DIE ENTWICKLUNG DER KIRCHLICHEN VERFASSUNG
BIS ZUM 5. JAHRHUNDERT
von
+ H. H. Dr. Otto Katzer
DIE DIÖZESE
Die Grundlage für die kirchliche Verfassung blieb auch unter veränderten äußeren Bedingungen die
D i ö z e s e mit dem Bischof als ihrem obersten kirchlichen Vorsteher.
Die Zahl der Diözesen entsprach im allgemeinen derjenigen der römischen
"Civitates" und der entsprechenden Verwaltungsbezirke. Nur in den
Städten, nicht aber in den Dörfern und Flecken sollte ein Bischof
residieren. Diese Bestimmung der Synode von Sardika war jedoch in
Afrika und im Orient nicht mehr durchzuführen; denn dort gab es bereits
Bischöfe in ganz unbedeutenden Orten. Mit Zustimmung der
Provinzialsynode konnte aber ein Bischof seinen Sprengel teilen, und
die Metropoliten, vor allem aber der Papst konnten neue Bistümer
errichten. Die Bischöfe durften sich Koadjutoren erwählen, z.B. war
Augustinus zunächst Koadjutor des Valerius von Hippo und Makarius
Hilfsbischof des Maximus von Jerusalem. Aber sie durften selbst keine
Nachfolger bestellen. Der Übergang von kleineren auf größere Bistümer
war im allgemeinen untersagt. Doch wurden bei triftigen Gründen
Ausnahmen zugelassen, allerdings oft auch das Verbot ohne Grund
übertreten, zumal im Orient. Eine Stadt konnte den Bischofssitz auch
verlieren z.B. nach Mißhandlung oder Tötung des Bischofs, wie dies
Papst Gelasius hinsichtlich der Stadt Squillace in Unteritalien
anordnete, wo nacheinander zwei Bischöfe ermordet worden waren. Kranke
oder altersschwache Bischöfe erhielten Koadjutoren aus ihrem Klerus,
oder sie sollten ihre Amtspflichten einem benachbarten Bischof
übertragen.
Die alte Wahlordnung der Bischöfe blieb im großen und ganzen bestehen:
Die Wahl durch die Mitglieder der Gemeinde dauerte noch lange Zeit
fort. Doch verlangten noch mehrere Kanones von Synoden des 4.
Jahrhunderts, daß dabei eine größere Anzahl von Bischöfen zugegen sei.
Diese leiteten mit dem Klerus der vakanten Bistümer die Vornahme der
Neubesetzung eines oberhirtlichen Stuhles.
Die besonderen Amtshandlungen des Bischofs waren:
- die Ausübung des Lehramtes,
namentlich in öffentlichen Vorträgen, welche die Priester nur mit
seiner Erlaubnis und seiner Bevollmächtigung halten durften;
- die Vornahme der Weihen, die bei den höheren Graden ausschließlich ihm zustand;
- die Visitation seines Sprengeis, die im Abendland frühzeitig mit der Erteilung der Firmung verbunden wurde;
- die Zusammenstellung und Weihe des Chrisams;
- die Aufnahme der Büßer, die nur im Falle seiner Verhinderung bzw.
Abwesenheit von Priestern vorgenommen werden durfte, die eigens dafür
die Vollmacht des Bischofs erhalten hatten;
- die Benedizierung der Jungfrauen;
- die gesamte gesetzgebende, richterliche und ausübende Gewalt.
Er gab den reisenden Geistlichen und Laien sog. Gemeinschaftsbriefe
mit, besetzte die geistlichen Vmter, bestrafte die kirchlichen
Verbrechen und Vergehen und leitete die gesamte kirchliche Verwaltung.
Es war deshalb seine besondere Pflicht, stets bei seiner Herde zu
weilen (Residenzpflicht). Im allgemeinen sollte er sich nicht länger
als drei Wochen aus seinem Sprengel entfernen. Darum wurden auch die
Reisen der Bischöfe an das Hoflager beschränkt und von der Genehmigung
der höheren Oberen abhängig gemacht, in Italien von der des Papstes.
