DER HL. DAMASUS - PAPST UND BEKENNER, + 384
von
Eugen Golla
Im Jahre 366 ging ein ereignisreiches Pontifikat zu Ende, welches der
Kirche manche herbe Niederlagen bereitet hatte: Liberius starb, jener
Papst, der als Modellfall eines im Glauben irrenden Pontifex in die
Geschichte eingegangen ist, wenn auch seine Verfehlungen im Vergleich
zu denen der 'Päpste1, die Pius XII. nachfolgten, gering waren.
Gleichsam als Nachspiel zu des Liberius schwächlicher Haltung, die er
zwar durch mancherlei Leiden abbüßte und durch späteren Eifer
wiedergutzumachen suchte, kam es nun zu einer Doppelwahl. Während eine
Minderheit den Diakon Ursinus erhob, entschied sich die Mehrheit von
Klerus und Volk Roms für Damasus, der wie damals üblich, anschließend
in der Lateran-Basilika die Weihen erhielt.
Damasus, Diakon an der Kirche des hl. Laurentius zu Rom, war der Sohn
eines Geistlichen, der zuletzt als Priester an demselben Gotteshaus
gewirkt hatte wie sein Sohn. In frühchristlicher Zeit waren ja die
kirchenrechtlichen und disziplinären Zölibat sbestimmungen noch nicht
in Kraft. Damasus blieb es nicht erspart, um seine Anerkennung als
Papst zu kämpfen, wobei es im Laufe der Zusammenstöße rivalisierender
Gruppen über hundert Tote gegeben haben soll, wofür nach
widersprechenden Überlieferungen Damasus oder UisLnus verantwortlich
gewesen sein sollen. Die Gefahr eines Schismas schien erst gebannt, als
der Gegenpapst Ursinus auf Befehl des Kaisers nach Gallien verbannt
wurde.
In den sechzig Jahren seit der Befreiung des Christentums aus den
Katakomben hatte sich manches geändert - nicht nur zum Vorteil der
Kirche, wenn man nicht irdische Maßstäbe anlegt. Der Vergangenheit
gehörte die Zeit an, in welcher der Kaiser noch zu Liberius
geringschätzig sagen konnte: "Welche Bedeutung hast du für die Welt?"
Mögen auch noch unter Damasus siebzig Priester, sieben Diakone sowie
einige Notare ausgereicht haben, die Kirche zu regieren, inzwischen war
der Stuhl Petri so begehrenswert geworden, daß der heidnische Priester
Praetextatus auf des Damasus Bekehrungsversuche lächelnd erwidert haben
soll: "Man mache mich zum Bischof Roms und gleich will ich Christ
werden." Ein entsprechendes Bild voll Ironie, welches diese Tendenz
unterstützt, entwirft der Heide Ammianus Marcellinus, der bedeutendste
Historiker der lateinischen Spätantike, vom damaligen christlichen Rom:
"Sobald man nämlich diese Stellung (d.i. die eines Bischofs von Rom)
erlangt hat, genießt man in Ruhe einen mittels der Großzügigkeit der
Frauen gesicherten Wohlstand. Man zeigt sichaufwendig gekleidet zu
Wagen, man veranstaltet Gastmähler, deren Luxus den der königlichen
Bankette übertrifft."
Damasus, der sich seit seiner Jugendzeit durch Gottesfurcht und
Enthaltsamkeit auszeichnete, bemühte sich, ein vom Kaiser erlassenes
Gesetz streng und unnachsichtig auszuüben, welches den Geistlichen
verbot, sich auf Kosten der rechtmäßigen Erben in die Häuser von Witwen
und Waisen einzuschleichen, um Geschenke und Vermächtnisse zu erlangen.
Mißbehagen gegenüber diesen strengen Maßnahmen zur Wiederherstellung
der alten Kirchenzucht, aber auch Intrigen des ehemaligen Gegenpapstes
Ursinus, dem nun Mailand als Wohnsitz angewiesen worden war, bereiteten
dem Papst dauernd Schwierigkeiten. Schließlich wurde er auf dessen
Betreiben von einem konvertierten, dann jedoch wieder abgefallenen
Juden namens Isaak schwerer, aber im einzelnen nicht bekannter
Verbrechen bezichtigt, wobei im Prozeßverlauf auch römische Kleriker
gefoltert wurden. Ein kaiserliches Gericht sprach den Papst frei und
Isaak wurde verbannt. Schließlich erreichte Damasus die Anerkennung der
geistlichen Gerichtsbarkeit in Glaubens- und Sittenfragen sowie die
Vollstreckungspflicht bischöflicher Urteile durch den Staat, wodurch
die Grundlagen für die Ausbildung eines besonderen Gerichtsstandes für
den Klerus, das privilegium fori, gelegt waren.
