. Schrift über das
Ende der Welt nicht im Gegensatz zu den förmlichen Aussagen der
Naturwissenschaften hierüber? Was uns zu denken geben könnte, wäre
folgendes: die Naturwissenschaft verkündet lauthals, daß unsere Welt
ein Ende haben muß... wie sie einen Anfang hatte. Was die
Naturwissenschaft jedoch über dieses Ende der Welt verlauten läßt,
gleicht in nichts dem, was die Hl. Schrift darüber aussagt. Die moderne
Wissenschaft sagt etwa folgendes: "Die jetzige Sonne verliert
fortlaufend an Wärme. Ihre Masse verdichtet sich und zieht sich
zusammen. Zunehmend wird sich die Strahlung von Licht und Wärme
vermindern. Das vegetarische und animalische Leben verlagert sich mehr
und mehr zum Äquator hin. Wenn die Zirkulation der Photosphäre
aufgehört hat, wird diese leuchtende Sphäre durch eine graue trübe
Atmosphäre, die keine Sonnenstrahlen mehr durchlassen wird, ersetzt
werden. Nur noch erreicht von den Strahlen der Sterne wird unser
Erdball von der Kälte erfaßt werden und in der Finsternis des
Weltraumes versinken. Die aero-tellurische Zirkulation des Wassers, das
alles belebt, wird verschwunden sein und die letzten Wolken werden den
letzten Regen über die Erde ausgeregnet haben. Bäche und Ströme werden
aufhören, dem Meer Wasser zuzuführen, welches ihm die Sonnenstrahlen
unaufhörlich entnahmen. Das Meer, total vereist, wird aufhören, sich
nach den Gezeiten zu richten. Die Erde wird kein anderes Licht mehr
haben als das der Wandersterne, die in der Atmosphäre verglühen. Das
Leben wird schließlich auf der Erde ganz verschwinden. Es gibt eben
keinen unentwegten Fortschritt. Die Kulturdenkmaler der Menschen werden
dann immer mehr durch| die Gewalt der Natureinflüsse zerstört werden,
denen sie wohl noch eine Zeit lang trotzen. Aber schlußendlich wird
nichts mehr von ihnen übrig bleiben, nicht einmal Ruinen." (Vgl. Faye:
"Der Ursprung der Welt".) - (Anm.d.Red.: Neben dieser Theorie des
Kältetodes gibt es neuerdings auch die Theorie der Überhitzung -
"Treibhauseffekt" - durch immer stärkere Kohlendioxydanreicherung der
Atmosphäre, wodurch das Polareis schmelzen und die Küsten überflutet
würden..)
Das wäre das Ende aller Dinge, wie es uns die Naturwissenschaften
beschreiben. Dieses Ende würde erst nach Millionen von Jahren
eintreten, wenn unsere verkrustete und erkaltete Sonne aufgehört hätte,
der Erde die alles belebende Wärme zu spenden. Aber das alles steht im
Gegensatz zu dem, was uns die Hl. Schrift sagt: die Sterne fallen vom
Himmel, die Kräfte des Himmels werden erschüttert, die Elemente lösen
sich in Gluthitze auf, die Erde mit ihren sämtlichen Werken wird vom
Feuer verzehrt. Die gesamte Weltmachinerie gerät plötzlich in
Unordnung. Hier besteht doch offensichtlich ein eklatanter Widerspruch
zwischen den Aussagen der Naturwissenschaft und denen der Bibel.
So scheint es auf den ersten Blick zu sein. Die obige Schilderung wäre
das natürliche Ende der Erde. Jedoch könnten sich ja irgendwelche
Katastrophen ereignen! Es gibt auch beim Menschen den Tod aus
Altersschwäche und den Tod durch schwere Krankheit oder eingewaltsames
Ende - durch Unglück oder Unfall. Das natürliche Ende wäre also der Tod
aus Altersschwäche, d.h. durch Verlust der Energien, langsam erlöschend
wie eine Kerze, die sich verzehrt,oder eine Lampe, deren Öl zu Ende
geht. Jedoch rechnen die Wissenschaftler auch mit einer potentiellen
Welt-Katastrophe, ausgelöst durch irgend ein außerirdisches Ereignis
geologischer oder kosmischer Natur. So könnte z.B. ein unterirdisches
Feuer ausbrechen, das weithin die Erdkruste zum Einsturz brächte und
infolgedessen einen Brand unseres Erdballs verursachen würde. Oder es
könnte einen Zusammenstoß der Erde oder der Sonne mit einem
umherirrenden Stern geben. Das würde dann das Ende der Welt bedeuten,
vergleichbar dem Ende eines Menschen, der inmitten eines Brandes
umkommt, oder den ein Stein erschlägt.
