THEOLOGISCH-PHILOSOPHISCHE REFLEXION
ÜBER DEN TRINITARISCHEN GOTT
von
Prof.Dr. Diether Wendland
Wenn man sich einen geistigen Erkenntniszugang und einen klaren Begriff
von der Trinität verschaffen will, dann darf man weder vom "Glauben aus
gehen", noch von der Erfahrungserkenntnis, noch von Vorstellungen, da
diese die sinnliche Erkenntnis niemals übersteigen, von der auch die
Einbildungskraft geprägt ist. Wenn man sich auf diesem Boden und nur in
solchen Perspektiven bewegt, dann landet man im "Nirwana". Man sollte
sich der großen Schwierigkeit bewußt sein, die in dieser Sache liegt
und vor allem nicht meinen, man besäße hier bereits irgendein Wissen.
Denn in Wahrheit hat man nur, auch wenn man noch so fromm ist, einen
blinden, d.h. einen erkenntnisleeren "religiösen Glauben". Die
Heilsnotwendigkeit der "vera fides" (= des wahren Glaubens) verliert
jede Bedeutung, ween die "fides divina" (= der gotti. Glaube) in
Trinitatem erkenntnisleer bleibt und wodurch auch dann zudem noch die
Gefahr gegeben ist, ja geradezu heraufbeschworen wird, daß in diese
Leere andere Denk-Inhalte einfließen, was auch geschehen ist und leicht
festgestellt werden konnte. So war es schon lange vor dem Vaticanum II,
und obwohl das kirchliche Lehramt noch am Leben und halbwegs intakt
war.
Das philosophische Denken erreicht durch Schlußfolgerungen mit
metaphysischer Gewißheit den Einen und persönlichen Schöpfer-Gott, den
Creator mundi (= Schöpfer der Welt) und den absoluten (d.h. aus sich
existierenden und von nichts abhängigen) geist, - Gott ist Geist (nicht
ein Geist) - und erschließt ihn in seinem Wesen und seiner
intellektiven und volutativen Natur (und anderen Wesenseigenschaften,
die er in sich selbst und in bezug auf sich selbst besitzt). - Das Wort
"Gott" ist ein Wesensname. Im Hinblick auf die Gotteserkenntnis lautet
die erste Frage nicht: ob Gott existiert, sondern: ob ein Seiendes
existiert, das Gott genannt bzw. als Gott bezeichnet werden kann. Und
dann beginnt der Aufstieg zu Gott auf dem Boden der Metaphysik, der
"theologia naturalis" unter den Prinzipien und mit Hilfe der "analogia
entis", wodurch dann im reflexiven Denken DER SEIENDE in Erscheinung
tritt, der diese Erkenntnis bestätigt hat, indem er sich selbst
bezeichnete als der "Ich bin, der Ichbin". Dies ist sein persönlicher
Wesensname. Und weil in Gott Sein und Wesen identisch sind, weil er
kein Seiendes ist, deshalb wird er auf dem Wege der Erkenntnis (den
berühmten fünf Wegen des hl. Thomas) zuerst erfaßt als das "ipsum esse
subsistens" (= das Sein selbst, in sich existierend), das gegenüber der
Schöpfung absolut transzendent als auch absolut immanent ist. Dies
bedeutet auch: Gott ist dem Menschen, der ja ebenfalls ein Seiendes
ist, näher als er sich selber. Das hat alle Pantheisten fasziniert.
Darum hat man mit Recht gesagt: der Pantheismus ist derjenige
philosophische Irrtum, der der Wahrheit am nächsten kommt. Die
neuzeitliche Metaphysik hat sich immer in zwei Irrtümer bewegt: dem
Pantheismus, der die Transzendenz Gottes nicht erfaßte, und dem
Agnostizismus, der die Immanens Gottes nicht erfaßte. Und weil
Theologen keine philosophische Gotteserkenntnis besaßen und auch nicht
philosophisch denken konnten, deshalb gingen sie immer einem dieser
beiden Irrtümer auf den Leim, oder standen völlig hilflos da. Hier half
ihnen auch kein "frommer Glaube", denn sie hatten ja in ihrer
angeblichen "heiligen Theologie" in Wahrheit keinen Boden mehr unter
den Füßen. Es war leicht, diese Leute, die da an den Universitäten
lehrten, hereinzulegen. Ein Glaube ohne intellektive Erkenntnis feierte
seine Triumphe. Deshalb konnten auch viele Priester die Grundlehren von
Vaticanum 2 nicht beurteilen und fielen dann darauf herein. Dies läßt
sich heute nicht mehr "aufarbeiten".
