DER HEILIGE JOHN FISHER,
BISCHOF UND MÄRTYRER
von
Eugen Golla
Das im nördlichen England gelegene Yorkshire, eine Landschaft, deren
Bewohner lange der Reformation Widerstand leisteten,ist die Heimat
dieses Heiligen, der in der Stadt Beverley etwa um 1459 - nach anderen
erst um 1469 - geboren wurde. Nach dem Studium in Cambridge 1494 zum
Priester geweiht, hatte er die folgenden Jahre einen Lehrstuhl inne.
Richtunggebend für sein weiteres Leben war aber seine Berufung zum
Beichtvater der verwitweten Mutter des Königs Heinrich VII., der Gräfin
von Richmond, Margaretha Beaufort. Von dem großen Einfluß, den er auf
diese hochstehende Dame ausübte, machte er einen trefflichen Gebrauch:
so stiftete Margaretha auf seinen Vorschlag hin zwei Kollegien, das
Christ's- und Saint John's College, die nicht nur großzügig dotiert
wurden, sondern auch - mit vortrefflichen Lehrern besetzt -
Jahrhunderte hindurch berühmt blieben.
Ein besonderer Glücksfall für Fisher war es, daß auch der König ihn
hochschätzte und sich von ihm beraten ließ, so daß er bereits 15o4 zum
Bischof von Rochester, einer Stadt südöstlich von London, ernannt
wurde. Dadurch ging Fishers Lieblingswunsch, als Seelenhirt tätig sein
zu dürfen, endlich in Erfüllung. Im Gegensatz zu manchen Kirchenfürsten
seiner Zeit vermiet er alle unnötigen Ehrungen und kämpfte gegen alle
in seiner Diözese auftretenden Mißstände. In seinem Palais herrschte
die Athmosphäre eines Klosters, seine Bediensteten mußten sittsam und
fleißig sein, er verrichtete das tägliche Offizium mit großer Andacht,
alles Wort für Wort deutlich aussprechend, und sorgte sich persönlich
um die Hilfsbedürftigen in seiner Diözese. Dabei schreckte er nicht
davor zurück, in die verrauchten Hütten der Allerärmsten einzutreten,
die nicht einmal einen Ofen besaßen, und dort stundenlang zu verweilen.
Im Jahre 15o9 starb Heinrich VII. und es folgte ihm sein Sohn Heinrich
VIII. auf den Thron, den seine Großmutter auf ihrem Sterbebett der
Obhut des Bischofs von Rochester besonders empfohlen hatte. Eine Reihe
von Jahren herrschte zwischen diesem und dem jungen Herrscher das beste
Einvernehmen, er wurde wie ein Vater geehrt. Darüberhinaus wuchs
inzwischen des Bischofs Ansehen als Gelehrter infolge seiner
freundschaftlichen Verbindung zu Erasmus von Rotterdam, der auf seine
Initiative eine Zeitlang in Cambridge den Lehrstuhl für Griechisch
innehatte und von ihm sagte: "Kein Mann ist gelehrter, kein Prälat
heiliger." Auf den Einfluß des weltberühmten Humanisten ist es auch
zurückzuführen, daß Bischof Fisher, der - wie zu Ende des 15.
Jahrhunderts noch allgemein üblich - nur Latinist war, sich im Alter
von etwa 5o Jahren entschloß, Griechisch und Hebräisch zu lernen, um
die Heilige Schrift im Urtext lesen zu können.
Das Auftreten Luthers veranlaßte ihn zu Kontroversschriften. Unter
anderem verteidigte er die katholische Lehre über die Eucharistie in
einer Schrift gegen den schweizer Reformator Ökolampadius. Auch
unterstützte er Heinrich VIII., der damals noch ein eifriger
Verteidiger des katholischen Glaubens war und deswegen vom Papst den
Ehrentitel "Defensor Fidei" ("Verteidiger des Glaubens") erhalten
hatte, bei der Abfassung von dessen Schriften gegen Luther. Jedenfalls
muß man annehmen, daß das im besonderen Maß zutrifft bei dessen Schrift
"De septem sacramentis".
