MITTEILUNGEN DER REDAKTION
München, den 25. Nov. 1989
Verehrte Leser,
vor kurzem führte ein amerikanischer Pädagoge, der seiner Sorge über
die geistige Entwicklung in den U.S.A. Ausdruck verleihen wollte,
folgendes Gleichnis an. Wenn man einen Frosch in kochend heißes Wasser
wirft, hüpft er schnellstens wieder heraus, um sich zu retten. Wenn man
ihn aber in kaltes Wasser setzt und dieses langsam, aber stetig
erhitzt, merkt der Frosch nicht, wann die Temperatur für ihn
lebensbedrohlich wird und er verkocht. Für die Vereinigten Staaten
sprach der Kommentator die Hoffnung aus, daß Amerika gleich "ins
kochend heiße Wasser" getaucht würde, damit noch eine Chance auf
Rettung und Überleben bestünde.
Unwillkürlich mußte ich an diesen Vergleich denken, als ich jetzt die
Bilder unserer heutigen religiösen Situation an meinen Augen Revue
passieren ließ: Viele scheinen sich mit den desolaten Verhältnissen
abgefunden zu haben; denn eine Wende zum Besseren ist nicht in Sicht.
Die traditionsverpflichtete Priesterschaft wird immer älter, einer nach
dem anderen wird von Gott abberufen, junge Leute finden nur selten noch
den Weg zum Priestertum, und wenn sie ihn gefunden haben, fehlt ihnen
meist der katholische 'Stallgeruch', d.h. die religiöse Einbettung
ihres Lebens in einen Gesamtzusammenhang menschlichen Lebens, das sich
einmal in Gottes Hand geborgen fühlte. Bei der älteren
Klerikergeneration stoßen diese Studenten häufig auf Unverständnis, da
sie meist ihre Entscheidung, Priester werden zu wollen, aus einem ganz
bestimmten Aspekt getroffen haben, der mit der heutigen Katastrophe
verknüpft ist.
Als einfacher Gläubiger hat man noch 'seine' Messe... oder auch nicht,
dann betet man den Rosenkranz bzw. die Messe nach dem Schott. Aber
Interesse an einer umfassenden Genesung der Kirche, an der. Restitution
an ihr als göttlicher Heilsinstitution haben die wenigsten... den
meistenriicht einmal das Problem bewußt. Und weil sich Fortschritte im
Wiederaufbau oder meßbare Erfolge zur Überwindung der Krise zum einen
ausbleiben und zum anderen das in die Priesterschaft gesetzte Vertrauen
verbraucht ist, beginnt man, innerlich zu resignieren. Das Beten wird
zur Pflichtübung, man wird stumm, geistig stumm! Ich brauche nur den
Tenor des Briefwechsels von vor zehn Jahren mit dem der heutigen
Korrespondenz zu vergleichen, um den Beweis dafür zu haben. Die Sorge
für die Erhaltung der Religion, ja selbst für das eigene Seelenheil -
ich denke immer nur mit Verwunderung an so viele ältere Gläubige, die
sorglos ihrem Lebensende entgegensehen und keinerlei Vorkehrungen
treffen für eine seelsorgliche Betreuung in ihren letzten Stunden -
macht Alltagssorgen Platz. Und die sind teilweise unmittelbar drückend,
besonders bei Familien mit Kindern, die kaum die Ausstrahlung oder auch
nur das geistige Rüstzeug haben, ihre Jungen und Mädchen gegen all die
unheilvollen Einflüsse und Tendenzen 'wetterfest' zu machen.
Kurzum, ich habe die Befürchtung, daß unsere Situation der jenes
Frosches gleicht, der das langsame Erhitzen des Wassers, in dem er
herumpaddelt, nicht mehr als immer lebensbedrohlicher registriert. Man
tröstet sich mit der Vorhersage Christi, "daß die Pforten der Hölle sie
(die Kirche) nicht überwältigen", und es sei doch wohl eine ausgemachte
Sache, daß man zur wahren Kirche gehört. Daß mit dieser tröstlichen
Voraussage kein Einzelschicksal gemeint ist, sondern das der Kirche,
übersieht man großzügig.
