Was ist das eigentlich: die römisch-katholische Kirche?
von
Prof. Dr. Diether Wendland
Das Wort von der "römisch-katholischen" Kirche geht bekanntlich leicht
über die Lippen. Millionen ehrenwerter Zeitgenossen gebrauchen dieses
Wort, problemlos, und ohne auch nur einen winzigen Gedanken darauf zu
verwenden bzw. zu verschwenden. Auch die EINSICHT bezeichnet sich als
eine "römisch-katholische Zeitschrift", obwohl sie mir anderen
Zeitschrif-ten, die sich ebenfalls römisch-katholisch nennen, sehr
wenig oder gar nichts gemein hat. Öfters, wenn auch nicht mehr sehr
oft, kann man sogar hören oder lesen, daß jemand mit Nachdruck betont:
ich bin und bleibe römisch-katholisch, daran wird niemand etwas ändern,
und mit der "neuen Kirche" des "neuen Rom" will ich schon gar nichts zu
tun haben! – Doch leider muß man dann nach einer näheren Befragung
nicht selten feststellen, daß dieser Katholik weder katholisch noch ein
wirklicher Christ ist. Für christliche Nichtkatholiken ist dies alles
äußerst verwirrend, insbesondere für Griechisch-Orthodoxe, wenn sie mit
"kath. Christen" erstmalig in Berührung kommen und keine Kenntnisse von
der römisch-katholisch Kirche haben, sondern nur konfuse Vorstellungen
(z.B.: Katholiken haben eben einen Papst, Kardinäle und eine andere
Liturgie). Bei den Wortführern der in sich gespaltenen und
zerstrittenen Großsekte des Protestantismus, den vermeint-lich
"getrennten Brüdern", brauch sich kein Katholik irgendwelche
Aufklärungen zu holen, da man dort noch verwirrter ist als anderswo und
nicht einmal weiß, was Kirche und die Kir-che ist. Leider wissen das
die lieben "Mitbrü-der" des Neukatholizismus, den man als einen
"konziliaren" bezeichnen kann, auch nicht mehr. Man mache die Probe auf
's Exempel und wird aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Darum
dürfte es kein Nachteil sein, sich an die römisch-katholisch Kirche zu
erinnern und sich mit dieser Sache, die so manche Probleme in sich
birgt, etwas näher zu befassen. Vielleicht hilft dies auch, die
"kirchliche Situation" von heute etwas besser zu verstehen.
Was also ist der Sinn oder der Bedeutungs-gehalt dieses Wortes, eines
sprachlichen Aus-drucks und Terminus technicus, der so leicht
verstehbar und so einfach zu sein scheint, in Wirklichkeit jedoch etwas
ungemein Komplexes bezeichnet, das sogar für ziemlich kompliziert
gehalten werden kann, wenn man sich diesen Sachverhalt etwas genauer
betrachtet? Denn der göttliche Menschensohn hat keine
römisch--katholisch Kirche gegründet, und auch im großen Credo der
Kirche steht nichts von einer solchen, die man für wahr halten und als
wahr bekennen soll. Ist das denn nicht merkwürdig genug? Und sind diese
Tatsachen etwa keiner Überlegung wert? Außerdem findet man überall
gläubige und auch fromme Leute, gebildete und ungebildete, die der
festen Überzeugung sind, daß es zwar ein christliche Kirche gäbe, die
aber weder römisch noch spezifisch katholisch sei. Andere wiederum
meinen, es könnte eine römische Kirche geben, die nicht katholisch oder
eine katholische, die nicht römisch ist. Zudem wird in diesem
Zusammenhang seit neuestem auch das Märchen verbreitet: "Die
Katholische Kirche wird auch Römische-katholische Kirche genannt, weil
der Apostelfürst Petrus Bischof von Rom war und in Rom den Martyrertod
fand. Die meisten seiner Nachfolger nahmen ihren Sitz in Rom (einige
auch in Avignon). – Man darf sich allerdings nicht täuschen lassen. Der
Name allein macht nicht die wahre Kirche Christi aus." Es wird sogar
von einer "römisch-ökumenischen" Kirche geredet, die "mit dem Vatikanum
II" entstanden sein soll (wie der sog. "Katechismus des Oratoriums"
lehrt, der sich "Römisch-katholischer Katechismus" nennt, herausgegeben
von einem "Oratorium von der Göttlichen Wahrheit", München, 1987, S.79,
248 ff.). Noch dunkler aber wird es, wenn Traditionalisten von einer
"heiligen katholischen Kirche" oder einer "wahren Kirche Christi"
sprechen, als ob es auch eine unheilige oder eine unwahre (oder
falsche) gäbe, Vielmehr müßt man, anstatt bloße Behauptungen
aufzustellen, zuerst einmal beweisen, daß und warum die
römisch-katholisch Kirche die wahre und die allein wahre Kirche des
göttlichen Menschensohnes ist. Mit religiösen Meinungen, Vermutungen
oder Annahmen läßt sich weder eine christliche noch eine katholische
Apologetik vernunftgemäß betreiben, wohl aber leicht im Trüben fischen.
Im Glaubensbekenntnis des Konzils von Trient (Professio fidei concilii
Tridentini), das a.D. 1564 Papst Pius IV. vorgeschrieben hatte – die
sog. Reformation "an Haupt und Gliedern" war im verkommenen Klerus so
richtig im Schwunge -, heißt es: "Ich anerkenne (agnosco = ich erkenne
und bejahe) die heilige, katholische und apostolische Römische Kirche
(Ecclesiam Romanam) als Mutter und Lehrmeisterin aller
Kirchen (omnium ecclesiarum = Teil--kirchen),
und ich verspreche und gelobe dem Römischen Papste als dem Nachfolger
des hl. Petrus und Statthalter Jesu Christi wahren Ge-horsam." Das ist
eine klare Sprache. Doch heute wird man an die Worte erinnert, mit
denen ein Märchen anfängt: es war einmal!