Während seiner Regierungszeit nahm die Bedeutung des Arianismus, da er
nicht mehr von den Kaisern unterstützt wurde, im Westreich ab. Sich zum
Ziel setzend, ihn ganz zu beseitigen, betonte Damasus, daß das
nicänische Symbolum, das ja unter Mitwirkung Roms zustandegekommen war,
für das ganze Reich Geltung besitze, somit Rom über die
Rechtgläubigkeit eines Bekenntnisses zu entscheiden habe.
Von großer Bedeutung war auch die von ihm 378 einberufene Synode. Auf
ihr wurde die von Bischof Apollinaris von Laodicäa vertretene
Auffassung, Jesus sei kein wahrer Mensch gewesen, da er keine
menschliche Seele gehabt habe, sein vom Himmel herabgekommener Leib sei
nicht leidensfähig gewesen und die Jungfrau Maria habe ihn auch nicht
wirklich geboren, nochmals verdammt. Im Jahre 380 erließen die Kaiser
des Römischen Reiches, insbesondere der zum Mitkaiser ernannte
Theodosius, ein Gesetz, gemäß welchem sich sämtliche Untertanen zum
Glauben an die Gottheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen
Geistes, die zur göttlichen Trinität zusammengeschlossen sind, zu
bekennen haben, wie ihn der Apostel Petrus einst die Römer gelehrt und
wie ihn jetzt Bischof Damasus und Petrus von Alexandria, der Nachfolger
des Athanasius, bekennen. Das seit dem Mailänder Edikt Kaiser
Konstantins von 313 mit den anderen Religionen gleichberechtigte
Christentum wurde nun Staatsreligion.
Wahrscheinlich trugen die intelligenten und geduldigen Bemühungen des
Papstes, der es vorzog, mehr in der Stille zu wirken, wesentlich zu
diesem Beschluß bei, der das Heidentum seinem Untergang weihte. Papst
Damasus dürfte sich allerdings nicht bewußt gewesen sein, daß diese
Festigung der Vorrangstellung Roms mittels staatlicher Hilfe,
insbesondere staatskirchlicher Gesetzgebung, ein zweischneidiges
Schwert war. Gerade aber diese staatliche Anbindung führte die Kirche
in den folgenden Jahrhunderten in Bahnen, die ihr oft gefährlich und
mehr schädlich als nützlich waren.
Kaiser Theodosius berief 382 ein Konzil in seine Hauptstadt
Konstantinopel ein, an dem zwar weder der Papst noch die Bischöfe des
Abendlandes teilnahmen, das aber infolge der Annahme seiner Beschlüsse
durch die Gesamtkirche zu den ökumenischen Konzilien zählt. Wichtig ist
die auf dieser Kirchenversammlung erfolgte Verurteilung der Irrlehre
der Macedonianer, welche die Gottheit des Hl. Geistes leugnete. Das im
Anschluß an die Anathematisierung verfaßte Glaubensbekenntnis enthält
ausführlich die Lehre über den Hl. Geist: "Wir glauben an den Hl.
Geist, den Herrn und Lebendigmacher, der vom Vater ausgeht, der mit dem
Vater und dem Sohn zugleich angebetet und verherrlicht wird, der durch
die Propheten gesprochen hat." Dieses Glaubensbekenntnis, das mit dem
nicänischen unter dem Namen "nicäno-konstantinopolitanisches
Glaubensbekenntnis" vereint wurde, ist das Credo unserer hl. Messe (mit
der späteren Einfügung des "filioque").
Eine Gefahr für den Primat und Vorrangstellung Roms bedeutete ein Kanon
dieses Konzils, der bestimmte, daß der Bischof der Kaiserresidenz
Konstantinopel besonders privilegiert sei und deshalb den Vorrang der
Ehre nach dem Bischof von Rom besitzen müsse. Papst Damasus wehrte die
drohende Erhöhung des Bischofs der Kaiserstadt Konstantinopel über
sämtliche Bischöfe des Ostens, insbesondere über die von Antiochien und
Alexandria ab, indem er - wahrscheinlich auf seiner Synode von 382 -
verkünden ließ: "Wenn auch alle über den Erdkreis zerstreuten Kirchen
ein Brautgemach Christi sind, so hat doch die heilige römische Kirche
den Vorrang vor den übrigen Kirchen, nicht aufgrund irgendwelcher
Synodalbeschlüsse, sondern sie hat den Primat erhalten durch das Wort
unseres Herrn und Erlösers im Evangelium, der sprach: 'Du bist Petrus,
und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen', und so weiter. Dazu
gesellt sich noch die Gemeinschaft des seligsten Apostel Paulus, des
'Gefäßes der Auserwählung', der nicht zu anderer Zeit, wie die
Häretiker schwätzen, sondern zu gleicher Zeit, am selben Tage, mit
Petrus unter Kaiser Nero durch glorreichen Tod die Märtyrerkrone
errang. In gleicher Weise haben sie die heilige römische Kirche dem
Herrn Christus geweiht, und sie haben ihr vor allen anderen Städten auf
der ganzen Welt durch ihre Gegenwart und ihren verehrungswürdigen
Triumph den einzigartigen Vorrang gegeben. Die römische Kirche ist also
der erste Sitz des Apostels Petrus, 'ohne Fleck oder Runzel oder irgend
etwas dergleichen' (Eph. 5,27). Der zweite Sitz ist zu Alexandria im
Namen des seligen Petrus von seinem Schüler, dem Evangelisten Markus,
geweiht worden; er selbst hat in Ägypten, vom Apostel Petrus entsandt,
das Wort der Wahrheit gepredigt und das glorreiche Martyrium vollendet.
