DIE HEILIGE MONIKA
von
Eugen Golla
Das Heimatland Monikas, der Mutter eines der großen Heiligen der
katholischen Kirche, des Kirchenvaters Augustinus, der ihr nicht nur
sein Leben, sondern auch seine Versöhnung mit Gott verdankte, ist das
damalige Numidien in Nord-Afrika, das heutige Algerien. Sie wurde im
Jahre 332 in Tagaste, einer kleinen Stadt in der Nähe Karthagos
geboren, die damals - zwanzig Jahre nachdem Kaiser Konstantin dem
christlichen Glauben Gleichberechtigung mit den anderen Religionen
gewährt hatte - Sitz eines Bischofs war und mehrere Klöster
beherbergte. Auch ihre Eltern, romanisierte Numidier, waren fromme
Christen. Allerdings führte Monika die gute Erziehung, die ihr zuteil
wurde, hauptsächlich auf eine alte Dienerin zurück, dB wegen ihrer
musterhaten Lebensführung in der Familie großes Ansehen genoß, zumal
sie bereits Monikas Vater, als er noch ein kleines Kind war, betreut
hatte. Zu den wichtigsten Grundsätzen der alten Erzieherin gehörte es,
die bei jedem Kind sich früh regende Begehrlichkeit zu zügeln, und es
auf diese Weise schon von Jugend auf an ein asketisches Leben zu
gewöhnen. Der damaligen Sitte entsprechend ließen die Eltern ihre
Tochter den Wein aus dem Keller holen. Bald gewöhnte sich das Mädchen
daran, ihn nicht nur gelegentlich zu kosten, sondern auch jedesmal
davon zu trinken. Als sie mit der Magd, die sie begleitete, einst in
Streit geriet, nannte diese sie Säuferin. Das genügte, Monika nicht nur
das Häßliche ihres Tuns vor Augen zu führen, sondern den Fehler für
immer abzulegen.
Im Alter von etwa 18 Jahren verheirateten sie ihre Eltern an Patritius,
einen gleichfalls aus Tagaste stammenden minderbemittelten Bürger. Er
war Heide, zwar im Grunde gutmütig, aber jähzornig und untreu. Trotzdem
sah es die junge Frau als ihre Pflicht an, sich zu bemühen, ihren
Gatten zum wahren Glauben zu bekehren und in der von Gott befohlenen
Unterordnung zu leben. Dies verleitete sie aber nicht zu einer
ducknäuserischen Haltung: klug wartete sie, bis der Zorn ihres Mannes
sich gelegt hatte, um ihm dann Rechenschaft über ihre Handlungsweise
abzulegen. Als sich einige Ehefrauen, die Spuren von Mißhandlungen
durch ihre Männer trugen, wunderten, daß dies bei Monika, der Frau des
durch seine Brutalität berüchtigten Patritius nicht der Fall war,
belehrte sie Monika über Art und Weise ihres Handelns.
Auch blieben ihr nicht harte Auseinandersetzungen mit ihrer gleichfalls
heidnischen Schwiegermutter erspart, die sich von ihrer Dienerschaft
gegen sie aufhetzen ließ. Schließlich blieb aber Monka infolge ihrer
Sanftmut und Geduld die Siegerin; ja,ihre Schwiegermutter forderte
ihren Sohn Patritius auf, ihr die Namen der Zuträger mitzuteilen, damit
sie bestraft werden könnten.
Am 13. November 354 gebar Monika ihr erstes Kind, Augustinus. Die auf
uns gekommenen Mitteilungen über dessen Geschwister sind spärlich. Wir
besitzen sichere Nachrichten von Navigius, dessen Leben teilweise mit
dem seines grossen Bruder verknüpft ist, sowie von einer Schwester,
welche, als sie Witwe wurde, ein Kloster leitete. "Mutter des heiligen
Augustinus" - dieser ehrenvolle Titel ist so untrennbar mit der hl.
Monika verbunden, daß eine Lebensbeschreibung Morikas ohne Bezug zu
Augustinus genau so undenkbar wäre, wie eine Biographie des hl.
Augustinus ohne Erwähnung Monikas. Die 33 Jahre, die ihr nach seiner
Geburt noch zu leben vergönnt waren, standen gleichsam in seinem
Dienste, wurden ihm geopfert. Und der Sohn lohnte es seiner Mutter,
indem er ihr ein die Zeiten überdauerndes Denkmal setzte: er wurde ihr
Biograph, ein Biograph, wie ihn nur wenige Heilige erhielten! Es sind
die in seiner einzigartigen, erschütternden Lebensbeichte, den
"Bekenntnissen" verstreuten Nachrichten über sie, die trotz ihrer Kürze
die Mutter als eine bemerkenswerte lebendige Frauengestalt zeichnen.
