DAS MYSTERIUM DES OPFERS DER HL. MESSE
von
H.H. Pfr. Werner Graus
Meinen Ausführungen, die nun folgen, lege ich hauptsächlich die
Gedanken von Kard. Billot S.J. "De sacramentis" Rom 1393, Bd. I, und
Matthias Scheeben "Mysterien des Christentums" zugrunde.
I. Christus ...
...wird genannt: Hoherpriester nach der Ordnung des Melchisedech, der
Brot und Wein opferte und Priester und König zugleich war. Der hl.
Paulus bezeugt das Opfer des Neuen Bundes mit folgenden Worten: "Wir
haben einen Altar, von dem jene nicht essen dürfen, die dem Zelte
dienen." So wird Christus, der seinen Leib und sein Blut unter den
Gestalten von Brot und Wein opfert, in Wahrheit ein Priester nach der
Ordnung des Melchisdech genannt. Das Konzil von Trient selbst sieht im
Meßopfer jenes Opfer, das vom Prophet Malachias vorausgesagt wurde:
"Das ist jenes reine Opfer, das durch keine Unwürdigkeit und
Schlechtigkeit derer, die es feiern, befleckt werden kann, von dem der
Herr durch Malachias vorhersagte, es werde seinem Namen, der groß sein
werde unter den Heidenvölkern, an jedem Ort als reine Gabe
dargebracht."
Alle Opfer des Alten Bundes sind Sinnblider des kommenden
Kreuzesopfers. Das Blut der Opfertiere, das vergossen wurde, ist
Sinnbild des Blutes des wahren Gotteslammes. Die Gläubigen des Alten
Bundes wurden gerechtfertigt durch den Glauben an den kommenden
Messias. So waren die Opfer des Alten Bundes Schatten und leere Bilder
des zukünftigen Opfers Christi, das allein von den Sünden reinwaschen
kann. Sie waren Zeichen des Glaubens an den kommenden Messias. Wenn es
schon notwendig war, vor der Menschwerdung durch einen feierlichen
Opferkult die Hoffnung auf die zukünftige Erlösung aufrecht zu
erhalten, dann war es nicht weniger nötig, das Gedächtnis der schon
geschehenen Erlösung zu wahren und Gott immer wieder das Lamm
darzustellen, das seit Beginn der Welt getötet ist (vgl. Apok. XIII,8).
Also mußte es im Neuen Bund ein Opfer geben, das das Kreuzesopfer im
Gedächtnis hatte, so wie die vergangenen Opfer es vorbildeten im
Sinnbild. Aber das Opfer des Neuen Bundes ist ein Opfer, dessen
Opferlamm in Wahrheit Christus selbst ist. Es ist ein und dasselbe
Opfer wie das Kreuzesopfer, da Hauptopferer und Opfergabe dieselben
sind wie am Kreuz. Ebenso durfte es nur ein Opfer sein, nicht viele
Opfer wie im Alten Bund.
Der Wesenskern des Meßopfers ist in der Konsekration -
Transsubstantitation der beiden Gestalten zu finden. Integrierender
Bestandteil ist die Kommunion, weil zum Opfer das Opfermahl gehört. Die
Opfergaben von Brot und Wein bei der Opferung sind die unabdingbare
materielle Voraussetzung, weil sich an diesen Opfergaben das Opfer
Christi vollzieht durch die Transsubstantiation. Das Opfer der Messe
wird in der Person Christi dargebracht: der Priester ist nur Instrument
und Werkzeug Christi, der sich des Mundes und der Hände des Priesters
bedient, um unter den Gestalten von Brot und Wein Gott Vater seinen
Leib und sein Blut darzubringen. Dies ist der Wesenskern des Meßopfers.
Das Opfer muß sich unter den Gestalten von Brot und Wein vollziehen,
weil das Vorbild, Melchisedech, Brot und Wein opferte. Die hl. Messe
ist ein wahres Opfer und das lebendige Bild jenes Opfers, dessen
Gedächtnis im erlösten Volk zu bewahren war. Die Opfergabe bei der hl.
Messe ist nichts anderes als der Leib und das Blut Christi. Das Konzil
von Trient bestimmte: "Er brachte Gott, dem Vater, seinen Leib und Blut
dar unter den Gestalten von Brot und Wein (...) und befahl ihnen und
ihren Nachfolgern im Priestertum, dieses Opfer darzubringen". Nachdem
das Opfer geschehen ist, wird mit dem "Pater noster" das Mahl begonnen.
II. Das Kultopfer...
... gehört als solches zu den äußeren Zeichen; es muß offiziell
geordnet sein und es muß irgendeine symbolische Ähnlichkeit haben mit
dem inneren Opfer, das es bezeichnet. Äußere Opfer, äußere Handlungen
und Gaben, die das innere Opfer versinnbilden, d.h. kultische Opfer,
werden nur Gott dargebracht. In diesem Opfer wird Gott als höcnster
Herr und Schöpfer aller geehrt. Durch dieses äußere Opfer bringt der
Mensch den inneren Affekt der Anbetung zum Ausdruck, durch den er sich
Gott gänzlich weiht und unterwirft. Der sinnbildliche Opferakt ist die
reale Zerstörung der Opfergabe (durch Töten und Verbrennen -
Ganzopfer/Brandopfer), was die völlige Hingabe durch den Opfernden an
Gott versinnbildet. Für das Opfer im Sakrament genügt es, daß die
Opfergabe unter einem gewissen Habitus des Todes als gegenwärtig
hingestellt wird; es genügt, daß diese Opfergabe seinen Tod bezeichnet.