Wie dieses gewaltsame Ende der Erde aussehen könnte, davon gibt uns die
Naturwissenschaft auch eine Vorstellung: "Jedermann weiß, daß unsere
Sonne im Raum keinen festen Punkt einnimmt. Wie alle Sterne hat sie
eine Eigenbewegung, in die sie alle ihre Planeten mit einbezieht.
Daraus folgt, daß die Planeten, die Erde mit eingeschlossen, niemals
wieder denselben Weg passieren. Sie beschreiben unter scheinbar
geschlossenen Krümmungen, eine Reihe von Spiralbewegungen, die wiederum
durch die Bewegung der Sonne voneinander unterschieden sind. Auf diesen
Bahnen während der Reise durch den weiten Weltraum und der langen
Zeitdauer sind viele Zusammenstöße zwischen unserem Erdball und den
Sternen möglich, die mit mehr oder weniger großer Geschwindigkeit durch
das Weltall ziehen. Jede Begegnung mit einem dieser Wandersterne könnte
für unseren Planeten das Ende bedeuten, sei es mit einem gleich großen
oder größeren Himmelskörper als die Erde. Es würde eine solche Wärme
entstehen, die genügte, um die Erde zum Verschwinden zu bringen. Wäre
dieser Weltkörper eine Sonne, so würde er die Erde aufzehren und
zerstören, selbst wenn eine direkte Berührung nicht stattfände. Die
Begegnung mit dem Schweif von Uranolithen oder mit einem Kometen mit
festem Kern oder mit flüchtigen Gasen genügte, um auf der Erde heftige
Bewegungen hervorzurufen, die alles Leben auf ihr zerstören könnten,
indem die gesamte physische Konstitution radikal verändert würde. Alles
würde verbrennen, alles sich verzehren. Es wäre ein Ende der irdischen
Welt durch das Feuer. Ein solch kosmischer Brand ist gar nicht so
selten in den Tiefen der interstellaren Räume." (Vgl. Kirwan: "Wie das
Weltall enden kann".
Wo bleibt nun der Gegensatz zwischen den Aussagen der Naturwissenschaft
und denen des Evangeliums? Die vorgelegte Hypothese des
Wissenschaftlers Kirwan läßt die Aussage der Bibel gar nicht mehr so
unwahrscheinlich klingen: der Fall der Sterne, der Brand der
Atmosphäre, die Verdunkelung der Sonne, die Erschütterung der
Himmelskräfte usw. Die Sterne, die plötzlich aufleuchten, sich dann
wieder abschwächen und verschwinden, geben uns ein Beispiel für dieses
Schauspiel eines Sternenbrandes, und es ist nicht unerlaubt, dies alles
zu vergleichen mit jener Stelle des Petrusbriefes, wo gesagt wird, daß
die Elemente in der Gluthitze zerschmelzen würden... Dies würde
geschehen, wenn unsere Erde mit dem Kern eines Planeten - ähnlich dem
von 1811 - unter den oben genannten Bedingungen zusammenstoßen würde.
Was würde passieren? Ein Meteoritenregen würde einsetzen, wie man ihn
noch nie erlebt hätte: "Stellae cadant de coelo" ("Die Sterne fallen
vom Himmel."). Dann folgt eine enorme Erhitzung,und die Meere und
Flüsse verdunsten unter dichten Dampfwolken: "Prae fusione sonitus
maris et fluctuum". ("Vor dem ungestümen Rauschen der Flüsse und des
Meeres"), die das Licht der Sonne mehr oder weniger absorbieren würden
und auch den Schein des Mondes verblassen ließen ("sol obscurabitur et
luna non dabit lumen suum" - die Sonne wird verfinstert und der Mond
gibt nicht mehr seinen Schein.") Der Erdball selbst würde infolge der
Energieeinwirkung austrocknen und in der Atmosphäre und auf den
Erdteilen Feuer fangen. Das wäre dann der Tag, an dem die Himmel mit
großem Sausen vergehen ("magno impetu"). Die Elemente würden durch die
Hitze verglühen und die Erde würde mit allem verbrennen, was auf ihr
ist. Auch die Atmosphäre würde sich entzünden und sich auflösen ("coeli
ardentes").