Gott ist kein "drei-persönlicher Gott" - an so etwas kann man nicht
glauben, es sei denn in einem Irrglauben -, sondern der Eine (und)
persönliche Gott in drei Personen (bei denen es sich um subsistierende
Relationen in der Gottheit handelt), der von selbst und in bezug auf
sich selbst (darum ist er ein persönlicher) "Ich" sagt: Ich bin der
Herr, DER Seiende, - und nichts ist außer Mir. Gott sagt nicht von sich
selbst, ich bin Gott, sondern : Ich bin der Herr, dein Gott; ich bin
der Schöpfer und der Mensch ist nur ein Geschöpf, das "aus dem Nichts
kommt". Wenn Christus "Ich" sagt "ich aber sage euch" (nicht: dir) -,
dann identifiziert er sich mit der Gottheit, d.h. dem unwandelbaren
Wesen Gottes. Denn er ist keine menschliche Individual-Person. Es gibt
auch keinen Vater-Gott oder Gott-Vater, sondern nur: Gott, den Vater;
und Gott, den Hl. Geist, die keine "Iche" sind, sonst gäbe es drei
Götter, was ein absoluter Widerspruch in sich selbst ist. Wer das nicht
begreift, auch nicht annähernd, der besitzt nicht die "vera fides",
sondern meint nur, den wahren Glauben zu haben. Dieser wahre Glaube ist
bereits durch einen falschen Gottesbegriff zerstört worden, was vielen
gar nicht bewußt zu sein braucht, und diese "glauben" dann an "etwas"
und beten zu "etwas", was gar nicht existiert. Deshalb haben früher
schon viele Priester und Laien gar nicht mehr gewußt, was sie
eigentlich im Glaubensbekenntnis bekennen. Außerdem verwechselten sie
den Begriff der Confessio (Bekenntnis), die auf einer Erkenntnis- und
rationalen Urteilswahrheit beruht, mit einer Anerkenntnis (agnitio) von
etwas. Gott aber ist es völlig gleichgültig, ob da irgendeine geistige
Kreatur IHN und seine Offenbarungswahrheit anerkennt oder nicht, da ER
Gehorsam und sogar Liebe fordert. Beides aber ist ohne sichere
Erkenntnis Seiner Selbst nicht möglich.
Übrigens hat bei vielen ein falscher Marianismus den Gottesbegriff
verdunkelt. Mit "Unser Vater" ist nicht der Schöpfergott gemeint, weder
"einfachhin" noch sonst wie. Das ist reine Mythologie. Denn der
Schöpfer (creator) ist ein trititarischer. Der erste Hinweis darauf,
daß Gott nicht bloß ein Deus unus ist, zeigt sich bei der Erschaffung
des Menschen als Mann und Frau (Gott hat nicht einfachhin den Menschen
erschaffen, obwohl er das gekonnt hätte). Das "Lasset uns ..." aber ist
noch keine positive Offenbarung der Trinität, wohl aber ein Hinweis für
das Denken, dahingehend, daß der Monotheismus noch keine vollkommene
Gotteserkenntnis ist, die jedoch in ihrer klarsten Form Adam und Eva
besessen haben (sehr wahrscheinlich aber mit einer Ahnung, daß Gott
"noch anders" ist und was Luzifer/Satan gewußt hat). Gott erschuf nicht
zu seinem Bilde zwei getrennt Menschen, sondern Adam aus dem Staub der
Erde und Eva aus Adam, worin ebenfalls ein Hinweis auf die Trinität
liegt.
Es gibt keine erste, zweite oder dritte Person der Trinität, sondern
nur drei Personen in dem einen und einzigen Gott, welche wesens-gleich
sind und die zueinander in Perichorese (= Ineinander-Sein) stehen.
Darum war das Dogma nötig, damit man nicht in Häresie und
Glaubensirrtum fällt: Der Vater, der Sohn und der Hl. Geist sind
ineinander und durchdringen sich gegenseitig!! Wie aber will man dann,
so frage ich, die antitrinitarische Häresie des Vaticanum 2 erfassen
und widerlegen, wenn man darüber keinerlei Erkenntnisse mehr besitzt?
Wie kann man dann fromm zum "dreifaltigen Gott" beten, obwohl man von
ihm im Grunde gar nichts weiß? Es ist zu befürchten, daß Gott solche
Gebete weder hört noch hören will, da er sich schließlich nicht aus
Spaß oder umsonst geoffenbart hat!!
