DER HEILIGE GEIST
vom
hl. Johannes Maria Baptist Vianney
Der Mensch ohne Seele ist ganz Erde und Tier. Nur der Heilige Geist
kann seine Seele zu Höherem entfalten und emportragen. Warum waren die
Heiligen vom Irdischen so losgelöst? Weil sie sich vom Heiligen Geist
führen ließen. Wer vom Heiligen Geist geführt wird, denkt Rechtes. Das
erklärt, warum Einfältige oft weiser sind als die Gelehrten.
Einer Seele, in der der Heilige Geist wohnt, entströmt wunderbarer Duft
wie einem Weinstock, wenn er Blüten trägt. Wer sich vom Heiligen Geist
führen läßt, für den scheint es keine Welt zu geben. Für die Welt aber
scheint es keinen Heiligen Geist zu geben. Wenn man den Heiligen Geist
besitzt, erweitert sich das Herz. Es bleibt in der göttlichen Liebe.
Der Fisch läßt sich nie durch zu viel Wasser verdrießen. So beklagt
auch ein guter Christ sich nie, zu lange mit Gott beisammen zu sein.
Wer die Religion langweilig findet, der hat nicht den Heiligen Geist.
Die den Heiligen Geist besitzen, bleiben schlicht und demütig; sie
erkennen nämlich ihre Armseligkeit. In den Stolzen wohnt der Heilige
Geist nicht. In den Kindern der Welt wohnt der Heilige Geist nicht, und
wenn, so nur vorübergehend. Er verweilt nicht in ihnen. Der Lärm der
Welt vertreibt ihn. Die Welt sieht nur das diesseitige Leben; der
Christ aber sieht in die Tiefe der Ewigkeit.
LASST UNS DEN HEILIGEN GEIST ANRUFEN!
Wenn ein Christ vom Heiligen Geist geführt wird, fällt es ihm nicht
schwer, die weltlichen Güter im Stich zu lassen, um den himmlischen
zuzueilen.Er kann sie unterscheiden. Wer vom Heiligen Geist geleitet
wird, denkt Rechtes. So kommt es, daß es viele Unwissende gibt, die
weiser als die Gelehrten sind. Wenn wir von einem Gott der Stärke und
des Lichtes geleitet werden, können wir uns nicht irren.
Der Heilige Geist ist Helligkeit und Stärke. Er ist es, der uns das
Wahre vom Falschen, das Gute vom Bösen unterscheiden läßt. Wie durch
ein Vergrößerungsglas läßt er uns das Gute und Böse deutlich erkennen.
Mit dem Heiligen Geist sehen wir alles groß: wir erkennen die Größe der
geringsten der für Gott getanen Werke und die Größe der kleinen Fehler.
Wie ein Uhrmacher mit seiner Lupe das kleinste Räderwerk einer Uhr
sieht, so erkennen wir durch das Licht des Heiligen Geistes jeden Teil
unseres armen Lebens. Dann erscheinen die geringsten Unvollkommenheiten
schwerwiegend, und die kleinsten Sünden verursachen Schrecken.
Indem der liebe Gott uns den Heiligen Geist schickt, handelt er aus
Rücksicht zu uns wie ein großer König, der seinen Diener beauftragt,
einen seiner Untertanen zu begleiten, wobei er ihm sagt: "Du begleitest
diesen Menschen überall hin und bringst ihn mir dann wieder gesund und
heil zurück." Wie herrlich ist es, vom Heiligen Geist begleitet zu
werden! Er ist ein guter Führer. (...) Der Heilige Geist führt uns wie
eine Mutter ihr kleines Kind, wie ein Sehender einen Blinden. Jeden
Morgen sollen wir beten: "Sende mir den Heiligen Geist, damit ich
erkenne, wer ich bin und wer Du bist!..." Eine Seele, die den Heiligen
Geist besitzt, findet im Gebet eine besondere Freude, die ihr immer
wieder die Zeit zu kurz werden läßt; sie verliert niemals die heilige
Gegenwart Gottes.
(aus: Frossard: "Ausgewählte Gedanken des heiligen Pfarrers von Ars", S.83/46)
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