Schon in frühester Kindheit wurde Augustinus Katechumene. Er, dem seine
Mutter so häufig vom ewigen Leben und der Religion erzählte und der
gerne an dem für die Katechumenen reservierten Gottesdiensten teilnahm,
verlangte nach der Taufe; aber Monika vermied es, ihn taufen zu lassen,
um ihm die sichere Gnade der Sündenvergebung für spätere Zeiten zu
bewahren. Aber noch bei der Abfassung seiner "Bekenntnisse" quälen ihn
Zweifel, ob dies der richtige Weg gewesen war: "Ich bitte dich, mein
Gott, laß mich wissen, wenn es dein Wille ist, daß ich es wisse,
welcher Art die Absicht war, der zufolge meine Taufe damals verschoben
wurde, ob dadurch zu meinem Besten der Sünde Zügel gelockert wurden
oder nicht? Weshalb hören wir auch jetzt noch von dieserund jener
Seite: Laß ihn nur machen, er ist ja noch nicht getauft, und doch sagen
wir zum Wohle des Körpers nicht: der Wunden noch mehr, er ist ja noch
nicht geheilt. Wäre es nicht viel besser gewesen, ich wäre schnell
geheilt worden und man hätte mit mir durch die Meinen und meine eigene
Sorge so verfahren, daß das wiedergewonnene Heil meiner Seele sicher
unter deinem Schutz gewesen wäre, den du mir verliehen hättest? Wohl
wäre es besser gewesen ..."("Die Bekenntnisse", 1. Buch, 11. Kapitel,
2. Absatz)
Der Vater Patritius ließ seinen begabten Sohn mit 16 Jahren seine
Studien, die hauptsächlich der Beredsamkeit gewidmet waren, im nahen
Madaura beginnen. Zu dieser Zeit gewann Monika ihren Mann für Gott: er
ließ sich taufen, starb aber schon kurz danach. Wahrscheinlich nahm sie
danach nicht, wie es üblich war, den Witwenschleier, womit ein ganz
zurückgezogenes Leben verbunden war; vielmehr scheint sie sich
verpflichtet gefühlt zu haben, zum Heile ihres Augustinus weiter in der
Welt zu bleiben. Und es begann ihr Leidensweg: Augustinus bezog die
Universität der Großstadt Karthago, wo seine heißblütige Natur und sein
ausgeprägter Schönheitssinn ihn schnell zu Ausschweifung und Laster
führten. Er lebt in wilder Ehe, hatte einen Sohn, dem er den frommen
Namen Adeodatus (von Gott gegeben) gab. Bald darauf schloß er sich
sogar der dem Christentum der damaligen Zeit so gefährlichen Sekte der
Manichäer an.
Monika betrachtete ihren ältesten Sohn als tot und vergoß über sein
Leben in Sünden mehr Tränen als viele Mütter über den leiblichen Tod
ihres Kindes. In ihrer Verzweiflung wandte sie sich einst an einen
Bischof, in der Hoffnung, er sei imstande, Augustinus zu bekehren. Aber
sie erhielt die Antwort: "Laß ihn tun,
bemühe dich, für ihn zu beten; er wird mittels Bücher die Größe seines
Irrtums erkennen." Und als sie nicht aufhörte zu weinen, fügte er noch
die so berühmt gewordenen Worte hinzu: "Ein Sohn so vieler Tränen kann
unmöglich verloren gehen".
Eines Tages erfuhr Monika, daß Augustinus nach Rom reisen wollte. Sie
begab sich nach Karthago, in der Absicht, ihn dort festzuhalten - oder
wenn dies nicht möglich wäre - ihn auf der Fahrt zu begleiten. Es
gelang ihm, sie dazu zu überreden, in einer nahen, dem hl. Cyprian
geweihten Kapelle zu übernachten. Sie
gönnte sich keinen Schlaf, sondern weinte'und betete ununterbrochen. Im
Morgengrauen ließ Augustinus den Anker lichten - und Monika blieb
zurück. "Und doch, nachdem sie meinen Trug und meine Grausamkeit
verklagt hatte, da wendete sie sich wiederum zur Fürbitte für mich ,
sie ging ihrer gewohnten Lebensweise nach und ich - nach Rom -"
("Bekenntnisse", 5. Buch, 9. Kapitel) Aber schließlich reiste sie ihm
nach. In der Ewigen Stadt mußte sie dann erfahren, daß er seinen
Wohnsitz nach Mailand verlegt hatte, wo er als Lehrer der Beredsamkeit
wirkte und glücklich war, in dem Bichof dieser Stadt, dem hl.