Der dritte Sitz des seligsten Apostels Petrus wird in Antiochien in
Ehren gehalten, weil er dort wohnte, bevor er nach Rom kam, undweil
dort der Name 'Christen' des neuen Geschlechtes entstanden ist."
Daß Damasus wissenschaftlich gebildet und an der Förderung der
Theologie interessiert war, beweist sein Verhältnis zum hl. Hieronymus.
Er wurde nicht nur der Privatsekretär des Papstes, sondern erhielt auch
von ihm den Auftrag, die im Umlauf befindlichen lateinischen Texte der
Evangelien und des Psalters zu verbessern, woraus die Vulgata, die
lateinische Bibel entstand. Trotz dieser anstrengenden Arbeiten
übernahm es Hieronymus auch, als wortgewandter Prediger freimütig gegen
die in der Ewigen Stadt eingerissene Sittenlosigkeit aufzutreten, was
ihm viele Feindschaften eintrug, so daß er bald nach dem Tode des
Papstes Rom verließ, um nach Bethlehem zu gehen.
Dem hl. Damasus wird auch der Zusatz des "Ehre sei Gott..." am Ende
jedes Psalms zugeschrieben, wenn auch dieser Brauch möglicherweise
schon älteren Ursprungs gewesen ist. Der Name Damasus lebt aber in Rom
bis zum heutigen Tage fort, ist doch dieser Papst gleichsam der "Papst
der Katakomben" geworden. Von dem Gedanken beseelt, die glorreiche Zeit
der heldenhafte Kämpfe des frühen Christentums nicht in Vergessenheit
geraten zu lassen, ließ er, nicht damit zufrieden, daß seit Konstantin
zu Ehren berühmter Märtyrer zum Teil prächtige Basiliken wie St. Peter,
St. Paul, St. Laurentius und St. Agnes errichtet worden waren, die in
der diokletianischen Christenverfolgung zugeschütteten Eingänge der
Katakomben wieder aufgraben, sowie Lichtschächte, Stützmauern und
bequeme Treppen anlegen. Überall, wo er fündig wurde und Gräber zum
Teil schon vergessener Glaubenszeugen identifizieren konnte, ließ er
selbst-verfaßte metrische Inschriften auf Marmor in schönen,
kunstvollen Buchstaben von seinem Freund Furius Dionysius Philokalus
anbringen, von denen uns etwa 60, teils nur als Fragment, erhalten
geblieben sind. Vor allem die aus dem 3. Jahrhundert stammende
Papstgruft ließ er mit Marmor auslegen und zwei lange Inschriften
anfertigen, eine zu Ehren sämtlicher, in ihr ruhender Märtyrer, die
andere für Papst Sixtus II. und seine Gefährten.
Gewiß ist der literarische Wert dieser Inschriften nicht bedeutend,
auch wurde vielfach bedauert, daß die Restaurierungen die ursprüngliche
Gestalt mancher Katakomben zerstört haben. Dem muß aber
entgegengehalten werden, daß diese Bemühungen des Papstes nicht nur die
Katakomben in unterirdische Heiligtümer verwandelten, die im Laufe der
Zeiten zahllose Pilger besuchten, sondern auch die Identifizierung
vieler Gräber ermöglichten.
Der hl. Damasus starb etwa achtzigjährig nach einem Pontifikat von 18
Jahren. Seine Reliquien wurden später in seine Titelkirche San Lorenzo
in D·maso übertragen. Sein Haupt schenkte Papst Klemens VIII. im Jahre
1596 der Petersbasilika. Die Kirche San Lorenzo in D·maso enthält
leider keine weiteren Erinnerungen an unseren Heiligen. Sie wurde in
den Palazzo delle Cancelleria einbezogen, den sich zu Ende des 15.
Jahrhunderts der sehr verweltlichte und reiche Nepot des
Renaissancepapstes Sixtus IV., Kardinal Raffaele Riario, erbauen ließ.
Die Kirche feiert das Fest des hl. Damasus am 11. Dezember.
Literaturangaben:
Artikel "Damasus I. in: "Chronologische Reihenfolge der Römischen Päpste" Würzburg 1831
"Handbuch der Kirchengeschichte" Band 11/1, Freiburg 1973
Seppelt, F.X.: "Geschichte der Päpste" l.Bd., München 1954
"Vies des Saints" Bd. XII, Paris 1956
Wetzer und Welter: "Kirchenlexikon" 3.Bd., Freiburg 1884
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