Fisher war aber auch nicht der Mann, der vor den Ärgernissen, die der
Römische Hof damals gab, seine Augen verschlossen hätte, schrieb er
doch in einer seiner Schriften gegen Luther: "Ich will, daß die
römischen Päpste die Sitten an ihrem Hof reformieren, indem sie
Ehrgeiz, Habsucht und Luxus verjagen. Dies ist das einzige Mittel,
denen Schweigen aufzuerlegen, die wie ihr, sie mit Schande bedecken.
(...) Man muß wirklich befürchten, daß im Falle des Zögerns die
göttliche Rache schnell kommen wird." Ehrenvoll ist folgende
Beurteilung Fishers polemischer Schriften von protestantischer Seite:
"(Fisher) griff auch (gegen Ökolampad) in die deutsch-reformatorischen
Lehrkämpfe ein, in der Form maßvoll und elegant, aber den römischen
Standpunkt in unentwegter Festigkeit vertretend." (Vgl.
"Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche" Bd. 6,
S.81.)Nach menschlichem Ermessen hatte es vorerst den Anschein, als
werde Bischof Fisher zwar ein Leben voller Arbeit und Mühen, aber auch
reich an Ehrungen und Anerkennungen zuteil. Aber der Herr wollte es
anders: er wollte seinen treuen Diener auf die höchste Stufe der
Heiligkeit führen, indem er zugleich zeigte, wie hinfällig Menschen-
und insbesondere Fürstengunst ist.
Um 1525 erweckte Anne Boleyn, eine Hofdame der Königin Katharina,
Heinrichs Leidenschaft, die umsomehr entfacht wurde, als sie ihm nur um
den Preis, Königin zu werden, das Erreichen seines Verlangens in
Aussicht stellte. Er bemühte sich daher, seine seit achtzehn Jahren
bestehende Ehe für ungültig erklären zu lassen. Heinrich hatte die
spanische Prinzessin Katharina von Aragon als Witwe seines verstorbenen
Bruders geheiratet. Die Verschwägerung ersten Grades hätte als
Ehehindernis auch mit päpstlicher Dispens nicht aufgehoben werden
können, so die Argumentation des Königs. Alles hing nun davon ab, von
Theologen und Rechtsgelehrten in diesem Sinne günstige Gutachten zu
erhalten. Zu den Bischöfen, welche für die unbedingte Gültigkeit von
Heinrichs Ehe plädierten, gehörte auch Bischof Fisher, der zugleich
auch Beichtvater der Königin war. Dagegen verstand es der ränkesüchtige
und skrupellose Lordkanzler Kardinal Wolsey, Erzbischof von York, bei
seinem Herrn Hoffnung auf eine günstige Lösung zu wecken und Rom
gleichzeitig zu täuschen. Als aber ein päpstlicher Legat nach London
kam, um über die Nichtigkeit ein Urteil zu fällen, erklärte Bischof
Fisher als Beirat der Königin in aller Offenheit vor dem König und der
königlichen Kommission, daß die Ehe nach zwanzigjährigem Zusammenleben
durch keine göttliche oder menschliche Macht mehr geschieden werden
könne.
Damit war der Moment gekommen, in welchem Heinrich sämtliche Gefühle
der Verehrung und Freundschaft für Bischof Fisher der Vergessenheit
anheimfallen ließ. Sein Sinnen und Trachten zielte von da an darauf ab,
Fisher als Verteidiger der Rechte der Königin Katharina zu demütigen
und ihm nach Möglichkeit eine Falle zu stellen. Dies gelang ihm, indem
er den mutigen Kirchenfürsten in den Prozeß um die "Nonne von Kent"
verwickelte. Elizabeth Barton, die Nonne von Kent, war ursprünglich
eine Magd im Hause des Verwalters des Erzbischofs von Canterbury.
