KAPITEL II
DAS BESONDERE PRIESTERTUM DES APOSTELS
UND DIE EIGENTÜMLICHE „POTESTAS SPIRITUALIS"
Jesus Christus hatte und hat, wie aus dem bereits Dargelegten deutlich
genug hervorgeht, allein kraft Seines Wortes durch eine einzigartige
und außerordentliche „dedicatio sacra et creatrix“, d.h. durch einen
schöpferischen WeihungsAktvollzug natürlicher und übernatürlicher Natur
(ohne rituelle Handlung), Apostel nicht jedoch Jünger
unmittelbar und ohne Ansehen der Person zu Priestern des Neuen Gesetzes
kreiert, indem Er zu ihnen sprach, was jeder hörte und auch zu
verstehen fähig war: „Tut dies…“ und „Empfanget den Heiligen Geist...“!
Das hört sich zwar sehr einfach an, ist es aber überhaupt nicht. Denn
dieser Heilige Geist ist nicht der Geist Jesu, sondern der Geist
Christi bzw. Jesu Christi, des Erlösers, und wird deshalb auch nur von
Ihm gegeben (was nicht dasselbe ist wie „gesendet“), um empfangen zu
werden. Er kam auch nicht sozusagen „von außen“ in eine sich
verwirklichende „heilige Sache“ hinein, sondern wirkte innerlich und
von innen heraus vermöge des göttlichen Menschensohnes als des HERN und
HAUPTES der Kirche. Auch das werden die Apostel als ausgewählte und
erwählte Männer sicherlich verstanden haben, zumal sie ja bereits bei
Ihm blieben, als sich einmal sogar fast alle anderen von Ihm gewandt
hatten, d.h. von Ihm abgefallen waren. Selbst Judas Iskariot war damals
bei Ihm geblieben. Es ist jedoch nur ein sentimentales Märchen, wenn
erzählt wird, dieser Apostel habe sogar ein besonderes Vertrauen
genossen, weil er die Kasse führte oder verwaltete. In Wahrheit jedoch
war er ein Mann des Geizes und lüstern nach Macht und Ansehen.
Hier legt sich n.b. die Frage nahe: wer will heute noch Priester und
insbesondere katholischer Priester werden? Es genügt doch, zuerst ein
konziliarer 'Geistlicher' und moderner klerikaler Sozialarbeiter,
Sozialpsychologe oder Psychotherapeut zu werden, um dann 'in der
Hierarchie aufzusteigen'! Allerdings nur in der Hierarchie der sog.
„römischen Konzilskirche“.
Die von Jesus Christus vollzogene sakrale „dedieatio creatrix“ war
keine Einsetzung in ein Amt oder Amtseinsetzung eine solche
Auffassung ist nicht bloß primitiv und absurd, da sie einen Sachverhalt
verwirrt und verdunkelt , sondern eine außerordentliche Übertragung und
Verleihung einer besonderen Macht (potestas), Vollmacht
(auctoritas) und Kraft (virtus) für bestimmte Zwecke und zum
persönlichen, freien Gebrauch. Dies alles aber aus reiner Gnade und
durch eine persönliche sakramentale GnadenGabe (gratia personalis)
Christi, dem Urheber (auctor) und Verleiher oder Geber (largitor)
dieser „potestas spiritualis“, die sich somit weder von Ihm trennen
läßt noch verselbständigen kann. Hier bekommt das „ohne Mich könnt ihr
nichts tun“ sein volles Gewicht.
Daraus aber folgt ein doppeltes, dessen sich die PriesterApostel von Anfang an bewußt waren:
1. daß ein Tun ohne Ihn sein Ziel nicht erreicht und dadurch ins Leere geht;
2. daß ein solches eigenmächtige Tun eine schwere Sünde ist.
Darauf bezog sich der hl. Paulus, als er im Hinblick auf seinen „Dienst
Christi bei den Heiden“ die Leute dahingehend belehrte: „Ich habe also
meinen Ruhm in (d.h. durch) Christus Jesus im Hinblick auf Gott. Denn
ich vermesse mich nicht, von etwas zu reden, was nicht Christus gewirkt
hat durch mich, um die Heiden zum Gehorsam zu führen in Wort und Tat (
... ), in der Kraft des Geistes Gottes.“ (Röm. 15, 16 f.) Viele reden
heute von den Aposteln, aber man weiß nichts von ihnen und ihrem
Priestertum. Darum laufen ja heutzutage so viele Männlein herum, die
sich Apostel und Priester nennen; dabei sind sie nicht einmal Jünger.