Sie sollten sich auch nicht lange in einer fremden Stadt aufhalten, um
nicht etwa durch ihre Predigten einen minder gelehrten Bischof in
Mißachtung zu bringen. Wohl aber konnten sie, wenn ihre Kirchengemeinde
in fremden Sprengeln Güter besaß, zeitweise - bis zu drei Wochen - dort
verweilen. Festgehalten wurde an der alten Regel, daß kein Bischof
außerhalb seiner Diözese Amtshandlungen vornehmen noch fremde Kleriker
weihen dürfe, wenn er sie nicht in sein Bistum aufnehmen würde, in
welchem Fall er immer noch Rücksprache mit dem zuständigen Bischof zu
nehmen hatte. Der Mißbrauch der Weihegewalt wurde oft mit dem Verlust
des Ordinationsrechtes bestraft.
Vom Bischof wurde vor allem ein vorbildlicher Lebenswandel gefordert.
Er sollte nicht allein mit Frauen sein und überall ein gutes Beispiel
geben. Unter den bischöflichen Beamten zur Verwaltung des Bistums ragte
namentlich der Archidiakon hervor, dem bald eine ausgedehnte
Gerichtsbarkeit, die Aufsicht über die niederen Kleriker und die
Stellvertretung des Bischofs übertragen wurden.
Archipresbyter - bei den Griechen: Protopresbyter bzw. Protopapas -
hieß seit dem 4. Jahrhundert jener Kleriker - seiner Weihe nach der
älteste Priester -, der den Vorsitz im Priesterkollegium innehatte und
bei Verhinderung des Bischofs den Gottesdienst in der Hauptkirche
zelebrierte. In Alexandrien wurde unter Theophilus namentlich ein
Erzpriester Petrus bekannt, in Konstantinopel unter Chrysostomus der
greise Arsacius, der auch sein Nachfolger auf dem bischöflichen Stuhl
wurde (404-405). Später erhielten im Orient auch jüngere Priester den
Titel eines Erzpriesters, wenn sie bedeutenderen Kirchen vorstanden.
Auch die römische Kirche - wie die meisten des Abendlandes - hatte
später ihre Archipresbyteri. Kaiser Jusinian erwähnt sie zugleich mit
den Archidiakonen.
Gegen das Institut der Chorbischöfe wurde besonders im Orient, jedoch
anfänglich ohne großen Erfolg, angekämpft. Sie blieben sehr zahlreich
bestehen, wenn auch ihre Befugnisse vielfach eingeschränkt wurden. In
Afrika gab es diese Institute nicht, und im europäischen Abendland
kamen sie erst später auf, ohne die gleiche Verbreitung wie im Orient
zu finden. Die Synode von Riez im Jahre 439 ließ dem abgesetzten
Bischof von Embrun den Rang eines Chorbischofs. Die Befugnisse der
Chorbischöfe übertrug man im Orient häufig den Periodeuten -
Visitatoren, Circuitoren -, die als spezielle Kommissare entsandt
wurden. Dazu begann man für die Landgemeinden eigene Pfarrpriester
aufzustellen, die größere Vorrechte als die Priester in der
Bischofsstadt erhielten. Sie durften im einzelnen regelmäßig die Taufe
und die anderen Sakramente spenden. Ihre Kirchen (Pfarrkirchen)
erhielten eigenes Einkommen und bekundeten ihre Abhängigkeit von der
bischöflichen Kirche lediglich durch den Verweis an den Bischof für
einzelne Funktionen und durch bestimmte kleine Abgaben. Diese
Landkirchen mit eigenem Pfarrgebiet entwickelten sich im Orient seit
dem 4. Jahrhundert. Im Abendland wurden sie erst mit dem 5. bzw. 6.
Jahrhundert zahlreicher.