Während einer Krankheit verfiel sie in religiöse Ekstasen und
Prophezeiungen, so daß das "Mädchen, das mit Engeln sprach", schnell
berühmt wurde, zumal eine Diözesan-Kommission den göttlichen Ursprung
ihres Zustandes bestätigte. Im Verlauf des Ehe-Nichtigkeits-Prozesses,
den der König angestrengt hatte, verkündete Elizabeth Barton, die
inzwischen Nonne geworden war, daß der König, falls er seine
rechtmäßige Gattin verstoßen und Anne Boleyn heiraten würde, des
Thrones verlustig ginge und binnen sieben Monaten sterben würde.
Nachdem dennoch Heinrich seine Frau verstoßen und der neue Erzbischof
von Canterbury, Thomas Cranmer, ein unwürdiger Priester und Günstling
des Königs und seiner Geliebten, in einer Ehegerichtskomödie die volle
Nichtigkeit der Ehe behauptet und die angebliche Ehe mit der Geliebten
für gültig erklärt hatte, wurde Bischof Fisher zu Beginn des Jahres
1534 angeklagt, ein Komplize Elizabeth Bartons gewesen zu sein, der dem
König deren Offenbarungen absichtlich verschwiegen hätte. Bischof
Fisher wies in seiner Verteidigung darauf hin, daß er die Nonne nach
glaubwürdigen Zeugnissen für fromm und tugendhaft halte. Auch sei ihre
Prophezeiung von Gottesstrafen kein Akt des Verrats, zumal sie ihm
versichert habe, den König von dem Inhalt ihrer Offenbarungen in
Kenntnis gesetzt zu haben.
Dennoch wurde er zur Zahlung einer Strafsumme von 300 Pfund Sterling
verurteilt. Aber dies sollte erst der Auftakt der Verfolgung sein, denn
schon einige Monate später wurde er gezwungen, als Verdächtiger die
neue Sukzessionsakte vor dem königlichen Rate zu beschwören, gemäß
welcher die aus der rechtmäßigen Ehe stammende Prinzessin Maria
zugunsten der aus der Ehe (bzw. 'Ehe') mit Anne Boleyn stammenden
Nachkommen der Thronfolge für verlustig erklärt wurde. Er war bereit,
hierauf den Eid zu leisten, da es sich um eine weltliche Angelegenheit
handelte, für die das Parlament zuständig wäre. Da aber diese zu
beschwörende Akte zugleich die Scheidung als legal und die päpstliche
Autorität für annuliert erklären würde, verweigerte er den Eid. Nach
einigen Tagen Bedenkzeit beharrte er bei diesem Entschluß, worauf er in
den Tower eingekerkert wurde. In dieser Zeit wurde auch die "Nonne von
Kent" hingerichtet, nachdem sie öffentlich ihre Schuld und ihren
Hochmut bekannt hatte. Es scheint sicher zu sein, daß sie für religiöse
und politische Zwecke ausgenutzt worden ist.
Fisher, dessen Besitz beschlagnahmt und dessen Bücher verstreut wurden,
litt im Gefängnis bitterste Not. Auch fand niemals eine ordnungsgemäße
richterliche Untersuchung statt. Es war auch im Kerker, wo er für seine
Halbschwester, eine Dominikanerin, seine letzten Werke, die
"geistlichen Tröstungen" sowie die "Wege für eine vollkommene Religion"
verfaßte.
Ende 1534 wurde ein neues Gesetz gegen Verrat verabschiedet, welches
diejenigen bestrafte, welche boshafterweise dem König den Titel eines
Oberhauptes der Kirche verweigerten. Der Kronrat besuchte Fisher, um
ihm eine Falle zu stellen, indem er vorgab, der König wünsche seine
Meinung über dieses Gesetz als Gewissensfrage, so daß die Antwort, wie
auch immer sie ausfallen würde, nicht gegen ihn verwandt werden könne.