Schon im 19. Jahrhundert gab es 'apostolische' „Priesterlinge“ (Leon
Bloy) en masse.
Es ist der Übertragung und Verleihung der GnadenGabe einer „potestas
spiritualis“ eigentümlich, daß sie im menschlichen Geiste des
Empfängers etwas Bestimmtes bewirkt indes weder einen „geistigen
Zustand“ (habitus mentalis) noch macht sie ihn dadurch zu einem
geistlichen 'Organ' von etwas. Auch dies waren und sind ganz abwegige
Auffassungen, die bereits ein Verstehen der Hl. Schrift vermissen
lassen, aber auch auf einer maßlosen Überschätzung der bloßen „traditio
ecclesiastica“ beruhen, die ja nicht dasselbe ist wie die „traditio
divino apostolica“. Vielmehr wurde durch diese GnadenGabe ein von
Christus und Seinem Geiste unmittelbar belehrter und inspirierter
Apostel als ein erwählter „minister“ unmittelbar zu einem sakralen
„instrumentum vivens“ in der Hand Jesu Christi determiniert (nicht etwa
bloß denominiert oder designiert), und zwar, um mit dem nüchternen und
klar denkenden Thomas von Aquin zu sprechen, nach Maßgabe und kraft
einer „determinatio distinctionis et limitationis“, welcher der Apostel
unterworfen wurde. Es ist notwendig, diese Sache zu begreifen, weil man
sonst auch das Verhältnis von Person und „sakralem Amt“ (officium
sacrale) falsch bestimmt und es in seiner Eigenart gar nicht erfaßt,
sondern pseudomystischen Illusionen verfällt oder eine
christlichreligiöse „res sacra“ gleichsam durch die Hintertür
profanisiert.
Es gibt genau so wenig einen Amtspriester wie eine Amtskirche. Wer von
den Gläubigen und kirchlich Gesinnten hat sich nicht an solche
Profanisierungen gewöhnt, der Kehrseite der Medaille aller Mystizismen?
Schon für die Apostel als „minstri sacri“ galt die Wahrheit: „Niemand
nimmt sich selbst die Würde (honor et auctoritas), sondern wird von
Gott berufen wie auch (bereits) Aaron“ (Hebr. 5, 4) wohlgemerkt: von
Gott, nicht jedoch von der Kirche, geschweige denn von der Gemeinde, so
daß sich dann auch jeder Priester darüber klar zu werden hat: „Wir
tragen aber diesen Schatz in irdenen (zerbrechlichen) Gefäßen“, die wir
selber sind und bleiben, „damit das Übermaß an Kraft auf seiten Gottes
sei und nicht bei uns“ (2 Kor. 4, 7), weil diese Kraft (virtus) eben
nicht aus der menschlichen WesensNatur stammt und nicht in ihr liegt.
Nur so werden die Dinge ins rechte Licht gerückt und bekommen dann auch
einen ganz anderen Sinn und Wert als den, den man sich gewöhnlich
vorstellt oder eben nur einbildet
Zudem bewirkt die von Christus übertragene und verliehene GandenGabe
der „potestas spiritualis“ im von Ihm erwählten „minister sacer“ einen
besonderen sog. Charakter, d.h. ein (nur) dem menschlichen Geiste
eindrückbares und eingedrücktes Prägemal (signaculum) , das zugleich
ein reales „signum distinctivum et configurativum“ (Thomas von Aguin)
ist, d.h. sowohl ein Unterscheidungskennzeichen, das den Priester von
einem NichtPriester unterscheidet, als auch ein
Gleichgestaltungskennzeichen in einem freilich nur analogen Sinne. (Der
Priester ist absolut kein „zweiter Christus“, wie selbst heute noch
unter katholischen Sektierern behauptet wird.) Die Einprägung eines
jeden Charakters, der als GnadenGabe eine übernatürliche Entität und
ein Akzidenz ist, aber erfolgt nicht in der Substanz der menschlichen
GeistSeele als solcher, sondern nur in ihrer natürlichen Potenz des
geistigen Erkenntnisvermögens (potentia intellectus), um dieses auf
übernatürliche Weise zu stärken oder zu kräftigen, wenn von ihm
Gebrauch gemacht wird. Darum existiert der akzidentelle Chrakter in der
geistigen Seele nicht wie ein Habitus, sondern nur wie eine potentielle
„virtus instrumentalis“ (werkzeugliche Kraft), und verhält sich darum
auch gegenüber Gut und Böse indifferent. Von daher erklärt es sich,
warum der Charakter, obwohl er eine unzerstörbare und zweckbezogene
Entität ist, dennoch jederzeit, ja sogar ständig zweckwidrig gebraucht
und mißbraucht werden kann. Erst in der Hölle läßt sich von ihm gar
kein Gebrauch mehr machen. Er „leuchtet“ dann nur noch wie ein
Kainsmal. Priester, die Häretiker und Apostaten geworden sind, können
gar nichts anderes, als ihen sakramentalen Charakter zu mißbrauchen,
wodurch sie dann aber auch andere in ihre eigene Sünde ziehen. Bei den
zu Priestern des Neuen Gesetzes kreierten Aposteln war ein Mißbrauch
ihres sakramentalen Charakters schlechthin unmöglich, weil Gott sie auf
die hohepriesterliche Bitte Jesu Christi hin „vor dem Bösen bewahrte“.