DIE PATRIARCHEN UND METROPOLITEN
Drei größere M e t r o p o l i t e n - später P a t r i a r c h e n
genannt, nahmen zur Zeit des nizänischen Konzils die ersten Stellen in
der Hierarchie ein, die von Rom, Alexandrien und Antiochien, deren
höhere Autorität nicht auf die Bedeutung ihrer Städte, sondern auf den
Apostel Petrus zurückgeführt wurde. Während das gesamte Abendland
seinen Patriarchen im römischen Bischof verehrte, hatte der Orient
mehrere hervorragende Metropoliten. Der Patriarch von Alexandrien, der
erste im Orient, regierte die Kirche von Ägypten, Tebais und Lybien. Er
konsekrierte hier alle Bischöfe, und diese blieben in allem von ihm
abhängig. Im 4. Jahrhundert befestigte sich die leitende Stellung des
alexandrinischen Patriarchen bedeutend, und sie wurde in seinem
Patriarchtssprengel auch später nicht erschüttert. Doch gegen die
Ansprüche der Patriarchen von Vgypten, in der orientalischen Kirche die
erste Stelle einzunehmen, richtete sich bald der Anspruch der Bischöfe
von Konstantinopel, der noch durch die kaiserliche Macht unterstützt
wurde. Dies führte bei verschiedenen Anlässen zu schweren
Streitigkeiten zwischen den Bischöfen und den beiden betroffenen
Städten.
Der Sprengel von Antiochien umfaßte noch mehr Provinzen: Zilizien,
Isaurien, Syrien, Phönizien, Arabien, Mesopotamien und Osrhoene, früher
vielleicht auch Zypern, welches sich jedoch während der arianischen
Wirren davon getrennt haben soll und im Jahre 431 zu Ephesus diese
frühere Abhängigkeit ausdrücklich bestritt. In diesem Sprengel
konsekrierte der Patriarch nur die Metropoliten, diese dann wiederum
die einzelnen Bischöfe. Erst im 5. Jahrhundert suchte Johannes von
Antiochien die Weihe der einzelnen Suffraganbischöfe an sich zu
bringen, was Theodoret als Verletzung der Rechte der Metropoliten
beklagte. Die Patriarchate von Alexandrien und Antiochien entsprachen
den beiden politischen Diözesen der Präfektur des Orients: Asia, Pontus
und Thrazien. Eine Obermetropolitangewalt der Bischöfe von Ephesus,
Cäsarea und Kappadozien und Heraklea ähnlich der der Patriarchen von
Alexandrien und Antiochien entwickelte sich nicht. Wohl werden die
Bischöfe dieser Städte bisweilen Exarchen genannt, und sie übten auch
gelegentlich eine höhere kirchliche Gewalt aus bei der Weihe von
Metropoliten und bei der Einberufung von Synoden, allein zu einer
ständigen Patriarchalgewalt gelangten sie nicht. Seit Ausgang des 4.
Jahrhunderts entwickelte sich vielmehr in dieser Hinsicht die Stellung
des Bischofs von Konstantinopel.
In Palästina war der Bischof von Cäsarea Stratonis Metropolit. Da aber
inzwischen Jerusalem prachtvolle Kirchen erhalten hatte und den Ruhm
der ältesten Mutterkirche besaß, so erhielt es zu Nicäa (can. 7) einen
Ehrenvorzug, jedoch "unbeschadet der Rechte des Metropoliten" von
Cäsarea. Im Anschluß daran suchten die dortigen Bischöfe ihre Macht und
ihr Ansehen zu erhöhen. Aber noch mehr trat dieses Bestreben bei den
Bischöfen der Kaiserstadt Konstantinopel hervor. Sie waren ursprünglich
Suffragane des Stuhles von Heraklea, lockerten aber während der
arianischen Kämpfe diesen Verbund immer mehr und suchten sich das
