STELLUNGNAHME ZU DEM ARTIKEL
"DIE KRISE DER APOSTOLISCHEN SUKZESSION..."
VON EUGENE HOWSON/ IN EINSICHT v. APRIL 87
von
Günter F. Grund
Die EINSICHT (April 1987) publizierte einen Beitrag von Eugene Howson
zum Thema: "Die Krise der apostolischen Sukzession und das Sakrament
der Weihe in ihrem Bezug zur Apostasie der röm.-kath. Kirche im 2o.
Jahrhundert". Howson bemüht sich darin nachzuweisen, daß die
nachkonziliaren Weiheriten ungültig sind. Bedauerlicherweise
widerspricht jedoch seine Argumentation und Beweisführung in vielem der
katholischen Theologie und der Kirchengeschichte.
Der von Paul VI. eingeführte neue Ritus der Priersterweihe beinhaltet,
im Gegensatz zum Pontificale Romanum von 1595, keine Übertragung der
Vollmacht, Sünden zu vergeben. Howson schließt nun aus dieser´Tatsache,
daß die sog. "Novus-Ordo-Priester", vorausgesetzt, die Weihe wäre
gültig, keine Sünden vergeben könnten, weil ihnen die Vollmacht dazu
nicht übertragen worden sei. Er polemisiert in diesem Zusammenhang
gegen ältere, theologische Standardwerke wie z.B. die "Moral- und
Pastoraltheologie" von Henry Davis und das "Catholic Dictonary" von
Addis und Arnold. Es ist für Howson offenbar unerträglich, daß in
diesen Werken die historische Tatsache vertreten wird, die letzte
Handauflegung bei der Priesterweihe mit den Worten: "Accipe Spiritum
Sanctum..." sei auch im Westen 12oo Jahre unbekannt gewesen. Überhaupt
scheint Howson vom eigentlichen Wesen des Priestertums abstruse
Vorstellungen zu haben, wenn er in seinem Aufsatz ausführt: "Zu
behaupten, daß eine Vollmacht oder Gnade ohne irgendeine Erwähnung oder
Andeutung im Ritus inklusive verliehen werden kann, ist nicht nur der
Gipfel der Torheit, sondern es ist auch irrational, der menschliche
Geist verwirft solche Ideen, die Theologie wird lächerlich gemacht."
Um dem Leser zu veranschaulichen, wer sich hier lächerlich macht, soll
nachfolgend das "Lehrbuch der Dogmatik" von Pohle u. Gierens, Bd.III,
1933, S.549, zu Wort kommen: "Nach der Kommunion endlich legt der
Bischof dem Geweihten zum drittenmal beide Hände auf und spricht:
Accipe Spiritum S., quorum remiseris peccata, remittuntur eis, et
quorum retinueris, retenta sunt (Empfange den Heiligen Geist, denen du
die Sünden nachgelassen haben wirst, denen sind sie nachgelassen, denen
du sie behalten haben wirst, denen sind sie behalten; Anm.d.Red.). Nun
entsteht die Frage: Welche von diesen drei Handauflegungen samt ihren
Begleitgebeten beansprucht sakramentale Bedeutung? Zunächst scheint
soviel sicher, daß die erste (gemeinsame) Handauflegung, welche stumm
vor sich geht, sich moralisch bis zur zweiten fortsetzt und mit ihr ein
moralisches Ganzes bildet, weshalb Kardinal van Rossum mit Recht keine
drei, sondern nur zwei Handauflegungen bei der Priesterweihe zugibt.
Die sog. dritte Handauflegung am Schlüsse der Weihemesse dürfte
unwesentlich sein, weil der Geweihte durch die Mitwandlung von Brot und
Wein sein Priestertum schon bestätigt hat, sodann weil dieser schöne
Ritus nicht nur von jeher der griechischen Kirche fremd ist, sondern
weil er auch dem Abendland viele Jahrhunderte hindurch gänzlich
unbekannt war. (...) Entweder erteilt die erste (bzw. zweite)
Handauflegung die priesterlich Weihegnade nebst Charakter oder nicht.
Wenn ja, wozu anders könnte die letzte Handauflegung dienen als zur
feierlichen Veranschaulichung des bereits empfangenen Charakters? Wenn
nein, wie kann sie als wesentlich gelten, da der Priestercharakter
(trotz seiner verschiedenen Funktionen) etwas Einfaches und Unteilbares
ist?"
Howson stellt dagegen jedoch fest: "Diese Vollmacht muß entweder weiter
übertragen werden oder sie hört auf zu existieren." Demnach hätte die
römische Kirche 12oo Jahre lang kein gültiges Beichtsakrament gehabt,
die griechische Kirche aber bis heute nicht. Hier erübrigt sich wohl
jeder weitere Kommentar.
Eugene Howson glaubt nun aber noch einen weiteren Beweis für die
Ungültigkeit der neuen Weiheriten in Händen zu haben (Anm.d.Red.: mit
dem obigen Argument geht Howson nicht gegen die Gültigkeit der Weihe
als solcher an, sondern nur gegen die Übertragung dei. Beichtvollmacht)
- nämlich das Fehlen der Übergabe der hl. Geräte (Kelch und Patene). Er
schreibt: "Es scheint uns einleuchtend, daß die Materie des von
Christus eingesetzten S^/ imentes der Weihe die Übergabe des Brotes und
des Kelches war". Einige Zeilen weiter macht Howson dem Autor des
"Dictionaire de théologie catholique" den Vorwurf, daß dieser nicht
erklärt habe, "warum die Einsetzung des Weihe-Sakramentes mit der
Überreichung von Kelch mit Wein und Brot auf der Patene - gemäß dem
Evangeliumsbericht - kurz nach seiner ersten Anwendung für 9oo Jahre in
Vergessenheit geraten sein sollte." Mit dieser Deutung begibt sich
Howson nunmehr ins Reich der Phantasie. Wo steht denn im Neuen
Testament geschrieben, Christus habe im Abendmahlssaal den Aposteln
Kelch und Patene übergeben? (Anm.d.Red.: Howson bezieht sich wohl auf
die lehramtlich verbindlichen Bestimmungen des Florentinums; vgl.