Auch das hat sich niemals mehr wiederholt. Darum muß man die
PriesterApostel von ihren Nachfolgern sehr genau unterscheiden und darf
sie mit diesen auch nicht auf die gleiche Stufe stellen. Denn die
PriesterApostel waren keine Bischöfe, und dies schon gar nicht im
heutigen Sinne des Wortes. Dies beweist bereits die Tatsache, daß nur
die Apostel befähigt und befugt waren, TeilKirchen in der „una
Ecclesia“ Jesu Christi zu gründen. Auch ein falscher Kirchenbegriff
verstellt hier den Blick dafür.
Leider macht man sich über das auf einer außerordentlichen „dedicatio
creatrix“ beruhende Sacerdotium eines dazu erwählten Apostels, wodurch
er zu einem besonderen „instrumentum vivens“ Jesu Christi kreiert
wurde, viel zu wenig Gedanken oder auch gar keine, weil man der Meinung
ist, dies sei doch selbstverständlich und nicht weiter zu ergründen.
Wem soll das nützen? Die 'Gläubigen' von heute in der 'Kirche in der
Welt von heute' haben andere Probleme, angefangen mit der 'Krise des
Glaubens' oder 'Glaubenskrise', von der sogar alle 'Geistlichen' reden.
Dabei ist es doch schon verwunderlich genug, falls man sich als Christ
noch daran erinnert, daß Christus bei Einsetzung des „sacramentum
Ordinis“ von keinem Ritus Gebrauch machte, sondern absolut souverän und
autark verfuhr und die ganze, ja sogar gänzlich neue PriestertumsSache
allein durch Sein schöpferisches MachtWort zu bewirken (efficere), zu
verwirklichen (perficere) und zu bewerkstelligen (conficere) vermochte.
Dies muß man sich einmal ins Gedächtnis rufen und so klar wie möglich
vor Augen stellen, um dann die ganze Sache intellektiv zu erfassen und
zu durchdenken. Das ist sicherlich nicht einfach. Aber was ist denn
schon einfach, wenn „res divinae“ (göttliche Dinge und Sachverhalte)
zum Gegenstand der Erkenntnis gemacht werden? Mit dem religiösen
Glauben kann man hier nicht operieren, indem man sich auf ihn beruft
oder sich auf ihn aus weichend zurückzieht, denn es handelt sich um
keine Glaubenssache. Nun gilt aber auch im Hinblick auf das reale und
individuellkonkrete Sacer dotium einer Person der philosophische
Grundsatz: „nemo dat quod non habet“ („niemand gibt oder kann geben,
was er nicht hat und nicht selbst besitzt“). Daraus aber folgt
unmittelbar und notwendig: nicht Jesus Christus, der Messias, sondern
Christus Jesus, der einzige und wahre Hohepriester, kreierte die von
Ihm erwählten Apostel zu Priestern des Neuen Gesetzes aber als
„ministri sacri“ in absoluter Unterordnung unter Ihn, so daß sie auch
nur Anteil an Seiner sacerdotalen Macht und Vollmacht erhielten, dies
jedoch untereinander auf die gleiche Weise und im gleichen Grade und
Maße. Damit jedoch erfüllte sich die Verheißung und das Versprechen
Christi: „Wahrlich, ich sage euch: Alles, was ihr binden werdet auf
Erden, das wird auch im Himmel gebunden sein; und alles, was ihr lösen
werdet auf Erden, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ (Mt 18. 18)
Dieser Satz bezieht sich auf jeden einzelnen der PriesterApostel
persönlich, nicht aber auf ein Kollegium oder auf ein Kollektiv. Und
auch in diesem Sinne hatten die einzelnen Apostel keine Nachfolger,
einschließlich des später durch ein Gottesurteil hinzugenommenen
Matthias (Apg 1, 20 f.), wodurch die fehlende Zahl der Zwölf nur
ergänzt wurde, um Christi heiligen Willen zu ehren und ihm
nachzukommen. Denn nur im unbedingten Gehorsam zeigt und beweist sich
die Liebe zum göttlichen Menschensohn.
