WAS HEISST EUCHARISTIE ?
von
H.H. Pastor V. A. Stuyver P. Em.
Die heilige Eucharistie hat diesen Namen erhalten, weil der Herr Jesus
beim letzten Abendmahl während der Einsetzung des heiligen Meßopfers
Seinem Vater dankte: "eucharistein" heißt es im Griechischen. Warum
dankte Er Seinem Vater so ausdrücklich? Er dankte Seinem Vater "für das
Brot und den Wein" sagt man leichthin. Doch diese Antwort ist
ungenügend und ungenau. Jesus dankte Seinem Vater, weil Dieser jenes
Brot und jenen Wein - welche Gott im Ostermahlsopfer dargebracht wurden
- annehmen wollte.
Ein Beispiel mag diesen Sachverhalt erläutern: Ein kleiner Junge
schneidet aus Zeitungspapier wundersame Figuren aus: Streifen und runde
Stückchen, worin er allerlei seltsame Dinge zu erkennen vermeint. Er
ist ganz vertieft in diese Beschäftigung.
Während er noch damit beschäftigt ist, kommt Besuch. Der Besucher
unterhält sich mit dem Vater. Mittlerweile schneidet der Kleine mit
Hingebung und Andacht weiter... Plötzlich kommt er herbei und will
unbedingt seine Produkte dem fremden Herrn zeigen. Und sobald dieser
ihm mit Verständnis zunickt und mitsoielt, sogar Bewunderung für die
Arbeit des Jungen zeigt, nimmt sich dieser ein Herz: er schenkt seine
Kunstwerke dem Besucher... Und nun geschieht das unerwartete Wunder:
Dieser möchte sie sogar gerne haben: er nimmt sie an. Er hat sie
angenommen!
Der kleine Prinz, der das milde Geschenk gegeben hat, sitzt bald wieder
schweigsam am Tisch. Aber sein Kinderherz läuft über für diesen Mann,
überfüllt von "Eucharistie", d.h. überfüllt von Dankbarkeit und Lob
dafür, daß der große fremde Mann sich herabgelassen hat und sein
Geschenk, seine Gabe angenommen hat. Diese Art des Dankens nennt man
"Eucharistie".
In der heiligen Messe opfert der Priester Brot und Wein Gott auf:
"Suscipe, sancte Pater" ("Nimm an, heiliger Vater"). Und: "Offerimus
tibi calicem salutaris" ("Wir opfern Dir, Herr, den Kelch des Heiles").
Nach dieser Aufopferung und durch sie ist dieses Brot kein gewöhnliches
Brot mehr. Es ist Opferbrot geworden, oder noch deutlicher: es ist
geopfertes Brot geworden. Mit dem Wein verhält es sich ebenso.
Solches Brot und solchen Wein - und nichts anderes - hat Jesus beim
Letzten Abendmahl benützt, um die heilige Messe einzusetzen. Denn der
Kelch damals und das Brot, welches Er brach und worüber Er die
Konsekrationsworte sprach, waren vorher beide Opfergaben geworden.
Sie waren Teil des Opfers, welches bereits als Osterlammopfer
dargebracht worden war. Dieses Osterlammopfer bestand aus magerem
Lammfleisch und Brot, aus Wasser und Wein, aus Gemüsen und Kräutern.
All dieses wurde Gott aufgeopfert und bildete zusammen das
Osterlammopfer. Daraus wählte Jesus Brot, welches ungesäuert war, und
Wein (mit Wasser vermischt). Während der Herr gerade diese beiden
Bestandteile auswählte, dachte Er vielleicht an Melchisedech, den
Priester-König von Jerusalem, der gleichfalls Brot und Wein geopfert
hatte, genau an der Stelle, wo Jesus sterben sollte, nämlich in der
Nähe von Jerusalem.
Weiß man, daß der kleine Isaak - Jahrhunderte vor Jesus - durch seinen
Vater Abraham auch an dieser Stelle, in der Nähe Jerusalems, Gott
aufgeopfert werden sollte?
Jerusalem und seine Umgebung muß wohl schon sehr früh - Jahrhunderte
vor Christi Kreuzestod - eine außergewöhnliche Bedeutung gehabt haben
für den himmlischen Vater. Deswegen brauchen wir uns nicht zu wundern,
daß Jesus Christus auch dort, d.h. in Jerusalem, die wahre heilige
Messe eingesetzt hat.