Als Priester konnte Fisher die Antwort nicht verweigern, die
selbstverständlich nicht anders lauten konnte, als daß König Heinrich
nicht durch göttliches Gesetz Oberhaupt der Kirche sein konnte. Im
Konsistorium vom 22.5.1535 ernannte Papst Paul III. Bischof Fisher zum
Kardinal. Es ist kontrovers, ob der Papst ihn deshalb in den obersten
Senat der Kirche aufnahm, weil er hoffte, daß dies den König daran
hindern könne, den mutigen Bischof zum Tode zu verurteilen, oder ob
gerade die Verleihung dieser Würde das tragische Ende beschleunigte.
Jedenfalls ist aber ein auf Heinrichs Mentalität passender Ausspruch
überliefert: "Mag Paul ihm den Hut schicken. Ich werde dafür sorgen,
daß er keinen Kopf mehr haben wird, um ihn aufzusetzen."
Am 17.6.1535 wurde Bischof Fisher nochmals vor das Gericht zitiert. Er
gestand, zum Kronanwalt die oben angeführte Behauptung gemacht zu
haben. Gleichzeitig berief er sich aber darauf, daß er diese unter
bevorrechteten Umständen und ohne Böswilligkeit ausgesprochen habe.
Doch es war vergebens: wegen angeblichem Hochverrat wurde er zum Tode
verurteilt. Am 22. Juni 1535 wurde der Bekennerbischof - zum Skelett
abgemagert und in Lumpen gehüllt - zum Richtplatz geführt. Den Stab,
auf den er sich zu stützen pflegte, ließ er zurück mit den Worten: "Ihr
Beine, tut eure Schuldigkeit, der Weg ist kurz." An der Stätte der
Exekution angelangt, richtete er folgende Worte an das Volk: "Ich kam
hierher, um für den Glauben an Christus und die katholische Kirche zu
sterben." Nachdem er das "Te Deum" sowie den Psalm LXX "In Te, Domini,
speravi" ("Auf Dich, Herr, habe ich vertraut") angestimmt hatte, legte
er sein Haupt auf den Block. Wie Johannes der Täufer brachte er sein
Leben zum Opfer für die Verteidigung der Unauflöslichkeit der Ehe dar.
Heinrichs VIII. Haß war durch die Hinrichtung noch nicht gesättigt. Er
befahl, daß der auf dem Schafott liegende Leichnam dem Volke zur Schau
gestellt und sein Haupt auf der London Bridge an einer Pike aufgesteckt
werde. Danach sollte der Leichnam ohne Sarg und Leichentuch auf dem
Friedhof All Hallows in der Nähe des Towers eingescharrt werden. Später
wurden die sterblichen Überreste, die inzwischen von vielen hoch
verehrt wurden, in der Tower Church in der Nähe seines Leidensgenossen,
des hl. Thomas Morus, beigesetzt.
Trotz aller Bewunderung und Verehrung für den Glaubenshelden geriet
König Franz I. von Frankreich über die Nachricht von der Hinrichtung
Bischof Fishers in Wut: es fand sich keine Stimme in England, die es
wagte, trotz des offenkundig willkürlichen Verfahrens gegen dieses
ungerechte und grausame Urteil Klage zu erheben. Die Seligsprechung
erfolgte durch Leo XIII. am 2o.12.1886. Unter die Heiligen wurde er von
Pius XI. zusammen mit Thomas Morus, der nur wenige Tage nach Bischof
Fisher hingerichtet worden war, am 19. Mai 1935 aufgenommen.
Benützte Literatur:
Pastor, Ludwig von: "Geschichte der Päpste" Bd. IV/2.
"Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste" Leipzig 1846; Artikel: Fisher.
"New Catholic Encyclopedia"; Artikel: John Fisher.
"Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche" Leipzig 1899.
"Vie des Saints" Paris 1948, Bd. 6.
Wetzer und Weite: "Kirchenlexikon" Freiburg 1886; Artikel: "John Fisher".
"New Catholic Encyclopedia"; Artikel: "Elizabeth Barton".
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