Von dieser Ecclesia Romana wissen heutzu-tage die "Gläubigen" so gut
wie nichts mehr. Das ist eine Tatsache, die leicht in Erfahrung
gebracht werden kann. Dazu gehört auch der konfuse und in vielen
Passagen häretische Tra-ditionalistenkatechismus des o.g. "Oratoriums
von der Göttlichen Wahrheit", zumal da sich aus dieser Kirche keine
"römisch-ökumenische Kirche" machen läßt, genau so wenig wie eine
"Papstkirche", von der die alten Protestanten fantasierten und überall
in Europa ihr deforma-torisches Gift ausstreuten. Wohl aber war es
je-derzeit möglich, durch geschickte Machen-schaften und Manipulationen
von seiten des ho-hen Klerus aus der Ecclesia Romana auf einem
allgemeinen (ökumenischen) Konzil, das auf einer Einheit von Papst und
Episkopat beruht, und mit Hilfe eines solchen aus derselben eine
"römische Konzilskirche" zu machen bzw. rea-liter hervorgehen zu
lassen, und zwar u.a. unter usurpatorischer Beibehaltung der Einheit
von Klerus und Laienschaft, die einem Kirchen-Gebilde in der Welt
wesentlich ist. Die faktische sog. Revolution "von oben", die nicht
wenige in den Jahren 1962 bis 1965 mit Erschrecken wahrnahmen, setzte
sich "nach unten" fort, wie ein Krebsgeschwür mit seinen Metastasen in
einem Organismus. Darum heißt es dann auch im neuen Kirchenrecht der
röm. Konzilskirche: "Laien, die als geeignet befunden werden, können
von den heiligen-geistlichen Hirten (sacris Pastoribus) für jene
kirchlichen Ämter und Aufgaben herangezogen werden, die sie gemäß den
Rechtsvorschriften wahrzunehmen vermögen, - Laien, die sich durch
Wissen, Klugheit und Ansehen in erforderlichem Maße auszeichnen, können
als Sachverständige und Ratgeber, auch in Rechtsgremien (!) nach
Maß-gabe des Rechts, den Hirten der Kirche Hilfe leisten" (Can. 228, §§
1,2). Eine illusionäre "röm.-ökumenische Kirche" besitzt keine
Rechtsstruktur und rechtliche Einheit von Klerus und Laienschaft; ja
sie kann so etwas auch gar nicht besitzen. Dies meinen nur solche
Katholiken, die früher schon kritiklos von "Prie-stern und Gläubigen"
redeten und in einem dumpfen und vernuftwidrigen
Gesinnungskatholizismus einer Bischofshörigkeit verfallen waren; sie
konnten auch nicht mehr klar unter-scheiden zwischen einem wahren und
einem unwahren (oder falschen) religiösen Gehorsam. Zu diesen
"Gläubigen" gehören auch, nebenbei bemerkt, die späteren
Lefebvre-Anhänger, Mit-- und Nachläufer, einschließlich der Wortführer
der "LIGA kath. Traditionalisten e.V.", die im-mer noch diesen
französischen Monseigneur für einen Bischof der Ecclesia Romana halten.
Mit diesen katholisierenden Zeitgenossen und –genossinnen ist ein
Wiederaufbau der Kirche gar nicht möglich, ja nicht einmal der einer
Teilkirche. Dies sollte man endlich einmal begreifen, um dann
vielleicht doch noch auf andere Gedanken zu kommen. Die Chance einer
Gegenrevolution "von unten" hat man in der BRD nach der Würzburger
Synode (1971-1975), die sich als "deutsches Konzil" bezeich-nete und
aufspielte, verpaßt. Auf dieser kost-spieligen Synode vollführten
erstmalig Kleriker und Laien einen Veitstanz, den der "Papst" der "röm.
Konzilskirche" mit Wohlwollen betrach-tete und ausdrücklich absegnete.
Im angeblich "kath. Würzburg" war weit und breit nichts zu entdecken
von Priestern der röm.-kath. Kirche; man sah nur wohlsituierte Kleriker
und Or-densleute in großer Anzahl und Geschäftigkeit, wenn die Synode
tagte.
Unter den röm.-kath. Kirche wurde immer nur diejenige Kirche
verstanden, welche den Bischof zu Rom und römischen Papst zu ihrem
Oberhapt (princeps et pontifex summus) hat als dem nächsten Prinzip
ihrer Einheit (unitas ec-clesiastica), die nicht dasselbe ist wie bloß
eine Vereinigung (unio) von bischöflichen Häuptern unter einem
Oberhaupt. Nur die ausdrückliche Trennung von
diesem kategorialen Einheits-Prinzip nennt man
Schisma. Ein Schisma zer-stört nicht die Einheit der Kirche, sondern
die kirchliche Einheit in ihrem Prinzip; darum ist es eine besondere
Sünde (Thomas v. Aquin), die sich von der Todsünde der Häresie im
qualitati-ven Sinne wesentlich unterscheidet. Die Zerschneidung und
Aufkündigung dieser Einheit mit einem (vermeintlichen) Bischof von Rom,
der weder rechtsmäßig noch überhaupt Papst ist, einschließlich seiner
Nachfolger, ist kein Schisma, sondern genau umgekehrt, nämlich die
Vermeidung eines solchen, und wobei es gleichgültig und ohne Bedeutung
ist, seit wann eine Vakanz des Apostolischen Stuhles besteht und wie
lange sie andauert, obwohl dies der Ecclesia Romana schadet. Welche
wirklichen Schäden eine lange Sedisvakanz verursacht, ist erst eine
zweite Frage, die wiederum mehrere Probleme involviert. Es ist ein
theologischer Irrtum und bereits häretisch, wenn man die alle
wesentlichen Begriffe verwirrende Behauptung aufstellt und ohne jede
Scheu penetrant verkündet: "die falschen Hirten, soweit sie
Schismatiker (...) sind, befinden sich nicht mehr in der Katholischen
Kirche. –Ein Schismatiker ist jemand, der als Getaufter sich von der
kirchlichen Gemeinschaft lossagt, so, indem er den Papst nicht als
Oberhaupt der Kirche anerkennt oder dauerhaft ihm gegenüber im
Ungehorsam ist." (Siehe den o.g. traditionalistischen
Oratoriums-Katechismus, S. 353 f., eine recht seltsame und nicht minder
erstaunliche "Unterweisung der Gläubigen für die heutige Zeit", die
nicht nur eine Menge theologischer Irrtümer, sondern auch Häresien
beinhaltet, und zwar offenkundi-ge.) Im übrigen ist das Schisma-Problem
nicht bloß eine moralische oder moraltheologische Frage, sondern in
erster Linie eine dogmatische und kirchenrechtliche. Zu einem
vollendeten Schisma gehört bekanntlich die hartnäckige Leugnung des
Prinzipats und Primats, d.h. konkret: der Primatialgewalt des Papstes
(worunter eine höchste "potestas spiritualis ordinaria" ver-standen
wird) in der und über die "tota Ecclesia militans", die sich in ihrer
Wesensverschieden-heit von der "leidenden und triumphierenden Kirche"
prinzipiell unterscheidet. – Nebenbei bemerkt: eine solche Leugnung
aber ist nach dem Vatikanum I, auch wenn dieses nicht zu Ende geführt
werden konnte, ohne eine gleichzeitige Apostasie von der realen Kirche
Jesu Christi nicht einmal mehr denkbar. Und was die monstöse
"röm-Konzilkirche" mit ihrem jeweiligen "Papst" betrifft, so ist
dieselbe eine häreti-sche und apostatische und dadurch auch eine echte
(weil reale) Gegen-Kirche. Ein solches Gebilde war im Sozialbereich der
Ecclesia Romana durchaus nicht unmöglich und zeichnete sich sogar schon
ziemlich lange vor dem Vatikanum 2 ab, das mitnichten die Fortsetzung
des Vatikanus I war. Das Vatikanum 2 mit all seinen "Konzilsvätern",
den "sacris pastoribus", bezeichnete sich nicht aus purem Zufall,
son-dern wohlüberlegt als "Pastoralkonzil", d.h. als eine besondere
Hirtenversammlung mit einem Oberhirten, angefangen mit dem
bauernschlauen Häretiker und falschen Propheten Angelo Roncalli, der
sich den Namen Johannes XXIII. zulegte. Seither haben sogar
Nicht-Päpste ihre Nachfolger und was in der Heils- bzw.