Ähnliches würde passieren, wenn die Erde mit einem gleichgroßen
Himmelskörper zusammenstoßen würde. Auch wenn ein solcher Körper in die
Sonne fiele, würde dies unseren Planeten aus seiner Bahn werfen
("virtutes coelorum commovebunter" - "die Kräfte des Himmels werden
erschüttert werden"). Der Himmel rollt sich zusammen wie eine
Buchrolle, die Berge und die Inseln würden in ihren Fundamenten
erschüttert. (Vgl. Kirwan, a.a.O., Kap. 3) Also all das könnte so
ablaufen aufgrund einfacher natürlicher Ursachen. Ein solches Ereignis
aber würde dann Gott benutzen, der durch die Zweitursachen wirkt, wobei
er selbst zugleich immer die Erstursache bleibt, in dessen Hand
sozusagen alle Fäden, d.s. die Zweit- oder sekundären Ursachen
zusammenlaufen. Er ist die Ursache aller Ursachen, die
Universalursache, der die ganze Welt in seinen Händen hält, wie der
Arbeiter sein Instrument, über das er der absolute Herr ist, der es
bewegt und dreht, wie es ihm gefällt, und von dem die Hl. Schrift mit
Recht sagt: "Er schaut die Erde an und sie erzittert, er berührt die
Berge und sie rauchen." (Ps. Io3,32)
So widerspricht also die Naturwissenschaft keineswegs den Aussagen der
Hl. Schrift und den Gegebenheiten des Glaubens, sondern wird vielmehr
zu einer positiven Bestätigung desselben. Die
Bestätigung a b e r , d i e v o n d e
r n e u e s t e n E n t w i c k l u n
g f ü d e n Glauben erfolgt, ist noch
bemerkenswerter im Hinblick auf das, was uns Jesus Christus und die
Apostel über den Zustand der Welt beim Herannahen der Parusie gelehrt
haben, sowie die Ereignisse, die ihnen vorangehen.
Wenn wir die Geschichte aufmerksam betrachten, besonders ab der
Französischen Revolution, ist nicht schon sie die nähere Vorbereitung
und die stufenweise Erfüllung dessen, was uns für das Ende der
Jahrhunderte angezeigt wurde? Hat sich dies nicht schon im 19.
Jahrhundert gezeigt? Unzweideutige Anzeichen eines unausweichlichen
Ruins und ein in Kürze erfolgende Kapitulation des christlichen
Glaubens? Zum Ende hin ist nämlich der große Glaubensabfall
vorhergesagt.
Zunächst ist folgendes festzustellen: Zwei Dinge kennzeichnen die
Epoche, in der wir leben, besonders: Die Weissagung, daß das Evangelium
in allen Erdteilen verkündet werden wird, ist erfüllt. Denn es gibt
keine noch so entlegene Insel und keinen noch so unzugänglichen Teil
der Erde mehr, wo das Evangelium noch nicht verkündet worden wäre bzw.
wo noch kein Apostel oder Missionar gewirkt hätte! Auf der anderen
Seite sehen wir einen beträchtlichen Verlust des Glaubens in den
ehemals christlichen Nationen, den Abfall der Massen vom Glauben, die
sich immer indifferenter, ja feindselig gegenüber dem christlichen
Glauben verhalten. Endlich sehen wir den Abfall, der von nun an
offiziellen Charakter hat (nicht zu vergessen: diese Beobachtungen
wurden 192o gemacht! Anm.d.Red.), und von allen Mächten erklärt wird,
den großen wie den kleinen, die offen bekennen, daß sie weder Christus
noch seine Religion noch sein Gesetz anerkennen. Jesus hatte gesagt:
"Dieses Evangelium wird in der ganzen Welt verkündet werden (...) und
dann wird das Ende kommen." (Luc. 18,8) Der hl. Paulus lehrt: "Jener
Tag wird nicht kommen, es sei denn die große Apostasie kommt zuvor und
der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens (d.i. d e r Antichrist)
zeigt sich." (1 Thess. 2,3) Dieser Antichrist stellt gleichsam die
reife Frucht und die Personifizierung des Abfalls dar.
