DER HL. LAURENTIUS VON BRINDISI
von
Eugen Golla
Laurentius entstammt dem ehemaligen Königreich Neapel, wo er in
Brindisi, der im äußersten Südosten Italiens gelegenen Stadt, als Sohn
des Patriziers Gugliemo Rosso und seiner gleichfalls einem vornehmen
Geschlechte angehörenden Ehefrau Elisabeta Masella am 22. Juli 1559
geboren wurde. Es war dies wenige Wochen vor dem Tode Papst Paul IV.,
der kurz vorher seine in der gegenwärtigen Lage der Kirche besonders
aktuell gewordene Bulle "Cum ex apostolatus officio" erlassen hatte,
die bestimmte, daß die Wahl eines Mannes, der tatsächlich irgendeinmal
vom Glauben abgewichen sei, ungültig sein solle.
Der Knabe, der in der Taufe den Namen Julius Cäsar erhalten hatte, fiel
frühzeitig nicht nur durch außerordentliche Schönheit, sondern auch
durch seine tiefe Frömmigkeit auf, so daß er der "kleine Engel" genannt
wurde. Im Alter von etwa 12 Jahren verlor er seinen Vater. Obwohl seine
Mutter ihn bei sich behalten wollte, verließ er kurze Zeit danach seine
Heimatstadt und begab sich nach Venedig zu einem Onkel, einem
Geistlichen, der die Erziehung der Kleriker in San Marco leitete. Aber
nur kurze Zeit oblag er dort den Studien, denn bereits im Alter von 16
Jahren faßte er den Entschluß, in Verona in den Kapuzinerorden
einzutreten, wo er den Namen Laurentius erhielt. Nach einem Jahr
strenger Askese - er trug Eisenketten, fastete dreimal wöchentlich bei
Brot mit Kräutern und meditierte fast ununterbrochen über die Leiden
Christi - durfte er am Tage vor Maria Verkündigung die Gelübde ablegen,
worauf er zu weiteren Studien nach Padua gesandt wurde. Hier bot sich
ihm die Gelegenheit, zusätzlich seine erstaunliche Sprachbegabung
auszubilden, so daß er in den Stand gesetzt wurde, Deutsch,
Französisch, Spanisch, Tschechisch, Syrisch und Hebräisch fließend zu
sprechen. Es hieß, er habe diese Fähigkeit auf wunderbare Weise vom
Himmel erlangt.
Obwohl er nach fünf Studienjahren die Ämter eines Lektors, Predigers
und Diakons versah, weigerte er sich aus Demut, die Priesterweihe zu
empfangen. Nachdem er sie aber aus Gehorsam 1583 empfangen hatte,
begann seine großartige Laufbahn als Missionar, Ordensoberer und
Diplomat. Am Anfange seiner segensreichen Tätigkeit wirkte er vor allem
als Prediger. So übernahm er in Venedig nach den Ausschweifungen des
berüchtigten dortigen Karnevals die Fastenpredigten, wobei es ihm
gelang, eine Kourtisane, die, wie es damals oft vorkam, das Gotteshaus
als Stätte des Kokettierens benützte, zu bekehren. Aufgrund seiner
hervorragenden Kenntnis des Hebräischen wurde er auch damit betraut,
den Juden, die besonders im Kirchenstaate verpflichtet waren, zu
bestimmten Zeiten katholischen Predigten beizuwohnen, hebräisch zu
predigen. 1599 mußte der Heilige als Generalkommissar seines Ordens
sein Arbeitsfeld in das vom Protestantismus schwer bedrängte Deutsche
Reich verlegen. Und so zogen im Herbst dieses Jahres von Venedig aus 12
Kapuziner unter seiner Führung über Tirol nach Wien, wobei sie auf dem
beschwerlichen Wege wegen ihrer bloßen Füße und des bisher außerhalb
Italiens noch unbekannten Ordensgewandes der Kapuziner viel Spott
ertragen mußten. Vier, unter ihnen unser Heiliger, begaben sich dann
von Wien nach Böhmen, wo sich der Erzbischof von Prag eifrig bemühte,
die trostlose Lage der dortigen kirchlichen Verhältmisse zu verbessern.
Es gelang Laurentius, in Prag - unweit des Hradschin, der damaligen
Residenz des Kaisers Rudolf II. - ein Kapuzinerkloster zu errichten,
dem bald weitere Niederlassungen, zuerst in Wien und Graz, dann auch in
den katholischen Gebieten des Reiches, vor allem in Süddeutschland,
folgten. Damit war die Grundlage für das so segensreiche Wirken der
Kapuziner, die neben den Jesuiten eine der wirksamsten Stützen der
Gegenreformation wurden, gelegt.
Es darf aber nicht vergessen werden, daß Laurentius besonders in Prag
mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, da die auf ihre
Rechte pochenden protestantischen Stände Böhmens die Ausweisung des
neuen Ordens forderten. Es gelang ihnen, dem gemütskranken,
argwöhnischen Kaiser Mißtrauen gegenüber den Patres einzuflößen. Um die
Jahrhundertwende nahm in Mitteleuropa die Gefahr einer türkischen
Invasion zu; mit wechselndem Erfolg kämpften christliche Truppen im
westlichen Ungarn gegen den Islam, so daß besonders die
österreichischen Länder ständig bedroht waren. 1601 erhielt Laurentius,
der im Auftrag des Kaisers bei den deutschen Fürsten um Beiträge für
einen neuen Feldzug warb, vom Papst den Auftrag, als oberster
Feldgeistlicher nach Ungarn mitzuziehen. Wie ein zweiter Capistran, das
Kreuz in der Hand, noch besonders unterstützt durch seine
Sprachkenntnisse - setzte sich doch das christliche Heer aus
verschiedenen Völkern des Abendlandes zusammen - wurde Laurentius
gleichsam die Seele dieser Kämpfe, die mit der Eroberung der wichtigen
Stadt Stuhlweißenburg ihren Höhepunkt erreichten. Daßüber die an Zahl
vier - bis fünfmal überlegenen Türken der Sieg davongetragen wurde,
wobei die Zahl der Verluste auf Seiten der Christen auffallend gering
war, wurde dem Charisma des Heiligen zugeschrieben.