Ambrosius, einen Meister der Rhetorik näher kennen lernen zu können. Er
besuchte daher jeden Sonntag dessen Predigten über die Hl. Schrift und
bald erschien ihm die Wahrheit, die der Bischof verkündete wert,
verteidigt zu werden; so wurde - zunächst unbewußt - in Augustinus das,
was vom Manichäismus in ihm noch vorhanden'war, allmählich zerstört.
Monika empfand Dankbarkeit und Freude, als sie sich überzeugen konnte,
daß ihr Sohn schwankend wurde. Sie eilte mit glühender Begeisterung in
die Kirche, um auch Ambrosius zu hören, in dem sie einen Engel Gottes
sah. Darüber hinaus überlieferte uns Augustinus, wie gewissenhaft seine
Mutter in der Erfüllung der kirchlichen Gebräuche war: Da in Afrika der
Samstag Fasttag war, erkundigte sie sich, ob sie auch in Mailand an die
Fastenordnung Tagastes gebunden sei. Hierauf ließ ihr Ambroius durch
Augustinus sagen: "Folge dem kirchlichen Gebrauch, wo du bist. In Rom
faste wie in Rom, in Mailand faste nicht, wenn man dort nicht fastet."
Augustinus hatte bereits sein 3o. Lebensjahr überschritten, als er, der
bisher nur mit der römischen Geistigkeit näher Vertraute, auf dem Wege
über den Neuplatonismus in die Philosophie Piatons eingeführt wurde. So
lernte er zum ersten Mal in seinem'Leben religiöse Begeisterung,
Verachtung der Leidenschaften und des Begehrens nach Irdischem als
notwendige Bedingung der Näherung an Gott kennen. Darauf griff er mit
einem ganz anderen Verständnis nach den Schriften des hl. Paulus; die
Schwierigkeiten und Widersprüche schienen sich zu lösen. Sein Damaskus
erlebte er aber erst an dem Tage, an dem er in der Nachbarschaft eine
Kindesstimme vernahm, die singend mehrmals wiederholte: "Nimm und
lies!" Er deutete dies als eine Aufforderung Gottes, die Hl. Schrift
zur Hand zu nehmen und dort zu lesen, wo das Buch gerade aufgeschlagen
wurde. Es war dies die Stelle: "Wie am Tage laßt uns ehrbar wandeln;
nicht in Schwelgerei und Trunkenheit, nicht auf Unzuchtslagern und in
Schamlosigkeit, nicht in Streit und Eifersucht!" (Rom 13,13) Welches
Glück für Monika, als sie dies erfahren hatte; ihre Trauer verwandelte
sich in überströmende Freude.
Die Taufe Augustins sowie seines Sohnes erfolgte durch Ambrosius in der
Osternacht des Jahres 387. Bald darauf beschlossen Mutter und Sohn mit
Adeodatus nach Tagaste zurückzukehren, möglicherweise hatte Monika die
Absicht dort klösterliche Gemeinschaften zu gründen. Von Mailand ging
die Reise zunächst nach Rom und von dort nach der Hafenstadt Ostia, wo
sie sich länger aufhielten. "Als aber der Tag nahte, an dem sie aus dem
Leben scheiden sollte, nur dir, nicht uns war er bekannt, da begab es
sich durch dein geheimes Walten, daß wir, die Mutter und ich, allein an
ein Fenster gelehnt standen, das eine Aussicht auf den Garten unseres
Hauses gewährte, dort in Ostia an dem Tiber war es, wo wir in stiller
Zurückgezogenheit nach den Beschwerden einer langwierigen Reise uns zum
Einschiffen vorbereiteten; ein trautes, liebliches Gespräch war es, wir
vergaßen, was dahinten ist, und streckten uns zu dem, was davorne ist,
und forschtenunter uns bei der Wahrheit, die da gegenwärtig ist und die
du bist, nach der zukünftigen Herrlichkeit deiner Heiligen, die kein
Auge geschaut, und kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz
gedrungen ist. Sehnsuchtsvoll öffneten wir unseren Mund, Quellwasser
von oben," die Quelle des Lebens, die bei dir ist, auf daß wir, nach
unserem Fassungsvermögen, von ihr besprengt, solch erhabenen Gegenstand
nach allen Seiten hin betrachten." ("Bekenntnisse", 9. Buch, lo. Kap.,
1. Absatz)
Diese Tage von Ostia, von denen Augustinus in dichterischer
Verklärtheit spricht, nahm der holländisch-französische Maler Ary
Scheffer, ein Vertreter der in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts verbreiteten sentimentalen Romantik zum Gegenstand eines
seiner berühmtesten Bilder: Zwischen Monika und Augustinus herrscht
eine beglückende Harmonie, die leicht von einer Ahnung, daß für sie die
Trennung auf dieser Erde nahe bevorsteht, überschattet zu sein scheint.
