DER BRUCH FAND NICHT STATT!
von
Eberhard Heller
Anfang dieses Jahres ließen zwei Nachrichten die Herzen so mancher
Traditionalisten höher schlagen, nachdem sich ihr Hoffnungsträger, dem
ihre heimlichen Sympathien trotz fortgesetzten offenkundigen Versagens
in den letzten Jahren weiter gehört hatten, angeblich anschickte,
endlich jenen lang ersehnten Schritt zu tun, den man von ihm schon so
lange erwartete, nämlich den Bruch mit Rom zu vollziehen. Was war
geschehen?
Mgr. Lefebvre, der Chef von Econe, hatte nach dem Synagogenbesuch und
dem bevorstehenden synkretistischen Skandal am 27. Oktober 1986 in
Assisi seinem "Hl. Vater" zwei Zeichnungen im Comics-Stil zugesandt und
ihn aufgefordert, die Comics, die das Spektakel kritisierten, zu
"meditieren".
Im gleichen Schreiben hatte er Mgr. Wojtyla gebeten, "nicht öffentlich
und in schwerwiegender Weise gegen das 1. Gebot zu verstoßen", das
Seelenheil Wojtylas sei "in Gefahr". (Vgl. MITTEILUNGSBLATT DER
PRIESTERBRU€ERSCHAFT ST. PIUS X." Nr. 95, vom Nov. 1986 - im folgenden
mit MB abgekürzt.) In einer Erklärung, die er zusammen mit Bischof de
Castro Mayer am 2. Dezember 1986 - also nach dem sog. 'Gebetstreffen' -
in Buenos Aires unterschrieb (vgl. MB Nr.97 vom Januar 1987), hatte er
auf eine Anfrage aus "Rom" - als Reaktion auf seine Comics -, ob er den
Bruch mit dem "Vatikan" beabsichtige, mit ungewöhnlich entschiedenen
Worten geantwortet. In der Tat, solche Töne hatte der Chef der
Econeisten seit seiner Erklärung vom 21. Nov. 1974 und den markigen
Parolen von 1976 bis dahin nicht wieder angeschlagen, in die auch Abbé
Natterer als Vertreter der Bruderschaft - den Terminus
"Priesterbruderschaft" vermeide ich bewußt! - eingestimmte hatte und
seinem Chef mit dem Pressekommunique vom 29.lo.86 bereits eine Bresche
geschlagen hatte (vgl. MB Nr. 96 vom Dez. 86). Gestrichen schienen die
diplomatischen Floskeln und Wendungen, mit denen sich Lefebvre bisher
immer ein Hintertürchen offen gehalten hatte. Auf die Anfrage, ob er
den Bruch mit dem Vatikan beabsichtige, hatte er geschickt - in der
Tat, wirklich geschickt! - in eine Gegenfrage an Rom umgewandelt: "Uns
scheint, daß die Frage eher wie folgt zu stellen ist: Glauben Sie und
beabsichtigen Sie zu erklären, daß der Kongreß von Assisi den Bruch der
römischen Autoritäten mit der katholischen Kirche vollendet?" (Vgl. MB
Nr.97.) Die beiden Prälaten, der Chef von Econe und der ehemalige
Bischof von Campos geben selbst die Antwort: "Der Bruch geht mithin
nicht von uns aus, sondern von Paul VI. und Johannes Paul II., die mit
ihren Vorgängern brechen." - ''Sein volles Ausmaß hat dieser Bruch mit dem bisherigen Lehramt der Kirche in
Assisi erreicht, nachdem der Besuch in der Synagoge vorausgegangen war.
Diese öffentliche Sünde gegen die Einzigkeit Gottes, gegen das
fleischgewordene Wort und Seine Kirche ruft Schauder und Entsetzen
hervor: Johannes Paul II. ermutigt die falschen Religionen, zu ihren
falschen Göttern zu beten - ein Ärgernis ohne Maß und ohne Beispiel."
(Vgl. MB Nr. 97.) Und in dem Kommunique von Abbé Natterer heißt es
ergänzend und zutreffend: "Die von Johannes Paul II. zur Rechtfertigung
dieser Initiative vorgetragene Sichtweise, wonach sich das Gebet der
Vertreter aller Religionen stets, vom Heiligen Geist inspiriert, an den
gleichen Gott richte (Enzyklika "Dominum et vivificantem", Nr.65),
widerspricht sowohl den christlichen Glaubensdokumenten wie auch dem
expliziten Selbstverständnis der nicht-christlichen Religionen." (Vgl.