Opfer und Sakrament kommen darin überein, daß beide ein äußeres
heiliges Zeichen sind. Das Sakrament als äußeres Zeichen ist Zeichen
der verursachenden Gnade; das äußere Opfer ist Zeichen des inneren
Kultes.
III. Unterschied zwischen Kreuzesopfer und Meßopfer:
a) Am Kreuze opferte Christus allein; er opferte sich selbst, jedoch
nicht als Haupt der schon konstituierten Kirche, sondern vielmehr zu
dem Zweck und Ziel, daß er sich die Kirche erwerbe. Das Meßopfer ist
jenes Opfer, welches "vervollkommnet" wird durch den mystischen Leib,
der seinem Haupt geeint ist. Hierin liegt das Charakteristikum der hl.
Messe im Unterschied zum Kreuzesopfer. Es wird sowohl von Christus
dargebracht als Haupt, sein Selbstopfer sakramental erneuernd und
gegenwärtig setzend, als auch von dem Diener (Priester), als auch von
der Gemeinschaft der Gläubigen, jedoch auf verschiedene Weise: von
Christus als dem Haupt und höchsten Priester wie beim Abendmahle; vom
Diener als vom wahren Priester, aber in Unterordnung unter den
Hauptpriester und gleichsam als Instrument; schließlich aber von der
ganzen Kirche der Gläubigen als vom Volk durch den Priester "offerimus
de tuis donis ac datis" (im Gebet nach der Wandlung "Unde et memores").
b) Der mystische Leib ist auf dieses Opfer bezogen durch Glaube und
Liebe (durch Wollen) und im Zeichen durch das, was geopfert wird: die
Kirche ist in der Messe als Opfernde und Geopferte jedenfalls in
Einheit mit ihrem Haupt. Der hl. Augustinus sagt: "Da die Kirche mit
ihrem Haupt ein Leib ist, lernt sie, sich mit ihm selbst zu opfern."
Also hat die Kirche eine Intention, daß durch das Opfer des Leibes und
Blutes Christi die Hinopferung ihrer selbst immer mehr bewirkt werde.
Das ist der Grund, warum Christus unter jenen Sinnbildern geopfert
wird, durch die der mystische Leib versinnbildet wird.
c) Die hl. Messe wird wenigstens direkt nur für die dargebracht, die
zur Kirche gehören (weil sie die Zuwendung der Früchte des
Kreuzesopfers ist). Das Kreuzesopfer wurde für alle dargebracht, aber
es kommt nicht allen zugute. Das Opfer der Messe wird im Augenblick der
Konsekration allen Zwecken der Kirche zugewandt durch das, was der
Priester in der Person Christi vollzieht. Das Opfer im Sakrament muß
nicht erst bereitet werden, aber die Gaben von Brot und Wein werden
auch geopfert im Hinblick auf die Transsubstantiation selbst, bei der
sich das Opfer vollzieht. Auch die Darstellung des Kreuzesopfer allein
macht die Messe noch nicht zu einer Opferhandlung; dann wäre sie nur
ein Gedächtnis des Kreuzesopfer (und keine Opferhandlung).
Vom Begriff des kultischen Opfers her genügt (im äußeren Zeichen) eine
symbolische Opferung zur Ehre Gottes, ein Opfer, das nur ihm gebührt:
dies kann geschehen sowohl durch reale wie durch mystische Opferung:
bei der hl. Messe ist es mystisch real, weil der wirkliche Leib Christi
gegenwärtig ist unter den Sinnbildern seines Opfers: Leib und Blut
unter den äußeren Gestalten sakramental getrennt. Mystisch heißt:
Christus wird nicht in seiner eigentlichen Gestalt geopfert wie am
Kreuz. Er ist leibhaft gegenwärtig, aber in einer anderen Daseinsweise.
Es ist aber derselbe Leib, der empfangen wurde vom Hl. Geist, der
geboren wurde und gelitten und auferstanden ist, wie dies alle
Kirchenväter bezeugen.
Übrigens bedeutet der Ausdruck "Brot brechen" bei den Hebräern nicht
"zur Speise hinstellen", sondern "opfern und darbringen". Die
Konsekration ist eine Handlung (die der Priester in der Person Christi
vollzieht), die von Natur aus darauf abzielt, Christus im äußeren
Zustand seines Todes hinzustellen durch die sakramentale Trennung von
Leib und Blut. Diese folgt notwendig aus der Natur der Sache, d.h.
kraft der Wandlungsworte, die, weil sakramental, bewirken, was sie
bezeichnen.
(von der Redaktion überarbeitet und gekürzt.)
|