KOMMENTAR ZU DEM DOKUMENT
"DIALOG UND MISSION"
von
Prof. Dr. Johannes Dörmann
In der Zeitschrift THEOLOGISCHES vom März 1987 analysiert der Theologe,
Prof. Dörmann das vatikanische Dokument "Dialog und Mission", welches
1984 vom Sekretariat für die Nicht-Christen erarbeitet wurde. Dörmann,
der nicht den konservativ katholischen Christen im eigentlichen Sinne
zuzurechnen ist, kommt in seiner Studie zu dem Schluß, daß die im
Dokument vertretene Konzeption "die vertraute Heilsökonomie Gottes auf
der Grundlage des alten Symbolum Apostolicum" ablöst, mit der Absicht,
"die Schaffung der neuen Welteinheitsreligion durch Austausch und
gegenseitige Umformung der Religionen" herbeizuführen. "Das
vatikanische Dokument 'Dialog und Mission' verkündet eine neue
Religion."
Dörmann rekapituliert schließlich die Ergebnisse seiner Untersuchung
wie folgt (vgl. THEOLOGISCHES Nr. 3 vom März 1987, Sp.3o f.):
"'Dialog und Mission' ist die bedeutendste Verlautbarung des
Sekretariates für die NichtChristen seit Errichtung der Institution
(1964).*) Auf der theologischen Grundlage des Symbolum Dialogicum (d.i.
die Benennung des Dokumentes durch Dörmann - im Gegensatz zu Symbolum
Apostolicum) entwickelt das Sekretariat die Vision einer neuen
Heilsgeschichte für die 'neue Menschheit des dritten Jahrtausends' (44,
Numerierung innerhalb des Dokumentes; auch im folgenden). Diese
Konzeption löst die vertraute Heilsökonomie Gottes auf der Grundlage
des alten Symbolum Apostolicum ab.
Die wesentlichen Aussagen sind:
- Die universale Heilsliebe des dreifaltigen Gottes macht alle Menschen
in und außerhalb der Kirche zu 'Kindern Gottes' und untereinander zu
'Brüdern' und 'Schwestern' (22-24; 42). Alle Religionen sind 'une
action de Dieu', verschiedene Heilswege und Offenbarungsweisen Gottes.
Die nichtchristliche Menschheit erscheint somit als verborgenes
Christentum oder latente Kirche.
- Damit ist die Kluft zwischen Kirche und Welt, wie sie das Neue
Testament aufreißt, überwunden. Die Kirche verblaßt zu einem 'Zeichen'
der universalen Heilsliebe Gottes in allen Menschen, Kulturen und
Religionen (9; 22-24). Sie begreift sich - wie es in Assisi anschaulich
dargestellt wurde - als das 'messianische Volk', das sich solidarisch
mit der ganzen Menschheit und allen ihren Religionen auf gemeinsamer
Pilgerschaft befindet zu demselben Ziel: dem Reiche Gottes (10; 25).
- Sie ist bemüht, als 'erste diesen Weg auf das Reich hin zu gehen und
den ganzen Rest der Menschheit in die gleiche Richtung sich bewegen zu
lassen (25). Das Reich Gottes wird als die alles umfassende
geschichtlich-eschatologische Wirklichkeit verstanden, welche auch die
Kirche umgreift und übergreift.
- Der Aufbau des Reiches erfolgt nach dem Plan Gottes im Laufe der
Geschichte durch das geheimnisvolle Wirken des Heiligen Geistes in
allen Menschen und Religionen (41-44). Deshalb müssen auch alle
Menschen und Religionen zusammen beim Aufbau des Reiches mitarbeiten,
indem sie die 'Anregungen des Geistes treulich aufnehmen und mit Eifer
erfüllen' (42). Das Endziel ist die eine Religion der einen Menschheit
in dem einen Friedensreich, in dem alle 'rassischen, sozialen und
religiösen Unterschiede' überwunden sind (42-44).
- Den Weg zu diesem Ziel hat Gottes 'geheimnisvoller und schweigsamer
Geist1 selber geöffnet: Es ist der Weg des 'offenen Dialogs' (44). Der
offene, interreligiöse Dialog ist das göttlich-geoffenbarte Werkzeug
zur Schaffung der neuen Welteinheitsreligion durch Austausch (22) und
gegenseitige Umformung der Religionen (43).
- Die neue 'Haltung der Kirche gegenüber den Anhängern anderer
Religionen' ist die des Dialogs und nicht der Mission. Aus der
wesentlich 'missionarischen' Kirche ist eine wesentlich
'dialogisierende' Kirche geworden. Das Dokument 'Dialog und Mission'
aus dem Jahre 1984 war das Praeludium zum Weltgebetstag in Assisi am
25. Oktober 1986.
- Die Christenheit steht am Scheidewege: bleibt sie auf dem Weg Christi
unter dem alten Symbolum Apostolicum oder geht sie den 'Weg des
Menschen' mit dem neuen Symbolum Dialogicum zur 'neuen Menschheit des
dritten Jahrtausends'?"
Anmerkung:
*) Marcello Zago, Sekretär des Dikasteriums: Das Dokument "Dialog und
Mission" ist "spécialement capital parce que rédige par ses membres
cardinaux et évÍques et approuvé par les autorités compétentes."
(Bulletin, Secretarius pro non christianis XXI/2, Vaticano 1986, 176.) |