Etwas anderes noch unterscheidet unsere Zeit von allen vorhergehenden:
das ist der Atheismus, der sich in aller Öffentlichkeit zeigt und der
sich mit großer Frechheit auf der Bühne der Welt behauptet. Es ist die
laut wiederhallende Leugnung jeglicher Religion und jeglicher Moral,
selbst der natürlichen. Es ist dies die freche Proklamation, daß die
moderne Zivilisation keinen anderen Gott anerkennen kann als den
immanenten Gott des Universums, einen 'Gott', der dem persönlichen und
transzendenten Gott der christlichen Offenbarung entgegengesetzt ist,
und daß sie keine andere Moral anerkennen will als die, die ihre Quelle
im Willen des Menschen hat, der sich selbst bestimmt und der sich
selbst das alleinige und einzige Gesetz ist. In dieser Brutalität war
dies bisher noch nie der Fall gewesen. Zu all dem kommt noch die
erschrekkende Zunahme des Spiritismus, der Theosophie und des
Okkultismus in all seinen Formen hinzu, zudem die Verderbnis in der
Erziehung und im öffentlichen Unterricht und diese Menge der gottlosen,
irreligiösen, blasphemischen und gottlosen Bücher unter dem Deckmantel
der modernen Freiheiten, durch welche das Gift ungestraft in alle
Gesellschaftsschichten eindringt. Dazu kommt der Feminismus, der
erfunden wurde, um die letzten Schutzmauern der Familie, der Religion
und der Gesellschaft niederzureißen. Es muß eine Zeit kommen, in der
die Stadt Gottes sich mehr und mehr auf Eliten reduziert, die die Gnade
Gottes für diese letzten Kämpfe vorbereitet haben wird. Diese Eliten
werden auf der ganzen Welt eingekreist und blockiert sein durch alle
vereinten Kräfte der gegnerischen Stadt. "Wenn die tausend Jahre
erfüllt sind", sagt der hl. Johannes, "wird der. Satan aus seinem
Kerker losgelassen werden. Und er wird ausziehen, um die Völker zu
verführen, die an den vier Enden der Erde sind, den Gog und den Magog,
um sie zum Kriege zu sammeln. Ihre Zahl ist wie der Sand am Meere. Und
sie zogen herauf über die weite Erde und umzingelten das Lager der
Heiligen und die geliebte Stadt. Aber es fiel Feuer vom Himmel herab
und verzehrte sie. Und der Teufel, ihr Verführer, wurde in den Pfuhl
von Feuer und Schwefel geworfen, wo auch das Tier und der Lügenprophet
sind. Und sie werden gepeinigt werden Tag und dacht von Ewigkeit zu
Ewigkeit." (Apoc. 2o,7-10)
Hierauf folgt die Schilderung des Endgerichtes. Die Stadt Gottes ist
eine geistliche Stadt, wie es die Kirche ist, wo die Gemeinschaft der
Kinder Gottes, die noch im Fleische ist, am Orte der Prüfung und
Versuchung ausharren muß. Infolgedessen wird dies eine geistige
Belagerung, eine Blockade sein, die eine weltweite Verfolgung als auch
Verführung ist, die in allen Teilen der Welt ("super quattuor ·ngulos
terrae") losbricht durch die, "deren Zahl zahlreich sein wird wie der
Sand am Meere" ("quorum numeros est sicut arena maris" - Apoc. 2o,7).
Und es wird der "Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte" sein und
eine zeitweilige Unterdrückung des hl. Meßopfers durch eine Art
Gemeindefeier. Eine solche Verfolgung liegt noch in der Perspektive der
Zukunft. (Anm.d.Red.: Heute, im Jahre 1987, haben sich diese
Weissagungen längstens erfüllt.) Das alles aber setzt einen Zustand der
Welt voraus, wo alles einer gleichförmigen Ordnung gehorchen wird und
alles einer einzigen Religion weichen wird. Die ersten Verfolgungen,
besonders aber die unter Diokletion, die massivste von allen, hatte zur
Voraussetzung ihrer allgemeinen Durchführung die Einheit und den
Zusammenhalt des römischen Imperiums. Um so wichtiger ist dann eine
schlagkräftige einheitliche Weltorganisation (wie z.B. heute die UNO;
Anm.d.Übers), die eine gemeinsame Führung unter einem Chef ermöglicht
(der von einem Ende der Erde bis zum anderen befiehlt), als
Voraussetzung für die Verfolgung des Antichrist, die von der Hl.
Schrift angekündigt ist, und die Errichtung seines Weltreiches. Wer
hätte noch vor hundert Jahren (d.i. 182o; Anm.d.Übers.) an so etwas
gedacht. Schauen wir uns heute (d.i. 192o; Anm.d.Übers.) um: die Welt
geht auf eine erschreckende Uniformität zu, geradezu einemonströse
Widerspiegelung und Nachäffung der katholischen Einheit. Die Ideen des
Internationalismus und des Syndikalismus in allen Graden und unter
allen Formen fassen immer stärker Fuß. Die universale Freimaurerei
vereinigt alle ihre Anstrengungen, um den Begriff des Vaterlandes zu
zerstören, um alle Grenzen und Teilungen verschwinden zu machen, um so
ihre Netze auszuwerfen und die Masse des vereinigten Proletariats darin
einzufangen.