Sie sitzen eng nebeneinander, Monika ganz in Weiß gekreidet, richtet
ihr blasses, abgezehrtes Antlitz mit einem ^Blick, der schon für diese
Welt abgestorben erscheint, nach oben. Im Gegensatz dazu ist Augustins
Gewand schwarz unidunkel auch die Hautfarbe; wenn er auch jugendliche
Kraft ausstrahlt, so sind dennoch auch seine Augen voll Sehnsucht den
Höhen des Himmels zugewandt.
Mit des Heiligen eigenen Worten soll nun auch von den letzten Tagen der
Heiligen berichtet werden: "Fünf Tage etwa nachher erkrankte Monika am
Fieber. Während ihrer Krankheit überkam sie eines Tages eine Ohnmacht
und sie verlor auf Augenblicke die Besinnung. Wir redeten zu ihr,
schnell aber kehrte ihr Bewußtsein zurück, sie sah mich und meinen
Bruder, die wir an ihrem Lager standen, an und sagte zu uns in
fragendem Tone: 'Wo war ich?' Und als sie uns von der Trauer
überwältigt sah, setzte sie hinzu: 'Ihr werdet hier eure Mutter
bestatten.' Ich schwieg, indem ich meinen Tränen Einhalt gebot. Mein
Bruder aber sagte, daß sie ja hoffentlich in der Fremde nicht sterben
werde, sondern einen seligen Tod in der Heimat. Als sie dies hörte,
blickte sie ihn mit stillem Vorwurfe an, daß er so etwas dächte, wandte
sich dann zu mir und sagte: 'Siehe, was er sagt' und dann noch einmal
zu uns beiden: Bestattet hier irgendwo meinen Leib, und macht euch
deshalb keine Sorge; nur dies erbitte ich von euch, daß ihr am Altar
des Herrn meiner gedenkt, wo ihr auch sein mögt!' Nachdem sie so ihre
Willensmeinung so gut sie konnte, uns kundgetan hatte, schwieg sie und
ihre Krankheit nahm an Heftigkeit zu ... Am neunten Tage ihrer
Krankheit, im sechsundfünzigsten Jahre ihres Lebens, im
dreiunddreißigsten Jahre meines Alters ward ihre gottselige und treue
Seele vom Leibe erlöst." ("Bekenntnisse',' 9. Buch, 11. Kapitel) Sie
starb im Oktober 387.
Monika wurde in Ostia bestattet. Die Verehrung ihres Grabes erfolgte
bereits im 5., ein Kult besteht seit dem 11. Jahrhundert. 1430 wurden
die sterblichen Überreste nach Rom überführt und in der linken
Seitenkapelle der Kirche Sant' Agostino beigesetzt.
Unsere Heilige ist die Patronin der christlichen Mütter. Sie, die vor
mehr als eineinhalb Jahrtausenden lebte, somit einer anderen Kultur, ja
gleichsam einer anderen Welt angehörte, ist aber gerade für die Kirche
in ihrer gegenwärtigen Lage mehr denn je aktuell. Es gibt ja noch
immer-vielleicht sogar mehr als man
glaubt - Frauen, die infolge ihres Festhaltens am wahren Glauben ein
vereinsamtes, verspottetes und unverstandenes Glied in der Familie
geworden sind. Für sie soll und kann Monika Zuflucht, Trost und Vorbild
sein. Seit dem Konzil von Trient feiert die Kirche ihr Fest am 4. Mai.
Benützte Literatur:
"Die Bekenntnisse des Heiligen Augustinus", nach der Übersetzung von 0. Bachmann, Köln.
Artikel "Monika" in: "Dictionnaire d'archeologie chrÈtienne et de liturgie", Paris 1934, Bd. 11,2.
Stadler, Joh. Ev.:"Vollständigen Heiligenlexikon", Augsburg 1875, Bd. 4.
"Vie des saints", Paris 1947, Bd. 5.
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