Einstellungen, wie ich sie hier versucht habe zu skizzieren, kann wohl
jeder, wenn er zu sich ehrlich ist, auch an sich feststellen, in der
einen oder anderen Form. Und ich bekenne, daß ich mich davon nicht
ausnehmen kann. Ja, was soll man denn auch tun? wird man sich fragen,
was soll man als Laie, was kann man als Priester tun, wo doch die
Bischöfe, die uns geschenkt wurden, untereinander uneins sind, die
Priester ebenso und sogar noch die Bischöfe in toto ablehnen. (Unlängst
wurde mir von einem Kleriker berichtet, der behauptete, er könne
angeblich keine hl. Öle bekommen. Das ist in meinen Augen der Höhepunkt
klerikaler Arroganz und Selbstgefälligkeit!!! Ja, was meint denn dieser
hochwürdige Herr, wozu S.E. Mgr. Pierre Martin Ngo-dinh-Thuc Bischöfe
geweiht hat... zum Ignorieren?) Die Rechtfertigung für unsere
Jeremiade, für unser religiöses Siechtum nähme kein Ende.
Ja, was soll man tun? Wieder beginnen, ein wahrhaft religiöses Leben zu
führen! "Suchet zuerst das Reich Gottes, und alles andere wird euch
hinzugegeben werden", u.a. auch der Trost in dieser unendlichen
Verlassenheit! Laßt die Liebe Gottes in euch wohnen, damit sie die Welt
erhellt. Nicht alles kann von unseren Gegnern manipuliert werden. Jetzt
entscheidet sich, was unser Glaube wirklich wert ist, ob er bloß aus
ein paar konventionellen oder theologisch interessanten Versatzstücken
besteht oder ob er so dominierend ist, daß er unser Leben bestimmt,
d.h. die Gesamtheit unserer Entscheidungen. Und wenn er lau und
unsicher ist, müssen wir ihn festigen, wir müssen uns geistig
anstrengen, um spezifisch auf die heutigen Gefahren zu reagieren. Ein
sicherlich unverdächtiger Zeuge für die vor uns liegende Arbeit, ist
Prof. Leo Scheffczyk, der sich sicherlich nicht als unser Parteigänger
begreift, der aber eine ganze Reihe Phänome ähnlich beurteilt wie ich.
In der UNA VOCE KORRESPONDENZ Nov./Dez. 1982, S.381, schreibt er:
"Es gibt in der Geschichte ein
klassisches Beispiel für die Überwindung einer lebensbedrohlichen
Krise, deren Stil- und Geistverwandtschaft mit der heutigen Glaubensnot
in die Augen fällt. Der im zweiten Jahrhundert aufgebrochene
Gnostizismus schickte sich an, die christliche Heilslehre in die damals
moderne Weltweisheit einzuschmelzen, um sie so angeblich auf den Stand
ihrer Eigentlichkeit zu bringen. Damals wie heute wurde die Überführung
des Glaubens in eine angeblich höhere Vernunft propagiert, es
dominierte die synkretistische Verbrämung der Offenbarung mit
Ersatzstücken der Zeitphilosophie (...). Die Kirche setzte dieser
Suggestion des Fortschrittlichen drei schlichte Grundsätze entgegen:
der Faszination der geistreichen gnostischen Literatur begegnete sie
mit der Aufstellung des Kanons der biblischen Schriften, der
willkürlichen Berufung auf subjektive Offenbarungen und Sonderlehren
mit der Hervorhebung des objektiven Traditionsprinzips, dem
spiritualistischen Schwärmerturn mit dem 'monarchischen' Episkopat.
Damit aber erreichte sie nicht nur ein kümmerliches Überleben, sondern
eröffnete sich den Weg in die Weite der antiken Welt."