Es läßt sich jedoch die sacrale „dedicatio creatrix“ der Apostel zu
Sacerdotes in einem noch tieferen Sinne begreifen, nämlich ontologisch
und theologisch als eine zugleich natürliche und übernatürliche
geistige Zeugung. Denn schon der allgemeine Begriff der Zeugung hat zu
seinem Inhalt das Hervorbringen eines anderen Lebendigen in die
Ähnlichkeit von etwas (Thomas von Aquin), so daß sich auf diese Weise
dann auch die sacerdotale Verähnlichung und Konfiguration entitative
(seinshaft, nicht bloß moralisch) ermöglicht, und zwar im Modus und
nach Art einer echten „generatio secundum partem seu secundum quid“.
(Die Begriffe „Zeugung“ und „Erzeugung“ sind nicht identisch; sie
bringen verschiedene Dinge und Sachverhalte zum Ausdruck).
Im übrigen ist auch das korrelative Verhältnis: ein Hoherpriester –
mehrere PriesterApostel, ein einmaliges und unwiederholbares, so daß
die Apostel, natürlich ohne den Judas Iskariot, mit Recht als die
„Säulen der Kirche“ bezeichnet wurden. Man kann es nur der
Bescheidenheit des hl. Paulus zuschreiben, wenn er sich nur einen
„Diener Christi und Verwalter der Mysterien Gottes“ nannte. Denn nur
von ihm wissen wir, was es mit dem Hohenpriestertum des göttlichen
Menschensohnes in concreto auf sich hat. Der zum hl. Paulus gewordene
Saulus aus dem Stamme Benjamin hat es sogar auf eine besondere Weise zu
spüren bekommen, was das heißt, ein „minister sacer“ Jesu Christi und
eine „instrumentum vivens“ in Seiner Hand zu sein; er wußte auch, wie
schwer die Last der GnadenGabe einer final bestimmten und
zweckbezogenen „potestas spiritualis“ werden kann.
Klerikale und laikale Katholiken, die sich sogar als Traditionalisten
bezeichnen, wissen von alledem nichts mehr, da sie in ihrem sog.
katholischen Glauben von einer primitiven neuzeitlichen „traditio
ecclesiastica“ geprägt sind, und erfassen darum auch nicht die
diesbezüglichen häretischen neuen Lehren der „römischen Konzilskirche“
in ihrem nur katholisierenden Gewande.
Es ist somit, wie jetzt leichter erkannt werden kann, auch unwahr und
häretisch, wenn das Vatikanum 2 'lehrt': die „potestas spiritualis“
werde auch den „Presbytern“ vollinhaltlich und vor allem „zum Aufbauen
(der Kirche) übertragen. Im Aufbauen der Kirche aber müssen die
Presbyter mit allen durch echte Menschlichkeit nach dem Beispiel des
Herrn Umgang pflegen.“ (Dekret „Presbyterorum Ordinis“, Kap. II, Nr, 6)
Hier wird in Wahrheit überhaupt nicht mehr gewußt, was diese durch eine
besondere Gnade erwirkte Macht und Vollmacht eigentlich ist und zu
welchen Zwecken sie gegeben wird. Schon der hl. Paulus warnte vor
diesen dienstbeflissenen und von einem unreinen Geiste getriebenen
„Falschapostel“ und ihrem „betrügerischen Spiel mit dem Gotteswort“.
Die „potestas spiritualls“ ist begrifflich ein transzendentaler
Relationsbegriff, der dem Verhältnis von „ministerium sacrum“ und
„Sacerdotium“ zuinnerst liegt und es in seinem Sosein bestimmt. Konkret
gesprochen: alle Priester sind Diener Christi, aber nicht umgekehrt,
denn nicht alle Diener Christi sind Priester. Nicht einmal der Diakon
besitzt die „potestas spiritualis“, obwohl auch dieser zur Hierarchie
(in der Kirche) gehört, d.h. zu der von Gott stammenden „heiligen
Rangordnung“, die jedoch nur heilig ist, weil sie von Gott gewollt ist.