Unheils-geschichte der Kirche in der Welt einen wirklich neuen
Tatbestand eröffnet hat. Es wäre zu wünschen, wenn dies einmal ganz
nüchtern und realistisch betrachte werden würde, anstatt dem heiligen
Haupt der Kirche vorzujammern, "ach, warum haben wir denn immer noch
keinen Papst?", oder mit einem langen Fernrohr Aus-schau zu halten nach
einem "wahren Papst". Der göttliche Menschensohn, der zur Rechten des
Vaters sitzt, weiß es doch, daß wir keinen "servus servorum Dei" haben.
Aber vielleicht verdienen wir einen solchen gar nicht?! Wäre das denn
undenkbar? Schon im staatlichen Bereich hat jener wahre Satz seine
Bedeutung:. Ein Staatsvolk hat immer nur eine solche Regierung, die es
zu haben verdient!!
Ein Papst kann als Papst nie zu einem Schismatiker werden, da er sich
nicht von sich selbst trennen kann, es sei denn, ein Bischof zu Rom
käme auf den unlogischen und schlechthin absurden Gedanken,
gleichzeitig und zugleich Oberhaupt und Nicht-Oberhaupt der Kirche sein
zu können. Darum widerspricht es auch jeglicher Vernunft, wenn der
Oratoriums-Katechismus die Gläubigen dahingehend zu belehren versucht,
indem man einen alten Irrtum wieder aufwärmt: "Solche Personen, die
sich das Papstamt anmaßen, wenn es noch einen Papst gibt, nennt man
'Gegenpäpste' " (S.355, aaO). (In der Tat, so oder so ähnlich stellt
sich das auch ein Fräulein Dr. Lieschen Müller von der
Jugfrauenkongregation vor!) Zu welchem Papst wohl sind die römischen
Herren von Roncalli bis Wojtyla "Gegenpäpste"? Weiß man eigentlich
noch, wovon man überhaupt redet? Das sog. "Papstamt" – dieses deutsche
Begriffswort bringt nichts von dem eigentlich Gemeinten zum Ausdruck,
was schwerwiegende Irrtümer zur Folge hat und auch gehabt hat! –ist
weder ein sakral--natürliches Amt, wie z.B. das eines echten Königs
oder Monarchen(was heutzutage gar nicht mehr verstanden wird), noch
irgendein hohes kirchliches Amt, sondern das höchste bi-schöfliche
Dienst-Amt (officium pastorale) in der Kirche, und zwar ein
sakral-übernatürliches Amt, das indes jeweils und immer nur auf einer
unmittelbaren Verleihung durch den göttlichen Menschsohn beruht. Zudem
sollte man wissen: wenn Päpste pontifizieren, dann handeln sie nicht
"in persona Christi", denn das Papsttum ist keine "potestas spiritualis
ordinis" (wie das sakramentale Priestertum), sondern immer nur "in
persona Petri". Dies sei hier nur am Rande vermerkt, um wenigstens
darauf aufmerksam zu machen, daß sich nicht erst seit heute sehr viele
Katholiken, Kleriker und Laien, ganz falsche Vorstellungen machen, wenn
die "Papstfrage" aufgeworfen wird.
Niemand kann sich "das Papstamt anmaßen", da niemand Christus zwingen
oder durch faule Tricks bewegen kann, das höchste Hirtenoffizi-um zu
verleihen, was ganz und gar in Seinem souveränen Willen liegt. Wohl
aber kann ein bi-schöflicher Amtsträger, der in der Regel ein Kardinal
ist (das Kardinalat kann an sich auch ein Laie innehaben), den Versuch
machen – in-des immer nur den Versuch -, durch eine Art
Amtserschleichung das päpstliche Offizium zu usurpieren, d.h. sich
dasselbe widerrechtlich und unrechtmäßig angeignen, um in den Genuß der
Primatialgewalt "auf Lebenszeit" zu kommen. Verwirklichen aber läßt
sich ein solches Bestreben ganz und gar nicht, auch wenn nach außen hin
bei nicht wenigen ein falscher Ein-druck entstehen könnte und
sicherlich auch ent-steht, allerdings bei so manchen von diesen nicht
auf Dauer. Nichtsdestoweniger ist ein derartiger Usurpator durchaus
erkennbar, und zwar nicht erst nach seiner "Wahl zum Papst", sondern
schon vorher, wenn man gewußt hat oder nicht unschwer in Erfahrung
bringen konnte, von welchen Ideen sein Geist erfüllt war, die ihn
ständig bewegten. Auch ein "Papabili" (Papstkandidat) redet und
schreibt und hat seine Freunde. – Im übrigen gibt es keine
Amtsanma-ßung, sondern nur einen Amtsmißbrauch durch den Träger einer
Amtsgewalt bzw. Amtsbefug-nis, was die Verleihung eines Amtes
voraus-setzt. Das Papstamt jedoch verleiht weder ein Bischofsgremium
von Kardinälen noch die Kir-che. Offenbar herrscht große Unkenntnis
dar-über, daß ein Bischof der römisch-katholischen Kirche, selbst wenn
er legal zum Papst gewählt worden ist, dadurch noch lange nicht Papst
ist, weder wirklich (actu) noch rechtmäßig (legiti-me). Deshalb kann
man bei dem Jubelruf "hab-emus Papam" nur hoffen, daß sich die Leute
nicht irren! – Darum sollt man seinen Verstand gebrauchen und klar
unterscheiden zwischen dem Papst der römisch-katholisch Kirche und
einem "Papst" der "römischen Konzilskirche", die sich auf dem Vatikanum
2 und kraft dessel-ben konstituiert und instituiert hat; ihr
Ober-haupt, das ebenfalls Macht ausübt, ist kein "servus servorum Dei
et Jesu Christi", sondern ein katholisisierender und von einem unreinen
Gei-ste getriebener "servus servorum Hominis"; darum redet er immer nur
und bis zum Überdruß von der Menschenwürde und den Menschenrechten,
aber niemals von der Majestät und den Rechten Gottes im
Menschengeschlecht, geschweige denn von der Gottheit und dem Königtum
des göttlichen Menschensohnes, dessen Reich zwar nicht von dieser Welt
ist, wohl aber auch und immer schon in der Welt und bei den Menschen,
sofern sie wirklich und wahrhaft "guten Willens sind". Guten Willens
aber ist letztlich nur derjenige, welcher die Gebote Christi auch
tatsächlich hält und sich Sei-nem Willen unterwirft. Schließlich aber
sollte man noch beachten und sich auch darüber einmal klar werden, daß
ein Papst der Ecclesia Romana nicht so einfachhin der Nachfolger Petri
ist, sondern immer nur in der Nachfolge Petri steht, insofern er Papst
ist. Auch in dieser Beziehung verbreitet der Katechismus des Oratorium
keine "göttliche Wahrheit", sondern Irrtümer und unklare Gedanken.