Wir müssen uns insgesamt erst einmal über das wirkliche Ausmaß der
heutigen Tragödie bewußt werden, um im einzelnen Gegenmaßnahmen treffen
zu können. Vielfach ist ja nicht einmal die Bereitschaft da, die Augen
aufzumachen!
Gottes Gesetz gilt, das steht unverbrüchlich fest, und das der 'Welt'
nicht. Wenn wir auf Gott vertrauen, stehen wir unter Seinem Gesetz, und
uns kann nichts passieren. Der Wahlspruch der hl. Thersa von Avila
lautete: "Gott allein genügt!". Wir haben alles, wenn wir an Seiner
Barmherzigkeit festhalten... Er, der sich in der größten Armut uns
Menschen zugesellt hat... Er,der "unter uns gewohnt hat".
Von dieser innerlichen Regeneration her, die wir geschenkt bekommen,
wenn wir uns wirklich Ihm.überlassen, können wir es dann auch wagen,
uns für die allgemein wichtigen Probleme, der Erneuerung der Kirche und
ihrer Verfassung zusammenhängen, einsetzen. Wenn mich jemand fragt,
warum selbst in den Kreisen des - man kann es nur so sagen -
sogenannten Widerstandes solch erbärmlichen Verhältnisse herrschen,
warum dieser Sektierergeist triumphiert, dann antworte ich ohne Zögern:
weil jeder nur sein eigenes Heil im Auge hat. Hauptsache, wie schon
erwähnt ist, man hat seine alte Messe. Dieser Heilsegoismus verhindert
es, daß sich Kleriker und Laien als Glieder der einen wahren Kirche
fühlen (können). Aber eben diese Fehleinstellung fällt, wenn wir bereit
sind, in Demut die Schwierigkeiten anzunehmen, um sie zu bewältigen.
Wir müssen durch nichts auffallen... außer durch ein Leben in
Gerechtigkeit. Die Trompete des Triumphalismus können andere blasen...
wenn sie noch Luft haben. Wir sollten Gott danken, wenn Er uns die
Augen öffnet, damit wir wie in einem Schock merken, daß das Wasser, 'in
dem wir herumpaddeln', bereits 'siedend heiß' geworden ist.
Und eines sollten wir nicht vergessen: durch die Menschwerdung Gottes können wir Anteil nehmen an Seinem Heil!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gnadenreiches Weihnachtsfest und
Gottes Segen und Hilfe im Neuen Jahr. All jenen, die uns geholfen haben
durch Gebet, durch Mitarbeit, durch finanzielle Unterstützung, durch
Unterstützung unseres Apostolates möchte ich an dieser Stelle noch
einmal ganz herzlich danken und ihnen ein "Vergelt's Gott" zurufen.
Ihr Eberhard Heller
HEILIGE MESSEN IN ST. MICHAEL, MÜNCHEN/ WESTENDSTR, 19
SONN- UND FEIERTAGS JEWEILS IM 9 UHR* VORHER BEICHTGELEGENHEIT.
Am 24. 12. : 4. Adventssonntag: hl. Messe 9 Uhr Engelamt: hl. Messe 21 Uhr Hirtenamt: hl. Messe 21.45 Uhr
ROSENKRANZGEBET
JEWEILS VOR DER HL. MESSE UND DIENSTAGS 19.00 UHR IN S T . MICHAEL
REDAKTIONSSCHLUSS: 27. NOVEMBER 1989.
TITELBILD: Engel aus der Klosterkirche Indersdorf/Bayern; Photo: E. Heller
ACHTUNG !
Aufgrund der bei der Redaktion eingegangenen Hinweise möchten wir
erneut die Gläubigen vor Kiekern warnen, die sich ihnen als
rechtgläubige und der Tradition verpflichtete Priester empfehlen, die
aber in Wahrheit Schismatiker ohne theologische (oder nur ungenügende)
Ausbildung sind und die es häufig schlicht auch auf den Geldbeutel der
ahnungslosen Opfer abgesehen haben. Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie
bitte bei der Redaktion an. E. Heller |