DIE HINGABE AN GOTT GESCHIEHT IM OPFER
von
H.H. Pastor V.A. Stuyver
übersetzt von Helene Heynsbrock-Müller
Der Mensch kann in Wahrheit seinem schicksalhaften Dasein nicht
ausweichen. Sein metaphysisches Verhältnis in Beziehung zu seinem
Schöpfer ist konstitutiv, solange der Mensch Mensch bleibt.
In dieser Hinsicht enthält ein Kult ohne Opfer eine Lüge oder ein
Versäumnis: die ontologische Wahrheit über das Wesen des Menschen wird
immer dort verdunkelt und verzerrt werden. Symptomatisch für den
heutigen Trend sind Fragen wie: "Darf das Opfer (bis heute die
Grundlage der eigentlichen Kulthandlung) fortan als überwunden
betrachtet werden?" - "Ist das Stadium, in dem man Opfer darbrachte,
nicht endlich wie andere Entwicklungsphasen zu Ende gegangen?" - "Tritt
der Mensch nun schließlich in eine Welt ein, in der das Opfer
abgeschafft ist?" Die Antwort auf solche und ähnliche Fragen lautet:
Diese Annahme(n) ist(sind) nur der Erfolg der heutigen geistigen
Entwicklung, (in der man das Opfer Christi ablehnt und sich selbst
weigert, sich in dieses Opfer miteinzuschließen; Anm.d.Red.) Das Opfer
als Wesensmerkmal für die Beziehung des Menschen zu Gott, dem Schöpfer,
ist jedoch unaufhebbar!
Falls der 'Vatikan' die gesamte Schöpfung ihres Wesens berauben will,
um die Kirche Gottes und die Völker zu verderben, dann war das
Schlagwort "Refaire l'eucharistie" ("Stellt die Eucharistie wieder
her") dazu bestens geeignet, um nämlich das Opfer als solches durch
Begriffsverwirrung (bzw. durch einen semantischen Betrug, d.h. durch
Unterlegung eines anderen Sinnes bei Beibehaltung der gleichen Termini)
auszurotten. So ist dann auch die "abominatio desolationis" ("der
Greuel der Verwüstung) über uns gekommen und hat alle göttlichen
Verordnungen mit in seinen Sog gezogen.
Im Gottesdienst erhält das Opfern zudem einen besonderen Charakter.
(...) Die unmittelbare Begegnung des Menschen mit Gott in der
verborgenen Sich-Offenbarung Gottes setzt die Selbst-Verleugnung des
Menschen nicht außer Geltung, sondern sie gibt ihm eine zusätzliche
Verantwortung, während sie dem Opfer zugleich eine neue Modalität
zuweist. (...) Auf diese Weise entstand zusätzlich im Opfergottesdienst
noch ein Moment der Verehrung, eingepflanzt auf die intuitive Ehrfurcht
dem Absoluten gegenüber. Der Herr soll im Opfer hinfort nicht nur
anerkannt, sondern auch aufgesucht werden. Schon in dem Stand der
Urgnade (und auch noch nach dem Sündenfall im Paradies) hatte der
Allmächtige herniedergeschaut auf die Bescheidenheit seiner Schöpfung.
Er konnte mit ihr handeln nach seinem hochheiligen Willen, nur dem
Menschen, seinem Ebenbild, ist er unmittelbar in Achtung seiner
Freiheit begegnet. Er schloß mit ihm einen verfassungsgemäßen Bund, den
Er ihm, ihn schöpfend, verliehen hatte. Und Gott bindet den Menschen,
sein Ebenbild, in sein Erlösungswerk mit ein. (...)
Christus hat in seinem Kreuzesopfer und durch sein Sacrificium das
Opfer mit einem übermächtigen, alles übersteigenden Wesenszug der Liebe
ausgestattet. Sonderbar, selbst heute noch - trotz der Abnutzung durch
viele Jahrhunderte und unerachtet aller Verfälschung und Verflachung-
hat der Opferbegriff - bis hinein in die Umgangssprache - diesen
Wesenszug behalten und bewahrt. Denn sagt man "Opfer", wird immer dabei
auch an Liebe gedacht, und umgekehrt. Besonders im germanischen
Sprachraum sind "Opfer" und "Liebe" korrelative Begriffe geblieben.
Dieses Wesensmerkmal der alles übersteigenden Liebe im Opfer enstammt
geradewegs aus der Dreieinigkeit, wo der Vater und der Sohn in Einheit
des Heiligen Geistes Liebe sind, in der Begegnung der göttlichen
Personen. Wenn nun Gott dieses innere Leben der Liebe ins Herz seiner
Schöpfung propfen wollte, dann war dieses Vorhaben gebunden an die
Zustimmung des Menschen, an die Annahme des sich offenbarenden
Gottessohnes, der seine Liebe dem Vater anträgt, bis zur Hingabe, bis
zum Tod am Kreuz sich opfernd, zur Erlösung der Menschen, sich
aufopfernd auf den Altären, die katholisch blieben. In dieses Opfer
soll sich der Mensch einschließen, um mit dem Sich-Aufopfernden eins zu
werden. |