Daß die katholische Kirche als Kirche des göttlichen Menschensohnes
auch (attributiv) römisch ist, dies ist durchaus unwesentlich, da es
sich hierbei um einen Zufall handelt. Darum läßt sich die Existenz der
Ecclesia Romana rein profangeschichtlich nicht erklären, was ernst zu
nehmenden Historikern immer schon aufgefallen und ein unlösbares Rätsel
geblieben ist. Und deshalb sollten gewisse Traditionalisten auch
endlich damit aufhören, von einem "neuen Rom" zu phantasieren, da die
Existenz der "röm. Konzilskirche" in keinerlei Hinsicht auf einem
Zufall beruht oder rein zufällig entstanden ist, ganz abgesehen davon,
daß man genau wissen kann, wer ihre Gründer gewesen sind und von wem
sie "erleuchtet" wurden. Das ist weder ein unauflösbares Rätsel noch
ein dunkles Geheimnis. Aber manchmal sieht man halt vor lauter Bäumen
den Wald nicht mehr und redet dann wie ein alter pseudomystischer
Apo-kalyptiker von "der römischen Hure, dem Rom der Endzeit" bzw. von
der nunmehr römischen "Hure Babylon", obwohl es nur ein Ende der Zeit
geben kann und seit Jesus Christi Tod und Auferstehung immer Endzeit
ist, da Er gekom-men ist "in der Fülle der Zeit". Es ist schon ein
Kreuz mit den Traditionalisten und ihren Wort-führern.
Erst wenn man das mehrdeutige Attribut "römisch" in eine
religionsphilosophische und ideengeschichtliche Perspektive stellt,
kommt Licht in einen an sich gar nicht so dunklen Sachverhalt. Eine
kleine Überlegung kann bereits dazu verhelfen, wenn man nur nicht
gleich wieder religiösen Träumen oder einem Wunschdenken verfällt,
sondern die Dinge möglichst realistisch und nüchtern betrachtet. Ebenso
sollte man von den erbaulichen Legen-den absehen, die fromme Leute
erdichtet haben, weil die faßbare Wirklichkeit in Wahrheit fast immer
ganz anders aussieht. Wenn nämliche der hl. Petrus, der nie aus Rom
vertrieben wurde und den auch niemand in einem wunderbaren Ereignis
oder Geschehnis "Quo Vadis" gefragt hat (denn er wußte schließlich, was
sein Auftrag war und was er zu tun hatte), in Antiochien, einer
Metropole des Ostens, geblieben wäre und nur dort seine Cathedra
endgültig errichtet und auch mit dem Martyrertod besiegelt hätte, dann
wäre nicht eine römisch-katholische, sondern eine
antiochenisch-katholische Kirche entstanden; so aber blieb es nur bei
einem Patriarchat, bis auch dieses nach einer wechselvollen und sogar
blutigen Geschichte im späteren Mittelalter unterging. Doch Gottes
Vorsehung wollte es anders, und zwar ganz anders, und woran Petrus ganz
bestimmt nicht gedacht hat. Denn er hatte gemäß dem Willen Gottes resp.
Christi keinen speziellen Auftrag für eine Heidenmission (Hellenen oder
Römer) im spezifi-schen Sinne. Was also sollte er, der ein praktisch
veranlagter Mensch war, dem hochfliegende Gedanken nicht gerade auf den
Leib geschrieben waren (im Unterschied zu den Aposteln Johannes und
Paulus), in dem fernen Rom? Daß diese Stadt die Metropole eines
Weltreichs war, ist kein zureichender Grund. Der Sendungsbefehl
Christi, gehet hin und lehret alle Völker, war viel zu allgemein
gehalten, als daß sich daraus für Petrus ein "Weg nach Rom" hätte
ableiten lassen. Christus hatte nach seiner Auferstehung im Beisein
einiger Apostel dem Petrus den Martyrertod prophezeit, aber nicht
einmal eine Andeutung gemacht, wo er ihn erleiden werde, sobald er Ihm,
dem Haupt und Herrn der Kirche, in Liebe und Gehorsam nachfolgt,
gleichgültig wo auch immer er sich befinden wird. (Petrus war ja auch
später nicht ständig in Rom.) In Jerusalem konnte er jeder-zeit mit
einem gewaltsamen Tode rechnen, auch hinterrücks; darauf war er gefaßt.
In Rom aber war die Situation eine ganz andere, da diese Machtmetropole
alle Religionen wie ein großer Magen verdaute, wofern ihre Anhänger
nicht die Staatsgesetze des römischen Reiches verletzten. Für Petrus
bestand auch sonst kein besonderer Anlaß, nun unbedingt noch eine
beschwerliche und nicht ganz ungefährliche Reise nach Rom auf sich zu
nehmen, um dort eine bereits existierende kleine judenchristliche
Gruppe oder "Gemeinde" zu "betreuen", die die Römer für eine jüdische
Sekte hielten.