Übergewicht über die Metropole zu verschaffen. Begünstigt vom Kaiserhof
konnten sie bald noch größere Macht als greifbar nahe empfinden. So kam
es zum dritten Kanon der allgemeinen Synode von Konstantinopel im Jahre
381, der zwar dem Bischof der Reichshauptstadt noch keine höhere
Jurisdiktionsgewalt zuerkannte und die Bischöfe der Reichsdiözesen von
Pontus, Ephesus und Thrazien in ihren Rechten beließ, der aber
Konstantinopel einen Ehrenvorrang unmittelbar nach dem Bischofssitz von
Rom zusprach, weil Konstantinopel ja inzwischen das "neue Rom" geworden
sei. Stillschweigend wurde die Abhängigkeit von der Metropole Heraklea
abgeschafft, die Leitung des thrazischen Sprengeis in die Hauptstadt
verlegt, womit sich langsam eine Machterweiterung - analog zu der des
römischen Papstes - anbahnte und,wodurch allmählich der traditionelle
Ehrenvorrang von Alexandrien Antiochien vernichtet. Antiochien fühlte
sich unfähig, sich diesen Ansprüchen seitens Konstantinopels zu
widersetzen, doch Alexandrien erkannte die Neuregelung nicht an. Auch
Rom hielt an der alten Regelung fest und ließ nur die dogmatischen
Beschlüsse jenes Konzils gelten. Es verwarf ausdrücklich die kirchlich
nicht berechtigte Rangerhöhung des byzantinischen Bischofs. Vorerst
konnte sich die Neuerung nur Geltung im Orient verschaffen. Da viele
orientalische Bischöfe ihrer Anliegen wegen - oder aus persönlichem
Ehrgeiz - teilweise längere Zeit in Byzanz verweilten, bildete sich um
den Bischof der Kaiserstadt eine stehende Synode, die Endemusa, der oft
vom Kaiser die Schlichtung von Streitigkeiten unter den Bischöfen
übertragen wurde und auf der selbstverständlich der Ortsbischof den
Vorsitz führte. Schon Bischof Nektarius (Bischof von 381-397) hielt
eine solche von vielen Bischöfen besuchte Synode dieser Art im Jahre
394 ab, um den Streit der arabischen Bischöfe Gebadius und Agapius über
den Stuhl von Borsa zu entscheiden. Sein Nachfolger, Johannes
Chrysostomus, ordnete, von den dortigen Bischöfen eingeladen, öfters
kirchliche Angelegenheiten der Reichsdiözese Asia, was nachher den
Klerus der Kaiserstadt zu der Behauptung verleitete, ihr Bischof habe
auf die Leitung der Provinzen ein altes Recht. Bischof Attikus
(4o6-425) suchte diese Machtstellung zu festigen und erwirkte von
Theodosius II. ein Gesetz, wonach in den drei Reichsdiözesen Pontus,
Asia und Thrazien kein Bischof mehr gewählt werden sollte ohne
Genehmigung der Synode von Konstantinopel. Dieses versuchte schon sein
Nachfolger Sininius (426-427) anzuwenden. Doch dagegen erhob sich
Widerstand. Dieser mußte jedoch im Laufe der Zeit immer schwächer
geworden sein, da die Bischöfe jener Reichsdiözesen - an Mitteln ärmer
als der vom Kaiserhof unterstützte Bischof der Reichshauptstadt - jenem
in Konstantinopel machtmäßig nicht mehr gewachsen waren und sich mit
der Zeit daran gewöhnten, eine stehende Synode zu besuchen. So
entwickelte sich immer mehr in der Vorstellung - und in der Praxis -
des Orients die Idee einer Einteilung der Gesamtkirche in fünf
Patriarchate:
- Rom (für das Abendland),
- Jerusalem,
- Antiochien,
- Alexandrien,
- Konstantinopel (mit der autokephalen Provinz Zypern).