MB Nr. 96.)
Um dieser offensichtlich entschlossenen Haltung gegenüber der
apostatischen Position Roms Nachdruck zu verleihen, bekräftigt Mgr.
Lefebvre wenig später zum wiederholten Mal seine Absicht, Bischöfe zu weihen.
Die deutschen Leser erfahren davon zunächst durch Nachrichten in der
Tagespresse, wie z.B. der DEUTSCHEN TAGESPOST vom 31.1.87 und der FAZ.
In einem Interview, welches Lefebvre am 15. und 16. Januar 1987 zwei
Journalisten der italienischen Zeitschrift TRENTA GIORNI in Econe
gegeben hatte (erschienen in der Februar-Nummer dieser Zeitschrift;
deutsche Übersetzung im April-Heft der MB von 87, S.19ff.), gibt er,
angesprochen, ob er bereits im Geheimen Bischöfe geweiht habe und wenn
nicht, unter welchen Umständen er es gegebenenfalls täte, zur Antwort,
daß er die Gerüchte wegen angeblicher Weihen dementieren müsse. "Wenn
ich es mache, mache ich es öffentlich. (...) Ich bin nicht gewillt, es
in Bälde zu tun... vielleicht binnen eines Jahres. (...) Wenn ich es im
Gewissen zum Besten des von mirgegründeten Werkes für notwendig halten
sollte, einen solchen Schritt zu tun, werde ich nicht nur eine, sondern
drei, vier oder vielleicht fünf Bischofsweihen vornehmen."
Interessant in diesem Zusammenhang für uns ist noch zu erfahren, welche
Kompetenzen er den von ihm geweihten Bischöfen zugesteht: "Die
Bischöfe, die ich weihen werde, wenn ich welche weihen werde, werden
keine besondere Autorität innerhalb der Bruderschaft haben. Ihnen fiele
nur die Aufgabe zu, die Priesterweihen zu spenden und zu firmen. Sie
werden kein Territorium haben, keine eigenen Regionen; die Jurisdiktion
im Orden steht dem Generaloberen zu; er ist das Oberhaupt der
Bruderschaft, das die Personen aussendet und die Priorate gründet."
(a.a.O., S.25 f.) Wenn man von den Gehorsamsstrukturen der Econer Pia
unio einmal absieht, so entspricht diese Auffassung von den
bischöflichen Verpflichtungen und Kompetenzen genau der These von Mgr.
Guerard des Lauriers, nach der den in der heutigen Zeit ohne
päpstliches Mandat konsekrierten Bischöfen lediglich die Erfüllung der
Missio, des Missionsauftrages zufallen würde. Lefebvre wie Guerard des
Lauriers vergessen, daß die Verpflichtung zur Erfüllung der Missio
immer die Beauftragung durch die Kirche, d.h. die Sessio voraussetzt.
Kehren wir zu der entscheidenden Frage zurück. Hat nun Mgr. Lefebvre
mit dem "modernen und konziliaren Rom" gebrochen? Ich behaupte: Nein!
Einer klaren Entscheidung entzieht er sich auch diesmal. Das wird schon
in der gemeinsamen Erklärung mit Mgr. de Castro Mayer deutlich. In ihr
wird die Differenz zwischen der religiösen Position von Lefebvre und
Wojtyla gleich relativiert. Lefebvre und de Castro Mayer stellen fest,
"daß sich diese modernistische und liberale Religion des modernen und
konziliaren Rom immer weiter von uns entfernt"... immer weiter von uns
entfernt, also Entfernung und keine Trennung, keine Scheidung. Durch
die geschickte Umkehr der Frage, wer mit wem bricht, hatte er sich
bereits aller Konsequenzen enthoben! Diplomatie blieb also auch hier
Trumpf. In dem Interview für TRENTA GIORNI vertritt Mgr. Lefebvre
gleichfalls keine theologisch stringenten Positionen, sondern im
entscheidenden Punkt nur eine hypothetische. Johannes Paul II. ist für
ihn zweifelsohne legitimer Papst, dem er jedoch wegen
glaubensfeindlicher "Beschlüsse" in diesen Angelegenheiten den Gehorsam
verweigert. Auf die Frage, ob aus seiner Sicht heraus Johannes Paul II.
schismatisch wäre, antwortet er: "Ja... vielleicht... mehr oder
weniger. Aber das Treffen von Assisi stellt einen äußerst
schwerwiegenden Tatbestand dar." (a.a.O., S.26.)