Warum also ging Petrus nach Rom? Was hat ihn dazu veranlaßt? Von großer
Bedeutung dürfte folgendes sein: (Es ist hier nur möglich, einen kurzen
Durchblick zu geben.)
Nach der Sendung des Hl. Geistes traten einmal Petrus und Johannes im
herodianischen Tempel auf (bei welcher Gelegenheit Petrus an einem von
Geburt an Gelähmten ein Heilungs-wunder vollbrachte), verkündeten die
Lehre Jesu Christi in der sog. Halle Salomons, wurden von den erzürnten
"Klerikern" ergriffen, verhört, mit einem Schweigegebot belegt und dann
unter wüsten Drohungen wieder auf freien Fuß gesetzt. Das war ein
plazierter Schuß vor den Bug. Dennoch aber gingen fromme
Judenchri-sten, gleichgültig aus welchen Gründen auch immer, weiterhin
in diesen Tempel, um dort zu beten, was Gott mißfallen haben muß, weil
diese "Gläubigen" gleichzeitig ja auch die "hl. Messe feierten". Also
mußten andere "Zeichen gesetzt" werden, die dann in der Tat auch nicht
lange auf sich warten ließen, und zwar unübersehbare, harte und sogar
blutige Zeichen. Verstanden aber haben sie die wenigsten.
Zuerst wurde der redegewandte Diakon Ste-phanus, der ein Hellene war,
ergriffen und nach einer tumultarischen Gerichtverhandlung ohne
Gerichtsurteil durch öffentliche Steinigung er-mordet. So einfach war
das. Anwesend aber war auch ein Pharisäer aus Tarsus mit Namen Sau-lus,
nämlich der spätere hl. Paulus und frühere "Studienkollege" des
intelligenten Stephanus, der jedoch nicht nur diese blutige Prozedur
überwachte, sondern ihr auch zugestimmt hatte. Dies wiederum hat eine
besondere Bedeutung, wie sich später ebenfalls herausstellen sollte.
Daraufhin ließ der mit Rom freundschaftlich verbundene König Herodes
Agrippa I., um sich auch beim jüdischen Volke beliebt zu machen, den
Apostel Jakobus der Älteren ergreifen und mit dem Schwerte umbringen.
Der asketische Apostel Jakobus der Jüngere blieb vorerst noch
ungeschoren und wurde erst viele Jahre später zusammen mit anderen
Judenchristen umgebracht, und weil seine Steinigung nicht sofort den
erwarteten Erfolg brachte, deshalb half man noch mit einem Knüppel
nach. So waren halt die Bräuche bei den "am Fleische Beschnittenen" und
"Kindern
Israels". Dieser Apostel war der erste Vor-steher der judenchristlichen
Gemeinde und wurde deswegen auch als der erste "Bischof" von Jerusalem
bezeichnet, was jedoch nicht ganz richtig ist. Denn es besteht zwischen
dem, was ein Apostel Jesu Christi gewesen war, und dem, was ein Bischof
ist, sachlich und begriff-lich ein sehr großer Unterschied.
Indes verstand Petrus, der "Felsenmann", immer noch nicht die sich auf
ihn persönlich beziehenden "Zeichen der Zeit", bis er erneut in
Jerusalem ergriffen wurde, wo er an sich gar nichts mehr zu suchen
hatte, zumal beschlossen worden war, daß nur Jakobus der Jüngere in
Je-rusalem, einem durchaus jüdischen "Babylon", bleiben sollte,
Außerdem war die bald nach der Ermordung des Stephanus erfolgte
Gründung der Kirche (Apostelkirche) zu Antiochien durch Petrus auf der
Basis einer starken judenchristli-chen Gemeinde mehr als problematisch,
wie sich ebenfalls zeigen sollte. So ist es nun einmal im wirklichen
"kirchlichen Leben": der Mensch denkt, aber Gott lenkt und greift
bisweilen hart durch, wenn es um seine Rechte geht. Die Kirche war und
ist eben nicht bloß eine familiäre "Glaubensgemeinschaft" frommer
Seelchen, um in ihr immer nur "Agapen" (Liebesmahle) feiern zu können.
Die Ergreifung Petri geschah kurz nach der Ermordung des Apostels
Jakobus des Älteren, als Herodes erneut "Hand anlegte, um gegen
Angehörige der Gemeinde in böser Absicht vorzugehen"; und als er sah,
"daß dies den Juden gefiel, ließ er darüber hinaus auch den Petrus
ergreifen und ins Gefängnis werfen, gefesselt an zwei Ketten", wie die
Apostelgeschichte berichtet. Seine Ermordung stand bevor, entweder
kurzerhand im Kerker oder öffentlich zur Freude der Juden. Der
Hexenkessel von Jeru-salem war am Brodeln und die kleine
juden-christliche Gemeinde zitterte am ganzen Leibe hinter
verschlossenen Türen. Natürlich betete sie "ohne Unterlaß für ihn zu
Gott", aber sie hat ihn keineswegs "freigebetet". Solche dummen
Geschichtchen sind ungenießbare Erdichtungen, Produkte religiöser
Phantasien, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben.
Die wunderbare Befreiung Petri, der vor Erschöpfung eingeschlafen war
und sich mit sei-nem Los abgefunden hatte – er hat gewiß nicht
gejammert und um seine Befreiung gebetet, sondern sich
viel eher an das Wort im Vater--Unser erinnert "Dein
Wille geschehe" -, durch einen "Engel des Herrn" ist oder war jedem
katholischen Kinde bekannt. Aber damit verstan-den Kinder und fromme
Matronen, "Ehrwürdige Schwestern" eingeschlossen, noch lange nicht den
Sinn der ganzen Sache in einer ausweglos erscheinenden Situation.
Selbst Petrus begriff das alles nicht, bis er mutterseelenallein auf
der Straße stand und wieder zu Besinnung gekommen war: "Da kam Petrus
zu sich und sprach: 'Nun weiß ich wahrhaftig, daß der Herr seinen Engel
gesandt hat und mich der Hand des Herodes und aller Erwartung des
jüdischen Volkes entrissen hat'." – Nach dieser klaren Erkenntnis (na
endlich, könnte man hier sagen!) "ging er zum Haus der Maria, der
Mutter des Johannes mit dem Beinamen Markus (...)", um dort eine
Nachricht für Jakobus den Jüngeren zu hinterlassen und danach sofort
aus Jerusalem zu verschwinden, weil er eingesehen hatte, daß er in
diese babylonische Stadt mit ihrem Tempel und den blutigen Tieropfern
einfach nicht hin-gehörte, sondern vielmehr sie zu meiden hatte.