Gott, der Vater, ist nicht deswegen "Unser Vater", weil er uns
erschaffen hat - denn dann müßte er auch der Vater der Engel (u. wie in
einem Mythos) der Tiere sein - sondern wegen der Inkarnation des
Logos-Sohnes, wodurch ein mögliches Adoptionsverhältnis geschaffen
wurde, das durch die sakramentale Taufe begründet wird, durch das
sacramentum fidei und der Wiedergeburt. Darum erlaubte und ermahnte uns
Christus, zu beten: VATER UNSER; aber nur Er ist der natürliche Sohn -
wir nicht! Oder wagt da jemand zu Gott, dem Vater, zu sprechen: "mein
Vater". Gott, der allmächtige Vater, ist "in den Himmeln", nicht aber
bei uns auf Erden. Nur in Bayern und anderswo gibt es den lieben
Himmelsvater und die liebe Himmimutter und anderen Kokolores
mythologischer Prägung, was mit der christlichen Religion überhaupt
nichts mehr zu tun hat.
Der "Deus unus" ist nicht "ein Herr, ein Allmächtiger, ein
Allwissender, sondern er ist: Herr, .allmächtig und allwissend! Wenn
Gott "Herr" genannt wird, dann bezieht sich das auf die ganze Schöpfung
und insbesondere auf das Menschengeschlecht; und wenn Christus "Herr"
genannt wird, dann bezieht sich das auf die tota Ecclesia (= die ganze
Kirche) und alle ihre Glieder (einschließlich der Päpste, Bischöfe und
Theologen). - Es nützt nichts, Herr, Herr zu sagen, wenn man nicht den
Willen des Vaters Jesu Christi tut! Und warum wird der Hl. Geist nicht
Herr genannt? Die Antworten auf das alles kann man beim hl. Thomas
nachlesen.
Es gibt keinen "einpersönlichen" Gott, da er keine Person ist, sondern
nur einen (im analogen Sinn) persönlichen Gott wegen seiner äußeren
Erkenntnis- und Willensbeziehung auf andere reine Geister und geistige
Naturen. "Gott als Geist" ist eine Tautologie, weil das Geist-Sein
Gottes sein Wesen ist ("Gott ist Geist"). Auch die Engel sind keine
Personen, wohl aber personhafte Wesen mit einer arteigenen
Personalität, die mit der des Menschen gar nicht vergleichbar ist.
Gott ist kein Geist, sondern der aus sich selbst existierende ("actus
purus") absolute Geist, der lebendige Gott (bildlich gesprochen). Und
deswegen ist er auch allmächtig, d.h. er vermag etwas " aus nichts"
(Nicht: aus dem Nichts) zu er-schaffen, ins Dasein zu setzen und es in
seinem Sein zu erhalten. Gott ist nicht der Allmächtige, sondern er ist
allmächtig, weil er DER SEIENDE ist.
Christus hat denen, die schon damals von einem falschen Gottesbegriff
geprägt waren und überhaupt keine Gotteserkenntnis mehr besaßen, ins
Stammbuch geschrieben: "Ihr betet an, was ihr nicht kennt .... Gott ist
Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geiste (d.h. mit
vernunftgemäßer geistiger Erkenntnis) und in Wahrheit (d.h. ehrlich und
ungeheuchelt) anbeten" (Joh. 4,22).
Nicht erst heute machen sich die meisten Katholiken, Priester und Laien
nur phantasiereiche "Vorstellungen von Gott" und diese beten sie dann
an - nicht aber den allmächtigen und allwissenden Gott-Geist. Sie
begriffen nicht, wenn sie da bei brausendem Orgelklang sangen: "Großer
Gott, wir loben dich ...", was sie da eigentlich sangen.
Im Raum der Kirche gab es den falschen Gottes-Begriff, der überall zu
finden war und den man mit den merkwürdigsten Methoden zu verschleiern
suchte. Es gibt überhaupt keine Enzyklika, die diese Thematik
aufgegriffen hätte, obwohl es sich um das Grundproblem der christlichen
Religion handelte. Oder zog sich der Hl. Geist zurück, weil man einen
falschen Gott anzubeten begann und falsche Götter installierte (wie
einst die Juden)?
Die Entartung der röm.-kath. Kirche zu einer "Kleruskirche" war auch
ein solcher "falscher Gott", wodurch bekanntlich die Laienschaft zu
einem Akzidenz der Kirche gemacht wurde, auf welches der hl. Paulus
einen so großen Wert gelegt hatte. - Sogar Päpste machten aus dem
Papstum eine Mythologie.
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