Die Antworten werden unmißverständlicher, wenn es darum geht, ihnen
eine juristische oder offiziös theologische Form zu geben. So erklärt
Abbé Natterer im Auftrag der Bruderschaft, daß in der Feier der hl. Messe
"unter Nennung der Namen, für den Papst und den jeweiligen
Diözesan-Bischof gebetet wird, wodurch die Einheit mit Kirche, Papst
und Bischöfen dokumentiert wird" (MB vom Nov. 86), und das, obwohl sich
bei Redaktionsschluß der Skandal von Assisi, den Lefebvre nachher eine
"öffentliche Blasphemie" nennt, längstens in den geplanten Einzelheiten
und religiösen wie kirchlich relevanten Konsequenzen abgezeichnet hatte. Trotz dieser
"öffentlichen Blasphemie" "bedeutet das für den, dem Amt und dem Stuhl
Petri geschuldeten Respekt keinen Abbruch" (vgl. MB vom Januar 87, S.23
f.), den also Lefebvre Wojtyla auch weiterhin entgegenbringt.
Völlige Eindeutigkeit erhalten die Antworten der Econer, ob sie den
Bruch mit Rom wollen, wenn es darum geht, sich von uns Sedesvakantisten
abzugrenzen. In dem Sammelband "Offener Brief an die ratlosen
Katholiken", der 1986 in Wien erschien, schreibt der Autor Lefebvre:
"Die Argumentation derer, die behaupten, daß es gegenwärtig keinen
Papst gebe, würde die Kirche in eine unentwirrbare Situation bringen.
Die Frage der Sichtbarkeit der Kirche ist zu notwendig für ihren
Bestand, als daß Gott sie für Jahrzehnte unterbrechen könnte. (...)
Unsere Bruderschaft lehnt es strikt ab, sich auf derartige
Argumentationen einzulassen. Wir wollen mit Rom verbunden bleiben, mit
dem Nachfolger Petri, wenn wir auch den Liberalismus Pauls VI. aus
Treue zu seinen Vorgängern ablehnen." (S.228.) Man müßte ergänzen: Wir
wollen mit Rom verbunden bleiben, mit dem Nachfolger Petri, auch wenn
dieser dieses Rom bereits als Integral der Welteinheitsreligion, der
Hure Babylons eingegliedert hat." Die theologisch-dogmatische Erklärung
für diese Schizophrenie gibt der Bruderschaftsvertreter für
Deutschland, Paul Natterer: "Die der Tradition zuwiderlaufenden
Konzilslehren enthalten im Licht der einschlägigen theologischen
Kriterien keine direkten Häresien, sie schlittern eher ständig und zum
Teil haarscharf an der Scheidelinie zur Häresie dahin. Unter Häresie im
strikten Sinne versteht man nämlich nur die Leugnung einer
unmittelbaren dogmatischen Glaubenswahrheit. (...) So bemißt
Monseigneur Lefebvre mit vielen Theologen die Lehre des Konzils über
die Religionsfreiheit nicht als direkte Häresie". (MB Nr. 9o vom Juni
1986, S.5.) Nehmen wir einmal an, daß die Aussagen semantisch noch so
undurchsichtig gewesen wären - was hier ausdrücklich bestritten wird!
-, daß die häretischen Positionen des II, Vatikanums nicht erkennbar
gewesen wären, so werden die nachkonziliaren Häresien, die wie am
Fließband produziert werden und im hellen Tageslicht jedermann sichtbar
sind, von den Econern einfach ignoriert!
Vergessen wir hinsichtlich des Verhältnisses zu Rom nicht, daß
weiterhin die "Declaration de fidélité aux positions de la Fraternité
Saint Pie X" vom Juni 1981 besteht, durch die die Kandidaten, die zur
Weihe bei Lefebvre zugelassen werden wollen, unterzeichnen müssen, daß
sie:
a) Johannes Paul II. als Papst anerkennen und für ihn als Papst
öffentlich beten. ("Je soussigné reconnais Jean-Paul II comme Pape
légitime de la sainte Eglise catholique.")
b) den sog. 'N.O.M.' als in sich gültigen Meßritus anerkennen.