Deswegen "ging er weg und begab sich an einen anderen Ort", aber ohne
jemandem zu sagen, wohin er gehen werde, denn dies hätte sicherlich
niemand verstanden. Vermutlich nahm man an, daß er sich nach Antiochien
begeben werde, wo man ihn nicht so leicht hätte ergreifen und zur
Volksbelustigung zu Tode steinigen oder einen Kopf kürzer machen
können. Außerdem war das hellenisch-heidnische Antiochien entschieden
kultivierter. Dort verstand man immer schon zu leben und erfreute sich
anderer Lustbarkeiten. Wann und wie Petrus nach Rom gelangt ist, ist
ohne Bedeutung. Bedeutsam al-lein und auch nützlich war, daß er sich
nach Rom begab, nicht aber an irgendeinen "anderen Ort", auch nicht in
das immer noch hochange-sehene Athen, obwohl man dort für neue Ideen
sehr empfänglich war.
Petrus dürfte nach dem Überdenken seiner elenden Situation und seines
besonderen apo-stolischen Auftrags deutlich und sicher erkannt haben,
daß er ein "servus servorum Dei et Jesu Christi" zu sein und sich
endlich von den "am Fleische Beschnittenen" zu lösen habe (was ihm
bekanntlich nicht leicht gefallen ist). Denn – und so urteilte schon
der große Prophet Isaias -; "das Herz dieses Volkes ist verstockt; mit
den Ohren hören sie schwer und ihre Augen drücken sie zu, damit sie mit
den Augen nicht sehen und mit den Ohren nicht hören und mit dem Herzen
nicht verstehen und sich (nun endlich) bekehren und ich sie heile"
(Apg. 28,27). Petrus wurde blitzartig bewußt – denn vorher blieb ihm
ein solcher Gedanke noch ziemlich fremd -, daß er als Hirte einer neuen
Herde der Oberhirte einer Herde sowohl aus Juden als auch aus Heiden
(Hellenen und Römern) zu sein hat. Dafür aber gab es zu seiner Zeit
keinen besseren Ort als Rom. Außerdem wurde ihm nun klar, daß dieser
"andere Ort" kein anderer sein konnte als derjenige, welchen Christus
gemeint haben mußte, als er zu ihm sagte: "Wahrlich, wahrlich, ich sage
dir (Simon Petrus): Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und
gingst, wohin du wolltest; bist du aber alt geworden, wirst du deine
Hände ausstrecken (an einem Kreuz der Römer), und ein anderer wird dich
gürten und dich hinführen, wohin du nicht willst" (Joh. 21,18). Jetzt
aber wird es ohne weiteres verständlich, daß Petrus seinen ersten Brief
nicht von irgendwo her schrieb, sondern, wie er sich ausdrückte, aus
dem neuen oder anderen "Babylon", dem eigentlich nur noch ein bis zum
Himmel hinaufragender neuer "Turmbau" fehlte, und warum er nicht nach
Jerusalem schrieb, sondern an eine Kirche in der Diaspora: "Petrus,
Apostel Jesu Christi, an die auserwählten Fremdlinge, die zerstreut
leben in Pontus, Galatien, Kappadocien, Asien und Bithynien." –
Heutzutage schreibt kein Oberhirte aus Rom und schon gar nicht aus "dem
heiligen Rom" einen Brief an orthodoxe Katholiken oder
rö-misch-katholische Christen. Seit 1965 existiert und lebt die
Ecclesia Romana in einer noch nie dagewesenen Diaspora und am Rande
oder im Untergrund einer morbiden Gesellschaft, in der die Reichen
immer Reicher, die Armen immer ärmer, die Mächtigen immer Mächtiger und
die Ohn-mächtigen immer hilfloser werden.
Alle Apostel gründeten mit mehr oder weni-ger Geschick nach der Sendung
des Hl. Geistes Kirchen im Sinne von Teil-kirchen, die man als
Apostelkirchen bezeichnen kann. Aber nur eine von ihnen besaß die
Verheißung Christi, daß sie nicht untergehen und dadurch auch
"katholisch" werden wird, d.h. sie wird sich in ihrer Einheit
ausbreiten über die ganze Erde, ausgehend von einem zufälligen Zentrum.
Indessen besaß diese nicht die Verheißung, daß, was ihre Ausbreitung
betrifft, dies immer auch so bleiben werde. Vielmehr ist geoffenbart,
daß sie zusammenschrumpfen wird zu einer "kleinen Herde" im Vergleich
zu der Anzahl der Weltbevölkerung, die ständig wächst. Es kann aber
niemand wissen, wie groß oder klein diese kleine Herde einmal sein
wird, da es sich hier um einen symbolischen oder Bildbegriff handelt.
Das Wort "katholisch" hat, wenn es auf die Kirche bezo-gen wird, nicht
die Bedeutung von "allumfassend" oder das ganze Menschengeschlecht
um-fassend, sondern: "nicht eingeschränkt auf" ein Volk, eine Nation
oder eine Kultur und schon gar nicht auf eine "Rasse". Denn die Kirche
ist deswegen katholisch, weil sie offen ist für alle Menschen und
keinen von vornherein aus-schließt.
Die Apostelkirchen in der apostolischen Zeit waren weder
Kirchengemeinden mit einem Bi-schof an der Spitze noch
partikularistische Af-terkirchen, sondern einzigartige Teil-kirchen im
Wesen der Einen Ecclesia des göttlichen Men-schensohnes. Die Ecclesia
Romana aber ist nicht von Christus gegründet worden, sondern aus der
petrinischen Teil-Kirche hervorgegangen – und zwar, was in der Tat
einmalig ist, unter Mitwirkung des hl. Paulus, des "Heiden-apostels",
was allerdings kein bloßer Zufall ist. Darum spricht man mit Recht von
zwei Apostel-"Fürsten", Petrus und Paulus, obwohl nur einer
von ihnen das Oberhaupt der
römisch-katholischen Kirche ist. Im übrigen kann man die Mitwirkung des
hl. Paulus bei der Gründung der petrinischen Kirche in Rom nicht hoch
ge-nug einschätzen, ganz abgesehen davon, daß der hl. Paulus seine
Mitwirkung mit dem Mar-tyrertod bezahlt hat und gleichsam
"standesgemäß" als "römischer Bürger", nämlich nicht am Kreuz, sondern
mit dem Schwert enthauptet. Seit dieser Zeit stand und steht die
apostolische Ecclesia Romana auf zwei Säulen und hat im
geistig-spirituellen Sinne zwei Häupter. Petrus und Paulus lassen sich
nicht trennen. Darum läßt sich, was man bedenken sollte, sagen: wenn
Petrus spricht, spricht Paulus mit, und wenn Paulus spricht, dann
spricht er nicht gegen Petrus.