In der heiligen Messe geschieht folgendes: Wie schon gesagt, opfert der
Priester Brot und Wein auf. Wenn dies geschehen ist, dann dankt der
Priester - ähnlich wie Jesus dies tat beim Grabe seines toten Freundes
Lazarus - Gott für das Wunder, welches bald auf dem Altar geschehen
wird, welches zwei Vorgänge umfaßt:
a) Gott wird dieses Opfer von Brot und Wein annehmen;
b) Gott wird aber dieses Opfer von Brot und Wein auch verwandeln.
Mit einem Wort: Er wird es annehmen, um es zu verwandeln. Zuerst war es
"das Opfer von Brot und Wein", welches durch die Opferung in den
Zustand des Aufgeopfertsein überführt wurde; dann wird es "das Opfer
von Jesu Leib und Blut", welches sich durch die Konsekration nun
ebenfalls im Zustand des Aufgeopfertseins befindet. Ich glaube, daß die
allerheiligste Dreifaltigkeit, der Jesu Leib und Blut aufgeopfert wird,
nicht daran denken wird, dieses Opfer je zu verweigern.
Wie geschieht diese Verwandlung der Opfergabe? Ach, wir opfern so viele
verschiedene Dinge dem Herrgott auf: Kräuter, Blumen, Kerzen,
Weihrauch, Brötchen, Öl, Wein usw. Es gibt eben verschiedene Sorten von
Opfergaben. Doch Sie kennen den absoluten Vorzug Jesu. Beim Letzten
Abendmahl hat er sich gezeigt.
Was sollte es sein? Etwas geopfertes Brot und geopferten Wein. Diese
beiden Gaben wählte Er aus unserem reichhaltigen Angebot aus. Und dann
erhebt Er sich in Seiner priesterlichen Majestät, und mit Seinem
allmächtigen Wort beschwört Er feierlich - neu gestaltet und fest
gegründet - diese beiden ausgewählten Dinge - in Gottes Augen
unscheinbare Menschengaben - verkündend: "Dies ist (immerdar) mein
Leib" (... der für eure Rettung dahin gegeben wird...); "dies ist
(immerdar) mein Blut" (... das für eure Rettung vergossen wird...). Aus
der langen Reihe von Opfern, aus Milliarden menschlicher Opfer, die
Gott dargebracht wurden, werden diese beiden Opfergaben ausgewählt und
in einem einzigen Augenblick erhoben... weit über die Erde. Durch diese
Worte wird aus dem Brot und dem Wein etwas ganz anderes: Hier ist kein
Brot mehr, hier ist kein Wein mehr. Hier ist allein noch: Jesus, Gottes
Sohn, Mensch geworden und geopfert, unter den Gestalten von Brot und
Wein. Dies kann nichts anderes sein als ein großes Wunder, das Gott
durch Jesus mit unserem Opfer wirkt: das Opfer, welches auf diese Weise
das Seine wurde. Und Er vollzieht es mit unseren geringen Opfergaben
von Brot und Wein, die Er selbst verwandelt in Sein Fleisch und Blut -
durch den Priester.
Damit Er unser Brot und unseren Wein annehmen möge, dafür danken wir
Ihm. Das ist Eucharistie. Aber damit Er unser Brot und unseren Wein auf
diese Weise annehmen wird - um sie zu verwandeln in Seinen Leib und in
Sein Blut - dafür danken wir Ihm noch viel, viel mehr, und unsere
Dankbarkeit soll und darf kein Ende nehmen.
Das ist wahre Eucharistie!
Die erste Eucharistie wurde gehalten beim Letzten Abendmahl.
Die zweite und jede weitere von da an bis zum heutigen Tag.
Lassen Sie sich nie im Leben vormachen, daß "Eucharistie" sagen will:
unserem guten Gott danken für Brot und Wein, welche Er uns geschenkt
hat - so wie Er uns Äpfel, Birnen oder Nüsse geschenkt hat.
"Eucharistie" bedeutet: dem guten Gott Dank sagen, weil Er das annehmen
will (und wie Er es annehmen will), was wir unwürdigen Menschen wagen,
IHM zu opfern. - (auch veröffentlicht in GRIND)
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