TRADITION
- WIRKLICHKEIT, PHANTASIE ODER BETRUG?
von
Hector Hernandez
(aus: THE SERAPH Juni 1986,
übersetzt von Eugen Golla; Beitrag stark gekürzt.)
"Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch, wer nicht durch die Türe in den
Schafstall hineingeht, sondern anderswoher einsteigt, der ist ein Dieb
und ein Räuber." (Joh. 10,1)
Viele steigen in den Schafstall durch halbgeöffnete Fenster unter der
Traufe und nisten sich im Untergeschoß ein. Die modernen Techniken der
Beeinflussung sind so raffiniert, daß der Durchschnittsmensch in einem
Irrgarten von schlau verfaßten Broschüren, in denen viel geschrieben,
aber wenig gesagt wird, wie verloren erscheint. Auf meinem Schreibtisch
liegt eine Broschüre der von Mgr. Lefebvre gegründeten
Priesterbruderschaft Pius X. Sie stellt zwei wichtige Fragen: "Wer sind
wir? Was tun wir?" - "Wer ist Erzbischof Marcel Lefebvre?"
Ein hervorragender katholischer Bischof, der weltweit als der
Standartenträger der römisch-katholischen Tradition bekannt ist - der
einzige Bischof der Welt, der öffentlich die radikalen Reformen von Vatikanum
II brandmarkt - bis zu seiner im November 1983 erfolgten Vereinigung
mit dem brasilianischen Bischof de Castro-Mayer. Das behauptet
zumindest die Broschüre.
Mgr. Lefebvre wird der einzige Bischof der Welt genannt, welcher
öffentlich die radikalen Reformen von Vatikanum II brandmarkt. Das ist
eine tadelnswerte Lüge. Erzbischof Ngo-dinh-Thuc war der erste, der
nicht nur diese Brandmarkung vornahm, sondern weiter ging und
öffentlich feststellte, daß der Apostolische Stuhl vakant ist - am 25.
Februar 1982 in München. Erzbischof Ngo-dinh-Thuc tat dies, weil er
klar - klarer als Mgr. Lefebvre! - sah, was gespielt wird und er
ergriff alsaann mutig und entschlossen die Initiative, während Mgr.
Lefebvre "klug" sein Spiel mit unsterblichen Seelen trieb. Feigheit
wird aber nur mit dem Namen einer Tugend behängt: "Klugheit".
Die Broschüre berichtet, daß Mgr. Lefebvre durch die ganze Welt reist,
um die hl. Firmung im traditionellen Ritus zu spenden. Wir fragen: Wie
ist es möglich, daß Mgr. Lefebvre in das Gebiet seiner Mitbischöfe
eindringt, die wie er, Johannes Paul II. als Papst anerkennen? So wie
er nun einmal ist, erscheint Mgr. Lefebvre überall, so, als besäße er
eine weltweite Autorität. Aber nur der Papst kann diese haben. Man möge
seine Schlüsse ziehen.
Wir kommen nun zu einigen berühmten Zitaten von Mgr. Lefebvre: "Die,
welche das Lehramt der Kirche ablehnen (...), trennen sich selbst von
der Kirche (...). Wir wollen uns nicht von ihr trennen, niemals!" Was
meint dieser Slogan? Wessen Richtlinien akzeptiert Mgr. Lefebvre im
kirchlichen Lehramt? Er nahm nicht die Direktiven Pauls VI. nocn die
Johannes Pauls II. an. Dafür führt er aber auf anstößige Weise einen
scheinheiligen Krieg mit eben jenem Lehramt, welches er behauptet zu
ehren und imGehorsam zu respektieren. Auf diese Weise gibt er vor, kein
Häretiker im Verhältnis zu jenen zu sein, die er wegen Häresie
verurteilt. "Wir machen in der Kirche weiter, so wie es unsere
Vorgänger, unsere Eltern und Ahnen taten." Die dem II. Vatikanum
entsprossene Kirche ist aber nicht die Kirche seiner Vorgänger, Eltern
und Ahnen! Doch nur dies ist die Kirche, der er Treue gelobt, wenn er
beteuert: Mag auch irgend ein Bischof mit Rom brechen, er nicht!
Es gibt da mehr als eine Ähnlichkeit zwischen Mgr. Lefebvres
Aktivitäten und denen von Bischof Francis Schuckardt in Spokane,
Washington / USA und von 'Papst' Clemente DomÌnguez in Palmar de Troya
/ Spanien. Alle sind inspiriert von demselben Geist der Rebellion wider
die Tradition im Namen der Tradition: der Tradition des Gehorsams.