Die uralte Ecclesia Romana ist nicht katho-lisch, weil sie römisch ist,
sondern sie ist römisch, weil sie apostolische ist, und heilig ist sie,
weil sie nach der Sendung des Hl. Geistes durch den Vater und den Sohn
aus einer be-stimmten und besonderen Apostelkirche her-vorging, die die
Trägerin des Apostolischen Stuhles ist, und die nur in Rom gegründet
wur-de, ohne jedoch an Rom oder eine andere Weltmetropole gebunden zu
sein. Der Papst in Rom ist nicht dasselbe wie der römische Papst. Darum
kann man in gewisser Hinsicht (aber nicht schlechthin) sagen, Petrus
war der erste Papst. Es gab Protestanten, die sich große Mühe gaben, zu
beweisen, daß der "wenig gebildete" Petrus nicht oder vielleicht nur
manchmal in Rom war (weil in der Bibel davon nichts drin steht), um
auch auf diesem krummen Wege, so glaubten sie, leichter leugnen zu
können, daß die Ecclesia Romana die einzige "Mutter und Lehrmeisterin
aller (Teil-)Kirchen" de facto und de jure ist, also auch nichts
anderes wäre als eine aus "Gemeinden von Gläubigen" zwangsläufig
entstandene "Kirche", wie eben auch alle üb-rigen, und daß sie nur
deswegen so groß und einflußreich geworden wäre, weil sie sich
zu-fällig in der Metropole des römischen Weltreiches gebildet und auf
schlaue Weise eingenistet und ausgebreitet habe. Der Haß auf das
Papsttum der Bischöfe zu Rom trieb seltsame Blüten. Häretiker und
Gottlose reichten sich die Hände. Doch viele römisch-katholische
Christen merkten nichts davon und dämmerten vor sich hin; sie
verstanden nicht einmal, warum sie als "Papisten" verleumdet und
beschimpft wurden; indessen waren sie mächtig stolz darauf, "rom-treu"
oder "papsttreu" und damit natürlich auch "katholisch gesinnt" zu sein.
Nun aber geschah in dieser dumpfen Atmosphäre plötzlich ein großes
Wunder in Rom – manche sprachen auch von einem "römischen Wunder" -,
schon bald nachdem der von vielen verleumdete Papst Pius XII. nun
endlich tot war. Denn es verschwand fast über Nacht dieser Haß auf das
Papsttum der Römischen Bischöfe, als der (wie überall zu hören war)
"liebe und gütige Johannes XXIII.", der (endlich) "gute Papst" und
"Friedenbringer", in Rom erschien, sogar mit der Tiara auf dem Kopf.
Nun war eingetreten, was so manche befürchtet hatten; ein mit der
Papstkrone dekorierter Häretiker! Ein geradezu fühlbarer Widerspruch in
sich selbst für sensible Geister. Doch alle sich in Rom Versammelnden,
ob Honoratioren aus "Kirche und Welt" oder fromme Pilger aus "Klerus
und Laienschaft", hatten leuchtende Augen oder schneuzten sich gerührt
ins Taschentuch oder dankten Gott und murmelten auf Latein "Pacem in
terris" (eines der großen Offenbarungsworte des bauernschlauen Angelo
Roncalli). Da war nichts zu sehen
von einem "Apostelfürst"--Nachfolger, obwohl ein
hoher Kleriker aus Ita-lien, der immer schon seine "Weltliebe"
väterlich bekundet hatte und Pessimisten als "uner-leuchtet" ansah, auf
Pius XII. folgte, allerdings nur dem Anschein nach. Die Tiara paßte gar
nicht zu seiner (auch im biblischen Sinne) "flei-schigen" Physiognomie.
– Im übrigen ist es ein ziemlich schlechter Witz, über den kaum jemand
mehr lachen kann, wenn der Traditionalistenkatechismus des Oratorium
die Weisheit verkündet, die dreifache "goldene Krone ist zu-gleich eine
dreifache Dornenkrone" (S. 72), was sie nun gerade weder ist noch
bedeutet. (Die einfache Dornenkrone Jesu Christi war nur mit Blut
"vergoldet", da sie tief ins Fleisch geschla-gen wurde.) Offensichtlich
mißverstehen tradi-tionalistische Folklorekatholiken eine kirchliche
Symbolik, die sie zudem noch versentimentali-sieren. Denn die Tiara
symbolisiert eine dreifach geistig-sakrale Macht und Rechtshoheit, die
man als "potestas spiritualis ordinaria" und als "summa auctoritas et
juristictio" bezeichnet, was heutzutage generell überhaupt nicht mehr
verstanden wird. Dies sei hier nur angemerkt, damit sich niemand
irrationalen Phantasien und dunklen Vorstellung hingeben möge.
Als der hl. Paulus auf seinen Missionsreisen, bei denen er sich für
gewöhnlich seinen Lebensunterhalt durch handwerkliche Arbeit
(Zeltmacherei) verdiente, einmal in dem be-rüchtigten Korinth weilte,
begegnete er dort ei-nem judenchristlichen Ehepaar, Aquila und Prisca,
dem er, wie er versicherte, zu großem Dank verpflichtet war, und das
aus Rom ver-trieben worden war, aber später wieder nach Rom zurückging,
indessen unter Nero aus die-sem "Babylon" wieder fliehen mußte. Nun
aber werden Aquila und Prisca sicherlich nicht ge-wußt haben, daß sie
römisch-katholisch oder schon Angehörige der Ecclesia Romana unter
einem "Papst" gewesen sind. Ein solcher Ge-danke lag Judenchristen,
auch wenn sie Pres-byter waren, völlig fern. Auch das sollte man sich
heute einmal klar machen, anstatt sich so leichtfertig und ohne
Verstand als römisch-katholisch zu bezeichnen. Oder merkt denn niemand,
daß, wenn er sich in der Öffentlichkeit so nennt, von anderen, ja sogar
von vielen Katholiken und Nichtkatholiken sofort und gründlich
mißverstanden wird? Man mache doch einmal die Probe auf 's Exempel und
wonach man dann sein blaues Wunder erleben kann! Wir haben schon vor
dem Vatikanum 2 diese Feststellung gemacht und wundern uns heute über
gar nichts mehr.