Vielfache Mißstände und Uneinigkeit unter den christlichen Heerführern
verhinderten allerdings eine Ausnutzung des Sieges, ja Stuhlweißenburg
ging bereits im folgenden Jahre wieder verloren. 16o2 in Rom zum
Ordensgeneral gewählt, fiel dem Heiligen nunmehr die Aufgabe zu, die
Klöster seines Ordens in Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland
zu visitieren, wobei er die weiten Strecken trotz schlechtem
Gesundheitszustande meist zu Fuß zurücklegte. Auf Wunsch Kaiser Rudolfs
beauftragte der Papst Laurentius, einige Jahre später, wieder als
Generalkommissar nach Prag zurückzukehren. Diesesmal erwarteten ihn,
der nunmehr mit einflußreichen Mitgliedern der Regierung in Verbindung
stand, Aufträge, die viel diplomatisches Geschick verlangten.
Zwischenzeitlich trat er als Generalkommissar der bayerischen Kapuziner
in enge Beziehungen zu Herzog Maximilian, der ihm öfters in der
Gruftkapelle des Kapuzinerklosters ministriert haben soll. Als sein
Berater hatte er auch einen wichtigen Anteil an dem Vorgehen des
Bayernherzogs gegen die Reichsstadt Donauwörth zum Schütze der dortigen
katholischen Minderheit, aber auch an der Gründung der katholischen
Liga. 1612 missionierte er Bayern, geschützt durch eine ihm von Herzog
Maximilian beigegebenen Wache, sowie die angrenzenden Gebiete und
Reichsstädte.
Im darauffolgenden Jahr verließ er Deutschland, um hauptsächlich in
Italien zu wirken, wobei er vor allem im Auftrage von Kaiser und Papst
in Lehensstreitigkeiten und Kriegen zu vermitteln versuchte. 1618
betreuten ihn die vom spanischen Vizekönig unterdrückten Neapolitaner
mit der Verteidigung ihrer Rechte vor dem spanischen König. Auf dieser
Reise starb er in Lissabon am 22. Juli 1619, seinem 60. Geburtstag.
Begraben wurde er im Kloster der Klarissinen in Villafrance in der
spanischen Provinz Galicien.
Der heilige Laurentius von Brindisi war auch ein bedeutender
theologischer Schriftsteller, dessen persönliche Spiritualität von der
franziskanischen Tradition geprägt ist. Grundlagen sind weniger die
großen klassischen Theologen als die Heilige Schrift, die er in einer
schier unglaublichen Intensität zitiert und erläutert. So wird auch
berichtet, er habe aufgrund seines außerordentlichen Gedächtnisses
gestanden, er könne die gesamte hebräische Bibel aus dem Gedächtnis
wieder herstellen, falls sie verloren ginge. Bedeutend ist sein
Mariale, eine zu Ehren und zum Lobpreis der Gottesmutter verfaßte
Mariologie.
Er war aber auch auf dem Gebiete der Controverse tätig. Am bekanntesten
ist seine in Prag verfaßte Hypotyposis Polycarpi Laiseri, die ihm den
Titel eines zweiten Canisius Deutschlands verschaffte. Sie ist eine
Widerlegung zweier Predigten des lutherischen kursäschsischen
Hofpredigers Polycarp Laiser mittels biblischer Beweisgründe. Trotz
stärkster Inanspruchnahme durch die ihm gestellten Aufgaben unterzog
sich der Heilige unermüdlich sämtlichen asketischen Übungen in der
Nachfolge Christi. So schlief er auf hartem Lager, erhob sich in der
Nacht, um Psalmen zu singen und widmete Stunden dem Gebete und der
Meditation. Den wichtigsten Platz unter seinen Andachten nahm das Lesen
der hl. Messe ein, das bisweilen mehrere Stunden, ja sogar 14-16, in
Anspruch nahm, wenn er in ekstatische Visionen, ja Unempfindlichkeit
gegen Schmerzen, an denen er litt, fiel. All dies hinderte ihn aber
nicht, übertriebene Strenge oder süßliche Sentimentalität abzulehnen.
Schließlich darf in einer Schilderung seines Charakters nicht die
Bemerkung fehlen, daß er nicht nur alle Ehrungen ausschlug, sondern
sich auch nicht fürchtete, vor hochgestellten Persönlichkeiten
unerschrocken die Wahrheit zu sagen. Seine Seligsprechung erfolgte 1783
durch Papst Pius VI! Papst Leo XIII. versetzte ihn 1881 unter die
Heiligen, und bestimmte als seinen Gedenktag den 7. Juli.
BENÜTZTE LITERATUR:
Pastor, Ludwig Freiherr v.: Geschichte der Päpste, Band 11 und 12, Freiburg 1927.
Artikel Laurentius v. Brindisi in: Allgemeine Deutsche Biographie, 18. Band, Leipzig 1883;
Dictionnaire de spiritualit, Band 9, Paris 1976;
Stadler, Joh. Ev.: Vollständiges Heiligenlexikon in alphabt. Ordnung, 3 Band, Augsburg 1869;
Vies des Saints, Band 6, Paris 1948; '
Wetzer und Weite: Kirchenlexikon, 7. Band, Freiburg 1891.
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