Im Orient hatte sich vor dem Konzil von Nicäa eine gewisse Obergewalt
des Bischofs der Hauptstadt, also des Metropoliten in den einzelnen
Provinzen, über die anderen in der Provinz residierenden Bischöfe
herausgebildet. Die Einteilung in die einzelnen Metropolitansprengel
hatte sich an die politische Gliederung der Provinzen angelehnt. Das
nicäische Konzil ging von dieser Sachlage aus, um Vorschriften über die
Konsekration der Bischöfe und über das kirchliche Gerichtswesen zu
treffen. Es schuf somit nicht erst die kirchlichen Provinzen, sondern
es fand sie bereits vor. Spätere Synoden kamen diesem Bestreben, die
Einteilung in Patriarchate und Metropolitansprengel an die politische
Gliederung des byzantinischen Reiches anzugleichen, sehr entgegen. Da
aber in der Folge die politischen Grenzen der Provinzen öfters
verschoben wurden, entstanden vielfach Streitigkeiten zwischen den bis
dahin anerkannten Metropoliten und den Bischöfen der Hauptstädte neu
geschaffener Provinzen. Als der Kaiser Valens Kappadozien in zwei
Provinzen teilte, hatte der hl. Basilius von Cäsarea mehrfache Kämpfe
mit dem Bischof von Tyana, der Hauptstadt dieser gleichnamigen Provinz,
weil er letzterem die kirchliche Oberhoheit über die Bischöfe dieser
Provinz nicht zugestehen wollte. Auf Anfrage des Bischofs Alexander von
Antiochien verwarf auch Papst Innozenz I. im Jahre 415 den Grundsatz,
daß die kirchliche Gliederung der Metropolitansprengel sich stets nach
den Grenzen der politischen Provinzen auszurichten hätte.
Im Abendland war der römische Bischof der einzige Patriarch, daher auch
"Oberhaupt des Okzidents" und "Vorsteher der abendländischen Kirche".
Seine Stellung nahm das nicäische Konzil zum Maßstab für die Gewalt des
Patriarchen von Alexandrien und Antiochien. Natürlich läßt sich in den
Amtshandlungen der Päpste die Unterscheidung zwischen ihrer obersten
Patriarchalgewalt nicht streng durchführen: letztere war durch die
erste gestützt, oft flössen beide zusammen, indem der Bischof von Rom
in den hauptsächlich von Rom aus gegründeten Kirchen des Abendlandes
zugleich als Papst und Patriarch handelte. Gelegentlich wurden von ihm
Stellvertreter mit übertragenen höheren Gewalten mit dem Titel von
apostolischen Vikaren eingesetzt. Dieses römische Patriarchat
erstreckte sich über Italien und die anliegenden Inseln, über Afrika,
Gallien, Spanien, Britannien, Germanien sowie über die Provinzen des
östlichen und westlichen Illyrikum, umfaßte außerdem acht
Zivildiözesenu.drei von den vier Präfekturen der konstantinischen
Einteilung. Die illyrischen Provinzen - Mazedonien, Achaia, Kreta,
Thessalien, Alt- und Neu-Epirus, dann beide Dazien, Mösien, Dardanien,
Prävalitana - waren die äußersten Grenze des westlichen Patriarchats,
das hier auf die östlichen Gebiete stieß. Da Kaiser Gratian im Jahre
379 sie einem Mitkaiser Theodosius abtrat, kamen sie zum
morgenländischen Reich, und seitdem suchten die Bischöfe von Byzanz
hier Einfluß zu gewinnen, um sie sich auch kirchlich zu unterwerfen. Um
bei der politischen Veränderung die Gerechtsame des römischen Bischofs
besser zu wahren, bestellte Papst Damasus den Bischof der Hauptstadt
Thessalonich, Ascholius (gestor, ca. 383) als seinen Vikar für
Illyrikum, ebenso Siricius und dessen Nachfolger Anysius. Athanasius I.
gab dem Erzbischof von Thessalonich als apostolischem Vikar das Recht,
die dortigen Angelegenheiten in seinem Namen zu untersuchen und zu
entscheiden. Innozenz I. bestätigte im Jahre 402 die von seinem
Vorgänger verliehenen Privilegien, zu denen auch das Recht gehörte, daß
die Bischöfe dieses Sprengeis nur von ihm oder in seinem Auftrag
geweiht werden dürften. Er bestätigte 412 Rufus von Thessalonich
abermals in diesen Vorrechten, die auch Bonifaz I. 419 erneuerte.