Das Aquila/Prisca-Ereignis hat eine große heilsgeschichtliche
Bedeutung, die man nicht hoch genug veranschlagen kann, wenn man die
Dinge nüchtern betrachtet und nicht von einem "frommen Ehepaar" Märchen
erzählt. Der hl. Paulus wurde nämlich infolge der Begegnung mit Aquila
und Prisca durch den Hl. Geist daran erinnert, daß er von Christus, dem
Herrn, nicht nur zu den Hellenen oder den Galatern (ein Mischvolk aus
Kelten und Germanen) gesandt worden ist, sondern auch zu den Römern, um
in der damaligen Metropole eines Weltreiches sei-ne Missionsaufgaben zu
erfüllen, und zwar so-zusagen als "gelernter Theologe". Darum schrieb
er einen Brief an die Römer, nicht aber an eine judenchristliche
Gemeinde in Rom, und in dem es gleich im ersten Kapitel sehr
aufschlußreich heißt: "Paulus, Knecht Christi Jesu, berufener Apostel
(Anm.: durch Christus allein!), auserwählt für das Evangelium Gottes,
das er schon durch seine Propheten verheißen hat ... (...). Möchte ich
doch auch bei euch einige Frucht gewinnen wie bei den übrigen Völkern.
– Hellenen und Barbaren, Gebildeten und Ungebildeten bin ich
verpflichtet. So bin ich, was an mit liegt, bereit, auch euch in Rom
das Evangelium zu verkünden." Dieses Faktum mußte, wenn man so sagen
will, sogar der hl. Petrus selbst beachten und was ihm offensicht-lich
nicht ganz leicht gefallen ist. Man darf Pe-trus und Paulus weder
trennen noch den hl. Paulus dem hl. Petrus unterordnen. So primitiv
verhält es sich nicht bei den Aposteln des göttlichen Menschensohnes.
Es gibt keine und hat auch nie gegeben ein Ecclesia Romana ohne den hl.
Paulus. Heute gibt es, bildlich gesprochen, weder einen Petrus noch
einen Paulus in Rom, abgesehen von ihren Gräbern. Ebenso könnte der hl.
Paulus heutzutage in einem Römerbriefe nicht mehr jenen erschütternden
Wunsch äußern: "Grüßt Prisca und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus
Jesus; sie haben für mein Leben ihre Nacken dreingesetzt (dar-geboten);
ihnen schulde nicht nur ich Dank, sondern auch alle Gemeinden der
Heiden" (Röm. 16,3-4).
Es war nie einfach und erst recht kein Ho-nigschlecken, der Ecclesia
Romana anzugehören und als Christ in der Welt wirklich
römisch--katholisch zu sein. Darum sollten sich römisch-katholische
Christen, sowohl Kleriker als auch Laien, in ihrem Denken und Tun und
Sich-verhalten deutlich unterscheiden von dem orga-nisierten Haufen der
in allen Farben schillernden Neukatholiken der "röm. Konzilskirche" mit
ihren etablierten "Klerikern und Laien". Es ist unbedingt notwendig,
sich diesbezüglich zu unterscheiden, und zwar auch deswegen, weil man
sonst von Nichtkatholiken und Nichtchristen in einen Topf geworfen und
einem Gebilde zugeordnet wird, das eine antichristliche After-kirche
ist, eine "ecclesia (oikia) monstrosa" in Großformat. Auch dieses
Sozialgebilde übt ständig Macht aus und nimmt seine Rechte in
Gesellschaft und Staat wahr, wo auch immer es dazu in der Lage ist. Wer
in dem viele beruhigenden und niemanden aufregenden Irr- und
Aberglauben lebt, der seit dem Vatikanum 2 katholische Christen
weltweit verwirrt, die Kir-che Jesu Christi in der Welt sei ihrem Wesen
nach das "pilgernde Volk Gottes" auf Erden, der wird, biblisch
gesprochen, nie das "gelobte Land" sehen, wo Milch und Honig fließt,
sondern in einer Wüste herumirren und in ihr ohne Wasser und Manna
umkommen (angeführt und pastoral betreut von einem Oberpilger aus Rom,
der den Leuten das Märchen erzählt, er mache doch nur "Pilgerreisen"
und "missioniere" niemanden; indessen sollten Katholiken wissen und
beachten: in der auf der Vorsehung Gottes beruhenden Heilsgeschichte
wiederholen sich niemals außerordentliche Wunder; deshalb wie-derholt
sich weder das Wunder von Pfingsten noch das Wunder von Damaskus.).
Schon lange vorn dem Vatikanum 2 konnte man die traurige Erfahrung
machen: wer es ablehnte, gleichgültig aus welchen Gründen auch immer,
sich darüber klar zu werden, daß und warum die römisch-katholisch
Kirche nicht notwendig römisch ist, da dies nur auf einem historischen
Zufall und heilsgeschichtlichen Ge-schick beruht, der wußte in
Wirklichkeit auch gar nicht, was die Ecclesia Romana ist und welchen
Zweck sie in den Völkern und Nationen zu erfüllen beauftragt war und
ist. Heutzutage scheint sie zusammengeschrumpft zu sein auf das Maß
einer Art Arche Noa, die umbrandet wird von den übelriechenden Wogen
der "röm. Konzilskirche", die von Wassern verseuchter Quellen gespeist
wird. Verseuchte Quellen aber lassen sich nicht reinigen, sondern nur
verstopfen oder zum Versiegen bringen. Es soll freilich immer noch
"Gläubige" geben, die eine Quelle, vor allem wenn sie, wie erzählt
wird, unerwartet zu sprudeln angefangen hat, bereits für ein
Heilgewässer halten. Die Ecclesia Romana ist heute nicht mehr
"sichtbar" wie eine "Stadt auf dem Berge". Wie sollte sie auch? Denn
sie lebt in der Diaspora, ja zum Teil sogar nur noch am Rande oder im
Untergrund der Gesellschaft. Es kann jedoch niemand wissen, ob dieser
Zustand sich ändern oder wie lange er dauern wird. Dieses Nichtwissen
aber enthebt niemanden der Verantwortung, für Diaspora-Katholiken das
Notwendige und noch Mögliche vernunftgemäß zu tun.
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