Es gibt noch einen letzten Punkt, der unsere Beachtung verdient: die künftige Bekehrung des jüdischen Volkes am Ende der Zeiten.
Der hl. Paulus schreibt: "Ich will euch, Brüder, über dieses Geheimnis
nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr euch nicht selbst für verständig
haltet. Die Verstockung ist teilweise über Israel gekommen, bis die
Vollzahl der Heiden eingetreten ist, und dann wird ganz Israel das Heil
erlangen, wie geschrieben steht: 'Es wird aus Sion der Retter kommen
und die Gottlosigkeit aus Jakob wegschaffen. Und dies ist mein Bund für
sie, wenn ich ihre Sünde hinwegnehme. Im Hinblick auf das Evangelium
sind sie allerdings Feinde um euretwillen, im Hinblick auf die
Auserwählung sind sie Lieblinge um der Väter willen. Denn unbereubar
sind die Gnadengaben und die Berufung Gottes. So wie ihr nämlich einst
Gott ungehorsam wäret, jetzt aber infolge des Ungehorsams (der Juden)
Erbarmen gefunden habt, so sind auch diese nun wegen der Erbarmung, die
ihr gefunden habt, ungehorsam geworden, damit auch sie (dereinst)
Erbarmen finden. Gott hat ja alle in dem Ungehorsam eingeschlossen,
damit er sich aller erbarme." (Rom. 11,25-32) Mit diesen Worten kündigt
Paulus die künftige Bekehrung des jüdischen Volkes an, die von der
ganzen christlichen Überlieferung als eines der markantesten Vorzeichen
des Weltendes angesehen wird. Wie aber sollte es denn möglich sein, daß
sich das jüdische Volk als solches in seiner Gesamtheit bekehren wird,
da es doch über die ganze Welt verstreut ist? Ein Wunder der Geschichte
erfüllte sich ja schon am jüdischen Volk: trotz der Zerstreuung wurde
es bis heute bewahrt und ging in fast 2000 Jahren nicht unter.
Ich frage mich nun: Findet nicht in den heutigen Zeiten ein bedeutendes
Ereignis statt, das die Erfüllung der Vorhersage des hl. Paulus näher
bringt? Ich meine die Zeichen, die die Wiedererrichtung des Staates
Israel ankündigen. (Anm.d.Red.: Der Staat Israel ist inzwischen eine
politische Gegebenheit.) Denn das ist sicher, daß eine Bekehrung der
Massen der Juden nicht möglich wäre, wenn sie weiterhin unter allen
Nationen zerstreut wären. Wenn sie sich am Ende als ein Volk
geschlossen zu Christus bekehren sollen, dann müssen sie sich auch am
Ende als solches wieder etabliert haben. Das bezeugen ausdrücklich auch
die frühen Propheten. Bei Hosea lesen wir: "Während einer langen Zeit
werden die Kinder Israels ohne König und ohne Führer bleiben, ohne
Opfer und ohne Altar, ohne Ephod und ohne Theraphim". (Hos. 3,4-5)
Damit ist genau der Zustand beschrieben, in den sie durch die
Vertreibung aus dem Lande ihrer Verheißung versetztwurden, und in dem
sie sich bis heute befinden. "Danach", heißt es weiter, "werden die
Kinder Israels sich bekehren und werden von neuem den Herrn, ihren Gott
suchen und David, ihren König." Das heißt, wenn dieser Zustand des
Exils und der Zerstreuung unter die Völker ein Ende genommen haben
wird, wird sich das jüdische Volk zu ihrem König David bekehren, damit
ist gemeint: der Sohn Davids, der Messias, der ihnen versprochen worden
war. "Sie werden zitternd zurückkehren zu ihrem Herrn und seiner
Güte..." wie ehemals die Brüder Josephs zu dem zurückkehrten, den sie
verleugnet, verraten und verkauft hatten. Und der Prophet fügt hinzu:
"Am Ende der Zeiten wird dies geschehen" ("in novissimo dierum").
