"IHR WERDET MICH SUCHEN UND NICHT FINDEN." (JOH. 7,34)
vom
hl. Augustinus
"Ihr werdet mich suchen und nicht finden, und wo ich bin, könnt ihr
nicht hingehen." Hier hat er bereits seine Auferstehung vorhergesagt.
Sie wollten ihn nämlich nicht erkennen, da er gegenwärtig war, und
suchten ihn nachher, da sie sahen, daß eine Menge an ihn glaubte. Denn
große Zeichen geschahen, auch als der Herr auferstand und zum Himmel
auffuhr. Da wurde durch die Jünger Großes vollbracht, aber er
vollbrachte es durch sie, der es auch durch sich selbst vollbrachte. Er
hatte ja zu ihnen gesagt: "Ohne mich könnt ihr nichts tun". Als der
Lahme, der an der Tempelpforte saß, auf das Wort des Petrus sich erhob
und auf seinen Füßen einherging, so daß die Leute sich verwunderten, da
sprach Petrus zu ihnen, er habe dies nicht in eigener Macht getan,
sondern in der Macht dessen, den sie getötet. Viele sprachen
zerknirscht: "Was sollen wir tun?". Sie sahen sich nämlich eines
ungeheuren Vergehens der Gottlosigkeit schuldig, da sie jenen töteten,
den sie hätten verehren und anbeten sollen, und dies hielten sie für
unvergebbar. Denn es war eine große Freveltat, deren Betrachtung sie
hätte in Verzweiflung bringen können; allein es brauchten nicht zu
verzweifeln die, für welche der Herr am Kreuze hängend zu beten sich
würdigte. Er hatt ja gesagt: "Vater,
verzeih ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun". Er sah einige als
die seinigen unter vielen Fremden, er bat bereits um Vergebung für
jene, von welchen er noch Unrecht erlitt. Denn er achtete nicht darauf,
daß er durch sie starb, sondern darauf, daß er für sie starb. Es ist
viel, was ihnen gewährt wurde, mag es von ihnen ausgegangen sein oder
für sie geschehen sein, damit niemand wegen der Nachlassung seiner
Sünde verzweifle, da sogar jene Verzeihung erlangten, die Christus
getötet haben. Christus ist für uns gestorben; aber etwa durch uns?
Dagegen jene sahen Christus durch ihre Freveltat sterben, und sie
glaubten an Christus, der ihren Freveltaten verzieh. Bis sie das Blut
tranken, das sie vergossen hatten, verzweifelten sie an ihrem Heile.
Also in diesem Sinne sagte er: "Ihr werdet mich suchen und nicht
finden, und wo ich bin, könnt ihr nicht hinkommen", nämlich daß sie ihn
nach der Auferstehung zerknirscht suchen würden. Er sagte nicht: Wo ich
sein werde, sondern: "Wo ich bin". Denn immer war Christus dort, wohin
er zurückkehren sollte, da er so kam, daß er sich von dort nicht
entfernte. Daher sagt er an einer andern Stelle: "Niemand steigt zum
Himmel empor, außer wer vom Himmel herabgestiegen ist, der
Menschensohn, der im Himmel ist"; er sagte nicht: der im Himmel war.
Auf Erden redete er und im Himmel ist er nach seiner Aussage. Er kam
so, daß er von dort sich nicht entfernte; er kehrte so zurück, daß er
uns nicht verließ. Was wundert ihr euch? Gott tut dies. Der Mensch ist
nämlich dem Leibe nach an einem Orte und entfernt sich vom Orte, und
wenn er an einen andern Ort gekommen ist, ist er nicht mehr an dem
Orte, von dem er gekommen ist; Gott aber erfüllt alles und ist überall
ganz und wird nicht auf räumliche Weise durch die Orte festgehalten.
Der Herr Jesus Christus war jedoch nach dem sichtbaren Fleische auf
Erden, nach der unsichtbaren Majestät im Himmel und auf Erden. Darum
sagt er: "Wo ich bin, könnt ihr nicht hinkommen". Er sagte auch nicht:
Ihr werdetnicht können, sondern: "Ihr könnt nicht"; denn sie waren
damals so beschaffen, daß sie nicht konnten. Denn damit ihr wisset,
dies sei nicht gesagt, um zur Verzweiflung zu führen, so sagte er auch
zu seinen Jüngern etwas Ähnliches: "Wohin ich gehe, könnt ihr nicht
hinkommen", während er doch in seinem Gebete für sie sprach: "Vater,
ich will, daß, wo ich bin, auch sie mit mir seien". Schließlich
erklärte er das dem Petrus und sagte zu ihm: "Wohin ich gehe, kannst du
mir jetzt nicht folgen, du wirst aber später nachfolgen".
"Da sagten die Juden", nicht zu ihm, sondern "zu sich selbst: Wohin
will er gehen, daß wir ihn nicht finden werden? Will er etwa in die
Zerstreuung der Heiden gehen und die Heiden lehren?" Sie wußten nämlich
nicht, was sie sagten, aber weil er wollte, weissagten sie. Denn der
Herr wollte in der Tat zu den Heiden gehen, nicht durch die Gegenwart
seines Leibes, aber dennoch duich seine Füße. Welches waren seine Füße?