Man darf diese skandalöse Bedingung nicht vergessen, deren
Erfüllung
erst die Zulassung zur Weihe (oder 'Weihe' - darauf komme ich weiter
unten) darstellt. Eine Lösung des theologischen Problems nach der
Rechtmäßigkeit Wojtylas als Papst wird dadurch kategorisch
ausgeschlossen... und das, obwohl die Problematizität dieses Themas
bereits durch alle Ritzen dringt, daß der Chef dieser Clique für
'Papst' und 'Messe' seine Mit- und Nachläufer mit markigen Worten an
der Kandare halten muß.
Also bleibt in Econe alles beim alten, war alles Theaterdonner? Wenn
man die taktische Position betrachtet, die Lefebvre seit den frühen
7oer Jahren einnimmt, so hat sich an seiner Art zu taktieren bzw. in
"Freiräumen der Wahrheit" zu hausen nichts geändert, nur die Töne waren
diesmal schriller. Doch das 'diplomatische' Hinhalten löst nichts! Es
erreicht nur eine Verzögerung. Und wenn Econes 'Hl. Vater' demnächst
als Schamanen-Häuptling herumtanzt, was läßt sich Lefebvre zur
Beruhigung der Gemüter dann einfallen? Der innere Zwiespalt der
Bruderschaft fordert weiterhin seine Opfer. Das Werk von M. Lefebvre lebt immer sichtbarer
nur noch von der Unwissenheit bzw. Dummheit getäuschter Gläubigen, zu
denen sich halbherzig viele Ratlose gesellen. Da jedoch die aktuellen
Probleme - theologisch gesprochen: die sich häufenden Irrlehren, der
rasende Abfall, der Aufbau der Welteinheitsreligion, die als "Hure
Babylons" angekündigt ist - nach dem Willen des Econer Chefs nicht
aufgearbeitet werden dürfen - zaghafte Anfänge in dieser Hinsicht, die
Prof. Siebel in Deutschland in dieser Hinsicht einmal unternahm, wurden
mit dessen Rausschmiß wieder gestopt -, so krustet sich das
Econegeflecht in religiös-kirchlicher Hinsicht immer mehr ein,
vergleichbar einer Raupe vor ihrem Winterschlaf.
Es bleibt aber noch ein weiteres schwerwiegendes Problem ungelöst, und
hier greife ich die in Anführungszeichen gesetzte Weihe von oben wieder
auf: ist Mgr. Lefebvre gültig geweihter Priester und Bischof? Diese
Frage, die neulich von H.H. P. Groß in KYRIE ELEISON wieder
aufgegriffen wurde, bleibt weiterhin ohne positive Antwort. Der
verstorbene Herr Dr. Hugo Maria Kellner, dessen Pionierfunktion für den
Glaubenswiderstand ich nie müde werde, immer wieder zu betonen, hat
eine ganze Reihe von Argumenten angeführt, die nicht widerlegt wurden.
Was nutzt es schlußendlich, wenn Priester und Bischöfe bzw. 'Priester'
und 'Bischöfe' priesterliche oder bischöfliche Funktionen ausüben, zu
denen ihnen möglicherweise die nötigen Weihevollmachten fehlen. Was
nutzt es, wenn Laien Weihen spenden oder Messen lesen? Sie können sie
nur "lesen" wie jeder andere auch. Man kann sich den Nutzen vorstellen,
der so von Econe ausgeht bzw. den Lefebvre erzielt, wenn er 'Bischöfe'
'weiht', um die apostolische Sukzession zu erhalten.
In diesen beiden Hinsichten hat sich also nichts geändert. Nachdem
der
Theaterdonner verhallt war u. sich der Qualm verzogen hatte, sah und
sieht man immer besser, wo man wirklich steht: auf einem bereits
eingerankten Abstellgleis.
Ein Punkt muß noch erwähnt werden. Er ist zwar nicht brandneu, bleibt
aber denkwürdig: seit einiger Zeit 'lesen' die Econer die von Johannes
XXIII. 1962 reformierte Messe! Auch wenn die Veränderungen nicht so
gravierend sind, so muß sie doch als Vorläufer der sukzessiven
Zerstörung der hl. Messe angesehen werden. Jemand wie Mgr. Lefebvre,
der so häufig betont, der "katholischen und römischen Kirche von immer
fest und unveränderlich verbunden" zu sein, bricht mit der Annahme
dieser Reform gerade mit dem Prinzip, auf dem er zu stehen, dem er sich
fest verbunden glaubt: mit dem der Tradition!
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