Darum darf man auch jenes Dogma des Konzils von Trient nicht
mißverstehen oder ihm einen Sinngehalt geben, den es nicht hat: „Wer
sagt, es gebe in der katholischen Kirche keine durch göttliche
Ordination (= Anordnung) eingerichtete Hierarchie, die aus Bischöfen,
Presbytern und Dienern besteht, der sei ausgeschlossen.“ (Sessio XXIII,
Can. 6)
Vom Papst als solchem ist hier nicht die Rede, und unter diesen Dienern
(ministri) sind insbesondere die Diakone gemeint. Indes hat dieses
Dogma nichts mit unserer Thematik zu tun, da es gänzlich außerhalb
derselben liegt. Wesentlich für sie und entscheidend ist jedoch die
Erkenntnis der Tatsache, daß der durch die eigentümliche „potestas
spiritualis“ gesiegelte PriesterApostel der Anfangspunkt, nicht jedoch
der Ursprung (!), des sakramentalen Priestertums des Neuen Gesetzes
ist. Denn der Ursprung dieses Priestertums ist allein Christus Jesus
als der einzige und wahre Hohepriester nach der Ordnung und Ähnlichkeit
des Melchisedech, und der dies aber wiederum „ nicht nach der Norm
fleischlicher (d.h. natürlicher, in der Natur des Menschen liegender)
Ordnung geworden ist, sondern nach der Kraft eines unzerstörbaren
Lebens“. (Hebr 7, 16)
Das besondere, außerordentliche und einzigartige Priestertum der
erwählten Apostel aber endete mit ihrem Tode. Darum konnten sie auch
nur das vererben, was sie hatten, nicht aber, was sie nicht hatten (sie
waren keine Hohenpriester), und also 'nur' das sakramentale Priestertum
oder das „sacramentum Ordinis“.
Es blieb dem häretischen Vatikanum 2 vorbehalten, daraus eine
grundlose, irreale und wesenlose Erscheinung gemacht zu haben durch
Eliminierung und Auslöschung der besonderen, distinguierenden und
zweckbezogenen „potestas spiritualis“, die sich nur durch das „Verbum
incarnatum“ ermöglicht und vermittelt und deren Eigentümlichkeit auch
darin besteht, „sich auf körperliche (sinnlich wahrnehmbare) Dinge
ausdehnen zu können, ähnlich der idealen Kunst, in deren SinnZiel es
liegt, jedwede (materiellen) Dinge auf ihr SinnZiel hinzubefehlen
(machtvoll hinzuordnen, ad finem imperare).“ (Thomas von Aquin, Suppl.
q 23 a1 ad 1) Darum kann man den durch eine „dedicatio creatrix“
kreierten und gezeugten PriesterApostel als solchen auch als ein wahres
und lebendiges KunstWerk des göttlichen Menschensohnes bezeichnen. (Es
ist deshalb auch leicht zu verstehen, warum die abergläubigen Leute in
Lystra den hl. Paulus für einen Gott in Menschengestalt hielten,
hingegen die arroganten Zeitgenossen in Athen nur für einen
„interessanten Mann“.
Das sakramentale Priestertum des Neuen Gesetzes oder das besondere
„sacramentum Ordinis“ ist ohne die GnadenGabe des „potestas
spiritualis“ gar nicht denkbar und verlöre ohne sie jeglichen Sinn und
Zweck. Übertragen und verliehen, d.h. wirklich gegeben aber wird diese
GnadeGabe Christi nur in einem sakramentalen „ritus sacralis“ oder
Sakramentsritus der Kirche, weil diese selbst eine Gründung Jesu
Christi ist. Die konkrete SeinsGestalt des zugleich natürlichen
und übernatürlichen Ordo, in dem das Sacerdotium Novae Legis zum
Ausdruck kommt und sich reflektiert, aber ist ein eigenes, ja sogar
eigenständiges und fürsich–seiendes Sakrament, das jedoch nicht die
Kirche, sondern Christus „eingesetzt“ hat.
Andererseits wiederum ist es ein Irrtum zu sagen (wie z.B. Pater August
Groß und alle Ritualisten), Christus habe „die“ Sakramente eingesetzt.