Jene, welche Saulus in der Verfolgung zertreten wollte, da ihm das
Haupt zurief: "Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?". "Was ist das
für eine Rede,daß er sprach: Ihr werdet mich suchen und nicht finden,
und wo ich bin, könnet ihr nicht hinkommen?" Worüber der Herr dies
sagte, wußten sie nicht, und doch verkündeten sie etwas Zukünftiges
vorher, ohne es zu verstehen. Der Herr sagte dies nämlich, weil sie den
Ort, wenn es übrigens ein Ort genannt werden darf, d.h. den Schoß des
Vaters, den der eingeborene Sohn Gottes nie verließ, nicht kannten, und
weil sie nicht zu denken fähig waren, wo denn Christus war, wovon
Christus sich nicht trennte, wohin Christus zurückkehren wollte, wo
Christus blieb. Wie soll das menschliche Herz imstande sein, dies zu
denken, geschweige denn durch die Jünger zu erklären? Dies also
verstanden sie auf keine Weise, und doch sagten sie bei dieser
Gelegenheit unser Heil voraus, daß nämlich der Herr in die Zerstreuung
der Heiden gehen und erfüllen würde, was sie lasen und nicht
verstanden: "Ein Volk, das ich nicht kannte, diente mir, im Aufhorchen
des Ohres gehorchte es mir". Jene hörten nicht, vor deren Augen er war,
diese hörten, in deren Ohren er klang.
Von der aus den Heiden kommenden Kirche nämlich war die Frau, welche am
Blutfluß litt, ein Symbol; sie berührte und wurde nicht gesehen, sie
wurde nicht erkannt und wurde geheilt. Es war sicherlich ein Vorbild,
daß der Herr fragte: "Wer hat mich berührt?" Gleichsam als würde er sie
nicht kennen, heilte der die Unbekannte; so tat er auch den Heiden. Wir
lernten ihn nicht im Fleische kennen und wurden gewürdigt, sein Fleisch
zu essen und in seinem Fleische Glieder zu sein. Warum? Weil er zu uns
sandte. Wen? Seine Herolde, seine Jünger, seine Diener, seine Erlösten,
die er erschaffen, aber die er auch als seine Brüder losgekauft hat,
all das ist noch zu wenig - seine Glieder, sich selbst; er sandte
nämlich zu uns seine Glieder und machte uns zu seinen Gliedern. Dennoch
nach seiner Körpergestalt, welche die Juden sahen und verachteten, war
Christus nicht bei uns, weil auch die von ihm gesagt worden war, wie
auch der Apostel schreibt: "Denn ich sage, Christus sei Diener der
Beschneidung gewesen um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, zur
Bestätigung der Weissagungen der Väter". Zu jenen mußte er kommen, von
deren Vätern und deren Vätern er verheißen wurde. Darum sprach auch er
so: "Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel".
Aber was sagt der Apostel im Folgenden? "Die Heiden aber sollen für die
Bannherzigkeit Gott preisen". Was sagt auch der Herr selbst? "Ich habe
noch andere Schafe, welche nicht aus diesem Schafstalle sind". Der
gesagt hatte: "Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel
gesandt", wie hat der andere Schafe, zu denen er nicht gesandt ist, als
weil er andeutete, seine körperliche Gegenwart sei er nur den Juden zu
zeigen gesandt, die ihn sahen und töteten? Und doch haben von da an
viele sowohl früher wie später geglaubt. Die erste Ernte, wurde mit dem
Kreuze geworfelt, damit ein Same wäre, aus dem eine andere Ernte
erwüchse. Jetzt aber, da, durch den Ruf des Evangeliums und seinen
guten Geruch erweckt, seine Gläubigen über alle Völker hin glauben,
wird er die Erwartung der Völker sein, bis er kommt, er, der schon
gekommen ist; bis er von allen gesehen wird, er, der damals von einigen
nicht gesehen wurde, von einigen gesehen wurde; bis er kommt, um zu
richten, er, der kam, um gerichtet zu werden; bis er kommt, um zu
unterscheiden, er, der kam, ohne unterschieden zu werden. Denn Christus
wurde von der Übeltätern nicht unterschieden, sondern mit den
Übeltätern gerichtet; es heißt ja von ihm: "Er war unter die Übeltäter
gerechnet". Der Räuber kam durch, Christus wurde veruteilt. Der
Verbrecher fand Gnade, verurteilt wurde der, welcher die Verbrechen
aller, wenn sie dieselben bekennen, nachließ. Dennoch war auch das
Kreuz, wenn du acht gibst, ein Richterstuhl; indem nämlich der Richter
in der Mitte sich befand, wurde der eine Räuber, der glaubte,
freigesprochen, der andere, der spottete, verdammt. Schon deutete er
an, was er mit den Lebendigen und den Toten tun wird. Der eine Räuber
hat Ähnlichkeit mit denen zur Linken, der andere mit denen zur Rechten.
Er wurde gerichtet und drohte mit dem Gerichte.
(aus: "Vorträge über das Evangelium des hl. Johannes",
31. Vortrag; "Bibliothek der Kirechenväter" Bd.11, Kempten u. München
1913, S.91-95.)
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