Die Metropolitanverfassung war im 4. Jahrhundert im Abendlande nur in
Afrika durchgängig organisiert, und auch da nicht in der gleichen
Perfektion wie im Orient. In den Provinzen von Nordafrika versahen bis
gegen das Ende des 6. Jahrhunderts die der Weihe nach ältesten Bischöfe
(Senioren) und "Bischöfe des ersten Stuhles", sog. Primaten, die Stelle
der Metropoliten. Der Primas hatte oft seinen Sitz auf einem
unbedeutenden Dorf oder einem Landgut. Diese Primaten bestätigten die
Provinzialbischöfe, beriefen Synoden und nahmen Appelationen der
Geistlichen an. Im prokonsolarischen Afrika war der Erzbischof von
Karthago Primas. Er hatte aber auch die Oberhoheit über alle anderen
afrikanischen Provinzen, um sie zu Plenarsynoden zusammenzurufen; er
bestätigte die Primaten, nahm Berufungen gegen ihre Entscheidungen
entgegen, erließ allgemeine Vorschriften für die einzelnen Bischöfe und
visitierte die Provinzen. Doch entwickelte sich seine Stellung nicht in
gleicher Weise wie bei den orientalischen Patriarchen. Der Einfluß Roms
machte sich bei verschiedenen Anlässen geltend, und in wichtigen Fragen
entwickelte sich ein reger Gedankenaustausch mit dem Römischen Stuhl.
Um das Jahr 313 kamen die Bischöfe Eunomius und Olympius, von Rom
gesandt, nach Karthago, um die Rechtmäßigkeit des Cäcilius bekannt zu
geben: die Synode zu Cella nahm 418 ihre Kanones aus den Dekreten des
Papstes Siricius von 386. Leo der Große gab mit voller Autorität
Vorschriften für die Weiheriten und entschied in den Angelegenheiten
mehrere afrikanischer Bischöfe.
In Italien waren die Päpste anfangs die einzigen Metropoliten gewesen.
Auf den römischen Synoden finden wir hauptsächlich die Bischöfe von
Mittel- und Süditalien, aber auch Vertreter des Episkopates aus
Norditalien. Hier entwickelte sich im 4. Jahrhundert Mailand zur
Metropole einer Kirchenprovinz. Zum Metropolitansprengel des Mailänder
Bischofs gehörte Norditalien (Italia annonaria) und Rhaetia I mit dem
Bischofssitz Chur. Zu Anfang des 5. Jahrhunderts bildete sich dann der
Metropolitansitz Aquileia, der bedeutendsten Stadt des nordöstlichen
Teiles von Italien. Zu dieser Kirchenprovinz gehörte Rhaetia II (mit
den Sitzen Augsburg, Noricum, Savia Pannonia I). Bald danach nahmen
auch die Bischöfe von Ravenna und Salona (Spalato in Dalmatien) den
Rang von Metropoliten ein.
In Gallien und Spanien entwickelte sich die Metropolitanverfassung
gegen Ende des 4. Jahrhunderts bzw. zu Anfang des 5. Jahrhunderts im
Anschluß an die Bestimmungen, die im Orient über die Stellung der
Metropoliten getroffen worden waren. Allerdings wurden hier Synoden
häufiger abgehalten. Für Sägallien bestellte 417 Papst Zozimus den
Bischof Patroklus von Arles als päpstlichen Vikar und unterstellte ihm
die Provinz Vienne und die beiden von Narbonne. Allein die Einrichtung
der Provinzen war anfänglich vielfachen Wechseln unterworfen und konnte
erst im Laufe der Zeit stabilisiert werden. Die Wirren der
Völkerwanderung behinderten vielfach die Entwicklung einer geordneten
kirchlichen Provinzialverwaltung bzw. -einteilung.