Vielmehr hat Christus, der Herr in seiner göttlichen Weisheit zum Wohle
der Kirche Sakramente eingesetzt, d.h. gegeben und zum Gebrauch
hinterlassen, weil so etwas überhaupt noch nicht existierte und weil Er
dies aus bestimmten Gründen, die in der Natur des Menschen liegen, auch
für notwendig erachtete.
An sich hätte Christus Seine Gnadenvermittlung auch auf eine andere
Weise als durch sinnlich wahrnehmbare Dinge (res sensibiles)
bewerkstelligen können, ähnlich wie Er es selbst getan hat. Dies aber
hätte die geistige Fassungskraft der Menschen im allgemeinen weit
überstiegen und wäre somit auch unangemessen gewesen. Daß es aus Gnade
und Barmherzigkeit so etwas wie Sakramente überhaupt gibt, das ist
allein Sein Werk im Unterschied zu den SakramentsRiten, für die Er nur
die Fundamente festgelegt hat, sowohl vor seinem Tode (angefangen mit
dem Taufsakrament) als auch nach Seiner Auferstehung. Seither aber gilt
für alle sieben wahrhaft heiligen Sakramente das gleiche Seinsgesetz
und die gleiche Wesenswirklichkeit, nämlich: sie bezeichnen nicht bloß,
was sie bewirken, sondern sie bewirken, was sie bezeichnen (efficiunt
quod figurant). Damit aber steht man wiederum vor einer Problematik,
die selbst den Kirchenvätern noch nicht bewußt geworden war, heutzutage
jedoch jedenfalls der Vergessenheit weitgehend anheim gefallen ist oder
zu verdunkeln gesucht wird, um auch so das sakramentale Priestertum zu
zerstören und aus der Welt zu schaffen.
Es hilft darum auch nicht, bei den Kirchenvätern nach Erkenntnishilfen
zu suchen, um ein erst viel später erkanntes Problem klar erfassen und
lösen zu können. Dies aber geht nicht ohne den schon lange vergessenen
Thomas von Aquin, auch wenn man sich manchmal noch auf ihn beruft, aber
ohne ihn wirklich verstanden zu haben. Manche Kirchenväter haben das
besondere „Sacerdotium Novae legis“ in der „sancta Ecclesia“, wenn sie
darauf überhaupt zu sprechen kamen, derart verspiritualisiert und 'in
den Himmel gehoben', daß von dem sakramentalen Priestertum fast gar
nichts mehr übrig blieb. Im Gegensatz dazu aber unterliegt es heute
einer allgemeinen Entsakralisierung und wird bis zum Exzeß profaniert.
Die „potestas spiritualis Ordinis“ der vermeintlichen „ministri sacri“
hat sich heutzutage in blauen Dunst aufgelöst.
Dieser Verlust zeigt sich auch an bestimmten negativen Auswirkungen,
z.B. an dem generellen Fehlen intellektueller Spiritualität und
Unterscheidungskraft in den „res religiosae et divinae“. Diese sich auf
die Potenz des Intellekts beziehende GnadenGabe disponiert zu nichts,
sondern qualifiziert nur seine Potenzialität zu etwas und zu etwas
Bestimmtem, das ihm als Ziel und Zweck vorgegeben ist, da sie als eine
übernatürliche Gabe nur eine Erkräftigung und Kraft (virtus) und so
auch nur ein Mittel zum Zweck ist, das der menschliche Geist nicht von
sich selbst her und aus sich selbst besitzt. Wenn ein Kirchenvater
meinte: „Der erleuchtete und erleuchtende Stand der Priester leitet in
Unterordnung unter den Stand der gotterfüllten Bischöfe die
(religionsmündigen) Täuflinge zum göttlichen Anblick des Sakramentes (
... )“, dann war das zwar sehr fromm gedacht, aber dennoch ein großer
Irrtum. Die PriesterApostel würden sich zu so etwas nie verstiegen
haben. Der sacerdotale Ordo „erleuchtet“ niemanden und macht niemanden
„gotterfüllt“. Es gibt auch heute noch viele Gläubige, die von einem
solchen Aberglauben geprägt sind. Ein Geweihter, vor allem ein Bischof,
ist für sie ein irgendwie Erleuchteter mit einem besonderen Draht zum
Hl. Geist. Damit aber wird alles in eine Pseudomystik getaucht und geht
in ihr unter.
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