weiter unten.) Mit Märchen kann man keine Theologie betreiben! Es sei
in diesem Zusammenhang bemerkt, daß Christus zwar Sakramente
eingesetzt, aber keine Riten geschaffen hat. (Anm.d.Red.: Die
Einsetzung der Sakramente ist immer auch durch wahrnehmbare Zeichen,
d.h. Zeremonien erfolgt; auf diese ursprüngliche Sakramentsübertragung
bauen sich dann die jeweiligen Riten auf. So, wie der Satz formuliert
ist, ist er leicht mißverständlich.) Das war auch nicht notwendig, denn
rituelle Handlungen, wie z.B. die Handauflegung, die Besprengung oder
die Salbung, um hier nur einige zu nennen, waren schon im Alten Bund
gebräuchlich.
Lassen wir hier noch einmal Pohle u. Gierens zu Wort kommen ("Lehrbuch
der Dogmatik", 3.Bd., S.545): "Die Kirchenväter und die Synoden der
neun ersten Jahrhunderte schweigen von Instrumenten, und reden immer
nur von Handauflegungen. Noch das Tridentinum s. 14 de extr. unct. cap.
3; s 23 cap. 2 et 3, schreibt nicht der traditio instrumentorum (die
Überreichung der Instrumente, d.s. Patene und Kelch; Anm.d.Red.),
sondern der Handauflegung die Weihegnade als Wirkung zu, womit von
selbst der Einwand zu Boden fällt, als ob dem Einfluß der
Arkandisziplin die Verschweigung der wesentlichen Materie zur Last zu
legen ist. Als entscheidend fällt die liturgische Tatsache ins Gewicht,
daß kein vor 9oo n.Chr. geschriebenes Rituale die Überreichung von
Instrumenten vorschreibt. (...) Hieraus folgt, daß der abendländische
Ritus der Instrumente erst im lo. Jahrhundert von der Kirche selbst
eingeführt worden ist; also kann er nicht göttlicher Einsetzung,
folglich auch nicht wesentlicher Natur sein." (Anm.d.Red.: Man
vergleiche hierzu die Bestimmungen auf dem Konzil von Florenz
(1438-1445), besonders das "Decretum pro Armenis" vom 22.11.1439 -
Bulla "Exultate Deo": "Sextum sacramentum est ordinis, cuius materia
est illud, per cuius traditionem conferetur ordo: sicut presbyteratus
traditur per calicis cum vino et patenae cum pane porrectionem." - "Das
sechste Sakrament ist die Weihe, dessen Materie jene ist, durch deren
Übergabe die Weihe übertragen wird; so wird die Priesterweihe - das
Presbyterat - übergeben durch die Darreichung des Kelches mit Wein und
der Patene mit Brot."; vgl. Denz. 701.) Der Benediktiner-Pater Pierre
de Puniet schreibt in seinem Werk "Das Römische Pontifikale" (dt.
Übersetzung der Abtei St. Gabriel, Bertholdstein Bd.l, o.J., S.266)
bezüglich der Übergabe von Kelch und Patene folgendes: "Die
orientalischen Liturgien, die koptische, syrische, byzantinische, haben
nicht die geringste Idee davon. Noch mehr! Selbst im Abendlande, wo er
doch üblich war, hat man ihn nie zum Gegenstand einer tatsächlichen
Einrichtung gemacht, weder von Seiten eines Papstes noch durch eine
Konzilsentscheidung (Anm.d.Red.: Man vgL dazu die oben angeführte
Bestimmung Eugen IV. in der Bulle "Exultate Deo"). Er scheint sich nach
und nach eingebürgert zu haben durch die rein private Initiative von
Prälaten, die seinen Wert zu würdigen wußten."
Es dürfte somit erwiesen sein, daß mit der Argumentation von Howson,
der Nachweis für die Ungültigkeit der nachkonziliaren Weihen nicht zu
erbringen ist. (Anm.d.Red.: Das hat Howson auch gar nicht bezwecken
wollen; seine Beweisführung hinsichtlich der Ungültigkeit des neuen
Weiheritus als solchem stützt sich auf ganz andere Argumente!) Auch
eine Berufung auf die Erklärung Papst Leo XIII. "Apostolicae curae" vom
13. September 1896' dürfte in diesem Falle nicht angebracht sein. Es
ist nun vergleichsweise einfacher zu belegen, daß etwa der neue
Firmritus ungültig ist. Hier heißt es nämlich bei der "Spendeformel":
"Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist." Jedes
katholische Kind müßte wissen, daß der Hl. Geist keine Gabe Gottes ist,
sondern die dritte göttliche Person. Diese Formel ist eindeutig
häretisch; das Sakrament kommt nicht zustande.
Was die Ungültigkeit der Weiheriten anbelangt, so wäre es zur Klärung
des Problems wünschenswert, wenn in dieser Zeitschrift von kompetenter
Seite diesbezüglich Stellung genommen würde.
Anm.d.Red.:
Da Herr Prof. Wendland dabei ist, den neuen Weiheritus dogmatisch zu
untersuchen, erspare ich es mir an dieser Stelle, auf die
problematischen und strittigen Punkte der Debatte zwischen Herrn Howson
und Herrn Grund weiter einzugehen, und bitte die Leser, die Ergebnisse
von Herrn Prof. Wendland abzuwarten. E. Heller
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