DER RÖMISCHE PRIMAT
Die zentrale Stellung der r ö m i s c h e n K i r c h e und
ihrer Bischöfe, die während der vor-konstantinischen Epoche schon in
klaren Konturen hervorgetreten war, begann sich nun auch in der
kirchlichen Gesetzgebung und in der Normierung der kirchlichen
Verfassung abzuzeichnen. Abgesehen von dem tatsächlichen autoritativen
Eingreifen der Päpste in wichtigen religiösen bzw. theologischen
Fragen, besonders im arianischen Streit, gegenüber den Bischöfen der
verschiedensten Rangstufen wie gegenüber Synoden in allen Teilen der
Kirche, wurde auch vom Konzil von Sardika in den Jahren 343/344 durch
einen eigenen Kanon (can.3) der Römische Stuhl als Appellationsinstanz
für die durch eine Synode verurteilten Bischöfe erklärt. Hervorzuheben
ist die von den Konzilsvätern beigefügte Begründung: "Um den hl. Petrus
zu ehren, soll von den Bischöfen, die die Angelegenheit untersucht
haben, an den römischen Bischof Julius geschrieben werden, und wenn
dieser entscheidet, daß das Urteil aufs neue gefällt werde, so soll
dieses erneuert werden, und er bestellt die Richter."
Bei dem großen Ansehen, welches das Konzil von Sardika genoß, wurde
diese in den arianischen Wirren getroffene Anordnung später allgemeines
Kirchengesetz, umsomehr, als sie bloß die kanonische Formulierung eines
bereits tatsächlich gehandhabten Vorrechtes des Römischen Stuhles war.
Dies geht aus einem Brief hervor, den Papst Julius I. an die arianische
Partei auf der Synode von Antiochien schrieb, daß nämlich, selbst wenn
die angeklagten Bischöfe schuldig waren, vor der Absetzung nach alter
Gewohnheit zuerst an den römischen Bischof geschrieben werden mußte,
damit von dort - der Gerechtigkeit gemäß - entschieden werde.
Was die Stellung der Päpste zu den Synoden überhaupt betrifft, so war
zwar nach der damaligen Entwicklung des kirchlichen Rechtes die
Berufung eines allgemeinen Konzils durch den Papst nicht eigens
erforderlich, ebenso wenig war die ausdrückliche Bestätigung der
Konzilsbeschlüsse durch ihn nötig, um der Synode Rechtskraft zu
verleihen. Allein das war in der Auffassung der Kirche jener Zeit fest
verankert, daß ohne Beteiligung des römischen Bischofs in irgend einer
Form ein allgemeines Konzil gar nicht einberufen werden könne. Zur
Leitung der allgemeinen Kirche in rechtskräftiger Form sei die
Mitwirkung des Römischen Stuhles unerläßlich, während das Fehlen eines
anderen Bischofs bzw. sein Mitwirken auf die Beschlüsse keinen Einfluß
hätte.
Die Autorität der Päpste wurde von DamasusLin dem sog. Gelasianischen
Dekret (1. Teil: "Über die Bücher der Heiligen Schrift") nicht durch
Beschlüsse von Synoden, sondern durch das Wort Christi gestützt: "Die
ganze über den Erdkreis verbreitete katholische Kirche ist ein einziges
Brautgemach Christi. Aber die Kirche von Rom ist den anderen Kirchen
übergeordnet, und zwar nicht durch Beschlüsse von Konzilien, sondern
durch das Wort unseres Herrn und Heilandes im Evangelium, der ihr den
Primat verliehen hat, indem er sprach: 'Du bist Petrus, und auf diesen
Felsen will ich meine Kirche bauen.' Dieser Stellung entsprechend gab
Papst Siricius Entscheidungen in kirchlichen Fragen für die spanische
Kirche, die mit bindender Kraft als kanonische Aussprüche (Dekretalien)
erteilt wurden. Ferner sandte der gleiche Papst die Beschlüsse seiner
römischen Synode an die Kirchen von Nord-Afrika mit der Anweisung, sich
danach zu richten. Der römische Primat fand immer klarere Ausprägung in
der kirchlichen Verfassung."