Gefolgsleute von Mgr. Lefebvre würden wohl schockiert und empört sein,
wenn sie die Wahrheit über sich selbst erfahren würden. Vielleicht ist
es an der Zeit herauszufinden, wohin sie in Wahrheit gehen - und es
scheint nicht in Richtung römisch-katholische Kirche zu sein. Die 'Bruderschaft' schuf nichts
anderes als anarchische Verwirrung unter römischen Katholiken. Es
genügt zu lesen, was von den Orten falscher Erscheinungen wie Necedah,
Wisconsin und Bayside / New York kommt, um zu sehen, daß dort dieselbe
Taktik angewendet wird.
Wenn Mgr. Lefebvre der Generalsuperior der "größten
Missionskongregation" war, dann hätte er auch die Autorität besessen,
seine Kongregation vor dem Abfall in den Modernismus zu bewahren. Er
tat nichts, um die Väter vom Hl. Geist vor dem großen Chaos zu retten:
er verließ seine Kongregation. Rev. Gommar de Pauw JCU hat wenig Lob
für diesen Standartenträger der Tradition. Die lange Liste von
Mißbräuchen und arroganten Erniedrigungen von krömisch-katholischen
Priestern, welche immer den guten Kampf gekämpft haben, ist in einer
sehr interessanten und glaubwürdigen Tatsachensammlung aufgezählt. Nach
diesen Fakten sollten sich Mgr. Lefebvre und seine Propagandisten vor
Scham ihr Gesicht verhüllen.
Eine der wirksamsten Propagandataktiken war es, dem Volk zu erzählen,
sie sollten nicht die Messe eines Priesters besuchen, der keinem
Bischof untersteht. "Seht", sagten sie, "wir haben einen Bischof, wir haben
eine Zukunft". Dann folgt die eindrucksvolle Erscheinung von Mgr.
Lefebvre in bischöflichen Gewändern samt Mitra und Krummstab - alles
höchst offiziös anzuschauen. Hierauf konnte das doppelzüngige Spiel
beginnen. Das Publikum, angezogen durch das gebrochene Englisch des
französischen Bischofs horchte atemlos und mit Ehrfurcht auf die
falschen Zusicherungen. Sobald die Priester spürten, daß die
"Einheimischen unruhig wurden", pflegten sie eine Aufregung zu
inszenieren, indem sie sagten, daß in Rom wieder etwas zugunsten der
"Bruderschaft" im Entstehen begriffen sei. Dies hielt die Leute dann
schwatzend und spekulierenderweise bei der Stange und sie vergaßen,
warum sie aus der Fassung kamen.
Mgr. Lefebvre sandte auch sog. Versuchsballons aus mit immer stärkeren
Andeutungen, daß er "wohl auch einen Bischof werde konsekrieren
müssen".
Die von Erzbischof Ngo-dinh-Thuc gültig geweihten Bischöfe lehnte er
jedoch ab, wobei er sagte, daß eine solche Aktion eine Verrücktheit
gewesen sei. Nun bereitet er sich (angeblich!) wieder darauf vor, der
Welt zu beweisen, daß auch er "verrückt" sein müsse.
Auf der Rückseite besagter Broschüre ist ein frommes Bild Johannes
Pauls II. zu sehen. Es ist fromm, denn Johannes Paul II. ist in
"andachtsvoller Pose" abgebildet. Die Loyalität gegenüber Johannes Paul
II. wird so bekundet: "Wir sind römische Katholiken und bekennen
kindliche Loyalität gegenüber Johannes Paul II. als dem Nachfolger
Petri". Sie sagen nicht, ihm gehorchen zu wollen. Sie sagen nur, daß
sie mit Worten ihre "kindliche Loyalität" ausdrücken. Für den
nachdenklichen und aufmerksamen Leser heißt das, daß die "wahre
Autorität" jemand anderes ist als Johannes Paul II. Aber wer? Kardinal
Ratzinger? Ist es irgendeine Gruppe sichtbarer Autoritäten in der
Konzilskirche? Als Antwort ertönt das Echo aus der amerikanischen
Zeitschrift THE ANGELUS: "Petrus spricht durch Marcellus." Mgr.
Lefebvre ging den Weg aller falsch geleiteten Reformer: er wurde die
letzte Instanz, die entscheidet, was katholisch ist und was nicht. Ganz
einfach.
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