Kehren wir nun zurück zur zeitgenössischen Geschichte und schauen wir,
wie es derzeit um die Sache der Juden steht. Keine Zeit war für sie
günstiger an glücklichen Ereignissen als die letzten Jahrhunderte. Die
französische Revolution machte sie frei. In weniger als einem
Jahrhundert wurden sie zu Finanzkönigen und mehr oder weniger zu
verborgenen Meistern der Weltpolitik (Anm.d.Übers.: vgl. dazu auch Leon
Poncin: "Les juifs maîtres du monde" Paris 1932). Wie es zu dieser
Stunde (192o) um die jüdische Frage bestellt ist, um das zu wissen,
reicht es eine Notiz wiederzugeben, die in der in der Zeitung LA PAROLE
LIBRE vom 9.lo.1919 unter der Überschrift "Die Juden und Palestina"
erschienen ist: "Das Organ der niederländischen Zionisten, der JOODSCHE
WÄCHTER hat sich soeben dem Problem gewidmet, nach welchem Prinzip das
legitime Recht einer Besetzung Palestinas durch das jüdische Volk
gegeben sei. (...) Es schließt die These aus, daß sich dieses schon
durch die Präsenz zahlreicher Juden in Palestina ergeben würde. Es sind
in der Tat nur looooo Juden gegenüber 600000 Christen und Moslems. Es
läßt auch kein bloß historisches Recht gelten. Man kann sich ja die
Frage stellen, ob Palestina jemals gänzlich von Juden besiedelt war,
und der JOODSCHE WACHTRER kommt zu dem Schluß: 'Das Recht der Juden,
der Israeliten auf Palestina ist ein religiöses Recht. Es ist der
religiöse Glaube des jüdischen Volkes, der aufrechterhalten wurde im
Laufe von 2o Jahrhunderten inmitten von Verfolgungen u"nd Blutvergießen
von zahlreichen Märtyrern. All das hat sich heute im Zionismus
manifestiert. Palestina ist das dem Abraham und Moses versprochene
Land. Der Tag für die Verwirklichung dieses göttlichen Versprechens ist
gekommen.'
Was die Chancen für diese Verwirklichung anbetrifft, so beruft sich die
Zeitung auf ein Versprechen, welches von M. Balfour im Namen Englands
gegeben wurde, als dieses für die Befreiung des jüdischen Landes
kämpfte. Er verweist auf eine Rede, die am 2o. Aug. 1919 in London von
Prof. Wertzmann, dem Führer der zionistischen Organisation in London,
gehalten wurde. Folgender bemerkenswerter Passus sollte festgehalten
werden: 'Die britische Regierung hat ihre Funktionäre darauf
hingewiesen, daß es als eine vollendete Tatsache zu betrachten sei,
Palestina als Aufenthalt der jüdischen Nation zu organisieren. Der
Weltzionismus muß sich also mit äußerster Energie ans Werk machen. Da
die Einwanderung in Massen zur Zeit unmöglich ist, weil nicht genügend
Wohnungen und ausreichend Nahrung vorhanden sind, so haben die
Bevollmächtigten, designiert durch die Gemeinschaft der Nationen,
beschlossen, daß nur eine reduzierte und auf Juden beschränkte
Einwanderung nach Palestina zuzulassen sei. Es werden vorübergehend nur
die Reichen zugelassen und die, welche an der nationalen
Wiederherstellung arbeiten können, indem sie die nötigen Materialien
und Maschinen für die Handwerker dorthin bringen, die dort ihren Beruf
ausüben können. Die Masse der Juden, die das Land ihrer Vorväter nicht
erreichen können wird, wird sich dafür einsetzen, die enormen Summen zu
sammeln, um dem Land wieder seinen Wert zu geben, der ihm solange
fehlte. Und so wird Palestina den Juden ausgeliefert werden. Hat
England diese Entscheidung selbst für sich getroffen oder wurde durch
die Alliierten ein gemeinsamer Beschluß gefaßt und unter welchen
Bedingungen? Ist es vielleicht so, daß die Herren Wilson, Lloyd George
und Clemenceau gewollt haben, daß der JOODSCHE WÄCHTER dies
veröffentlicht, und erfüllen diese Herren die göttliche Verheißung?'" -
Soweit der JOODSCHE WÄCHTER.
Wir sehen, wie sich die Weltgeschichte genau in die Richtung
fortbewegt, mit immer größerer Schnelligkeit und wie sie sich im Sinne
der echten Prophezeiungen vollzieht, die im Alten und im Neuen
Testament seit so langer Zeit angekündigt und immer stärker präzisiert
wurde. |