DIE SYNODEN
Die dogmatischen Kämpfe des 4. Jahrhunderts veranlaßten die häufige
Einberufung von Synoden, die teils allgemeinen, teils lokalen Charakter
hatten. Durch das häufige Zusammentreten derselben und durch eigene
Bestimmungen auf diesen bildete sich das Synodenrecht weiter aus. Das
Institut dieser Bischofsversammlungen erhielt eine große Bedeutung und
wurde das wichtigste Organ für die kirchliche Gesetzgebung. Die schon
früher in manchen Gegenden üblichen regelmäßigen Synoden der Bischöfe
einer Provinz oder auch eines größeren Gebietes blieben bestehen und
wurden allgemein vorgeschrieben. So verordnete das Konzil von Nicäa
(can.5), daß die Provinzialsynode jährlich zweimal stattfinden sollte,
zur Untersuchung der Angelegenheiten der von der Kirche
Ausgeschlossenen. Diese Verordnung wurde auf der Synode von Antiochien
(341) wiederholt und hatte gerade im Orient Geltung.
In Rom fanden regelmäßige Synoden unter dem Vorsitz des Papstes für die
italienischen Bischöfe statt. Die afrikanischen Provinzen hidten
Plenarsynoden sämtlicher Bischöfe dieser Gebiete unter dem Vorsitz des
Bischofs von Karthago ab. Nach einem Beschluß de.s Konzils von Hippo im
Jahre 393 (can.5) sollten sie jährlich abgehalten werden, doch wurde
diese Bestimmung vom Konzil von Karthago 407 (can.l) dahingehend
geändert, daß nur dann, wenn ein echtes Bedürfnis für ganz Afrika
vorläge, eine solche Plenarsynode an einem passenden Orte abgehalten
werden sollte. Die alljährliche Zusammenkunft war vielen Bischöfen zu
beschwerlich gewesen. Allein zur Erledigung wichtiger und schwieriger
Fragen wurden seit dem Anfang des 4. Jahrhunderts auch außerordentliche
Bischofsversammlungen abgehalten. So veranlaßte Kaiser Konstantin zur
Beilegung der donatistischen Wirren die in Rom unter Papst Miltiades
abgehaltene Synode italienischer und gallischer Bischöfe im Jahre 313
sowie die im folgenden Jahr in Arles stattfindende Versammlung.
Letztere wurde von Augustinus als "plenarium ecclesiae universae
concilium" bezeichnet, in der Tat war sie jedoch nur eine
abendländische Synode, die nie die Autorität eines allgemeinen Konzils
erhielt.
Auch die nach der großen Verfolgung abgehaltene Synode von Ankyra
vereinigte Bischöfe mehrerer Provinzen Kleinasiens und Syriens, so daß
sie als ein General-Konzil, der klein-asiatischen und syrischen Kirche
bezeichnet wurde. Zur Beilegung des arianischen Streites berief Kaiser
Konstantin im Einverständnis mit Papst Sylvester I. das allgemeine
Konzil von Nicäa im Jahre 325 ein, auf dem Bischof Hosius von Cordoba
mit dem Legaten des Papstes den Vorsitz führte. Die Autorität dieses
ersten allgemeinen Konzils war in der gesamten Kirche eine sehr große.
Es war die feierlichste Vußerung des kirchlichen Lehr- und Hirtenamtes.
In den arianischen Wirren wurden dann noch zahlreiche Synoden
einberufen und abgehalten, von denen die von Sardika im Jahre 343 als
allgemeine berufen worden war, tatsächlich aber diesen Charakter nie
zugesprochen bekam.
Das Konzil von Konstantinopel im
Jahre 381, das später das Ansehen eines allgemeinen Konzils erhielt,
war eigentlich nur eine General-Synode der orientalichen
Kirchensprengel und wurde vom Kaiser Theodosius einberufen.
Die christologischen Lehrstreitigkeiten des 5. Jahrhunderts veranlaßten
dann die Einberufung der beiden allgemeinen Konzilien von Ephesus im
Jahre 431 und von Chalcedon im Jahre 451. Da erscheint das Institut der
Synode im Hinblick auf den Sieg des Christentums im Römerreich als
eines der wichtigsten Organe im kirchlichen Leben, und es nahm in
seinen verschiedenen Formen und Ausprägungen festere und allgemein
geltendere Bestimmungen an.
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